Es ist Ferienzeit, und ich habe für euch eine vierteilige Reihe zum Thema Gebet vorbereitet.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Gebet, Vortrag I.
Die scheinbare Selbstverständlichkeit des Gebets
Gebet ist ein Thema, bei dem die meisten Christen vielleicht sagen würden: „Na ja, was kann ich denn da noch lernen?“ Eigentlich müsste man es auch so formulieren: Jeder von euch müsste denken, dass das ein langweiliges Thema ist. Vielleicht denkt man: „Komm, lass uns zum nächsten Thema gehen oder noch etwas trinken, das brauchen wir nicht.“ Denn das, was jeder Christ eigentlich aus dem Effeff beherrschen sollte, ist das Gebet.
Wenn du sagst, ich bin Christ, dann gehört es eigentlich zwingend dazu, dass du dich mit dem Thema Gebet beschäftigst – gefühlt in den ersten fünf Minuten oder zumindest im ersten halben Jahr. Und das, was du dabei lernst, solltest du tatsächlich ein Leben lang praktizieren und weiter ausbauen. Es sollte niemanden in einer Gemeinde geben, der schon fünf Jahre Christ ist, aber in Bezug auf das Gebet keine Ahnung hat oder nicht tief drin steckt. Das liegt einfach daran, dass man im Gebet schon Hunderte von Stunden verbracht haben müsste, um wirklich erfahren zu sein.
Das ist die Theorie. Die Praxis sieht meist anders aus, besonders in einer Gesellschaft wie der unseren. Viele Leute sagen, sie sind Christen, aber wenn man das im Alltag überprüft, merkt man schnell, dass da mehr drin sein könnte. Manchmal sagen Christen selbst, dass beim Thema Gebet mehr möglich wäre.
Deshalb finde ich es immer gut, wenn so wichtige Themen wie das Gebet auch mal gepredigt werden. Deshalb bekommt ihr jetzt etwas zum Thema Gebet. Wenn jetzt jemand denkt, es gibt bestimmt tolle, neue, ausgefallene Bibelstellen, die ich noch nie gehört habe – nein, die gibt es nicht. Das kann ich euch schon jetzt versichern. Es gibt keine Stelle, die du, wenn du ein paar Jahre Christ bist und in einer guten Gemeinde wie bei euch unterwegs bist, nicht mindestens schon zweimal gehört hast. Cool, oder?
Trotzdem könnte es sein, dass der ein oder andere am Ende des zweiten Vortrags denkt: „Hm, ich sollte morgen doch noch mal einen längeren Spaziergang machen, mich bei Gott entschuldigen und ganz neu darüber nachdenken, wie ich ein dem eigenen Alter angemessenes, intelligentes Gebetsleben strukturieren kann.“ Denn darum geht es mir.
Gebet als bewusste und sinnvolle Praxis
Es geht mir darum, das Gebet aus der Ecke herauszuholen, in die es oft gestellt wird – nämlich die Ecke, in der man es irgendwie nebenbei macht. Man tut es, weil man weiß, warum man es tut, und so, dass es wirklich Sinn ergibt.
Es soll nicht etwas sein, das man nur tut, weil man es tun muss. Auch nicht so, dass man gerade genug macht, damit das Gewissen still ist und einen nicht anklagt. Kennt ihr dieses Gefühl? Man tut etwas genau so viel, bis man kaum noch spürt, dass es nicht genug war – und dann hört man auf.
Ich möchte euch für einen Umgang mit Gebet gewinnen, der am Ende dazu führt, dass ihr sagt: Gebet ist die Zeit, in der ich auf eine geniale, tiefe, leidenschaftliche und vor allem meinen inneren Menschen zutiefst zur Ruhe bringende Weise vor Gott trete. Es ist der Moment, in dem ich in den Kampf einsteige – in diesen kosmischen Konflikt um Seelen.
Gott stellt mich genau in diesen Moment hinein, wenn er sagt: „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes.“ Das ist mein Wunsch. Ob es klappt, weiß ich nicht, aber das ist die Richtung, damit ihr ungefähr wisst, wohin es gehen soll.
Ich möchte euch ein bisschen ärgern.
Vorbemerkungen und persönliche Hinweise
Vorbemerkung Nummer eins: Falls ich jemanden wirklich ärgere – und ich kenne dich nicht – dann geschieht das aus Versehen. Es kann passieren, und ich entschuldige mich schon einmal im Voraus, falls ich einen blöden Scherz mache, der dich trifft. Sprache ist eben nicht unfehlbar.
Das zweite, was ich sagen möchte, ist: Ich bin ein großer Verfechter davon, Bibelverse auswendig zu lernen. Ich scheue mich nicht davor, den Jugendlichen zu sagen: Hört nicht auf, bis ihr nicht mindestens vierstellig bei euren auswendig gelernten Versen seid. Bei den Älteren, also denen über 35, wird das wahrscheinlich nicht mehr klappen, das ist mir auch klar. Aber ein dreistelliger Umfang ist etwas, das man irgendwann im Leben schaffen kann.
