B. Wie? Ich freue mich, Sie so gut ausgeschlafen zu sehen, und wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Wir wollen den Gottesdienst jetzt gemeinsam mit dem Lied 197 beginnen.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Wohl dem, der den Herrn fürchtet und große Freude an seinen Geboten hat.
Wir wollen beten.
Oft haben wir Freude an unseren eigenen Vorstellungen und Plänen, doch wir fragen nicht nach deinem Willen, Herr. Wir bitten dich, dass du durch deinen Heiligen Geist ein neues Denken in uns einpflanzt. Schenke uns eine Leidenschaft, deinen Willen zu erkennen und zu tun.
Hilf uns, in dieser Welt voller Krieg und Schrecken Werkzeuge deines Friedens zu werden.
Wir beten weiter in der Stille.
O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein. Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein! Amen!
Begrüßung und Einführung in den Gottesdienst
Zunächst möchte ich herzlich diejenigen grüßen, die im ersten Stock sitzen. Sie können uns zwar nicht sehen, sind aber dennoch herzlich mit uns verbunden.
Wenn der Fernsehgottesdienst stattfindet, werden hier unten viele zusätzliche Geräte aufgebaut. Dadurch wird unser Platz wahrscheinlich etwas eingeschränkt sein.
Die ZDF-Leute werden im ersten Stock, im Humboldtsaal, einige Monitore aufstellen. So kann man dort nicht nur hören, sondern auch mitverfolgen, was unten geschieht.
Die Geschichte von David und Nathan als Ausgangspunkt
Der Empfangschef des Königs David antwortet auf die Frage seines Herrschers Sven: „Nein, Majestät, nicht der Außenminister, es ist der Prophet Nathan, Majestät. Der Empfangschef hat die Anweisung, ihn jederzeit vorzulassen.“
Was will er jetzt? Ohne lange Umschweife kommt Nathan zur Sache: König David, es geht um einen Fall von schreiender Ungerechtigkeit. „Ich muss Ihnen von zwei Männern aus einer Stadt in Israel erzählen. Der eine ist stinkreich und besitzt eine riesige Herde Vieh, der andere ein armer Schlucker, der nur ein kleines, unterentwickeltes Schaf besitzt. Dieses Schaf ist sein Ein und Alles. Er hängt sehr daran, es lebt mit seiner Familie zusammen und frisst vom Tisch. Die Familie schläft auf einer großen gemeinsamen Matratze.
David denkt bei sich: Will der hier etwa ein Drehbuch für einen Kinderfernsehfilm erzählen, oder was soll das?
Der reiche Mann bekommt Besuch. Und weil er zu geizig ist, von seiner eigenen Herde ein Schaf zu schlachten, nimmt er dem Armen das Einzige, was er hat, und führt es seinem Gast zu. Ein Fall von schreiender Ungerechtigkeit.
Das ist unser Thema heute. Wir wollen die ganze Predigt über diesen Fall von schreiender Ungerechtigkeit sprechen.“
David hört die Geschichte und fährt vor Wut und Zorn aus der Haut.
Das Urteil Davids und die Konfrontation durch Nathan
Und da beginnt unser Predigttext, 2. Samuel 12, Verse 5-7:
Da geriet David in großem Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So liebt der Herr! Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat. Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan hat und sein eigenes geschont hat.
Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann.
Die verborgene Schuld und das automatische Urteil
Bei diesem Fall von schreiender Ungerechtigkeit geht es zunächst um das automatische Urteil. In der Geschichte, die Herr Nathan erzählt, geht es letzten Endes nicht um Lammkoteletts, sondern um Ehebruch und Meuchelmord.
Der Täter heißt David, und alles ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert. Keiner hat etwas gemerkt, und alle, die etwas wussten, haben mitgeholfen, dass es vertuscht wird. So bleibt alles völlig unter der Decke und erhält nur einen Schein von Rechtsprechung. Niemand kann mehr etwas daran ändern. David lässt sich nichts nachweisen.
Die Leute, die Bescheid wussten, und auch David selbst sagten: „Na ja, so ein gestresster König, nicht? Da muss man schon mal über das süße Leben ein bisschen hinwegsehen.“ Man könne da nicht so eng sehen. Und Meuchelmord an dem Mann der Frau, die er sich angelandet hatte, dem Offizier Uriah – Meuchelmord, na ja, das sei das Berufsrisiko eines Offiziers. Im Krieg werde halt gestorben, und Tod sei Tod. Aus welchen Gründen, darauf könne es dann auch nicht ankommen.
David selbst war über die eigene Geschichte, die er da angezettelt hatte, überhaupt nicht entrüstet. Wenn man ihn darauf angesprochen hätte – und ich wette, wenn Nathan die Diskussion mit ihm direkt gesucht hätte –, hätte er gesagt: „Also, wir haben ja hier im Königspalast keine kleinbürgerliche Sexualmoral, nicht? Wir leben ja nicht hier in der Prüderie des neunzehnten Jahrhunderts.“
Es sei immer so gewesen, auch im christlichen Abendland Europas: Für diejenigen, die ein bisschen größere Sportmänner waren und gesellschaftlich auf dickerem Fuß standen, galten immer etwas andere Maßstäbe. Sie fühlten sich immer etwas erhoben über die Moral der kleinen Leute.
So fand er David darin eigentlich und im Grunde nichts Verwerfliches.
Die hinterlistige Falle des Propheten Nathan
Der Prophet Nathan fängt David mit einer hinterlistigen Falle. Ist das nicht so? Es ist tatsächlich eine richtig hinterlistige Falle, diese Beispielerzählung, in der David sich langsam in Rage steigert.
Diese Falle ist hinterlistig und geschieht im Auftrag Gottes, nicht aus der Natur der Sache. Raubtiere fängt man mit hinterlistigen Fallen. Und genau darum geht es hier. Gott behandelt das Raubtier David, das etwas zerreißt und tut, was es für gerechtfertigt hält, weil seine Triebe es so wollen. So wie wir alle zu jeder Zeit das, was unsere Triebe verlangen, für gerechtfertigt halten – sei es im sexuellen Bereich, im Jähzorn oder in der Habgier.
Gott handelt mit David, wie man mit einem Raubtier umgeht. Er fängt ihn in einer hinterlistigen Falle. David erzählt dem Dänen die Geschichte mit den rührenden Lammkotletts. Da gerät David in großen Zorn über den Mann, heißt es, und spricht: »So wahr Yahweh lebt, der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat.«
Das ist ein sympathischer Zug an David – diese Leidenschaft, diese glühende Leidenschaft für Gerechtigkeit. Und zwar auch dort, wo es um den kleinen Mann geht. Da will er sofort eingreifen. Er spürt, dass man das nicht durchgehen lassen darf. Hier ist Unrecht geschehen.
Die Gefahr des eigenen Urteils und die Selbstreflexion
Und an dieser glühenden Leidenschaft für die Gerechtigkeit hängt er sich sozusagen selbst auf. Die "Finger", an denen er sich aufhängt, hat Jesus in der Bergpredigt so formuliert: „Richtet nicht! Mit welchem Maß ihr richtet, werdet ihr auch gerichtet. Mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr auch gerichtet werden.“
Dass „werdet ihr auch gerichtet werden“ heißt, ist nach jüdischem Sprachgebrauch eine Passivwendung und eine Umschreibung für das Gericht Gottes. Mit welchem Gericht ihr richtet, wird Gott euch auch richten.
Lassen wir uns die Dinge in unserem Leben betrachten. Es ist sympathisch, dass wir alle Menschen sind, die entrüstet sind über das Unrecht, das andere tun. Wer wäre nicht entrüstet über die Blutbäder, die in München passiert sind? Wer wird nicht entrüstet über den Wahnsinn des Krieges im Mittleren Osten? Wer wird nicht entrüstet über die tausendfache Folter, die in der Welt geschieht? Wer wird nicht entrüstet über das Unrecht, das einem Angestellten in einer Firma widerfährt? Über das Unrecht, das in einer Familie passiert?
