Der Predigttext steht im Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Verse 38 bis 42. Er erzählt die Geschichte von Maria und Martha.
In dieser Passage kommen Jesus und seine Jünger in ein Dorf. Dort lädt Martha Jesus zum Essen ein. Während Martha beschäftigt ist mit der Vorbereitung und dem Dienst, setzt sich Maria zu Jesus und hört ihm zu.
Martha fühlt sich dadurch überfordert und bittet Jesus, Maria zu ermahnen, ihr zu helfen. Doch Jesus antwortet, dass Maria das bessere Teil gewählt hat. Er betont, dass Maria sich auf das Hören seines Wortes konzentriert, was wichtiger ist als die vielen Aufgaben.
Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, sich Zeit für die Begegnung mit Jesus zu nehmen. Sie erinnert daran, dass das Zuhören und Verstehen seiner Botschaft Vorrang hat vor den vielen Ablenkungen und Pflichten des Alltags.
Einführung in die Geschichte von Maria und Martha
Als sie weiterzogen, kam Jesus in ein Dorf. Dort lebte eine Frau namens Martha, die ihn aufnahm.
Martha hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich zu Füßen des Herrn und hörte seiner Rede zu. Martha hingegen hatte alle Hände voll zu tun, um ihm zu dienen.
Sie trat heran und sagte: „Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester allein dienen lässt? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll.“
Der Herr antwortete ihr: „Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist nötig. Maria hat das Bessere gewählt, und das soll ihr nicht genommen werden.“
Er helfe uns, dass wir auch das Bessere gewinnen. Amen.
Die geistige Dialektik der Schwaben als Beispiel für Gegensätze
Liebe Schwestern und Brüder,
ein bekannter Professor hat ein Buch über die Geisteswelt der Schwaben geschrieben. Für diejenigen, die keine Schwaben sind, müssen wir es mal wieder betonen: Die größten Geister waren Schwaben – sei es Schiller, Hegel oder Hölderlin.
Das Besondere an diesem Buch ist jedoch, dass der Verfasser, der es wissen muss, sagt, dass das, was man bei den großen Geistern findet, sich eigentlich bei jedem Schwaben wiederfindet. Denn in all den großen Denkgebäuden dieser Schwaben findet man den Denkschritt, den Hegel in seiner Philosophie zur großen Entfaltung gebracht hat: die Dialektik.
Das kann man also an jedem Stammtisch beobachten. Da sitzt jemand am Tisch und vertritt mit donnernder Stimme und großem Pathos seine Meinung. Und dann traut man seinen Augen kaum, denn gegenüber fängt der Karle plötzlich an und sagt genau das Gegenteil. Man meint, jetzt bricht der Krieg aus und der eine schlägt den anderen tot.
Aber bei den Schwaben ist das alles nicht so wild. Da sitzt der Dritte am Tisch. Er schiebt nur still die Pfeife vom einen Mundwinkel zum anderen und sagt: „So ist’s nur auch wieder.“
Da zeigt sich die Geisteswelt der Schwaben – dass sie Gegensätze ertragen und zusammenbringen können.
Die Spannung zwischen Maria und Martha in der Predigtpraxis
Und so verhält es sich auch mit Maria und Martha seit vielen Jahrhunderten. Die Predigthörer haben sich daran gewöhnt, sich hinzusetzen und zu sagen: „Na ja, der eine predigt so darüber, und der andere predigt anders darüber.“
So ist der eine Pfarrer mehr für den Dienst, er schwärmt für Martha und lobt sie. Der andere hingegen ist ein bisschen mehr für Kerzen und Liturgie und steht mehr auf Maria. Die Zuhörer sagen dann: „Von jedem sollten wir ein bisschen etwas haben.“
Auf diese Weise schwächen sie das ab, was hier eigentlich steht. Das ist leicht zu tun, wenn jemand uns in der Predigt ins Gewissen redet und sagt: „Du musst dein Leben ganz anders nach Gottes Ordnung gestalten.“ Dann antwortet man: „Nein, nein, ich bin lutherisch, die Werke sind nicht so wichtig. Ich bin für den Glauben.“ Und man zieht sich zurück.
