Lieber Herr, dir danken wir, weil wir so viele Erfahrungen mit deiner Güte machen dürfen.
Ich möchte ganz ausdrücklich auch für viel Bewahrung heute danken, für deine Hilfe in allen Situationen.
Aber auch dort, wo du uns durch Tiefen führst, wo du uns Schmerzliches erfahren lässt und keine beglückenden Antworten gibst, bist du dennoch da.
In solchen Momenten hast du noch Besonderes mit uns vor, und wir wollen das immer besser lernen. Vielen Dank dafür.
Lieber Herr, danke, dass du jetzt zu uns durch dein Wort redest. Amen!
Einführung und Rückblick auf Galater 2,1-10
Ich greife noch einmal zurück auf das, was wir beim letzten Mal gehört haben. Das ist natürlich ein Schlüsselabschnitt, nämlich Galater 2, Verse 1 bis 10. Wir freuen uns auf die Freizeit in Freolzheim, das ist schön. Dort ist nur im Jugendzimmer oben noch ein bisschen Platz, aber sonst ist alles gefüllt. Wenn noch jemand irgendwo ist, es gibt manchmal Verschiebungen – wunderbar.
Galater 2,1-10: Danach, vierzehn Jahre später, zog ich abermals hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm auch Titus mit mir. Dieses Ereignis ist in der Apostelgeschichte 15 beschrieben. Paulus war also schon auf der ersten Missionsreise in den Städten, die wir auf unserer Türkeireise besuchen: Derbe und Lystra. Diese besuchen wir zwar nicht, aber unten bei Antalya und so weiter, wo er über den Taurus hinüberging. Dort war Barnabas sein Begleiter, ebenso wie Titus.
Ich zog aber hinauf aufgrund einer Offenbarung und besprach mich mit ihnen über das Evangelium, das ich unter den Heiden predige. Besonders aber sprach ich mit denen, die Ansehen hatten, damit ich nicht etwa vergeblich lief oder gelaufen wäre. Selbst Titus, der bei mir war und ein Grieche war, wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen.
Denn es hatten sich einige falsche Brüder eingeschlichen, um unsere Freiheit auszukundschaften, die wir in Christus Jesus haben, und uns zu knechten. Denen wichen wir auch nicht eine Stunde und unterwarfen uns ihnen nicht, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestehen bliebe.
Von denen aber, die Ansehen hatten – was sie früher gewesen sind, daran liegt mir nichts, denn Gott achtet das Ansehen der Menschen nicht – haben mir die, die Ansehen hatten, also im Apostelgeist, nichts weiter auferlegt. Im Gegenteil, da sie sahen, dass mir das Evangelium an die Heiden anvertraut war, so wie Petrus das Evangelium an die Juden,
denn der in Petrus wirksam gewesen ist zum Apostelamt an den Juden, ist auch in mir wirksam gewesen unter den Heiden. Und da sie die Gnade erkannten, die mir gegeben war, gaben Jakobus – das ist nicht der Apostel Jakobus, sondern der Herrnbruder, der leibliche Bruder Jesu, Jakobus, der in Jerusalem in der Gemeindeleitung nach Petrus war –
Jakobus, der in der Gemeindeleitung in Jerusalem nach Petrus und Johannes, die als Säulen angesehen werden, mir und Barnabas die rechte Hand und wurden mit uns eins, dass wir unter den Heiden predigen sollten, sie aber unter den Juden. Nur dass wir an die Armen dächten, was ich mich auch eifrig bemüht habe zu tun.
Persönliche Erfahrungen und Herausforderungen im Glauben
Mir hat vorhin jemand aus unserem Kreis erzählt, er wolle es nicht selbst berichten, von einer Begegnung, die er mit einem Mann hatte, den er aus seiner früheren Jugend kannte. Dieser junge Mann hatte ihn damals, als er noch zu keinem Bibelkreis gehörte, in einen Bibelkreis gebracht.
Als er ihn jetzt wiedertraf, stellte sich heraus, dass dieser Helfer in seinem Leben zur Erkenntnis der Wahrheit heute buddhistischer Mönch ist.
Das war eigentlich das, was ich vorhin gehört habe. Wir sollten das im Originalton von dem in unserer Mitte hören, wie das so ist. Er sagte, es sei besser so, denn er sei sehr aufgerieben und beunruhigt. Das bewegt ihn sehr stark, dass ein Mensch in dieser ganzen Hingabe eines Mönchslebens, der einem buddhistischen Orden im Ruhrgebiet beigetreten ist, so etwas Faszinierendes erlebt. Keiner von uns nimmt sein Glaubensleben so ernst wie solch ein Buddhist.
Derjenige, der es erzählte, sagte: „Ich erlebe doch dauernd, dass ich keinen eigenen Entschluss, den ich bei mir habe, verwirklichen kann. Ich scheitere doch fortwährend, auch als Christ, an mir selbst. Ich kann mich doch immer nur wieder über mich furchtbar ärgern. Ich kann mich doch immer nur der Gnade Gottes wieder überlassen.“
Und das war für mich so ein herrliches Ding, dass man heute Abend so beginnen muss.
Die Suche nach Erlösung und die Bedeutung der Gnade
Warum das immer wieder in unseren Köpfen auftaucht? Der junge Mann hat doch irgendwo im Bibelkreis alles erkannt. Er meint: Wie Kinder, die größer werden und sagen: „Mama, jetzt kann ich es selbst.“
Man meint, man könne sich mit seinem ganzen Intellekt, mit seinem Wissen, seiner moralischen Güte, seiner Reinheit und seinem edlen Herzen vor Gott hocharbeiten. Mich hat es sehr gefreut, dass gleich jemand unter uns intuitiv sagte: „Ich kenne gar nicht viel vom Buddhismus, aber im Grunde geht es um diesen Kampf.“
Kann ich mich selbst erlösen? Kann ich mich befreien aus der Niedrigkeit dieser Welt? Deshalb geht es im Buddhismus darum: Wie komme ich zu mir selbst? Und dann schließt man sich in dieses Nichts ein. Wie kann ich mich lösen? Wie kann ich in diese Ruhe, in diesen Frieden kommen? Ein hoch interessantes Thema.
Wenn wir auch wieder von Christen hören, die in Ländern leben, in denen der Buddhismus verbreitet ist – in Japan oder gerade in Ostasien – und die zurückkehren, sagen sie oft, was sie an Christus fasziniert hat. Dann kommt immer der Punkt der Gnade Jesu.
Mein Schwiegersohn Michael Zarembe hatte am letzten Sonntag in Fellbach einen Jugendgottesdienst und hat dort gepredigt. Danach kam ein junger Mann zu ihm und sagte: „Ich bin ja gar nicht mit allem einig, was Sie sagen, aber es hat mir trotzdem sehr gefallen, wie Sie es gesagt haben.“
Das ist ja so typisch, wollte er sagen. Es war interessant, und ich bin nicht eingeschlafen oder es war nicht langweilig. Aber warum müssen Sie eigentlich immer so vom Kreuz reden? Es genügt doch, dass Jesus Christus der Herr ist.
Die zentrale Bedeutung des Kreuzes im christlichen Glauben
Sie gehören heute natürlich immer mehr zu christlichen Gemeinden. Es gibt Leute, die sagen: Das Christliche interessiert mich, besonders das Moralische und die Bergpredigt von Jesus. Aber das mit dem Gekreuzigten brauche ich nicht.
Ich habe am Sonntag formuliert, dass mir einer von den Jüngeren der Gemeinde gesagt hat: Du sagst manche Dinge so scharf, dass man sich darüber ärgert. Doch je länger man darüber nachdenkt, erkennt man, dass das, was die Bibel sagt, eigentlich richtig ist. Und das ist gut. Ärgern Sie sich ruhig eine Weile daran, aber schauen Sie in der Bibel nach. Dort habe ich gesagt, dass ich nur durch das Kreuz zum Glauben an Jesus kommen kann.
Das ist jetzt die entscheidende Frage: Warum sagt Paulus das? Das war auch das, was uns Fritz Laubach das letzte Mal hier erzählt hat. Was sagt Paulus? Er sagt: Ich war ein ganz gesetzeseifriger Jude.
Es ist für jeden Israelreisenden faszinierend, an der Klagemauer zu stehen und zu sehen, mit welcher Hingabe die Menschen fünfmal am Tag beten. Wie sie sich vor Sonnenaufgang im Mikwe baden und ihr ganzes Leben im Gebet darbringen.
Paulus hatte noch einen besonderen Eifer im Judentum, alle falsche Lehre zu bekämpfen. Vor allem aber hatte er einen Hass auf diese komische Nazarener-Sekte, die behauptete, Jesus würde leben. Er war auf dem Weg nach Damaskus, als er ein besonderes Erlebnis hatte.
Die Offenbarung Christi und die Bedeutung der Vergebung
Jetzt ist es grundverschieden, wie Gott das macht. Er nennt hier das nur, sagt er, er hat in Vers 16 im vorigen Kapitel offenbart, dass er seinen Sohn in mir offenbarte. Das muss man sich einmal ansehen.
Für uns ist der Kernpunkt des Glaubens – ich sage es noch einmal so frech, wie ich es am Sonntag gesagt habe – nicht die Kirchenmitgliedschaft. Es ist auch nicht wichtig, wie die Taufe geschieht. Vielmehr ist entscheidend, ob ein Mensch Jesus erkennt. Das ist der Punkt des Glaubens: diese Christusbeziehung. Ohne diese Christusbeziehung gibt es kein Christentum.
Paulus sagt, das war der Punkt in seinem Leben: Er hat Christus erkannt. Was hat er erkannt? Er hat gemerkt, dass Christus lebt. So kennen wir es aus der Apostelgeschichte: "Der, den du verfolgst, der lebt." Aber in dem Augenblick wurde ihm natürlich auch sein Versäumnis klar. Er hat gegen Christus gekämpft, gegen die Wahrheit verstoßen.
Über dieses ganze Erleben hinweg entdeckte er dann den Ananias, der ihm die Hand auflegte und sagte: "Deine Schuld ist weggenommen, Gott hat dir vergeben." Das ist das Wunder der Vergebung.
Das Kreuz als Zeichen der Verfluchung und der Erlösung
Jetzt müssen Sie noch Folgendes wissen: Für einen Juden war ein Mensch, der am Kreuz hing, ein von Gott Verfluchter. Für Juden heute in Israel gibt es nichts Schlimmeres als das Kreuzeszeichen. In Israel gilt das Kreuz als das Allerschlimmste, und es regt sie furchtbar auf.
Deshalb hatte auch die judenchristliche Gemeinde in ihren Kirchenräumen kein Kreuz, weil ein Jude sonst gar nicht hineingehen würde. Sie sagen: Wir predigen an das Kreuz. Aber das Kreuz als Symbol war natürlich auch durch die Geschichte hinweg immer wieder ein behaftetes Zeichen.
Für Paulus war es ein erschütterndes Erlebnis: der Verfluchte am Kreuz. So schreibt er es auch in seinen Briefen. Der Verfluchte am Kreuz lebt und ist Gottes Sohn. Der Verfluchte am Kreuz ist der Gottessohn, der Heilige, der mein Leben erneuert. Er ist die Kraft meines Lebens, von dessen Gnade ich lebe, der mich lieb hat und mir den Himmel aufsperrt. Er ist derjenige, der meinen Tod besiegt.
In Jesus ist alles gebündelt, wonach ein Mensch je streben kann. Alle Weisheit, alle Schätze der Weisheit, sagt Paulus im Kolosserbrief, sind in Christus enthalten (Kolosser 2,3). Das war für ihn ein Schlüsselerlebnis: Christus zu entdecken ist alles.
Die Offenbarung des Sohnes Gottes als Grundlage des Glaubens
Jetzt stellt sich für uns immer wieder die Frage: Wie kann ich das machen, wenn jemand fragt, wie meine Tochter, mein Onkel oder meine Mutter Christus erkennen können?
Paulus sagt dazu, dass dies nicht von Menschen geschieht. Es ist immer ein Wunder Gottes. Man kann daran nichts ändern. Doch ich darf das Wort hören. Das geschieht ja immer so: Wenn ich das Wort höre – so kennen Sie das – war es bei Ihnen vielleicht bei einer Evangelisation oder wenn jemand Sie angesprochen hat. Dann haben Sie Christus erkannt, es wurde Ihnen etwas klar, und Sie kamen zum Glauben.
Und wieder das Gleiche: Sie sind über die Erkenntnis Ihrer Schuld zu einer beglückenden Erfahrung mit Jesus gekommen. Paulus nennt diesen ganzen Vorgang so: Gott offenbart uns seinen Sohn Jesus. Sein Heilswerk ist ein neues Schauen.
Das ist nicht die Fülle von Dingen, die man auswendig lernt. Es ist eine Erkenntnis, ein Verstehen: „Ach so, Christus!“ Und dann ist durch Christus plötzlich der Zugang da. Gleichzeitig hat er mich berufen. Darum ist diese Offenbarung geschehen.
Das haben wir auch am letzten Sonntag besprochen: Warum und wozu hat er mich zum Glauben gerufen? Damit ich ein Zeuge des Evangeliums werde.
Der Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums
Was ist das Evangelium? Es bedeutet, von Christus anderen Menschen zu erzählen. Ganz einfach, damit ich ein Zeuge des Evangeliums werde.
Im Vers heißt es: „Unter den Heiden“ – das hat Gott damals zu Ananias gesagt, bei der Seelsorge in Damaskus. Gott berief ihn, unter die Heiden bis hin zu den Königen das Evangelium zu predigen – Christus für die Heiden.
Für Paulus, der Jude war, war das ein völlig undenkbarer Gedanke. Wir wissen noch, wie schwer es für Petrus war, ebenfalls Jude, mit dieser Situation umzugehen. Petrus sagte, es sei unrein, bei dem Hauptmann Cornelius, einem Römer, ins Haus zu gehen. Das war für ihn undenkbar.
Für Paulus war es genauso ein Schock. Er war Rabbiner, ein theologischer Lehrer in der Synagoge und Schüler des Rabbi Gamaliel. Für ihn war es völlig unvorstellbar, warum er das Evangelium gerade den Heiden verkünden sollte.
Paulus erkannte, dass hier ein großes Problem lag. Christen fügten dem eigentlich einfachen Evangelium viele menschliche Gebote hinzu. Das war eine Not aller Generationen.
Für Petrus war es ganz normal, dass ein Heide, der zu Jesus kommt, sich beschneiden lassen muss und die ganzen Vorschriften des jüdischen Glaubens einhalten sollte. Das begann mit all den äußeren Vorschriften.
Die Reformation und die Rückkehr zur Gnade
Habe mir gerade irgendwo ein kirchliches Gesangbuch besorgt, unser neues kirchliches Gesangbuch. Das brauche ich schon. Oder wo ist das? Ist das hinten? Ist das Lied oben dabei? Oh, das wäre natürlich toll, wenn man es ihnen schnell zeigen könnte.
Sie hat eigentlich schon überlegt, ob man es am Sonntag mal gemeinsam lesen sollte.
Was war denn die Reformation im Mittelalter? Martin Luther, Calvin, Zwingli, Melanchthon und so – was war denn die Reformation?
Wir sagen, dass damals Missstände beseitigt wurden. Missstände gibt es ja immer, da sind wir nicht an der richtigen Stelle. Vielmehr wurde das Evangelium neu entdeckt, und zwar in seiner Ausschließlichkeit: allein die Gnade, allein das Wort Gottes, allein die Bibel, allein das Kreuz.
Das war eine ganz komische Zeit. Was war das plötzlich? Und das hat Aufsehen erregt.
Albrecht von Brandenburg, der letzte Hochmeister des Deutschen Ritterordens in Ostpreußen, hatte damals einen verlotterten Ordensstaat und wusste nicht mehr, wie er ihn richtig führen sollte. Er ging zu den deutschen Fürsten und bat sie um Hilfe, damit er das Erbe des Deutschen Ritterordens wieder über die Runden bringen könne. Die Polen wollten die Oberherrschaft über Ostpreußen haben.
Die Fürsten lehnten jedoch alle ab. Sie sagten, sie hätten selbst kein Geld und keine Soldaten.
Dann kam dieser Albrecht von Brandenburg – nur ein Beispiel aus der Reformzeit – nach Nürnberg, wo der Württemberger Osiander predigte. Und dann passierte es: Christus offenbarte sich ihm.
Dieser Mensch war in Zwängen aufgewachsen, in kirchlichen Zwängen und in Frömmigkeit. Und plötzlich fielen ihm wie Schuppen von den Augen die Freude des Evangeliums.
Er sagte gleich: Wenn ich nach Ostpreußen zurückreite, nach Königsberg, muss ich unbedingt in Wittenberg vorbeischauen. Ich muss diesen seltsamen Mönch Martin Luther sprechen.
Als wir 1525 nach Königsberg zurückkamen, war sein erstes Werk, die Reformation in Königsberg einzuführen.
Was war das? Die Predigt von Christus. Ja, das war vorher nicht da? Doch, doch, es war auch da, aber es war untergemengt. Man merkte es gar nicht mehr. In dieser Ausschließlichkeit wurde deutlich, dass Jesus mich ganz befreit und dass die äußeren Dinge plötzlich nebensächlich werden.
Die Augsburger Konfession und die Einheit der Kirche
Ich habe Ihnen immer wieder aus der Augsburger Konfession gezeigt. Die Augsburger Konfession ist das entscheidende Bekenntnis aller evangelischen Kirchen aus der Reformationszeit. Sie wurde von Melanchthon verfasst und stellt ein Bekenntnis dar, das im Kompromiss am äußersten liegt. Es ist das weitestgehende Bekenntnis und enthält nur die wirklichen Kernsätze.
Es gibt andere reformatorische Bekenntnisse, die weitergehen. In Artikel 7 der Augsburger Konfession, den ich auch am Sonntag wieder erwähnt habe, heißt es: Es ist genug für eine Kirche, für eine heilige christliche Kirche, nämlich eine Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt wird und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche.
Wir brauchen also weder irgendeinen Oberbischof noch eine bestimmte Kirchenordnung. Das genügt. Das ist doch mal ganz toll: Der Mittelpunkt ist das Evangelium, und das muss verkündigt werden. Es ist nicht zur wahren Einheit der christlichen Kirche nötig, dass überall die gleichen, von Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden. Das ist nicht nötig. Das ist ein Satz, den man heute oft sagen muss, weil in der Kirche immer so viel Wert auf äußere Dinge gelegt wird.
Dann kommt im Artikel 15, der in jedem Gesangbuch hinten zu finden ist, Folgendes: Von Kirchenordnungen, die von Menschen gemacht sind, lehrt man bei uns, diejenigen einzuhalten, die ohne Sünde eingehalten werden können und die dem Frieden und der guten Ordnung in der Kirche dienen, wie bestimmte Feiertage, Feste und dergleichen.
Darum ist die Ehelosigkeit der Priester und Ähnliches nicht nötig. Das wurde gleich radikal gekürzt. Doch werden die Menschen dabei unterrichtet, dass man das Gewissen nicht damit beschweren soll, als seien solche Dinge notwendig zur Seligkeit. Gerade Feste und dergleichen sind nicht notwendig für deine Seligkeit. Es ist nicht wichtig, ob du Weihnachten feierst. Wer es feiern will, macht es, aber er wird auch selig, wenn er Weihnachten nicht feiert und keinen Osterhasen oder Eier legt.
Darüber hinaus wird gelehrt, dass alle Satzungen und Traditionen, die von Menschen zu dem Zweck gemacht worden sind, dass man dadurch Gott versöhne – also zum Beispiel die Wallfahrt –, und dass man sich dadurch etwas freikaufen kann oder Gnade verdiene, dem Evangelium und der Lehre vom Glauben an Christus widersprechen.
Deshalb sind Klostergelübde und andere Traditionen über Fastenspeisen, Fasttage und Ähnliches, durch die man Gnade verdienen und für die Sünde Genugtuung leisten will, nutzlos und gegen das Evangelium.
Heute haben wir ganz andere Ordnungen, bei denen bestimmte Dinge beherrschend vorgestellt werden und behauptet wird, nur wer das wirklich so und so macht, erfüllt die Anforderungen. Das ist Menschenordnung.
Freiheit in Christus und die Ablehnung von Zwängen
Und wenn Paulus so klar sagt: Das eine in meinem Leben war mir wichtig – Christus zu entdecken, Christus zu erleben.
Ich könnte jetzt weiter erzählen, wie andere Leute das erlebt haben. August Hermann Franke zum Beispiel. Wir hatten jeden Morgen unsere Andacht bei Hilfe für Brüder. Er war ein junger Theologe, kritisch und unsicher. Gab es Christus wirklich? In Lüneburg, bei der Predigtvorbereitung, hat das Wort an ihm gearbeitet. Er ist auf die Knie gegangen, hat Christus angenommen und wurde zu einem Christuszeugen. Christus offenbart sich in mir, als müsste ich meine Lebensgeschichte erzählen.
Wie ist es bei Ihnen gewesen? Andere sagen: In meiner Kindheit war das toll. Harri hat uns so schön erzählt, wie er als Sechsjähriger das beim Vater erlebt hat, wie der Vater ihm das zeigen konnte. Und er sagt: Seitdem ist es mir völlig klar, wer Christus ist, was ich von ihm haben kann und was er für mich bedeutet.
Der neue Blick auf Jesus – das ist das Evangelium. Dieser Jesus allein darf bei euch in Galatien gelten. Die Galater hatten nämlich die blöde Idee, sie müssten das Evangelium um ganz viele Rechte ergänzen. Meistens kommt dann noch etwas hinzu: Ordnungen, Riten, Pflichten, Aufsätze. Wir kennen das ja. Ich will jetzt gar nicht irgendwelche läppischen Beispiele nennen, die Ihnen kurios vorkommen, aber für die Betroffenen sehr wichtig sind. Mit Modesachen, mit Kleidungsfragen und allem, was dazugehört.
Manchmal wird das so schlimm gemacht, wenn man sagt: Leute, lasst uns auf einem Punkt bleiben. Also da, wo Sünde geschieht, das ist klar. Wo Gebote eindeutig dagegen sind: Ehebruch ist Ehebruch, Diebstahl ist Diebstahl. Aber es gibt in dieser anderen Weise so viele Dinge, die nicht vom Evangelium geboten sind. Und da ist es immer wieder so, dass man Dinge einführt und sagt: Bibellesen ist doch wichtig. Trotzdem muss man sagen: Lieber Mensch, du musst Christus erkennen. Nicht das Bibellesen macht dich glücklich oder sicher. Durch das Bibellesen komme ich zu Christus. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.
Beten ist wichtig, aber nicht: Du musst beten. Nein, du musst Christus erkennen. Und wenn du Christus erkennst, merkst du, dass Beten ein Privileg ist. Also müssen wir immer wieder aufpassen, dass nicht die Ordnungen unser Leben beherrschen. Dann kennen wir die frommen Zwänge in unserem Leben, die uns belasten.
Paulus sagt: Mir war es ganz wichtig, gleich bei den Heiden, und da profitieren wir davon, dass er sagt: Ich will gleich das ganze jüdische Gesetz nicht mehr überstülpen. So etwas gilt nicht mehr. Er hat Ringklarheit gesagt: die Reinheit des Herzens, Vater und Mutter ehren. Er hat über die Ehe deutlich gesprochen. Aber es geht ihm vor allem um das kultische Reinheitsgesetz, um die Beschneidungsfrage.
Man muss sich doch einmal vorstellen: Im Judentum war das Bundeszeichen, das nur an Männern vollzogen wurde, an den Kindern, den Buben. Paulus hatte den Mut, das einfach durchzustreichen. In Äthiopien ist es etwa so, dass alle Christen auch beschnitten sind, weil es eine Volkssitte ist. Woher das dort kommt, weiß man nicht genau. Aber Paulus hatte den Mut zu sagen: Nein, das brauchen wir nicht mehr. Und er hat es durchgefochten.
Es kommen ja richtige Schreitschriften in den Briefen und Streitabschnitte, wo er sagt: Halt, nein! Bleibt in der Freiheit, zu der euch Christus befreit hat, und lasst euch nicht unter Menschensatzungen bringen. Das ist mir immer wieder eine Freude, wenn Leute diese Freiheit mit Jesus so leben, dass man wirklich spürt: Sie stehen dauernd in einer echten Lebensverbindung mit Christus.
Das ist nicht ein Mensch ohne Gesetz. Ich bin immer im Gesetz, in den Ordnungen Jesu drin, aber äußerlich ein freier Mensch und nicht einer, der eingeengt ist von Zwängen. Gebetszeiten – er ist immer irgendwo im Gespräch mit seinem Herrn, in dieser großen Freiheit.
Das beschreibt Paulus noch einmal und sagt, er wusste, dass Petrus und auch Jakobus das immer wieder so verstanden haben: Sie konnten es nicht anders verstehen, als dass jeder, der Christ wird, gleichzeitig Jude sein muss oder zum Judentum übertreten muss.
Heute ist es umgekehrt: Die Juden akzeptieren gar nicht mehr, dass es judenchristliche Gemeinden gibt. Sie haben ganz vergessen, wie es am Anfang war. Da gab es ja praktisch nur Judenchristen. Sie haben viele Juden getroffen, es hat sie noch nie gegeben – Judenchristen. Es hat Donatü gegeben. Jesus selbst war ja ein Judenchrist, und die Apostel waren Judenchristen.
Aber sie haben gemeint, alle müssen Juden werden, christliche Juden. Und Paulus sagt: Nein, die Heiden müssen das nicht. Die Griechen, die Römer, die ganzen Kappadoker, die Perser und so weiter dürfen direkt zu Christus kommen – in der großen Freiheit.
Diese große Freiheit hat man dann leider in den kirchlichen Traditionen nur ganz kurze Zeit bewahren können.
Historische Beispiele für Glaubensfreiheit und Konflikte
Und es ist dann aufgebrochen, ja, nicht bloß in der Reformation. Sie denken nicht mehr daran, denn auch die Hugenotten waren doch gewaltig. Mir ist es immer eindrücklich, wenn sie nach Prag kommen und in die Bethlehemskapelle gehen, wo Johann Hus gewirkt hat.
Johann Hus war vielleicht auch ein sozial denkender Prediger, eine ungeheuer eindrucksvolle Persönlichkeit. So haben es die Tschechen mir erklärt: Er hat eigentlich nur das Lukasevangelium geprägt. Er wollte Jesus nur zeigen, war fasziniert von Jesus. Aus diesem Jesusbild heraus hat er den Tschechen erst eine ganz neue Vision für die Zukunft gegeben, eine Vision voller Freude und Hoffnung.
Dabei war natürlich viel von den herrschenden Gewalten nicht mehr da. Darauf reagierten die Obrigkeiten natürlich gleich allergisch, und sie unterwerfen sich nicht mehr. Es ist immer schlimm, dass sich auch die Kirche so eng mit staatlichen Mächten verbunden hat. Das ist ein großes Übel.
Ein Christ ist ein freier Mensch. Er steht unter Christus und empfängt von ihm seine Kraft. Das ist seine Lebensplanung. Von daher hat er eine Weite. Das schauen wir uns jetzt noch ein bisschen näher an, was Paulus uns noch sagen will. Vers 15 vom ersten Kapitel ist mir noch einmal zum Betonen wichtig, denn er sagt dort, dass er schon von Mutterleib an unter der Führung Gottes war.
Das ist auch wichtig, wie er das beurteilt: Mein Leben ist schon von Mutterleib an unter Gottes Führung gewesen, ohne dass ich es wusste. Deswegen habe ich keine Probleme mit der Kindertaufe, weil ich sage: Meine Entscheidung ist nicht das Erste gewesen. Gott hat bei mir schon in seiner Gnade gewirkt, bevor ich geboren wurde. Sonst hätte ich später gar nicht zum Glauben kommen können.
Das sind geheimnisvolle Wege der Erwählung Gottes. Aber zum Lobpreisen und Danken ist es wunderbar, dass es gar nicht auf meinen zappelnden Glauben ankommt. Es kommt nur darauf an, dass Gottes Güte allem vorausgeht. Er hat mich ausgesondert und durch seine Gnade berufen.
Letztlich ist dieses Wort „Gnade“ nichts Abgegriffenes, sondern für Paulus ist dieses Wort der Schlüsselbegriff gewesen. Wie wir neulich im Gottesdienst gesungen haben: „Alles hat er mir erlassen, alles, kaum kann ich es fassen.“ Alle, alle meine Sünden trug er dort für mich auf Golgatha.
Ich kann immer nur sagen: Die Gnade! Wir haben das Lied „Amazing Grace“ von John Newton gesungen, vielleicht das meistgesungene christliche Lied auf der Welt überhaupt. John Newton war ein Sklavenhändler, stammte aus einer schlimmen Familie.
Wie er zum Glauben kam, war interessant. Wie er Jesus erkannte, merkte er nicht sofort, dass der Sklavenhandel böse ist. Das war damals üblich und in England erlaubt, völlig normal. Aber als er mit Christus lebte, wachte er plötzlich auf. Er legte den Sklavenhandel nach kurzer Zeit nieder, weil er merkte: Das geht ja nicht.
Er wurde einer, bei dem das Gewissen geschärft war. Durch seine Christusbeziehung erkannte er etwas, was die Gesellschaft noch gar nicht gesehen hatte. Das hat er sein Leben lang besungen: „Ich war in der Finsternis, ich war in der Blindheit, bis ich Christus erkannt habe.“ Das war seine Lebensbefreiung.
Dieser eine Punkt, diese Erkenntnis Jesu Christi, ist wie beim Schöpfungsmorgen gewesen, als das Licht hervorleuchtete aus der Finsternis. Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, damit ich das Evangelium predige.
Das Evangelium als Auftrag und persönliche Verantwortung
Paulus kann im Römerbrief sogar sagen: „Mein Evangelium“. Dabei ist das nicht einfach eine persönliche Sache. Er erklärt vielmehr, dass er das der ganzen Welt ganz schlicht verkünden will: Jesus nimmt allen Menschen ihre Schuld weg.
Wie kann man verhindern, dass diese Gnade missbraucht wird? Nun, ich fasse es hier nur in wenigen Worten zusammen: Jeder muss selbst in seinem Leben entdecken, wie er aus tiefer Schwermut über Schuld und Fehler zur völligen Vergebung gelangt.
Das wird am schönsten im Gleichnis vom verlorenen Sohn dargestellt. Der Sohn läuft vom Vater weg, verliert alles und bringt alles durch. Seine Freunde wenden sich von ihm ab, und schließlich sitzt er bei den Säuen.
In diesem Moment hat er eine Idee, die viele nicht haben. Die meisten denken: „Die Welt ist schlecht, niemand kümmert sich um mich, und die Regierung könnte ja mehr für mich tun.“ Doch der Sohn sagt: „Ich habe gesündigt.“ Das ist der Weg, der zu Christus führt. Das war die Besonderheit des verlorenen Sohnes.
Er läuft zurück zum Vaterhaus. Ich weiß nicht, was man einem solchen Sohn gesagt hätte. Vielleicht: „Sohn, jetzt muss ich erst einmal hart mit dir reden.“ Oder: „Du musst dich erst bewähren. Schaffe mal ein Jahr lang, und dann sehen wir, ob ich dir vergeben kann.“
Doch der Vater reagiert ganz anders. Sobald das eine Wort ausgesprochen ist – „Vater, ich habe gesündigt“ – läuft alles anders. Ohne dieses Wort läuft nichts. Schuld bekennen, bereuen, hassen und lassen – all das ist nötig.
Der Vater nimmt den Sohn in die Arme, obwohl dieser doch nach Schweinen stinkt. Er nimmt ihn in den Armen die Gnade Gottes entgegen.
Diese Gnade darf man nie kleinmachen. Es ist nichts weiter nötig, als diese Gnade zu erkennen. Das ist die Triebkraft jedes christlichen Lebens.
Die Verteidigung der Freiheit im Evangelium
Und Paulus sagt: Jetzt gehen wir auf Kapitel zwei. Ich bin noch einmal nach Jerusalem gegangen. Warum? Er sagt, mich hat niemand bestellt. Ihm geht es darum, diese Freiheit festzuhalten.
Es gibt niemanden, sagt er, ja, kein Engel vom Himmel darf irgendwelche Vorschriften auf euer Gewissen legen. Niemand, kein Engel vom Himmel. Ihr habt ausschließlich direkt das Evangelium durch Christus bekommen. Deshalb hat kein Stellvertreter Christi auf Erden – oder wie er es nennt, beim Petrus, dem Kephas – auch nicht der Herrs Bruder Jakobus, mir etwas zu befehlen, was zur Verkündigung nötig sei.
Ich habe Christus erkannt, und das ist sein Evangelium, das mir aufgetragen ist. Und das ist der Grund der evangelischen Predigt, nicht jetzt der Konfession, sondern der biblisch evangelischen Predigt.
Er sagt, Barnabas war mit mir dabei, Titus war dabei, und sie wussten alle: Ich beschneide nicht. Titus, der Grieche war, Hellenist, wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen. Sie haben also – warum? Sie hatten Respekt vor Paulus und haben gesagt: Wir sehen doch, dass die Gnade Gottes mit ihm ist, wenn er ihnen erzählt hat, was es dort an Evangeliumsbewegungen gab in Kleinasien.
Und dann sagt er: Das müssen Sie immer wissen, Sie können bei Christen sehr enttäuscht sein. Es kommt beim Paulus oft vor, ich habe viel gelitten, am meisten unter den Brüdern. Man kann ja von den besten Freunden am meisten enttäuscht werden. Das ist für uns alle auch eine ganz große Gefahr.
Falsche Brüder – das ist ja schon ein Widerspruch in sich – die ihn nur fertig machen wollen, die nur gekommen sind, um ihn zu überführen, die ihm nur Fallen stellen wollen, das gibt es alles.
Was hat die christliche Gemeinde ersonnen, um ihre treuesten Zeugen lahmzulegen? Wie viele sind auf dem Scheiterhaufen gelandet, bloß weil sie die Gnade Jesu predigen wollten! John Bunyan war 15 Jahre als Dissenter im Gefängnis, nur weil er sich der anglikanischen Staatskirche nicht unterworfen hat.
Das ist eine Verbrechensgeschichte ohnegleichen in der christlichen Kirche. Was wir wohl so nicht groß erwähnen, weil es uns selber blamabel ist. Wir sind ja selber wieder drin, wir sind ja alle nicht besser.
Und da müssen wir so aufpassen, dass wir nicht Menschenordnungen mit dem Evangelium verwechseln. Ob es jetzt um Einteilung der Kirchenbeziehungen geht – es tut mir leid, ich wohne auf der anderen Straße, da darf ich doch zu Ihnen gar nicht kommen.
Unterscheiden Sie doch einmal in Ihrem Leben, was Menschenordnungen sind und was Gottesordnungen sind. Hat doch Ihnen niemand irgendwo ein Gebot zu machen.
Beispiel aus der Kirchengeschichte zur Glaubensfreiheit
Und da sind Leute frei, vielleicht erzähle ich es doch noch schnell. Die Geschichte passt hier in diesem Kreis ganz gut.
Der Liederdichter Johann Jakob Schütz, der das herrliche Lied „Sei Lob und Ehr dem höchsten guten Vater aller Güter“ gedichtet hat – eines der herrlichsten Loblieder –, war Reichsrat in Frankfurt und ein Jurist, ungeheuer begabt, aber auch ein sehr geistlicher Mensch.
Er hat gesagt: Als Jurist leide ich darunter. Die Juristen heute Abend, und Sie verstehen ihn, sagen, das ganze Prozesswesen sei doch ein Kuhhandel. Es geht letztlich gar nicht um Gerechtigkeit, sondern darum, wer die besseren Parteien hat und wie er besser durchkommt. Er meinte, er wolle eigentlich gar keine Prozesse mehr führen. Das war ein geistlich denkender Mensch.
Er war in Frankfurt im Gottesdienst, und das war damals eine sehr tote Zeit. Da kam plötzlich ein junger Prediger, dreißigjährig, während die meisten Pfarrer damals in Frankfurt über sechzig waren: Philipp Jakob Spener.
Philipp Jakob Spener sagte in seiner ersten Predigt: „Leute, wir brauchen Bibelstunden.“ Der ganze Hass der Frankfurter schlug ihm entgegen. Johann Jakob Schütz ging mit seinem Freund hin und sagte: „Herr Pfarrer, machen Sie es doch, ich bin der Erste. Wir warten seit Jahren auf so etwas.“
Philipp Jakob Spener lud sie in sein Haus ein, hielt Bibelstunden, und die ganze Meute der Christen in Frankfurt fiel über den Mann her, weil sie die Bibel lesen wollten. In Württemberg war es nicht anders: Die Polizei wurde überall alarmiert, weil die öffentliche Ordnung gestört war, wenn sich ein paar Männer bekehrten – die Weingärtner-Typen sozusagen.
Bei Johann Jakob Schütz war es anders. Spener war damals ein sehr vermittelnder Mensch und sagte: „Na, machen wir es in der Kirche.“ Da war der Dampf raus. Es war gerade für die Männer ganz schön, in einer Wohnstube zu sitzen und dort in einem lockeren Rahmen die Bibel zu lesen.
Schütz sagte: „Ich bin gegen Kompromisse. Der würde ja das Evangelium verleugnen.“ Deshalb traf er sich mit anderen im Saalhof, einem Lokal in Frankfurt, und dort hielten sie die Bibelstunden weiter.
Durch die Presse wurde in Frankfurt sofort von einer Sekte gesprochen. Es war aber überhaupt nichts Falsches daran; es waren Mitglieder der Kirche.
Eine Frau von Merlau, die diesen Kreis leitete, hatte eine Idee: Sie lud William Penn aus England ein. William Penn war gerade auf Deutschlandtour. Er war Admiralssohn, ein bedeutender Mann, der einige Bücher kannte.
Dieser Admiralsohn hatte vom englischen König Pennsylvania in Amerika bekommen. William Penn gründete in Frankfurt im Saalhof die Ansicht, dass alle Ordnungen menschlich seien. Man dürfe sich in Glaubensfragen zu Jesus nicht von Verwandten quäken lassen.
William Penn ging diesen Weg mutig und wählte als Wahlspruch: „No Cross, No Crown“ – ohne Kreuz keine Krone. Es müsse eine Feindschaft durchstanden werden. Das gefiel Schütz natürlich.
Schütz sagte: „Ich bin kein Quäker, ich folge nicht der Lehre, aber was später in der amerikanischen Verfassung die Freiheit war, das unterstütze ich.“ In Pennsylvania lebten unzählige christliche Gruppen friedlich miteinander. Jeder konnte seinen Glauben fröhlich leben, ohne dass eine Staatsautorität eingriff. Man musste die Volkskirche zusammenfassen.
Pennsylvania war der einzige Ort in Amerika, an dem alle Vereinbarungen mit den Indianern buchstäblich ehrlich und anständig bis zum Schluss eingehalten wurden, ohne dass sie gebrochen wurden.
Schütz sagte: „Ich wandere auch aus.“ Der Rat von Frankfurt sagte: „Den müssen wir behalten, wegen der Steuern.“ Das war schon vor La Fontaine so.
Schütz meinte: „Müssen wir den wirklich behalten?“ Dann ging er in die Kirche und sagte: „Ich finde das theatralische Abendmahl so komisch.“ Der Küster antwortete: „Du machst es wie alle anderen auch.“ Daraufhin sagte Schütz: „Dann gehe ich nicht mehr hin.“
Die Folge war, dass er sich als Jurist mit der Kirche stritt. Er trat nie aus der Kirche aus. Als er mit 50 Jahren beerdigt wurde, verbot die Kirche, dass an seinem Grab mehr als ein Gebet gesprochen wird. Er galt als abgefallener Sektierer.
Bei Nacht und Nebel wurde er in Frankfurt bestattet. Bis heute liest man überall von ihm, weil er die Idee hatte, die Freiheit des Glaubens darzustellen.
Abschließende Gedanken zur Freiheit und Einheit im Glauben
Und ich möchte Ihnen heute Abend einfach einmal sagen, dass das, was Paulus im Galaterbrief sagt, so wichtig ist. Es geht nicht darum, dass jetzt jeder seine eigene Gemeinde gründen soll, sondern darum, dass man das Gewissen – das vom Wort Gottes geschärfte Gewissen – von wirklich frommen, gläubigen Leuten nicht beschweren soll.
Man soll Freiheit geben, so weit wie möglich. Und das Eine, was nötig ist – die Verkündigung des Evangeliums – haben wir vorhin in der Augsburger Konfession und auch in allen Ordnungen gehört. Was ist denn nötig? Die Liebe ist nötig, dass man aufeinander zugeht.
So sagt Paulus: Ich habe mich nie irgendwo diesen Intrigen unterstellt, sondern damit die Wahrheit – in Vers 5 heißt es: die Wahrheit des Evangeliums – bei euch bestehen bleibt. Auch habe ich mich nicht dem Ansehen gebeugt, nicht der hohen Stellung dieser Leute. Aber sie haben alle akzeptiert und gesagt: Jawohl, die Heiden müssen das nicht halten.
Das Problem, das immer wieder auftaucht, ist die Frage: Darf man als Christ Schweinefleisch essen? Und ist unser Fleisch geschächtet? Es sind ja tausend Fragen, die damit zusammenhängen. Wie ist das gerade mit Klostergelübden? Sei dir deiner Meinung gewiss, ob du Single bist oder verheiratet, so wie Paulus gesagt hat: Du bist ein freier Mensch, aber du bist in Christus gebunden. Lass dir von Christus deinen Weg weisen.
Bis zum Schluss sagt selbst Petrus etwas dazu. Wenn man die Verhandlungen in Apostelgeschichte 15 liest, sieht man, dass Petrus sich von der Meute hat drängen lassen und seine Meinung an die Masse angepasst hat. Auch bei Christen ist das eine große Gefahr: Er blieb nicht seiner Gewissenslinie treu. Aber er hat ganz deutlich gesagt: „Geh du deines Weges und ich gehe meines Weges.“ Da wurde er kritisiert, weil er sagte: Ich lasse nicht ein Stückchen von Menschenordnungen gelten, die das Gewissen bedrängen können.
Und jetzt wundert es Sie vielleicht, warum ich das heute Abend so sage. Sie werden in Ihrem Leben merken, dass es eine ganz entscheidend wichtige Sache im Christenleben ist. Das ist nicht bloß eine Frage der Reformation oder der Hugenotten gewesen, sondern es ist heute eine ganz wichtige Sache, wie wir unseren Glauben leben können – gerade in dieser Zeit großer Nöte.
Manche Leute meinen, wenn das geistliche Leben erstirbt, dann müssen wir umso mehr irdische Ordnungen aufstellen und dem Menschen immer mehr Gebote geben. Was man verkündigen muss, ist aber das Evangelium. Und das Evangelium wird neues Leben schaffen.
Aus der neuen Verkündigung und der neuen Erweckung werden lebendige Christen kommen. Aus den lebendigen Christen wird neues Leben wiederkommen. Das ist der einzige Weg, wie man es machen kann.
Zum Schluss haben wir die Säulen. Die „Pillars“, die richtig das Dach tragen, die in der Gemeinde das Sagen haben, sie haben die Hand gegeben. Mir und Barnabas war völlig klar: Jawohl, akzeptiert! Und man hat großen Wert darauf gelegt. Paulus hat gesagt: Das, was ich verkündige, ist das Evangelium, das Gültige.