Ja, gerade ist ja schon ein bisschen angeklungen, worum es beim Thema Ethik überhaupt geht. Vielleicht hat der ein oder andere schon von dem Thema gehört, wusste aber nicht genau, wie man es einordnen soll. Was ist Ethik eigentlich? Hat das auch mit meinem Leben zu tun?
In unserem Christsein gibt es zwei Bereiche, die eine ganz wichtige Rolle spielen. Der erste Bereich ist das Wissen. Das bedeutet, dass ich über Gott weiß, wer er ist und was er getan hat. In der Theologie nennt man das Dogmatik oder systematische Theologie. Dabei werden Lehren entwickelt, die erklären, wie wir die Welt verstehen und wie wir uns selbst verstehen.
Der zweite Bereich beschäftigt sich stärker mit der Frage: Was soll ich tun? Was ist richtig zu machen? Das ist keine Frage der Dogmatik, sondern der Ethik. Die Ethik gibt also die Antwort darauf, wie ich mich im Alltag verhalte.
Viele von uns würden wahrscheinlich sagen, dass sie das ganz automatisch machen. Tatsächlich treffen wir viele Entscheidungen im Alltag automatisch, ohne uns viele Gedanken zu machen. Zum Beispiel, wie wir mit der Kindererziehung umgehen oder wie wir uns am Arbeitsplatz verhalten. Das hat oft damit zu tun, wie wir erzogen wurden. Unsere Eltern haben uns beigebracht, danke zu sagen oder guten Tag zu sagen. Das tun wir dann, ohne jedes Mal zu überlegen, ob das jetzt richtig oder falsch ist.
Heutzutage würde man sagen, das ist eine Art Bauchgefühl. Aus dem Bauch heraus entscheiden wir, ob wir etwas tun oder nicht.
Und bei all den Dingen, die wir automatisch tun, stellt sich immer wieder die Frage: Ist das denn auch richtig?
Vielleicht haben uns unsere Eltern so erzogen. Vielleicht sind wir als Persönlichkeiten so geprägt, dass wir tatsächlich Entscheidungen treffen, die im Sinne Gottes sind.
Vielleicht haben wir uns aber auch an Dinge gewöhnt, die aus der Sicht Gottes falsch sind. Das merken wir besonders, wenn wir mit Menschen zu tun haben, die aus einem anderen Umfeld kommen. Möglicherweise sind es Menschen aus anderen Gemeinden, anderen Familien oder Menschen, die ohne den Glauben aufgewachsen sind.
Dann fällt uns auf, dass diese Menschen ganz andere Verhaltensweisen haben. Sie denken anders, begründen ihre Entscheidungen anders und sagen genauso wie wir: Das ist doch ganz selbstverständlich, das ist doch natürlich, so und so zu leben.
Plötzlich erkennen wir, dass nicht alle so sind, wie wir es sind. Das bedeutet, dass unser natürliches Verhalten nicht immer richtig sein muss. Es kann auch falsch sein.
Diese Überprüfung und das Nachdenken darüber sind auch Aufgaben der Ethik.
Und dann gibt es natürlich noch die besonders wichtigen Entscheidungen in unserem Leben. Zum Beispiel die Entscheidung, welchen Ehepartner ich wähle. Oder die Frage, ob ich mich scheiden lasse oder nicht. Ist das richtig oder falsch?
Das sind Fragen der Ethik, die man häufig nicht nur aus dem Bauch heraus treffen sollte – und wahrscheinlich auch nicht tut. Vielmehr wollen wir diese Entscheidungen genauer begründet haben. Ist das richtig oder ist das falsch?
Das ist eine Frage, mit der sich die Ethik auseinandersetzt. Dabei geht es nicht nur darum, wie ich für mich selbst entscheide, sondern auch darum, wie ich im Gespräch mit anderen Menschen entscheide. Denn wir können ja nicht einfach sagen, jeder macht, wie er will.
Das ist übrigens heute im Bereich der Ethik relativ weit verbreitet. Diese Haltung nennt man postmoderne Ethik. Dabei sagt man, jeder hat seine eigene Wahrheit. Das heißt, für mich ist eine Sache wahr, und für dich ist sie vielleicht falsch. Und jetzt soll jeder machen, wie er das will.
Das ist ein Ansatz in der Ethik, bei dem wir zunächst erkennen müssen, dass nicht alle Menschen, mit denen wir zu tun haben, und auch nicht alle Menschen in der christlichen Gemeinde auf dieselbe Weise reagieren, wenn man sie fragt, was richtig und was falsch ist.