Kommt dann jemand und fragt uns nach unserem Glauben, sagen wir: „Na ja, das mit dem Glauben darf man auch nicht so genau nehmen. Wir sind ja schließlich nicht pietistisch. Es kommt mehr aufs Tun, aufs Leben, auf die Praxis an.“ So schwirrt man schon wieder in die andere Richtung und lässt sich nirgendwo festlegen.
Jesus’ klare Aussage: Eins ist nötig
Jesus macht uns dies unmöglich. Wenn wir sein Wort hören, gibt es kein Sowohl-als-auch, kein Beides und kein Etwas von jedem. Jesus macht jeden Fluchtversuch unmöglich, indem er sagt: Eins ist und eins ist nötig, das andere nicht. Man muss sich daran stoßen, man kann sich darüber ärgern.
Jesus sagt, Maria hat es, Martha aber nicht. Daran kann niemand etwas ändern, und dabei geht keine Maus vom Faden ab – das bleibt so. Maria hat es, und deshalb verletzt Jesus sogar alle Etikette. Er brüskiert die tätige und liebenswürdige Martha, er verletzt sie, er verwundet sie. So läuft es auch heute im Gottesdienst nicht anders ab.
Das führt dazu, dass unser Denken ins Wanken gerät und wir innerlich aufbegehren. Wir fragen uns: Kann man das so krass sagen? Doch Jesus hat genau so krass gesprochen. Das ist nicht mein Wort, sondern sein Wort: Eins ist Not, das andere nicht. Dabei wird nicht durch die Blume gesprochen, nicht nur angedeutet, sondern klipp und klar gesagt: Maria hat es, Martha hat es nicht.
Die historische Wirkung von Jesu klarer Botschaft
Und jetzt verstehen Sie, warum so viele Jesus gehasst haben. So kann man das doch nicht sagen! Verstehen Sie, dass es bei Menschen so weit ging, dass sie sagten: Jesus muss totgeschlagen werden, diese Stimme darf nicht mehr laut werden?
Und dann ging das auch nach seiner Auferweckung weiter. Die Apostel sagten, dass es in keinem anderen das Heil gibt, nur in Jesus allein. Den muss man haben, sonst nichts.
Deshalb haben sie die Waldenser in Oberitalien durch die Täler gehetzt und sie ermordet, bloß weil sie diese Botschaft wieder verkündigt haben: Eins ist Not, eins.
Verstehen Sie die französischen Hugenotten mit ihrem entschlossenen "Eins ist nötig"? Warum haben sie Luther vor Kaiser und Reich gezogen? Weil er gesagt hat: Christus allein, nicht sowohl als auch, nicht noch und und das andere auch. Christus allein und sonst nichts rettet mich, und den brauche ich.
Und wenn heute Menschen aufschreien und sagen, das sei so arrogant, wie das einer vertritt, dann sagen wir: Es ist das, was Jesus gesagt hat. Das haben wir nur mit Zittern und Sagen und mit allem Widerstreben im eigenen Leben langsam und mühsam entdeckt: Eins ist Not.
Und das hat Jesus mit seinem Blut besiegelt und mit seinem Sterben wichtig gemacht, dass eins vor allem anderem wichtig sei.
Jesus will kein kleinkariertes Leben – Würdigung von Martha
Ich möchte Ihnen heute etwas erklären und es in zwei Schritten deutlich machen. Zuerst: Jesus will kein kleinkariertes Leben.
Dass Martha als kleinkarierte Frau bezeichnet wird, will mir einfach nicht in den Kopf. Sie ist eine große Frau. Wenn jemand für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden sollte, dann doch sie. Eine Frau, die das Herz am rechten Fleck hat.
Nun wollen wir sie einmal nach all unseren irdischen Maßstäben würdigen, zu Ehren bringen und loben. Ich weiß nicht, wie Sie reagieren würden, wenn 13 Männer zur Mittagszeit vor Ihrer Tür stehen. Manche haben ja klugerweise einen Spion an der Tür, um so tun zu können, als wären sie nicht zu Hause. Oder sie sagen: „Mein Herr ist heute leider krank, es gibt nichts, ich kann nur einen Saft hinstellen.“
Aber Martha ist so herzlich. Machen Sie aus Martha keinen falschen Menschen. Verdrehen Sie nichts! Martha ist liebenswürdig und gastfreundlich. Sie öffnet die Tür, holt die dreizehn hungrigen Männer herein. Und was denken Sie, wie viel Andreas und Petrus mampfen konnten, von Judas ganz zu schweigen? Da musste schon etwas auf den Tisch gestellt werden. Da musste gearbeitet werden.
Sie rennt in den Keller, trägt die Sachen zusammen, macht Feuer. Kein Wort kommt über ihre Lippen, dass ihre Bandscheiben schmerzen, obwohl sie gestern noch bei der Massage war. Sie ist so tätig und hilfsbereit. Sie setzt sich ein, ist für die anderen da. Und davon darf niemand etwas absprechen.
Das ist die Frau, die unsere Welt zusammenhält. Wer pflegt uns, wenn wir im Krankenhaus sind? Wer organisiert unsere Altenmittage? Wer macht Diakonie und Entwicklungshilfe? Wer setzt sich so ein bis zum Letzten? Das sind doch die Menschen, die so tätig sind wie Martha.
Ist das ein kleinkariertes Leben? Wenn Sie es vom menschlichen Standpunkt aus betrachten, müssen Sie sagen: Eine tolle Frau! So eine Ehefrau wünsche ich Ihnen. Sie ist wirksam, sie macht etwas, sie ist tätig.
Jesu Perspektive auf Martha und ihr Dienst
Aber von Jesus her, von Gott her sieht das ganz anders aus. Sie sagt es selbst, ohne dass sie es gemerkt hat und sich dessen bewusst war. Sie beklagt sich bei Jesus und sagt: „Jesus, sagst du dir nichts? Ich, ich muss alles ganz allein tun.“ Ihre liebe, fromme Schwester lässt sie ganz allein sitzen.
Dann bescheinigt ihr Jesus und sagt: „Ja, Martha, du hast viel Arbeit und Mühe.“ Für manche Leute ist das der höchste Lebenszweck: Wenn man bei der Beerdigungsansprache sagen kann, sie hat ihr Leben lang geschuftet.
Aber wissen Sie, dass das bei Gott nicht das Letzte ist? Es ist schön, wenn Sie treu und fleißig sind, aber bei Gott ist das nicht das Letzte. Und um das geht es jetzt nicht – es ist nicht das Nötigste und nicht das Wichtigste.
Wenn Jesus da sagt: „Martha, du hast viel Arbeit und Mühe“, klingt darin auch mit: „Du bist doch kein Pferd, du bist doch kein Gaul. Ist das alles, was du hast? Ist dein Leben so klein kariert? Ist das alles, was du sagen kannst?“
Marthas Enttäuschung und Jesu Ablehnung des kleinkarierten Dienstes
Und für Martha stürzt jetzt eine Welle zusammen. Sie fühlt sich in diesem Augenblick wirklich misshandelt. Für wen rannte sie denn durchs Haus? Für wen stand sie in der Küche? Für wen schwitzte sie? Für wen buk sie die Pfannkuchen? Für wen war sie tätig, wenn nicht für Jesus?
In jeder Gemeinde, in der dies verkündigt wird, gibt es immer wieder Ärger. Für wen machen wir denn das alles? Für wen sind wir tätig bis zum Umfallen? Wer bläst denn im Posaunenchor? Wer singt im Chor? Wer rennt im Gemeindedienst herum? Wer ist tätig? Jesus weist das ab. Er braucht nicht unseren kleinkarierten Dienst.
Das steht nicht nur an dieser Stelle in der Bibel, sondern auch an vielen anderen. Damit niemand sagt, das sei nur an dieser Stelle so und an anderen nicht. Wie hat Jesus gesagt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, damit man ihm diene, sondern damit er diene.
O Martha, lebst du denn immer nur vom Dienen? Ja, aber das muss man doch! Wenn wir im Moment nicht mehr wissen, wo Anfang und Ende sind, wo rechts und links ist, dann ist das gut. Denn Jesus will unser Denken hier vollständig umkrempeln. Nicht, dass wir ihm dienen.
Martha drückt es ja auch so aus, mit der Beschwerde: „Ich muss alles allein tun, ich muss alles allein tun.“ Kennen Sie diese Worte von Christen? „Ich bin ganz allein.“ Die Pfarrer klagen: „Ich bin ganz allein.“ Die Mitarbeiter sagen: „Ich habe niemand.“ „Ich muss alles allein tun.“
Da stoppt uns Jesus und sagt: Halt, halt, halt! So nicht, mir machst du das nicht! Er will unseren kleinkarierten Dienst nicht. Es kann sogar gut sein, dass wir manchmal lieber ein Stück unseres kirchlichen Betriebs schließen, als in dieser gequälten Dienstauffassung weiterzumachen. So nicht!
Maria als Beispiel für den richtigen Moment der Hingabe
Jesus möchte, dass unser Leben einen weiten Rahmen hat. Nun müssen wir uns Maria anschauen.
Maria war kein bigotter Blaustrumpf, das steht auch nicht da. Es geht überhaupt nicht um einen bestimmten Menschentyp, wie man an einer Kleinigkeit sehen kann. Als Martha zu Jesus spricht: „Schau her, Maria lässt mich heute ausgerechnet im Stich, sie war sonst nie so“, zeigt das, dass es nicht die Art von Maria war, untätig zu sein. Es war nur in diesem Moment, dass sie nichts tat.
Es geht um den Augenblick, in dem Jesus in das Haus eintrat. Wir kennen Maria später aus der Salbung in Betanien, als sie das Alabastergefäß zerbrach. Jesus sagt von dieser Frau, dass sie die richtige Tat vollbringt.
Deshalb stimmt es nicht, dass es hier darum geht, ob man handelt oder nicht handelt. Vielmehr geht es darum zu erkennen, was jetzt wichtig ist, was Vorrang hat, was Nummer eins ist, was danach kommt und aus welchem Grund das eine dem anderen folgt.
Darum war Maria niemals eine Versagerin. Trotzdem musste sie jetzt aus dem Mund von Martha hören: „Jesus, siehst du nicht, dass sie heute ausgerechnet versagt? Sonst war sie nie so, sonst war sie tüchtig, man konnte sich auf sie verlassen, meine Schwester – heute ist nichts mit ihr los, heute sitzt sie nur da.“
Maria hat jedoch genau begriffen, dass dies eine Stunde mit ganz besonderem Gewicht ist.
Die Priorität der Begegnung mit Jesus über alle Tätigkeiten
In unserem Leben ist das Erste, dass Jesus zu uns kommt, uns beschenkt und uns bedient. Ich möchte, dass wir einmal zur Ruhe kommen – weg von all den Taten und Aufgaben, die wir für unaufschiebbar halten – und uns einfach von Jesus beschenken lassen.
Bevor dies nicht geschehen ist, will Jesus keinen Dienst von uns. Doch muss nicht trotzdem ein Essen gekocht werden? Nein, sagt Jesus. Selbst das Essen kann zurücktreten, man kann sogar einen Tag fasten.
Ich denke mit Schrecken daran zurück, wie in den letzten Jahren im Rahmen unserer weltweiten Hungeraktionen, die auch von unserer Kirche gestattet wurden, oft gesagt wurde, wir wollten ja nicht mit frommen Sprüchen kommen. Dabei haben wir gewusst, wie beides nicht nur zusammengehört, sondern wie Brot sinnlos wird, wenn das Brot des Lebens nicht dazukommt.
Manchmal geht sogar das Lebensbrot von Jesus voran. Jesus sagt hier: „Eins ist nötig.“ Dann lassen wir halt einen Herd kalt, weil das jetzt nicht wichtig ist.
Marias innere Haltung und das Geschenk der Hingabe
Die Maria – was hat sie in diesem Augenblick wohl gedacht? Hatte sie nicht auch dieses menschliche Gespür für Gastfreundschaft? Dass sie jetzt eigentlich auch dastehen müsste, um Jesus den Tisch zu decken? Dass sie ihm wenigstens etwas geben müsste, damit er nicht dürstet?