Diese Entrüstung ist in uns. Es ist eine sympathische Leidenschaft: die Entrüstung über das Unrecht, das andere tun. Die Entrüstung, die Abscheu über die feige Lüge, über die Kinderlist, mit der andere Leute in die Falle gelockt, ausgenutzt und fertiggemacht werden. Entrüstung über ungleiche Behandlung, Entrüstung über hochnäsige Missachtung.
Wir erwarten, dass wir mit Geduld und Verständnis behandelt werden, dass man auf unsere Worte mit Aufmerksamkeit hört und auch die Töne zwischen den Worten versteht. Das erwarten wir für uns – dass man uns gerecht behandelt.
Und indem wir dies tun, ist das etwas Gutes. Das Wichtigste, was ein Mensch hat, ist die Leidenschaft für Gerechtigkeit. Und indem wir das tun, sprechen wir uns automatisch das Urteil, sagt Jesus, sagt Nathan. Mit welchem Gericht wir andere richten, richten wir uns selbst.
Denn Nathan führt David vor, wie er ist, nicht wie schlecht er ist. Er zeigt ihm, wie gut er ist, wie leidenschaftlich er für Gerechtigkeit eintritt. Jesus führt ihn einmal an der Leine aus in seiner Gerechtigkeit, in seiner Leidenschaft für die Durchsetzung des Rechts für den Schwächeren.
Und indem diese großartige Gerechtigkeitsliebe Davids plötzlich aufblüht, spricht er sich selbst, spendet er sich selbst das Urteil über sein eigenes Leben!
Die Bedeutung der Gewissenserfahrung
Da ist der kritischste Punkt unseres Lebens. Hier tun wir uns auch am schwersten. Aber das ist der Maßstab Gottes. Wenn man das selbst bei sich noch nicht gespürt hat, kann man ganz getrost die Rechnung aufmachen und sagen: Da, wo man sich am meisten über andere entrüstet, verspricht man sich in der Regel das schärfste Urteil.
Für das Unrecht des anderen hat man ein leidenschaftliches Ablehnungsgefühl. Für das Unrecht, das man selbst tut, hat man hingegen wundervolles Verständnis. Wundervolles Verständnis – das ist das Elend unseres Miteinanderlebens.
Wenn wir wissen wollen, wie Gott uns beurteilt, hier ist der Maßstab: Mit welchem Gericht du richtest, wird Gott dich widerrichten. Da sind wir schon beim zweiten Punkt. Es geht zunächst um das automatische Urteil. Nathan sagt ja gar nichts, er sagt nicht: Du hast Unrecht getan, sieh mal da, und setze dich endlich ein. Es ist vielmehr so, dass wir das Urteil automatisch fällen.
Es vollzieht sich von selbst. Wir spucken es sozusagen selbst aus. Indem wir noch über die Ungerechtigkeit klagen und die anderen anklagen, sprechen wir automatisch selbst das Urteil über uns. Es besteht ein unheimlicher Zusammenhang.
Das treffende Wort und die Konfrontation mit der eigenen Schuld
Das Zweite, was daraus folgt, ist das treffende Wort. Man sagt ja so: ein treffendes Wort – das ist eine Redensart. Hier meine ich es aber ganz eng im wörtlichen Sinne, nämlich das Wort, das trifft.
Ich bin überzeugt, dass David grundsätzlich auch der Meinung war: Woran ich andere messe, daran muss ich mich selber auch messen lassen. David hat nicht gesagt, für mich gelten generell andere Regeln. Er war genauso. Er war ein Mann, der etwas von der Wirklichkeit Gottes wusste. Er war nicht jemand, der Jahrzehnte mit einem abgestumpften Gewissen gelebt hatte und Gott entfremdet war.
In der Praxis sieht es bei David und auch bei uns oft ganz anders aus. Es ist genauso oft so, dass man versteht: Natürlich muss ich mich selbst an den Maßstab messen, an dem ich die anderen messe. Dabei kommt kein heißer Zorn auf.
Dann fängt Nathan David ohne Umschweife ab. Im Hebräischen ist das noch schärfer als in der deutschen Übersetzung. Dort heißt es: „Du bist der Mann.“ Es sind immer noch vier Worte, aber im Hebräischen sind es nur zwei: „Atah e Isch, Atah e Isch“ – du der Mann, du der Mann.
Die Gewissenserfahrung als innerer Konflikt
Hier sind wir an einem ganz dringenden und wichtigen Punkt. So sieht eine Gewissenserfahrung aus. Gewissen ist ja ein ziemlich unklarer Begriff. Jeder beruft sich auf sein Gewissen, und verschiedene Menschen sagen, ihr Gewissen spreche ganz unterschiedliche Dinge. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Sache mit dem Gewissen manchmal auch eine Zwecklüge sein könnte.
Was ist das Gewissen eigentlich? So etwas Schwimmendes hat doch niemand wirklich gesehen. Man nennt Gewissen eigentlich diesen inneren Konflikt, den jeder in sich trägt. Es ist der Kampf zwischen der Art und Weise, wie jemand tatsächlich ist, und dem, wie er eigentlich sein sollte – dem Sein und dem Sollen.
Dieser Kampf ist bei jedem vorhanden, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise. Die Stimme des Gewissens klingt bei jedem anders. Ich vergleiche das Gewissen gern mit einer Lautsprecheranlage. Was aus dem Lautsprecher herauskommt, hängt nicht unbedingt von der Qualität des Instruments ab. Innerlich hängt es nicht von der Marke des Lautsprechers ab, sondern von dem, der ins Mikrofon hineinspricht.
So hat jeder ein Gewissen, das mehr oder weniger misshandelt oder beschädigt sein kann. Aber was ich durch mein Gewissen höre – wie ich sein sollte –, hängt davon ab, wer in das Mikrofon spricht und wer bestimmt, was falsch und was richtig ist.
Die Konkretheit des Gewissensurteils
Eine Gewissenserfahrung ist so, wie David sie hier erlebt. Ich denke, diese Szene zwischen David und Nathan ist gewissermaßen ein nach außen verlegtes Modell einer Gewissenserfahrung, so wie Menschen sie machen.
Jetzt geht es nicht länger darum, im Allgemeinen über Unrecht an sich, über Lüge in der Welt und Habgier nachzudenken. Du bist der Mann! Gott gebraucht einen Menschen und sein Wort, um sein Wort gezielt wie einen scharfen Speer in unser Gewissen hineinzuschleudern – und es trifft.
Es geht jetzt nicht mehr um die Menschen an sich, und es geht nicht mehr um das Unrecht an sich. Sondern es geht um mich, um diese eine Lüge, um diesen Betrug und um diesen habgierigen Akt. Es geht immer um ganz konkrete Sachen. Du bist der Mann – Gott nagelt uns fest.
Gott braucht dazu oft Werkzeuge. Dieser Anruf des Gewissens, wo Gott sich bemerkbar macht, kann auf sehr verschiedene Arten passieren. Das kann einem bei einem Spaziergang im schönsten Wetter geschehen, wenn man von nichts ahnt, dass plötzlich und unvermutet der Gedanke da ist und bohrt und bohrt und bohrt.
Oder es kann jemand mit einem reden, und er sagt etwas, ohne dass er überhaupt eine Ahnung hat, was er damit sagt. Doch das Wort, das er sagt, erinnert mich in meinem Gewissen daran, was in meinem Leben nicht recht ist. Gott setzt auf das beiläufige Wort meines Gesprächspartners den Akzent seines Geistes und trifft mich in meinem Gewissen.
Die Gewissenserfahrung hat immer ein Kennzeichen: Sie ist absolut und unausweichlich gültig.
Die Freiheit der Reaktion auf den Gewissensruf
Hier liegt der entscheidende Punkt des Christseins und des Christwerdens. Christsein hat auch viel mit Gedanken zu tun. Deshalb gab Gott uns das Gehirn. Auch unsere Gefühle sind betroffen. Gott sucht uns mit unseren Gefühlen.
Doch das Zentrale bei der Erfahrung, beim Leben mit Gott und bei der Begegnung mit Christus sind nicht unsere Gefühle und nicht unsere Gedanken. Es ist unsere Gewissenserfahrung. Diese Erfahrung sagt: „Du bist der Mann, du bist hier gemeint in diesem konkreten Unrecht.“ Das Wort trifft. Das haben wir nicht in der Verfügung, das kann man nicht machen.
Man kann einem Menschen wissen lassen, man kann versuchen, in sein Gewissen zu reden, immer wieder. Doch er lässt alles abprallen wie eine Tenniswand die Bälle. Wir haben nicht die Möglichkeit, jemanden in der Tiefe seines Gewissens zu treffen. Man kann niemandem unter die Haut reden. Das ist die Freiheit, die Gott sich nimmt.
Er benutzt irgendein Ereignis, irgendein Wort und, wenn er barmherzig ist, auch einen Gottesdienst, um uns ins Gewissen hineinzureden, uns zu treffen und zu stellen, so dass ich weiß: Gott redet mit mir. Ich bin gestellt.
Wenn man eine solche Gewissenserfahrung macht, also gestellt wird, heißt das nicht, dass man jetzt gar nicht anders kann, als zu tun, was diese Stimme sagt. Das ist nicht so! Man ist jetzt nicht angenagelt und gezwungen, dies zu tun und in Ordnung zu bringen.
Deshalb ist die entscheidende Frage: Wie reagieren wir auf den Anruf Gottes in unserem Gewissen? Wie? Man kann abweisen. Man muss sich dem nicht öffnen. Man muss auf die Stimme nicht nachhaltig horchen und dann gehorchen.
Man kann sich auch einen Panzer anlegen, man kann sie verdrängen, man kann sich verhärten. Man kann sein Gewissen totschlagen und in Schweigen bringen. Nicht das ist der Punkt, dass wenn Gott plötzlich redet, man sozusagen wie von einem Kran hinten beim Tragen gepackt ist und ohne Landemarke wegtransportiert wird, dahin, wo Gott einen haben will.
Wir sind kein Material. Gott redet uns an, stellt uns im Gewissen: „Du bist der Mann.“ Und jetzt sind wir dran, uns dem zu öffnen oder uns zu verbarrikadieren.
David wird sich dem Urteil stellen. Er wird nichts beschönigen, er wird alles bekennen und so die Heilung durch Vergebung erfahren. Er lässt sich auf seine Schuld festnageln. Das ist ein kritischer Punkt.
Wer sich in gewissen Situationen, in denen Gott ihn angesprochen hat, verhärtet, entfremdet sich von Gott. Das ist das schreckliche Geheimnis von Leuten, die einmal mit Christus gelebt haben und langsam, aber sicher zu ihm auf Distanz gegangen sind. Natürlich gibt es das.
Komme mir keiner und erzähle die Märchen von den intellektuellen Problemen, die er nicht bewältigt hat. Wenn das der Grund für das Abschwimmen aus dem Christsein ist, dann sage ich: Sie sind zu faul gewesen, um nachzudenken. Sie hätten mehr Bücher lesen sollen, anstatt Vorurteilen nachzuhängen. Komme mir keiner so billig.
Intellektuelle Fragen können einem zusetzen und müssen durchkämpft werden, aber sie trennen uns nicht von Gott. Das sind doch Ammenmärchen. Wo einer von Gott wegkommt, sind irgendwo in seinem Leben Weichenstellungen gewesen. Dort, wo Gott ihn im Gewissen angerufen hat, hat er nicht mehr bereinigt.
Da lebt einer in einer Beziehung, die keine Ehe ist, und tut so, als wäre sie es. Er meint, er könnte es so machen. Es ist nicht recht vor Gott. Da lebt einer mit Besitz, den er nicht rechtmäßig erworben hat. Da hat einer Geld auf seinem Konto und weiß genau, dass es nicht ihm gehört. Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Da lebt einer mit Ergebnissen im Beruf, wie in der Schule oder im Studium, die durch Betrug zustande gekommen sind. Man kann so nicht leben. Dann ruft Gott uns in unserem Gewissen an. Und dann schmettern wir das ab. Dann sagen wir: „Ach Quatsch, das kann ja nicht alles so kritisch sein.“
Und dann stirbt unser Gewissen ab, und dann kommt das Schweigen Gottes. Dann wird Gott zur Theorie, dann wird er zur Phrase, und dann wird das Christentum zur abgestandenen Jauche, mit der kein Mensch mehr leben kann.
Hier liegt der Punkt: Wenn Gott unser Gewissen anspricht, ist das der kritische Punkt in der Entscheidung unseres Lebens. Der kritische Punkt ist: „Du bist der Mann, was willst du jetzt?“
Nun müssen wir noch auf den Inhalt eingehen. Es gibt zwei Bestandteile, aber zwischendurch singen wir einen Vers:
„Meinst du wirklich, dass sich jemand so heimlich vor mir verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?“, spricht er.
Wer ist der Herr, wer ist der Herr?
Die zwei Bestandteile des Gewissensurteils
Schreiende Ungerechtigkeit – zunächst haben wir das automatische Urteil genannt, dann das treffende Wort, und schließlich die zwei Bestandteile des Urteils. Bitte achten Sie noch einmal darauf: Es gibt zwei Bestandteile in dem Urteil, das Herr David sich selbst spricht.
Der erste Bestandteil lautet: „So wahr Yahweh lebt, der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat.“ David weiß ganz genau, dass Gottes Heiligkeit und Gottes Wirklichkeit unvereinbar sind mit Ungerechtigkeit in unserem Leben.
Bei dieser Schuld der Ungerechtigkeit geht es nicht darum, dass etwas schiefgelaufen ist, was man mit einer Spende ans Müttergenesungswerk oder für die Uganda-Hilfe wieder in Ordnung bringen könnte. Das Gewissensurteil ist in seinem Wesen ein Todesurteil. Mein Leben ist von vor Gott verwirkt.
Da David das richtig gesehen hat, bestätigt Jesus dies und macht es am Kreuz sichtbar: Schuld tötet. Dort, wo Gott uns im Gewissen anspricht, geht es nicht um leichte, kosmetische moralische Korrekturen, sondern das Todesurteil ist gesprochen. Unser Leben ist verwirkt.
Deshalb können Gewissen nur zur Ruhe kommen, entweder dadurch, dass man sie totschlägt – dann hat man die Friedhofsruhe eines verhärteten, ermordeten Gewissens – oder dadurch, dass das Todesurteil rechtmäßig vollstreckt wird. Dann gibt es Gewissheit, Geborgenheit und Ruhe für ein erschrockenes Gewissen.
Denn das, was Gott uns bietet, geschieht nicht in allgemeinen Beschwichtigungsreden wie: „Ach, red dir mal vom Herzen, dann wird es leichter.“ Sondern es geschieht, indem Gott Jesus stellvertretend unseren Tod sterben lässt. Das Todesurteil des Gewissens wird auf Golgatha vollstreckt – rechtsgültig.
Deshalb gibt es eine Beruhigung, eine Gewissheit, die Geborgenheit des Gewissens, eines gereinigten Gewissens, eines guten Gewissens, wie die Bibel im Hebräerbrief sagt – ausschließlich durch diesen Tod Jesu am Kreuz. Denn die Vergebung der Sünden und die Gewissheit der Vergebung der Sünden sind auf Recht gegründet, nicht auf plausible Gefühle oder willkürliche Launen, sondern auf Recht.
So wahr Jesus an meiner Stelle gestorben ist, so wahr darf ich annehmen, dass meine Schuld, deren ich angeklagt bin, getragen ist. Ich darf mich dem Todesurteil des Gewissens stellen: Mein Leben ist verwirkt vor Gott. Im Angesicht des gekreuzigten Jesus darf ich nur hier aussprechen: Ja, Herr, du hast Recht, das habe ich verdient, und ich danke dir, dass du an meiner Stelle diesen Weg gegangen bist.
Das ist der erste Bestandteil dieses Urteils: Das Gewissensurteil ist immer ein Todesurteil. Es weist uns zum Kreuz Jesu.
Dann gibt es noch einen zweiten Bestandteil. Es heißt, der Mann soll das Schaf vierfach ersetzen. Vierfach ersetzen, nicht anstatt. Nicht vierfach zurückzahlen anstatt zum Tode verurteilt zu sein, sondern das gehört als Folge zueinander.
Er wird erst verurteilt zum Tode, und aus seiner Vermögensmasse wird der Mann entschädigt. So laufen die Dinge. Wir meinen oft Wiedergutmachung anstatt Todesurteil. Wir wollen uns mit Wiedergutmachung aus der Affäre ziehen und meinen, Vergebung könnte man erwirken durch Wiedergutmachung.
Die Bibel sagt uns: Schuld kann durch nichts in Ordnung gebracht werden. Das Todesurteil muss vollstreckt werden. Es wird an uns vollstreckt oder stellvertretend an Jesus vollstreckt. Wir werden das annehmen, was Jesus tut, und werden frei sein.
Was ist dann die Folge? Der zweite Bestandteil des Urteils ist ganz wichtig: Wenn ich die Stellvertretung Jesu annehme, dann gilt umso mehr, dass ich aus Dankbarkeit in Ordnung bringe, was ich Unrechtes angerichtet habe. Kaputte Dinge zwischen Menschen sind in Ordnung zu bringen, wo irgendetwas noch möglich ist.
Es ist ja schlimm genug, dass es viele Situationen gibt, in denen man das nicht wieder in Ordnung bringen kann. Aber es gibt eben auch sehr viele Dinge, da kann manches wieder ins Lot gebracht werden – durch einen Akt der Vergebung, durch zurückgebrachtes Hab und Gut, durch Erstattung im Finanziellen.
Das ist der zweite Teil: Die Vergebung durch den stellvertretenden Tod Jesu ist das eine. Das zweite ist, aus Dankbarkeit hinzugehen und zu sagen: Nun muss das Recht wiederhergestellt werden – und zwar vierfach. Es ist wie bei Zachäus, der auch vierfach zurückgeben wollte, wo er betrogen hat.
Nun soll das Recht blühen. Es soll nicht nur irgendwie hinkommen, sondern es soll aufblühen, wo ich vorher geschunden habe.
Wenn Gott uns in unserem Gewissen anspricht, dann geht es nicht darum, zu fliehen oder sich freizukaufen. Es gibt keine Möglichkeit durch Wiedergutmachung.
Bitte die Reihenfolge beachten: Stehenbleiben, anerkennen, Schuld bekennen, Vergebung annehmen, mit Christus gekreuzigt werden und dann mit ihm auferstehen – wozu? Zum Tätigwerden in der Wiedergutmachung, in der Neuordnung, in der hilfreichen Erneuerung unserer menschlichen Verhältnisse.
Schlussgedanken und Gebet
Ich weiß nicht, wie es heute für Sie gewesen ist. Ich weiß nur, wo es für mich ist: Dort, wo Gott uns in unserem Gewissen stellt und sagt: Du bist der Mann, du bist die Frau.
Wir wollen jetzt beten. Verstecke dich nicht, lass uns nicht fliehen. Brich unser verhärtetes Gewissen auf und hilf uns zum Gehorsam!