Es gibt unterschiedliche Maßstäbe, die dabei eine Rolle spielen. So gibt es zum Beispiel Menschen, die davon ausgehen, dass das gut ist, was ihnen Spaß macht. Man nennt das Hedonismus. Wenn mir etwas Freude bereitet und ich Spaß daran habe, dann ist die Sache gut. Wenn ich also Spaß daran habe, mich zu betrinken, untreu zu sein oder andere zu betrügen, dann gilt das für diese Person auch als gut.
Wenn wir mit solchen Menschen zusammen sind, etwa weil wir mit ihnen am Arbeitsplatz zusammenarbeiten, und wir ihnen sagen, dass in der Bibel etwas anderes steht, trifft das oft nicht auf Verständnis. Denn diese Menschen folgen einem ganz anderen Prinzip.
Es gibt auch Menschen, die meinen, jeder setze sich seine Maßstäbe selbst. Besonders im Bereich der Esoterik gehen immer mehr Menschen davon aus, dass etwas Übernatürliches, Gott, aus dem Inneren des Menschen heraus spricht. Das heißt, Gott macht ihnen durch innere Stimmen oder Gefühle deutlich, was richtig und was falsch ist.
Auch das kann natürlich dazu führen, dass es einen starken Gegensatz gibt zwischen dem, was ich als Christ für richtig halte, und dem, was diese Person für richtig hält.
Mittlerweile ist das nicht nur bei Esoterikern der Fall, sondern auch bei vielen Christen. So treffe ich zum Beispiel eine Christin, die mir sagt, Gott habe ihr deutlich gemacht, dass sie sich von ihrem Mann trennen soll. Dabei beruft sie sich nicht auf einen Bibelvers, sondern auf ein inneres Gefühl. Sie hat den Eindruck, dieses innere Gefühl sei das Reden Gottes, der Heilige Geist, und darauf soll sie jetzt hören und entsprechend handeln.
Hier merken wir, dass es unterschiedliche Grundlagen der Ethik gibt.
Eine andere Grundlage, die man insbesondere häufig bei Katholiken antrifft, nennt sich natürliche Ethik oder Naturrechtsethik. Sie geht davon aus, dass das, was in der Natur vorkommt, richtig ist und dass wir uns daran orientieren sollen.
Manchmal wird dann auch argumentiert, eine bestimmte Verhaltensweise sei unnatürlich – zum Beispiel in der Diskussion um Homosexualität. Es wird gesagt, Homosexualität sei unnatürlich und deshalb falsch. So denken manche Menschen.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass nicht alles, was natürlich ist, auch immer richtig sein muss. Ein einfaches Beispiel: Ist es natürlich zu lügen? Was meint ihr? Ja, das ist natürlich. Jeder Mensch tut das von Natur aus. Man muss einem kleinen Kind das gar nicht beibringen, das kommt ganz von selbst.
Dann könnte man sagen: Aha, Lügen ist natürlich, also ist es auch gut. Doch dann merken wir, dass das nicht stimmt. Dinge, die natürlich sind, also die man allgemein so tut, sind nicht automatisch auch gut und richtig.
Wenn wir das auf die Frage der Homosexualität anwenden, müssten wir feststellen, dass Homosexualität natürlich ist. Sie gibt es zum Beispiel auch in der Tierwelt. Bei Tieren, die keinem Einfluss von Werbung oder Medien ausgesetzt sind, findet man Homosexualität bei verschiedenen Tierarten. Also ist sie natürlich, und dann müssten wir sagen, sie ist in Ordnung.
Aber nicht alles, was natürlich ist, ist deshalb auch richtig – zumindest nicht aus christlicher Sicht. Wir leben in einer Natur und Umwelt, die nicht mehr von den Maßstäben Gottes geprägt ist, sondern von ihm losgelöst. Deshalb handeln sowohl Tiere als auch Menschen nicht mehr so, wie sie ursprünglich von Gott handeln sollten.
Diese Argumentationsweise, mit dem „das ist natürlich“ oder „nicht natürlich“, ist weit verbreitet. Wir finden sie wahrscheinlich auch in Diskussionen mit anderen Menschen in der Gemeinde oder manchmal bei Eltern mit ihren eigenen Kindern. Dort klingt es dann manchmal etwas anders. Man sagt nicht „das ist natürlich“, sondern zum Beispiel „das tun ja alle“.
Auch das ist eine Grundlage der Ethik, die manche haben. Sie sagen: Wenn alle das tun, kann das ja nicht schlecht sein. Ich habe das im Gespräch mit Schülern schon öfter erlebt. Einer sagt: „Ich habe in der Klassenarbeit abgeschrieben.“ Ich sage dann: „Das ist nicht in Ordnung.“ Er antwortet: „Ja doch, das tun doch alle.“
Das ist dann ein Argument dafür, dass es in Ordnung sei, wenn alle das tun.
Es gibt statistische Umfragen, die immer wieder in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht werden. Sie beschäftigen sich damit, wie sich Menschen verhalten, was sie mögen und was sie tun.
So sieht man zum Beispiel, dass es in den letzten Jahren bei jungen Menschen einen Boom für Piercings gab. Dabei werden Nadeln, Ringe und Ähnliches überall in den Körper gestochen. Dann sagt man oft: Das machen jetzt alle, also ist das in Ordnung und man macht es einfach mit.
Ähnlich ist es bei der Frage, ob man vor der Ehe zusammen schlafen darf. Viele junge Leute sagen heute: Das macht doch jeder, das ist ganz normal, das machen alle so, also muss es auch richtig sein. So wird manches Mal argumentiert. Doch hier zeigt sich schon ein Problem: Nur weil etwas alle tun, ist es nicht automatisch richtig.
Wenn das so wäre, müssten wir zum Beispiel sagen: Im Mittelalter haben alle Hexen verfolgt, also war die Hexenverfolgung richtig. Im Nationalsozialismus dachten alle, die Juden seien Untermenschen und könnten deshalb getötet werden. War das dann richtig, weil alle so dachten? Und wenn jetzt alle denken, man dürfe kleine Babys durch Abtreibung töten, wäre das dann auch richtig?
Wir merken: Richtig und falsch bemisst sich nicht danach, ob alle Menschen etwas tun oder nicht. Das ist uns zwar irgendwie eingeboren. Wenn alle Menschen in eine falsche Richtung laufen, sind wir als Menschen erst einmal darauf ausgerichtet, mitzulaufen, denn das machen ja alle. Das ist ein einfacher Weg, sich zu orientieren.
In vielen Dingen unseres Alltags handeln wir so. Auch dort, wo es gar nicht schlimm ist. Zum Beispiel bei Kleidung oder der Wahl des Urlaubsortes. Es gibt bestimmte Modeströmungen: In den Fünfziger- und Sechzigerjahren fuhren fast alle Deutschen nach Italien. Etwas später dann fast alle nach Spanien, später alle nach Mallorca. So gab es immer wieder Orte, die besonders beliebt waren. Das ist grundsätzlich nicht schlimm.
Oder eine Zeit lang strich man in der Inneneinrichtung der Wohnung alles weiß. Jetzt ist es eher üblich, die Wände farbig zu gestalten. Dabei richtet sich unser Geschmack oft nicht nach dem persönlichen Empfinden, sondern danach, was alle anderen tun. Das gilt für Kleidung, Einrichtung, Urlaub und viele andere Dinge.
Das ist grundsätzlich unproblematisch, solange es nicht um eindeutige ethische Aussagen geht. Ob ich meine Wohnung in Gelbtönen halte oder weiß streiche, dafür gibt es kein Gebot. Man kann es so oder so machen.
Wenn wir dieses Prinzip aber von der Frage des Geschmacks auf ethische Fragen anwenden – also auf Dinge, die wir als richtig oder falsch bewerten müssen –, können wir in eine völlig falsche Richtung laufen.
Viele Christen tun das trotzdem, zum Beispiel bei der Frage der Ehescheidung. In vielen Gemeinden in Deutschland heißt es heute: Ehescheidung ist so weit verbreitet, man kann nicht ewig mit dem Ehepartner zusammenbleiben. Wenn man sich nicht mehr liebt oder zerstritten ist, kann man sich doch trennen.
Viele Gemeinden vertreten diese Haltung, besonders in der evangelischen Kirche. Dort gibt es sogar Gottesdienste für Trennungen – nicht nur für Hochzeiten, sondern auch für die Entheiratung unter dem Segen Gottes, so verspricht man zumindest.