Doch in dem Moment, als Jesus ihr Haus betrat, spürte sie nur ihre Armut und ihre Leere. Sie dachte: „Ich will nicht kleckern, ich will mich nicht mit kleinen Dingen abgeben.“ Sie konnte nur aufnehmen von dem, was er ihr gab – von den großen, großen Gaben.
Ich war einmal bei einem einflussreichen Mann zu einem wichtigen Gespräch. Während wir etwas Kompliziertes besprachen, kam dreimal seine teure Ehefrau herein. Sie hatte immer etwas ganz Wichtiges zu besprechen. Eine der drei Störungen, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind und die furchtbar auf die Nerven gingen, war folgende: Der Milchmann käme gleich, und sie brauchte siebenundachtzig Pfennige. Sie hatte nur neunzig Pfennige, doch der Mann hatte keine zwei roten Pfennige in der Tasche. Das kam ihr so lächerlich vor – die Frau, die sich um zwei Pfennig mühte, weil sie zu geizig war, dem Milchmann die drei restlichen zu schenken. Sie war so kleinlich in einem entscheidenden Augenblick, als wir etwas ganz Wichtiges miteinander besprachen.
Maria hat verstanden, dass es bei Jesus um viel, viel mehr geht als nur um Säfte, die man trinkt, um Essen und um Fragen, die uns hier im Leiblichen bewegen. Es geht um den Anbruch des Reiches Gottes. Es geht darum, dass die Königsherrschaft Gottes in unserem Leben durchschlägt. Und sie will teilhaben an dieser Königsherrschaft Gottes. Deshalb sitzt sie zu Jesu Füßen.
Die Bedeutung des Lebens aus der Kraft Jesu
Gerade weil es ums Tun geht, weil es ums Tätigsein geht. Aber es geht um ein bisschen mehr als nur hier und da die Posaune zu blasen oder hundert Mark zu opfern. Es geht nicht um diesen oder jenen Dienst, sondern um ein gesamtes Leben in großer Fülle.
Darum sagt Jesus: Wer Maria hat, wer Jesus hat, der hat das Leben. Das Tätige, das Erfüllte, das Reich ist an guten Werken. Wer den Glauben hat, der in der Liebe tätig ist, der hat das Leben. Das ist nicht jemand, der am Rande steht.
Doch die Taten der Maria werden anders sein, hatte Martha so gequält gesprochen. Jesus, fragst du nicht danach, dass ich alles immer ganz allein machen muss? Immer ich, und sonst ist niemand da. So tut Maria es aus Freude. Für sie ist es ein Geschenk, dass sie es darf.
Ich denke an viele, die ihre schwache Lebenskraft im Dienst für Jesus verzehrt haben. Aber nicht als gequälte Pflicht, sondern als Vorrecht, dass sie es tun durften – oft mit einem siechen Leib, kraftlos und schwach.
Die Kraftquelle Jesu für Schwache und Belastete
Und wenn jetzt jemand da sitzt und sagt: Was bedeutet das eigentlich für mich? Ich bin doch so schwach und krank, und mein Leben ist so belastet. Genau das hat Maria gespürt. Genau so hat sie sich gefühlt: Was soll ich auch mit meinem Leben anfangen?
Darum sah sie zu Jesu Füßen und wollte von ihm beschenkt werden.
Es geschieht, dass Jesus ihnen sagt: Ich brauche dich, und ich will dich mit meiner Gegenwart erfüllen. Ich will aus deinem Leben Früchte hervorbringen. Du kannst mit meiner Kraft rechnen.
In Psalm 84 findet sich dazu ein wunderbares Wort: Wohl denen, die dich für ihre Stärke halten, die den Herrn als ihre Kraftquelle ansehen, weil sie sich selbst schwach fühlen. Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es für sie zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen.
Plötzlich sprosst es, und aus dem dürren Boden der Wüste kommen Pflanzen mit wunderbaren Früchten hervor. Das sind Menschen, die – wie Maria – sich bei Jesus einmal haben beschenken lassen.
Beispiele großer Hingabe und Lebensveränderung
Ich denke an den siebzehnjährigen Abiturienten Zinzendorf, der seine Kavaliersreise nach Paris macht und in Düsseldorf eine Pause einlegt. Dort steht er vor dem Bild „Stehenbleib“ von Domenico Fetti. Auf diesem Bild ist nichts weiter zu sehen als der Kopf des Gekreuzigten mit der Dornenkrone.
Dieser junge Mann, dem eine Karriere bei Kaiser und Reich offensteht und der Einfluss zu den Großen der Welt hat, spürt in diesem Augenblick, wie ihm das Blut in den Kopf steigt, wie er später in sein Tagebuch schreibt. Er will ein großes Leben führen, kein kleinkariertes, sondern das allergrößte. Deshalb lässt er seinen Reichsadel hinter sich und möchte nur noch in die Leidensgemeinschaft mit Jesus hineingezogen werden. Er will teilhaben an dem, was Jesus heute wirkt.
Ich musste daran denken, wie wir das Lied von Heinrich Zeller gesungen haben. In diesen Tagen wird viel von dem Schorndorfer Spittler gesprochen, der die vielen Reichsgottes-Werke angestoßen hat. Er war doch auch einer dieser Schwaben aus Hohen Endringen, der hinauszog, gerufen in die Anfänge vieler christlicher Werke, die damals bei Basel begonnen wurden.
Er war Pädagoge in einer rationalistischen Zeit und gründete das Armen- und Erziehungsheim in Beugen. Was schreibt er in dem Lied? „Zeige deines Wortes Kraft an uns armen Wesen, Jesus, du musst aus uns Bauernbuben von hohen Intrigen doch was machen. Was sind wir vor dir?“ Der hat doch nie gedacht, dass er selbst etwas tun kann.
Als Pestalozzi die Anstalt sah, sagte er: „Das ist das, was ich verwirklichen wollte. Nirgendwo habe ich es gesehen, dass es so verwirklicht wurde.“ Gott hat Frucht geschenkt, und es gilt, nicht untätig zu sein, aber aus der Quelle Jesus zu leben. Was ohne ihn gelebt wird, ist nichts. Es ist nichts und hat keinen Wert. Es bringt nur gequälte, müde Leute hervor.
Es hat keinen Sinn, unsere Gemeindearbeit und unsere Diakonie mit müden und klagenden Marthas über die Runden zu bringen und zu sagen: Wenn du nicht mal so sein kannst wie die Marthas, wenn du nur ein Zehntel von der Martha noch hast, nein, nein, dann hört lieber auf und lasst alles liegen.
Lasst euch stattdessen beschenken von dieser ganz großen Kraftquelle Jesus und von dem, was er in dir wirkt. Glauben Sie denn wirklich, dass unsere Taten ohne Jesus Bestand hätten? Das gilt auch für die Entwicklungshilfe, für unseren Sozialdienst und für unsere Erziehungspläne.
Jesu klare Warnung vor falschem Dienst und die Bedeutung des Wesentlichen
Wenn sie nicht aus dieser Mitte gewirkt sind, ist eins notwendig. Jesus hat Martha sehr brüskieren und vor den Kopf stoßen müssen, weil er retten will. Es geht wirklich darum, dass man nicht in die falsche Richtung läuft, nicht verloren geht und dass alles nicht umsonst ist.
Natürlich hat Martha es gut gemeint, wie wir alle. Jesus sagt jedoch, man kann es gut meinen und nach menschlichen Maßstäben gut handeln, doch vor Gott ist das vollkommen verkehrt und falsch. Es ist leer, kleinkariert, unbedeutend und wirkt nicht über den heutigen Tag hinaus. Nur das, was bleibt und Großes bewirkt, hat Bestand.
Wenn Sie jetzt sagen: „Ja, aber ich kann gar nichts“, dann sind Sie richtig dran. Dann sitzen Sie Jesus zu Füßen und sagen: „Ich bin jetzt gespannt, was du in meinem engen Leben, meinem kurzen Leben, das mir bleibt, meinem alten, belasteten Leben noch wirken kannst.“ Jesus will viel wirken durch Menschen, die sich ihm öffnen.
Eins ist notwendig: Wohl dem, der sich ganz an Jesus bindet. Amen.