Wenn ihr wissen wollt, wie das geht, sprecht mich an. Aber macht es – lernt Bibelverse auswendig! Deshalb mein Tipp: Schreibt nicht alles mit. Oder wenn doch, dann macht Folgendes: Schreibt nur die Verse auf, die euch wirklich überzeugen. Das reicht, denn das Mitgeschriebene werft ihr sowieso irgendwann weg.
Wenn nicht jetzt, dann beim übernächsten Umzug. Irgendwann landet das alles in der Kiste mit der Aufschrift „Brauchen wir nicht mehr“ und kommt zur Stadtreinigung. So ist das einfach. Oder ihr habt, wie ich, zehn Kartons im Keller mit alten Unterlagen, von denen ihr euch aus sentimentalen Gründen noch nicht trennen könnt. Sachen, die ich 1996 in einem Seminar mit Gene Gibson mitgeschrieben habe – das kann man doch nicht einfach wegwerfen. Stimmt. Aber meine Töchter werden es wegwerfen, spätestens dann, wenn ich tot bin, weil niemand das Zeug mehr braucht.
So geht es euch auch mit euren Unterlagen, die ihr jetzt fein säuberlich mitschreibt – es sei denn, ihr seid klug. Und klug sind diejenigen, die verstanden haben, dass das, was sie mitschreiben, wieder vergessen wird. Aber die Verse, die sie auswendig lernen und regelmäßig wiederholen – sagen wir alle zwei bis drei Monate, je nachdem, was das Programm beim Auswendiglernen vorgibt – die prägen sich ins Herz ein. Diese Verse werdet ihr nie wieder vergessen.
Das sind die Aussagen, an die der Geist Gottes euch in den Momenten erinnert, in denen ihr sie braucht. Und das Dumme ist: Der Geist Gottes erinnert euch nicht daran, dass irgendwo im Keller eine Mitschrift liegt, in der ein bestimmter Satz steht. Das macht der Geist Gottes nie. Er erinnert euch an das Wort Gottes, das er inspiriert hat, damit ihr es auswendig lernt, im Herzen tragt und damit etwas anfangen könnt.
Deshalb traut euch, nicht alles mitzuschreiben – außer all die Bibelverse, die ich euch gebe. Am Ende werden es etwa vierzig bis fünfzig Stück sein. Das ist keine riesige Menge. Wenn ihr vernünftig mitschreibt und zwei Verse pro Woche auswendig lernt, habt ihr die nächsten fünfundzwanzig Wochen zu tun.
Stellt euch mal vor: Diese vier Vorträge prägen die nächsten 25 Wochen eures Nachdenkens. Und alles, was ihr euch jetzt in diesen 48 Stunden vornehmt, in denen ihr hier seid – in so einer geistlichen Glocke, in einer heiligen Atmosphäre des Aufbruchs, der Reformation und der Veränderung –, das ist wie der 31. Dezember, an dem man sich viel vornimmt.
Stellt euch vor, das wird die erste Freizeit, bei der ihr euch nicht nur etwas vornehmt, sondern 25 Wochen lang immer wieder darüber nachdenkt. Weil das Wort langsam tiefer einsinkt. Weil der Geist Gottes zum 34. Mal sagen kann: „Du wolltest doch fasten!“ Und wie ist das mit den Almosen, die wir danach als Thema behandeln?
Stellt euch das einfach mal vor. Überlegt, was das für euer Leben bedeuten würde, wenn ihr zwei Themen zu Ende denkt, im Herzen bewahrt. Das könnte ein gutes Jahr werden.
Soweit der Traum eines im Moment einsamen Predigers hier vorne, der seine Frau vermisst.
Einstieg in das Thema Gebet mit einem biblischen Beispiel
Kommen wir nun zu unserem ersten Thema: Gebet. Ich beginne mit einem Vers aus Markus 1,35. Die dazugehörigen Folien habe ich als PDF in der App, die ich hier vorne als Predigtgrundlage verwende. Ihr könnt sie mitverfolgen, müsst es aber nicht.
Der Vers enthält nichts besonders Neues, aber ich möchte mit ihm starten. Bevor ich das tue, muss ich das Mikrofon noch ein wenig anpassen.
Der Vers, der mich früh begeistert hat und einer der ersten war, die ich auswendig gelernt habe, ist Markus 1,35: „Und früh morgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf, ging hinaus, an einen einsamen Ort und betete dort.“
Ich mag besonders den Ausdruck „er ging fort an einen Ort“. Im Deutschen klingt das sehr schön. Markus 1,35 beschreibt den Herrn Jesus so: Früh morgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf, ging hinaus, an einen einsamen Ort und betete dort.
Was lernen wir daraus? Wir erkennen, dass der Herr Jesus tatsächlich ein Beter war. Man muss sich vorstellen, dass der Tag zuvor sehr stressig war. Es wäre ein Tag gewesen, an dem ich persönlich beschlossen hätte, am nächsten Tag auszuschlafen. Denn bis spät in die Nacht kamen Menschen, die geheilt werden wollten.
In so einer Situation, in der Jesus gerade Erfolg hat und von anderen als jemand wahrgenommen wird, der etwas zu sagen und zu geben hat, in einem Moment, in dem er im Rampenlicht steht, wird für ihn eine Sache viel wichtiger: die Begegnung mit seinem Vater im Himmel.
Das war es für heute. Die Predigt wird in der nächsten Episode fortgesetzt. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen!