Liebe Gemeinde,
die Schule hat also begonnen, und viele Schüler sind nach den Ferien wieder unbefangen in den Unterricht gestartet. Einige sind mit einem leicht grummelnden Magen hingegangen. Vielleicht mag der eine Latein nicht so gern, und der andere fürchtet sich ein wenig vor Mathe. Dann sagen manche Spötter: „Lieber Religion als Mathe.“ So, als hätte Religion nichts mit Zahlen oder gründlichem Nachdenken zu tun.
Heute werden wir sehen, dass Mathe und Religion oft mehr miteinander zu tun haben, als man gemeinhin denkt. Das werden wir heute gemeinsam entdecken. Unser Predigttext liest sich auf den ersten Blick fast wie ein Zahlenrätsel. Sie haben diesen Text ja vor sich, und die Frage wird sein, ob wir dieses Zahlenrätsel lösen können.
Die Sorge Daniels und sein Gebet um Vergebung
Noch vor den Ferien hatten wir in unserer Predigtreihe das neunte Kapitel von Daniel begonnen. Wir haben Daniel sozusagen über die Schulter geschaut, wie er inständig und leidenschaftlich im Gebet Gott angerufen hat. Erinnern Sie sich noch daran? Das Zentrum seines Gebets war das Bekenntnis der Sünde, das Bekenntnis der Schuld. Er hat gebetet: „Gott, vergib uns!“ Er hat in Sack und Asche gebetet, wie wir am Anfang von Kapitel neun lesen konnten.
Daniel ist inzwischen gut achtzig Jahre alt, vielleicht sogar fünfundachtzig. Er ist umgetrieben von einer großen Sorge: Wie wird es weitergehen mit meinem Volk? Das ist seine große Sorge. Wird es für mein Volk überhaupt eine Zukunft geben?
Gerade hatte Kyros, der Perserkönig, die babylonische Weltherrschaft aus den Angeln gehoben. Das war ein Hoffnungsschimmer, denn bei den Babyloniern hatten die Israeliten kaum noch Freiheiten gehabt. Kurz nach der Machtübernahme der Perser, also etwa 538 v. Chr., stößt Daniel bei seiner regelmäßigen Bibellektüre auf eine dramatische Entdeckung, die er im Propheten Jeremia macht. Das hatten wir gesehen in Kapitel 9, Vers 2: Da las er in den Büchern die Zahl der Jahre, von denen der Herr zum Propheten Jeremia gesprochen hatte, nämlich dass Jerusalem siebzig Jahre wüst liegen würde.
Er hatte dort bestimmt zwei Stellen aus Jeremia gelesen, die wir auch nachlesen können: Jeremia 25,11-12 und Jeremia 29,10. Jeremia hatte das babylonische Exil vorausgesagt. Er war selbst noch eine Zeit lang mit in diesem Exil gewesen. Im Namen Gottes warnte er und sagte: Dieses Exil wird siebzig Jahre dauern, und dann wird der Herr euch zurückbringen an den Ort Jerusalem.
Daniel liest das und nimmt es ganz wortwörtlich, auch die Zahlenangabe. Er merkt, dass die siebzig Jahre bald abgelaufen sind. Jeremia hatte nicht genau definiert, wann dieses Zeitfenster begann, wann der Anfangspunkt war. Aber dieses Zeitfenster von siebzig Jahren Exil war kurz davor oder gerade dabei, sich zu schließen. Die Zeit musste jetzt in etwa ablaufen, das wusste Daniel.
Wir fragen uns: Warum ist er so besorgt? Warum ist er so aufgeschreckt? Warum steckt er sich in Sack und Asche? Offensichtlich hat er eine große Furcht, dass sein Volk auf die Heimkehr ins Land, auf diese neue Chance, die sich bald auftun wird, nicht vorbereitet ist. Dass sein Volk geistlich nicht vorbereitet ist. Er weiß: Wir sind innerlich viel zu weit von Gott entfernt. Wenn wir diese neue Chance bekommen, werden wir sie gar nicht nutzen können.
Ein Volk, das sich von Gott entfernt, verliert die Fähigkeit, seine Zukunft zu gestalten. Das sehen wir täglich vor Augen in unserer Politik. Die größte Sorge Daniels lautet: Was bringt die Zukunft? Hat mein Volk überhaupt noch eine Zukunft? Wie wird es weitergehen? Wird es weitergehen?
In dieser angespannten Situation bleibt ihm nur ein einziger Ausweg, nämlich die Flucht ins Gebet. Dieses Gebet kann nur einen Schwerpunkt haben: das Bekenntnis der Sünde. Das ist ihm so klar: Wir bekennen unsere Schuld.
Das haben wir im ersten Teil dieses neunten Kapitels ausführlich gesehen, vor den Ferien. Daniel bekennt die Sünde der Gottlosigkeit, stellt sich damit unter die Schuld und sagt: Wir haben gesündigt. Nicht nur die anderen, sondern er bezieht sich voll mit ein. Das ist keine falsche Bescheidenheit, sondern ein priesterlicher Dienst, den Daniel dort tut. Wie ein Priester stellt er sich in die Reihen seines Volkes.
Mehr noch: Wenn Daniel sein eigenes Leben vor dem heiligen Gott sieht, in dessen Licht, dann ist ihm klar: Ich bin nicht viel besser als die anderen Israeliten. Nach menschlichem Ermessen, im Urteil von Außenstehenden, sieht das vielleicht anders aus. Da bin ich vielleicht ein bisschen frommer. Aber gemessen an Gottes heiligem Maßstab bin ich auch nicht besser.
Darum ist Daniel von seiner eigenen Sündhaftigkeit überzeugt und überwältigt, weil er den heiligen Gott kennt. Wer Gott kennt, weiß, dass er ein Sünder ist. In diesem Licht der Heiligkeit des erhabenen Gottes fällt es Daniel gar nicht schwer einzusehen, dass er vor Gott verloren dastünde, wenn er nicht seine Vergebung hätte.
Er anerkennt das Urteil Gottes und sagt: „Jawohl, wenn es nach Recht und Gesetz ginge, dann haben wir für unsere Gottlosigkeit nichts anderes verdient als dein Gericht.“ Das geben wir zu. Wir anerkennen dein Urteil. Unsere Verurteilung ist völlig zu Recht erfolgt. Unsere Strafe hat absolut nachvollziehbare Gründe. Aber wir bitten um Gnade, wir betteln um Gnade.
Das ist der Ausweg, den er sucht – für sich persönlich und für sein Volk. Dann kam dieser große Vers 18, wo er sagt: „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Gott, wir bitten dich nicht, den Maßstab deiner Gerechtigkeit anzulegen, denn dann hätten wir keine Chance. Wir betteln einzig und allein um deine große Barmherzigkeit.
Das ist die Situation.
Die Antwort Gottes und die grosse Perspektive
Da hat ein 80- vielleicht 85-jähriger Mann seine Bibel gelesen. Er hatte diese Bibel mit der aktuellen politischen Situation seines Volkes verglichen. Er hatte gesehen: Wir waren 70 Jahre lang unter babylonischer Knute. Jetzt war die Macht der Babylonier durch die Perser gebrochen worden. Gottes Ankündigung mit den 70 Jahren hatte sich als realistisch erwiesen.
Und jetzt könnte es aufwärts gehen. Jetzt könnte es heimwärts gehen, zurück aus dem Exil. Das könnte jetzt alles losgehen – zurück nach Jerusalem.
Aber Daniel weiß: Mein Volk ist nicht bereit. Wir sind hilflos verstrickt in Schuld. Darum nimmt er dann seinen ganzen Glaubensmut zusammen, mit seinen fünfundachtzig Jahren, und stellt sich hin. Er sagt: Bitte Gott, gib uns noch eine Chance, bitte vergib uns. Wir stehen vor dir, wir liegen vor dir mit unserem Gebet.
Wir vertrauen nicht auf irgendetwas, was wir an Leistung bringen können, sondern wir bitten um deine Barmherzigkeit. Wir betteln um Gnade. Das ist sein Gebet.
Und über allem schwebt diese bange Frage: Wie wird es weitergehen? Was bringt die Zukunft? Gibt es eine Zukunft? Was bringt die Zukunft für mich, was bringt die Zukunft für mein Volk, was bringt die Zukunft für meine Familie, was bringt die Zukunft für meine Gemeinde? Wie wird es weitergehen?
Diese Frage nach der Zukunft ist die Frage aller verantwortungsbewussten Zeitgenossen.
Die Mehrheit, auch die Mehrheit der Älteren in unserem Land, sagt einfach: Genieße den Tag, carpe diem. Sieh zu, dass du das meiste rausholst, dass du auch im Alter möglichst viel unterwegs bist, möglichst ordentlich einen draufmachst. Und was die Zukunft ist? Nach mir die Sintflut, das ist mir doch egal. Ich habe meine Rente noch, und es wird schon irgendwie gut gehen.
Aber Daniels Blick geht über den Tellerrand seiner eigenen Biografie hinaus, über den Tellerrand seiner eigenen Lebenszeit. Er fragt: Wie wird es weitergehen für mein Volk? Wie wird es weitergehen für meine Gemeinde? Wie wird es weitergehen – würden wir auch sagen – auch für unsere Kinder?
Und dann antwortet Gott ihm auf ganz erstaunliche Weise und in einem ganz erstaunlichen Tempo. Gott antwortet ihm einerseits ganz persönlich, aber er zeigt ihm auch die große weltgeschichtliche Perspektive.
Das ist faszinierend, und das ist unser Thema heute Morgen: große Perspektiven. Das wollen wir über diese Verse schreiben, die Sie auf Ihrem Gottesdienstzettel vor sich haben – große Perspektiven.
Ich sage gleich vorweg: Das ist ein schwieriger Text. Ich habe gedacht, ich könnte ihn in einer Predigt behandeln, aber ich habe dann in der Vorbereitung gesehen, dass ich allerhöchstwahrscheinlich den nächsten Sonntag auch noch dazu brauche.
Ich werde mich bemühen, es so deutlich wie möglich zu machen. Und was diesmal vielleicht nicht gelingt zu erklären, das will ich beim nächsten Mal nochmal versuchen, ein bisschen besser zu erklären.
Gottes Liebeserklärung und die erste grosse Perspektive
Also, große Perspektiven – das ist die Überschrift. Zunächst sehen wir uns die ersten Verse an, insbesondere Vers 20. Dort sagt Daniel: „Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volkes Israels Sünde bekannte und mit meinem Gebet für den heiligen Berg meines Gottes vor dem Herrn, meinem Gott, lag.“
Der heilige Berg ist ein Bild für den Tempel. Daniel betet also für den Tempel. Während er noch so redete in seinem Gebet, flog der Mann Gabriel, also dieser Bote, dieser Engel, den Gott schon im Kapitel zuvor geschickt hatte, dicht an ihn heran. Daniel hatte ihn bereits in einer früheren Vision gesehen, zur Zeit des Abendopfers.
Er erlebt also diese Vision, in der Gott diesen Boten sendet. Gabriel unterweist ihn, redet mit ihm und sagt: „Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dir zum rechten Verständnis zu verhelfen. Denn als du anfingst zu beten, erging ein Wort von Gott, und ich komme, um es dir kundzutun, denn du bist von Gott geliebt. So merke nun auf das Wort, damit du das Gesicht verstehst.“
Das ist schon erstaunlich: Daniel betet, und hier wird betont, dass Gott bereits während seines Gebets reagiert. Das ist eine starke Ermutigung zum Beten. Gott macht das nicht immer so. Auch bei anderen biblischen Personen reagiert Gott nicht immer so unmittelbar, dass es für sie spürbar ist. Aber er hört es. Während Daniel noch betet, reagiert Gott schon.
Dass Gott sofort hört, wenn wir beten, gilt auch für uns. Und das ist die erste große Perspektive, in die Gott Daniel hier mit hineinnimmt: Gottes große Liebeserklärung. Haben Sie das bemerkt? Das ist unser erster Punkt: Gott erklärt seine große Zuneigung.
Vor allen heilsgeschichtlichen und weltpolitischen Perspektiven steht diese ganz persönliche Zusage, die Gott dem Daniel ausrichten lässt. In Vers 23 heißt es: „Du bist von Gott geliebt.“ In der Schlachterübersetzung steht dort: „Du bist ein Vielgeliebter.“
Diese Liebeserklärung Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Heilige Schrift. Es gibt mehrere solcher roten Fäden, und das ist einer davon: Du bist von Gott geliebt. Wie oft wurde die Bibel schon mit einem Liebesbrief verglichen. Dabei ist das keineswegs süßlich oder kitschig gemeint, sondern ernst, gewichtig und manchmal auch schmerzlich. Liebesbriefe können auch schmerzliche Züge tragen.
Diese Liebe Gottes begegnet uns im Alten Testament genauso wie im Neuen Testament. In Jeremia 31,3 sagt Gott durch den Propheten: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“
Im Neuen Testament sagt Paulus in Titus 3,4-5: „Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig.“ Gott erklärt seine große Zuneigung.
Es gibt Zeiten, da wagen es verantwortungsbewusste Theologen kaum, von der Liebe Gottes zu reden. Das liegt daran, dass dieser Begriff oft missbraucht wird. Er wird missbraucht, um Gott zu verharmlosen – so nach dem Motto: „Der liebe Gott deckt sowieso alles mit seiner Liebe zu.“
Er wird auch missbraucht, um die Liebe Gottes gegen seine Heiligkeit auszuspielen. Dann heißt es: „Ach klar, Gott sieht das alles nicht so eng. Er ist nicht der strenge, strafende, zornige Gott, sondern der liebende Gott.“ Dabei werden Dinge gegeneinander ausgespielt, die zusammengehören.
So wird Menschen eine falsche Sicherheit gegeben und eine völlig falsche Vorstellung von Gott vermittelt. Durch eine falsche Verkündigung der Liebe Gottes wird nicht mehr deutlich, dass Gott auch heilig ist, dass er Zorn über die Sünde hat und dass er zu fürchten ist für den, der nicht mit ihm versöhnt ist.
Deshalb müssen wir immer beides beieinanderhalten: die Liebe und die Heiligkeit Gottes. Paulus, die anderen Apostel, Daniel und die echten Propheten wussten etwas von der Heiligkeit Gottes und seinem heiligen Zorn. Umso dankbarer haben sie die Liebe Gottes bejubelt und verkündigt. Sie wussten, dass es keine billige Liebe ist, sondern eine teure und kostbare Liebe – gerade weil Gott zugleich heilig und unbestechlich ist, der Ewige.
Hier in Daniel 9 ist Daniel nicht zu bescheiden oder zu schüchtern, um diese Liebeserklärung Gottes schriftlich festzuhalten. Gott hat zu ihm gesagt: „Denn du bist von Gott geliebt, du bist ein Vielgeliebter.“ So wie wir es früher im Kinderlied gesungen haben: „Gott ist die Liebe, lässt mich erlösen, Gott ist die Liebe, er liebt auch mich. Darum sage ich es noch einmal und noch vieltausendmal: Gott ist die Liebe, er liebt auch mich.“
Genau das schreibt Daniel hier auf. Gott hat ihm das gesagt, Gott hat ihm das versprochen. Und auch für uns ist es entscheidend, was immer die Zukunft im Einzelnen für uns bereithält: dass wir das wissen, dass du das weißt, dass du sagen kannst: Ich bin von Gott geliebt.
Können Sie das so sagen? Deshalb gibt Gott uns auch das Abendmahl als seine sichtbare Liebeserklärung. Im Abendmahl ruft er uns zu: „Ich gebe mein Leben für dich.“ Christi Leib ist für dich gegeben, Christi Blut für dich vergossen. Das ist eine sichtbare, greifbare und schmeckbare Liebeserklärung, die wir dort empfangen.
Wenn Sie absolut sicher sein wollen, wenn Sie Brief und Siegel dafür haben wollen, dass Gott Sie liebt, dann lesen Sie das im 1. Johannes 3,1 nach: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen.“ Johannes fügt hinzu: „Und wir sind es auch.“
Wenn Sie daran zweifeln, ob Gott Sie überhaupt liebt, dann lesen Sie 1. Johannes 3,1 nach. Dort steht: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder heißen sollen, und wir sind es auch.“
Woher können Sie wissen, dass Sie Gottes Kind sind? Dadurch, dass Sie an Jesus Christus als Ihren Herrn und Erlöser glauben. Wenn Ihr Leben Jesus gehört, dann sind Sie Gottes Kind. Wenn Sie Christus als Ihren Retter und Befreier von Sünde und Verdammnis angerufen haben, wenn Sie ihm die Ehre geben als dem König Ihres Lebens, dann sind Sie Gottes Kind. Das hat Gott total versprochen.
Dann dürfen Sie das von sich aus so sagen, wie es Daniel sagt: „Ich bin ein Vielgeliebter, ich bin von Gott geliebt.“ „Seht, welche Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder heißen sollen, und wir sind es auch.“
Das ist also die erste große Perspektive, die Gott Daniel hier zeigt: Gott erklärt seine große Zuneigung.
Gottes Ziel und die Weitwinkelperspektive auf Israel
Und dann? Dann gibt Gott ihm auch eine weitreichende Antwort auf seine sachliche Frage, nämlich auf die Frage nach der Zukunft. Und das ist unser zweiter Punkt: Gott erklärt sein großes Ziel.
Gott erklärt nicht nur seine große Zuneigung, sondern auch sein großes Ziel. Er gibt Daniel hier – und das macht die Sache jetzt kompliziert – eine Weitwinkelperspektive für sein Volk Israel. Das kommt in den nächsten Versen zum Ausdruck.
Man kann sich fragen, warum das auch für uns als Gemeinde Jesu Christi wichtig ist. Nun, auch unsere Zukunft ist von der Zukunft Israels betroffen und mit beeinflusst. Außerdem gibt es hier sehr viele wichtige Hinweise auf den Herrn Jesus Christus. Wenn Gott es für nötig hält, in der Bibel viel über die Zukunft Israels zu sagen, dann tun wir gut daran, das zu lesen. Dann wird sich Gott schon etwas dabei gedacht haben, dass wir es auch zur Kenntnis nehmen und ernst nehmen. Wir sind mit betroffen.
Und nun etwas ganz Erstaunliches: Wenn die Bibel von der Zukunft spricht, dann stoßen wir immer auf eine gewisse Dialektik, auf eine gewisse Spannung. Einerseits warnt Gott uns vor vorwitziger Neugier. Wir sollen nicht spekulieren und nicht vorschnell irgendwelche politischen Entwicklungen als Erfüllung biblischer Prophezeiung ausweisen. Das ist das eine.
Andererseits gibt Gott auch immer wieder erstaunliche Informationen. Das ist das andere. Und wissen Sie, man kann bei diesem Thema auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Die einen verzetteln sich in Spekulationen, wollen mehr wissen, als die Bibel wirklich sagt, und meinen, schlauer als Gott selbst zu sein. Die anderen sind gar nicht daran interessiert. Sie nehmen diese Zukunftsaussagen der Bibel überhaupt nicht ernst, sagen: „Ach, das brauchen wir nicht, alles nur symbolisch.“ So überlassen sie das Feld der Zukunftsdeutung den Sekten.
Was meinen Sie wohl, warum so viele Sekten sich auf dieses Thema gestürzt haben? Weil die Kirche Jesu Christi es weitgehend vernachlässigt hat. Von der Bibel her werden wir nun angeleitet, diese Balance zu finden: dass wir nicht mehr wissen wollen, als die Bibel sagt, dass wir unsere Spekulationen nicht als das klare Wort Gottes ausgeben, aber dass wir andererseits auch genau hinschauen und sagen: „Ja, was sagt uns denn die Bibel?“ So finden wir diese Balance.
Der Text, den Sie da vor sich haben, jetzt diese Verse 24 bis 27, ist so ein Kernvers. Er ist nicht einfach auszulegen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ohne Predigtreihe hätte ich mir das auch als Predigttext nicht so schnell ausgesucht.
Ich will jetzt so vorgehen, dass ich versuchen möchte, den Text so wörtlich wie möglich auszulegen. Das ist immer das Sicherste – einfach versuchen, so wortgetreu wie möglich an die Sache heranzugehen, um sie dann wirklich zu verstehen.
Also lesen wir mal die Verse 24 und folgende: Was sagt Gott jetzt dem Daniel über die Zukunft? Und keine Sorge, Sie haben zwei Predigten, um das zu verstehen.
„70 Wochen“ – man müsste eigentlich besser übersetzen: Gott sagt, 70 Jahrwochen sind verhängt, angeordnet über dein Volk und über deine heilige Stadt. Dann wird im Frevel ein Ende gemacht, die Sünde abgetan, die Schuld gesühnt, und es wird ewige Gerechtigkeit gebracht, Gesicht und Weissagung erfüllt, und das Allerheiligste gesalbt werden.
So, wissen nun und gib acht: Von der Zeit an, als das Wort erging oder ergeht, Jerusalem werde wieder aufgebaut werden, sind es sieben Wochen, also sieben Jahrwochen, und 62 Jahrwochen lang wird es wieder aufgebaut sein, mit Plätzen und Gräben, wie wohl in kummervoller Zeit.
Nach den 62 Jahrwochen wird ein Gesalbter ausgerottet werden und nicht mehr sein – oder man kann auch sagen, ihm wird nichts mehr sein. Und das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt und das Heiligtum zerstören. Aber dann kommt das Ende durch eine Flut, und bis zum Ende wird es Krieg geben und Verwüstung, die längst beschlossen ist.
Er wird aber vielen den Bund schwer machen – oder man kann auch wörtlich übersetzen: er wird mit den vielen einen festen Bund schließen eine Jahrwoche lang. Und in der Mitte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer abschaffen. Und im Heiligtum, also im Tempel, wird stehen ein Gräuelbild, das Verwüstung anrichtet, bis das Verderben, das beschlossen ist, sich über die Verwüstung ergießen wird.“
Ein schwieriger Text. Sie können sich vorstellen, als Daniel das gehört hat, war ihm mit Sicherheit bei weitem nicht alles klar, was das bedeuten würde. Aber er hat es treu aufgeschrieben, und wir wollen jetzt versuchen, die große Linie zu ziehen.
Unser Punkt, unser Punkt zwei lautet also: Gott erklärt sein großes Ziel. Worum geht es Daniel? Es geht um sein Volk Israel, das ist klar. In Vers 20 bekennt er die Sünde seines Volkes und bittet für den heiligen Berg, also für den Tempel. Das ist sein Hauptanliegen und auch Gottes Antwort.
Es dreht sich hier erst mal um die Zukunft Israels. Das wird ganz deutlich in Vers 24: „Diese 70 Jahrwochen sind verhängt über dein Volk und über deine heilige Stadt“, also über Jerusalem. Und dann wird es in Vers 26 noch mal gesagt: „Das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt“, also Jerusalem, „und das Heiligtum“, also den Tempel, „zerstören.“
Es geht hier zunächst mal um die Zukunft Jerusalems. Gott lässt Daniel eine Weitwinkelperspektive sehen. Er zeigt ihm eine ganz große Perspektive. Wenn wir dafür ein Motto suchen für diese große Perspektive, könnten wir sagen: „Alles wird gut.“ So steht es im Vers 24: Dem Frevel wird ein Ende gemacht, die Sünde wird abgetan, die Schuld wird gesühnt, es wird ewige Gerechtigkeit gebracht, Gesicht und Weissagung erfüllt und das Allerheiligste gesalbt werden.
Also: Alles wird gut.
Der Zeitrahmen, den Gott dafür benennt, ist eine viel, viel größere Perspektive, als Jeremia genannt hatte. Schauen Sie mal: Jeremia hatte von diesen 70 Jahren babylonischer Gefangenschaft gesprochen, die waren jetzt abgelaufen. Aber Daniel bekommt jetzt eine Botschaft über 70 Jahrwochen. Wir werden gleich noch sehen: Das sind sieben mal 70 Jahre, also 490 Jahre.
Eine Jahrwoche ist ein Zeitraum von sieben Jahren. Von daher ist die Luther-Übersetzung etwas missverständlich, wo es heißt „sieben Wochen“. Man müsste besser sagen „sieben Siebenheiten“. Der Zusammenhang macht deutlich, dass hier eine Jahrwoche gemeint ist, also eine Woche als Einheit von sieben Jahren.
Hier haben wir siebzig Einheiten von sieben Jahren, also 490 Jahre. Das ist erst mal der Zeitraum, um den es hier geht.
Es wird noch komplizierter, seien Sie ganz getrost.
Für die Juden war das eine ganz vertraute Zeiteinheit: sieben Jahre, dieser Rhythmus. Das siebte Jahr war das Sabbatjahr. Da sollte das Feld zum Beispiel ruhen, ein Jahr lang. Alle sieben Jahre sollte das Ackerland sich erholen können. Das war eine ganz normale Zahl, ein ganz normaler Rhythmus für die Juden. Sieben ist auch die Zahl der Vollkommenheit, also ein durchaus vertrauter Rhythmus.
Gott sagt jetzt: Innerhalb dieser Frist, innerhalb dieses Zeitrahmens, innerhalb dieser siebzig Jahrwochen wird Gott umsetzen und erfüllen, was in Vers 24 angekündigt ist.
Bevor wir weiter fragen, sehen wir zunächst mal diese Zahlen. Sie zeigen, dass Gott einen präzisen Plan hat – wie auch immer wir sie im Einzelnen verstehen. Die Zahlen zeigen, dass Gott einen präzisen Plan hat, erst recht über die Zukunft seines Volkes.
Hier steht im Vers 24: 70 Jahrwochen sind verhängt, sind angedeutet. Das heißt, Gott hat ein gewisses Zeitraster bestimmt, er hat einen Rahmen angeordnet. In diesem Rahmen wird er seine Planung durchziehen.
Das ist wie bei einem Architekten, der eine gute Bauplanung macht. Er sagt also: Dann und dann muss der Entwurf fertig sein, bis zu dem und dem Zeitpunkt wird das Fundament gelegt, dann werden die Wände hochgezogen.
Man kann einen gut organisierten und einen chaotischen Architekten unter anderem daran unterscheiden, wie gut er mit seiner Bauplanung zurechtkommt. Wir haben da wahrscheinlich alle unsere Erfahrungen gemacht.
So ist Gott der Architekt der Geschichte. Gott ist der Architekt der Geschichte mit einem präzisen Bauplan.
Diese Zahlen zeigen uns, dass Gott nicht irgendetwas ein bisschen dunkel in die Zukunft hinein sagt, sondern dass er auch Zahlen nennt. Er weiß genau, wie er vorgehen wird. Er hat einen genauen Plan der Geschichte. Das ist ganz interessant, das hier schon mal zu sehen.
Nun fragen wir: Was ist das große Ziel, das Gott durchsetzen wird? Da sehen wir, es werden wunderbare Dinge geschehen.
Zunächst mal zeigen uns diese ersten drei Bestimmungen, dass das Problem der Schuld radikal und endgültig gelöst wird.
Hier steht: Dem Frevel wird ein Ende gemacht. Das heißt, Gott wird die Menschen dazu bringen, dass sie umkehren, dass sie nicht mehr bestimmt sind von der Gottlosigkeit, dass neues geistliches Leben entsteht. Dem Frevel wird ein Ende gemacht.
Dann heißt es: Die Sünde wird abgetan. Das heißt eigentlich, die Sünde wird ihrer Macht beraubt. Das ist hier gemeint.
Die Sünde kann den Menschen nicht mehr verdammen, sie kann den Menschen nicht mehr von Gott fernhalten in ihrem Klammergriff. Sie wird entmachtet, weil Gott die Sünde abtut, richtet und vergibt.
Aber wir sagen: Ja gut, aber Gott kann doch die Schuld nicht einfach stehen lassen, er ist doch ein heiliger Gott. Wie kann die Sünde trotzdem entmachtet und entsorgt werden?
Das ist das Dritte. Hier steht: Die Schuld wird gesühnt. Das wird geschehen, Daniel.
Was die alttestamentlichen Opfer angekündigt haben, wird endgültig wahrgemacht. Es wird Sühne geleistet, es wird bezahlt für die Schuld.
Das hebräische Verb, das hier für „sühnen“ steht, bedeutet so viel wie „zudecken“. Die Sünde wird zugedeckt – aber nicht im Sinne von unter den Teppich kehren, sondern sie wird wirklich bedeckt, beseitigt, entsorgt, entmachtet, weil jemand Sühne leistet für diese Schuld.
Als Menschen des Neuen Testaments wissen wir natürlich, was Daniel damals nur ansatzweise verstehen konnte: Das ist die Weitwinkelperspektive auf das Kreuz Jesu Christi.
Dem Frevel wird ein Ende gemacht, die Sünde abgetan, die Schuld gesühnt. Jesus Christus wird das Problem der Schuld radikal und für immer lösen.
Aber damit ist noch längst nicht alles gesagt.
Im Rahmen dieses Siebzig-Jahrwochen-Plans wird noch mehr geschehen. Das ist dann die vierte Bestimmung.
Es wird ewige Gerechtigkeit gebracht, also an die Stelle der Sünde wird Gerechtigkeit treten, neues Leben nach dem Willen Gottes.
Diese Gerechtigkeit beginnt mit der Bekehrung des Einzelnen im Leben der Gläubigen, aber hier ist das noch umfassender.
Christus wird sein Reich der ewigen Gerechtigkeit aufrichten, sein Reich, in dem sein Wille herrscht.
Das Neue Testament sagt uns, dass dieses Reich kommt, wenn Christus wiederkommt. Er wird dieses Reich bei seiner Wiederkunft bringen.
Hier sehen wir schon, was Daniel gezeigt wird: Dieses große Ziel reicht über unsere Zeit hinaus.
Das sehen Sie auch daran, dass es heißt: Es werden Gesicht und Weissagung erfüllt. Das heißt, Gottes Prophetie über die Zukunft wird umfassend erfüllt werden.
Wörtlich steht da: Das wird versiegelt werden. Das heißt, es wird endgültig bestätigt, es wird erfüllt – die Prophetie über Israel, die Prophetie über die Heiden. Das wird erfüllt werden. Das liegt auch noch in der Zukunft.
Dann noch eine sehr schwierige Sache, das sechste und letzte, was noch geschieht: Da steht, das Allerheiligste wird gesalbt werden.
Das klingt sehr rätselhaft.
„Gesalbt“ heißt ja von Gott beglaubigt, von Gott autorisiert.
Einige Ausleger meinen, hier sei von Christus die Rede. Das Heilige, das Allerheiligste wird gesalbt werden, also der Messias wird mit dem Heiligen Geist gesalbt, wenn er eingesetzt wird als König des tausendjährigen Reiches. Das meinen einige.
Das ist prinzipiell denkbar, aber ich glaube, dass ein anderes Verständnis näher liegt.
Wir haben ja gesagt, wir wollen versuchen, das möglichst wortgetreu zu verstehen.
Wenn der Begriff „Allerheiligste“ im Alten Testament erscheint – knapp vierzig Mal – dann bezieht er sich immer auf den innersten Bezirk des Tempels.
Von daher ist es sehr naheliegend, wenn hier keine andere Erklärung gegeben wird, dass es auch in diesem Fall der Allerheiligste ist, der innerste Bezirk des Tempels.
Darum ist es durchaus denkbar, dass in dem zukünftigen Reich, das Jesus Christus mit seiner Wiederkunft bringt, auch noch mal ein Tempel stehen wird, so wie ihn Hesekiel in Hesekiel 40 bis 48 angekündigt hat.
In diesem Tempel wird es dann nicht mehr Sühneopfer für unsere Sünden geben. Das ist ja ein für alle Mal durch Christus geschehen.
Ein solcher Tempel ist nicht mehr nötig.
Es wäre aber durchaus denkbar, dass dieser Tempel aller Welt vor Augen führen und illustrieren soll, was Christus für uns getan hat, als er sein Leben opferte.
Dieser Tempel könnte ein sichtbares Symbol für das Erlösungswerk Christi sein, ähnlich wie unser Abendmahl.
Eine solche Funktion könnte dieser Tempel haben: dass daran illustriert wird, was Christus tat, als er uns erlöste.
Dass ein solcher Tempel am Ende noch einmal errichtet wird und möglicherweise an der Stelle, wo der alte stand und wo jetzt noch die Moscheen in Jerusalem stehen, das ist durchaus denkbar.
Das legt sich, wenn wir Hesekiel 40 bis 48 zugrunde legen, auch durchaus nahe.
Was für ein Panorama wird hier vor den staunenden Ohren Daniels ausgebreitet!
Gott erklärt sein großes Ziel.
Gott sorgt sich um die Zukunft seines Volkes Israel.
Gott sorgt für die Zukunft seines Volkes Israel.
Gabriel überbringt Daniel diese tröstliche und ermutigende Information.
Er sagt: „Pass auf, Daniel! Das Problem der Schuld, du hast so gelitten unter der Sünde, du hast so um Vergebung gebeten – Gott sagt dir: Das Problem der Schuld wird radikal gelöst werden.
Dem Frevel wird ein Ende gemacht, die Sünde wird abgetan, die Schuld wird gesühnt.
Überlege weiter, Daniel: Alle Verheißungen über die Zukunft werden umfassend erfüllt werden in Gottes zukünftigem Reich.
Es wird ewige Gerechtigkeit gebracht werden, es werden alle Prophetien erfüllt werden, es wird das Allerheiligste gesalbt werden.“
Daniel hat das natürlich erst mal für sein Volk Israel gehört.
Aber wir wissen vom Neuen Testament her, dass wir Heiden davon auch berührt und gesegnet werden.
Gottes Zeitplan und die Bedeutung der 70 Jahrwochen
So, und dann kommt der letzte Schritt. Es gibt noch etwas, das die Sache besonders wertvoll macht. Dieses Ziel hat Gott nicht in eine vage, ungewisse Zukunft projiziert. Stattdessen hat Gott, wie wir schon sagten, dafür einen ganz bestimmten Zeitrahmen festgelegt, wie es hier steht.
Das ist die dritte große Perspektive, die Gott hier erklärt. Wir werden sie jetzt nur kurz anreißen und beim nächsten Mal ausführlich behandeln. Erstens haben wir gesagt, Gott erklärt seine große Zuneigung. Zweitens haben wir gesehen, dass Gott sein großes Ziel erklärt. Und drittens – am Ende – erklärt Gott seinen großen Zeitplan.
Als ich versuchte, das zu einem Manuskript zusammenzustellen und kurz mit meiner Tochter sprach, meinte sie, ich müsse dafür einen Zettel machen. Als gehorsamer Vater habe ich mich natürlich hingesetzt und einen Zettel erstellt, der das skizziert. Wir werden diesen Zettel heute nicht vollständig behandeln können, aber ich möchte Sie herzlich bitten, ihn am kommenden Sonntag wieder mitzubringen, falls er herumgereicht wird. Denn wenn diese Zahlen verstanden werden sollen, müssen wir wenigstens diesen Rahmen kennen.
Ich darf jetzt bitten, den Zettel einfach zügig mal durch die Reihen gehen zu lassen. Ich verspreche Ihnen, falls Sie ihn nächsten Sonntag vergessen, bekommen Sie noch einmal einen neuen. Vielleicht ist er bis dahin auch noch etwas besser ausgearbeitet. Es geht jetzt um die Frage: Wie ist das mit diesen 70 Jahrwochen zu verstehen? Was bedeutet dieser Zeitrahmen, den Gott hier vor unseren Augen entfaltet?
Damit geht es nämlich jetzt in Vers 25 los. Die Zettel werden noch weitergereicht. Nächstes Mal werde ich sie gleich mit dem Gottesdienstzettel zusammen auslegen. Wir werden heute nicht bis zum Ende kommen. Ich möchte nur, dass Sie einen ersten Eindruck davon bekommen und dass wir es dann am nächsten Sonntag wirklich systematisch darstellen können.
Die Aufgabe ist, denke ich, klar: Gott hat sein großes Ziel dargestellt und es Daniel gesagt. Und jetzt, ab Vers 25, erklärt er seinen Zeitplan. Sie werden gleich sehen, dass Gott in diesem Zeitplan nicht alle Details verrät, aber doch eine ganze Menge. Jetzt kommen gewissermaßen Mathe und Religion zusammen.
Die Ereignisse von Vers 25 lauten: "So wisse nun und gib Acht auf die Zeit, von dem Erlass an, der zur Wiederherstellung Jerusalems erging, bis ein Gesalbter, ein Fürst, kommt, sind es sieben Jahrwochen. Und 62 Jahrwochen lang wird es wieder aufgebaut sein, mit Plätzen und Gräben, wenn auch in kummervoller Zeit."
Die Ereignisse von Vers 25 umfassen also einen Zeitraum von sieben Jahrwochen, das sind 49 Jahre – sieben mal sieben – plus 62 Jahrwochen, das sind 434 Jahre. Wenn Sie das zusammenrechnen, erst die sieben Jahrwochen und dann die 62 Jahrwochen, ergibt das 69 Jahrwochen, also 49 Jahre plus 434 Jahre, insgesamt 483 Jahre.
483 Jahre ist der Zeitraum, den Vers 25 umfasst. Ich denke, das ist erstmal klar. Wenn Sie das nach dem jüdischen Kalender berechnen – im jüdischen Kalender hat ein Jahr 360 Tage – dann beträgt dieser Zeitraum 17.280 Tage. Das ist der Zeitraum von Vers 25.
Jetzt fragt man sich: Wann beginnt dieser Zeitraum und wann endet er? Hier steht, er beginnt mit dem Erlass zur Wiederherstellung Jerusalems. Es gab verschiedene Erlässe, aber der wahrscheinlichste, auf den sich das bezieht, ist der Erlass, mit dem Artaxerxes angeordnet hat, dass die Stadtmauern wieder gebaut werden. Er hat das Nehemia damals erlaubt. Das können Sie in Nehemia 2 nachlesen.
Dieser Erlass wurde aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 444 v. Chr. erteilt. So beginnt diese Zeit zu laufen, am 5. März 444 v. Chr. Das ist das wahrscheinlichste Datum für den Erlass des Artaxerxes, dass Jerusalem wieder aufgebaut wird.
Wann endet dieser Zeitrahmen? Mit dem Kommen eines Fürsten, eines Messias. Ein Messias ist ein Gesalbter, ein Fürst ist ein König. Wenn dieser kommt, endet der Zeitraum. Das ist schon sehr spannend.
In den ersten 49 Jahren, also in diesen ersten sieben Jahrwochen, wurden die Stadtmauern aufgebaut, der Tempel wiederhergestellt, und Serubbabel war beteiligt. Das waren die Jahre ab 444 v. Chr. bis etwa 396 v. Chr.
In den nächsten 434 Jahren sagt Gabriel hier, wird Israel Bestand haben, auch nachdem der Tempel gebaut ist. Es wird eine ordentliche Infrastruktur mit Plätzen und Gräben geben. Allerdings geschieht das in kummervoller Zeit.
Und genau so war es: Die Israeliten waren in ihrem Land, sie hatten ihren Tempel durch Nehemia und Esra und all die Ereignisse. Aber sie blieben immer unter fremder Herrschaft. Zuerst kamen die Perser, dann die Griechen, Alexander der Große. Danach waren sie wechselweise unter der Knute der Ägypter und Syrer.
Dann kam eine kurze Phase der neuen Selbständigkeit, der staatlichen Unabhängigkeit unter den Makkabäern. Diese dauerte knapp 80 Jahre, etwa von 142 bis 64 v. Chr. Danach kamen die Römer.
Wie gesagt, alles geschah in kummervoller Zeit. Sie hatten Bestand, sie waren da, aber es war keine ruhige Zeit.
Womit endet dann diese Periode von 69 Jahrwochen, also 483 Jahren? Bis ein Gesalbter und ein König kommt. Rechnen wir also die 483 Jahre: Nach jüdischer Rechnung hat ein Jahr jeweils 360 Tage, das macht zusammen 173.280 Tage.
Wenn wir mit dem Erlass des Artaxerxes am 5. März 444 v. Chr. beginnen, enden diese Tage irgendwann Ende März, etwa um den 30. März, im Jahr 33 nach Christus. Das kann man auf den gregorianischen Kalender umrechnen; es ist genau diese Zeit.
Wenn wir vom 5. März 444 v. Chr. bis zum 30. März 33 n. Chr. rechnen, kommen wir auf 476 Jahre nach unserem gregorianischen Kalender. Das sind 173.280 Tage, wobei wir noch 116 Tage aus den Schaltjahren und die 24 Tage vom 5. März 444 bis zum 30. März 33 dazurechnen müssen. So kommen wir auf die 173.280 Tage.
Ich nehme es Ihnen nicht übel, wenn Sie das jetzt nicht im Einzelnen alles verstanden haben. Sie können das noch einmal nachverfolgen anhand dieses Zettels. Worum es mir geht, ist zu zeigen, dass diese 173.280 Tage, also 483 Jahre, im gregorianischen Kalender der Zeit vom 5. März 444 v. Chr. bis zum 30. März 33 n. Chr. entsprechen.
Und das ist der wahrscheinlichste Termin, zu dem Jesus Christus im Triumphzug in Jerusalem einzieht. Das ist erstaunlich.
Das wird in Matthäus 21 geschildert: Jesus wird offiziell als Messias und König präsentiert. "Siehe, dein König kommt zu dir." Die Menge ruft "Hosianna! Gelobt sei der Kommende im Namen des Herrn!"
Was sagt Gabriel zu Daniel? Ein Gesalbter, ein König kommt im Rahmen dieser 483 Jahre. Damit endet die 69. Jahrwoche. Das ist erstaunlich.
Natürlich konnte Daniel das alles noch nicht ausrechnen, weil er nicht wusste, wann die Uhr zu laufen beginnen würde. Er erhielt diese Offenbarung etwa 538 v. Chr., aber die Zeitrechnung begann erst mit Artaxerxes, etwa hundert Jahre später.
Seit dem Erlass des Artaxerxes, also seit 444 v. Chr., konnte man den Zeitrahmen ausrechnen, wann der Messias kommen würde. Man konnte das Datum nicht exakt bestimmen, aber den Zeitraum, in dem er kommen müsste.
Es könnte sein, dass damit die Geburt gemeint ist, aber nach allem, was wir hier sehen und rechnen, ist es höchstwahrscheinlich der Einzug Jesu in Jerusalem als öffentlicher König.
Das Geschehen von Vers 25 wird so präzise durch die Jahrwochen in Daniel vorhergesagt.
Aber damit ist noch kein Happy End erreicht. Das werden wir nächstes Mal sehen, denn in Vers 26 geht es darum, dass dieser Gesalbte dann ganz überraschend ausgerottet wird.
Es wird noch einmal eine sehr schwere Zeit für Israel kommen. Das werden wir beim nächsten Mal alles betrachten. Und das alles passiert nach den 62 Jahrwochen, also nach den sieben Jahrwochen plus 62 Jahrwochen, nach den 69 Jahrwochen.
Und so viel verrate ich schon: Was in Vers 26 steht, ist nicht gesagt, dass es in der siebzigsten Jahrwoche passiert. Es geschieht nach den 69 Jahrwochen.
Die große Frage, die wir nächstes Mal klären müssen, ist: Offensichtlich besteht zwischen der 69. und der 70. Jahrwoche ein gewisser zeitlicher Abstand.
Die große Frage ist: Wie groß ist dieser zeitliche Abstand? Wir leben offensichtlich jetzt in der Lücke zwischen der 69. und der 70. Jahrwoche.
Das müssen wir nächstes Mal klären: Wann kommt die 70. Jahrwoche? Was passiert in diesen letzten sieben Jahren, von denen Daniel hier in Vers 27 spricht? Das müssen wir klären.
Wir hätten uns so einen Predigttext und so ein Thema nie ausgesucht, wenn wir nicht eine Predigtreihe über Daniel 9 machen würden. Aber wir haben uns vorgenommen, dieses ganze Buch auszulegen, weil Gott uns dieses ganze Buch gegeben hat.
Da können wir nicht einfach selbstherrlich daherkommen und sagen: "Na ja, diese Themen sind etwas zu speziell, die übergehen wir jetzt mal." Das wäre nicht in Ordnung und auch nicht im Sinne Gottes.
Wir haben die Aufgabe, diese Dinge zu klären. Deshalb lade ich Sie herzlich ein, am kommenden Sonntag wieder dabei zu sein, wenn wir die Verse 26 und 27 auslegen. Dann werde ich Ihnen auch noch einmal dieses Rechenbeispiel erklären.
Zusammenfassung und Ausblick
Für heute kann ich zusammenfassen: Wir sind heute bis zur 69. Jahrwoche gekommen, bis zum Einzug Jesu in Jerusalem. Dabei haben wir drei große Perspektiven betrachtet.
Erstens haben wir gesehen, dass Gott seine große Zuneigung erklärt. Du bist sehr geliebt, Daniel. Wenn Sie nur diesen ersten Punkt mitnehmen, haben Sie schon unglaublich viel für die nächste Woche gelernt.
Zweitens haben wir gesehen, dass Gott sein großes Ziel erklärt: Er wird alles gut machen, die Sünde besiegen und seine ewige Gerechtigkeit aufrichten.
Drittens haben wir ansatzweise gesehen, dass Gott seinen großen Zeitplan offenbart.
Was nehmen Sie davon mit in die nächste Woche? Zum einen nehmen Sie mit, wie präzise Gottes Prophetie ist. Mathematik und Religion haben manchmal doch miteinander zu tun. Das sollten Sie sich merken.
Der Naturwissenschaftler Sir Isaac Newton hat zu diesem Text geschrieben: „Diese Prophetie allein reicht aus, um die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft zu belegen.“ Das kann kein Zufall sein. Beim nächsten Mal werden Sie noch weitere präzise Erfüllungen sehen. Das nehmen wir mit: Wie präzise ist Gottes Prophetie.
Was nehmen wir noch mit? Gott will offensichtlich, dass wir seine Zukunftspläne kennen, ernst nehmen und studieren. Sonst hätte er uns diesen Text nicht gegeben.
Außerdem legt Gott uns die Geschichte seines Volkes Israel ans Herz. Sonst hätte er gesagt: „Diese speziellen Dinge mit Israel brauchen wir nicht in einer christlichen Bibel.“ Aber Gott betont durch solche Bibeltexte eindeutig die Bedeutung seines auserwählten Volkes.
Was nehmen wir noch mit? Wir nehmen mit, dass Gott Gebete ernst nimmt. Sehen Sie, wie Daniel gebetet hat – und Gott hat so schnell geantwortet. Gott hat das ganz ernst genommen. Während Daniel noch betete, hat Gott bereits den Engel Gabriel auf die Reise geschickt.
Schließlich, was nehmen wir als Letztes mit? Gott will auch uns seiner Liebe versichern. Gott will auch dich seiner Liebe versichern, damit auch du sagen kannst: Ich bin von Gott geliebt. Das ist das Größte, was uns jemand sagen kann: Du bist geliebt. Und Gott hat es durch Jesus Christus auch zu dir gesagt.
Amen.