Das klingt doch ganz komisch und kann nicht wahr sein. Nur weil alle so denken und es alle tun, heißt das nicht, dass es richtig ist. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass viele Menschen irren und etwas falsch machen.
Wenn eine amerikanische Statistik stimmt, lügt jeder Amerikaner etwa 15 Mal pro Woche. Vielleicht ist es sogar noch mehr. Wenn das also alle tun, wäre Lügen dann normal? Und damit nicht schlimm?
So funktioniert das nicht. Nur weil viele Menschen etwas tun oder wir uns daran gewöhnt haben, dass man es so macht, ist es noch lange nicht richtig und gut.
Und da merken wir: Ethik ist wichtig, weil wir uns nicht nur danach richten können, was alle anderen tun. Manche vertreten auch eine Art demokratische Ethik und sagen dann, wir stimmen einfach darüber ab. Das wird heute ja auch in der Politik so gemacht.
Vor noch zwanzig Jahren war Homosexualität in Deutschland gesetzlich verboten. Dann hat die Regierung ein neues Gesetz verabschiedet, weil sie nach Umfragen meint, dass ein großer Teil der Menschen in der Bundesrepublik Homosexualität nicht mehr als schlimm empfindet. Heute ist Homosexualität gesetzlich nicht nur erlaubt, sondern wird vom Staat sogar geschützt.
Ein Abgeordneter der Grünen, Volker Beck, hat sogar einen Antrag gestellt, dass der Schutz der Homosexualität ins Grundgesetz aufgenommen werden soll. Innerhalb von zwanzig Jahren sehen wir also eine vollständige Veränderung. Warum hat sich an Homosexualität irgendetwas verändert? Nein, an Homosexualität selbst hat sich nichts geändert, aber die Meinung in der Gesellschaft hat sich verändert. Dann stimmt man eben ab: Wer ist dafür, dass Homosexualität in Ordnung ist? Die meisten Deutschen sagen, das ist in Ordnung. Also wird das Gesetz geändert – ab jetzt ist Homosexualität gut.
Genauso war es einige Jahre vorher mit der Abtreibung. Bis dahin war Abtreibung gesetzlich verboten. In den sechziger und siebziger Jahren wurde immer stärker gefordert: Nein, das kann doch nicht sein. Dann wurde nach Meinungsumfragen festgestellt, dass die meisten Deutschen Abtreibung für nicht so schlimm halten. Also verändern wir die Gesetze: Ab jetzt ist Abtreibung legal, zumindest in bestimmten Grenzen. Es gab dann bestimmte Voraussetzungen, die noch erfüllt werden mussten.
Das ist auch eine Form, Ethik zu bestimmen. Viele Menschen, mit denen wir zusammenleben – Nachbarn, Arbeitskollegen – gehen nach diesem System vor, um ihre ethischen Entscheidungen zu treffen. Dabei kommen natürlich unterschiedliche Ergebnisse heraus. Wir müssen aufpassen, dass wir als Christen nicht in einen ähnlichen Entscheidungsprozess hineinkommen, bei dem wir irgendwann in der Gemeinde eine Umfrage machen: Was denkt ihr alle in der Gemeinde? Ist Abtreibung schlecht oder gut? Und wenn ihr meint, das ist nicht so schlimm, dann erlauben wir das jetzt in der Gemeinde. Da merken wir, dass es so nicht sein kann.
Es gibt noch eine andere Form der Ethik, die sich Utilitarismus nennt. Das ist ein Fremdwort, das man nicht unbedingt behalten muss. Dabei geht man davon aus, dass das gut ist, was das größtmögliche Glück für die größtmögliche Menge bringt. Das heißt: Wenn für viele Menschen etwas Positives herauskommt, dann ist es richtig. Wenn es einzelnen Menschen schadet, dann haben diese halt Pech gehabt.
So geht man zum Beispiel vor, wenn es um medizinische Unterstützung für alte Menschen geht. Manche sagen: Das kostet viel zu viel Geld, das müssen wir einsparen. Dann leiden alle. Nein, dann werden alte Menschen lieber etwas schneller sterben gelassen, damit mehr Menschen dadurch glücklich werden. Also: Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Menge. Wenn es der großen Menge gut tut, müssen halt einzelne darunter leiden. Das ist ein Prinzip, das manche Menschen aufgestellt haben.
Immanuel Kant hat dann ein anderes Prinzip aufgestellt: Wenn du nicht willst, dass man dir etwas Böses tut, sollst du es auch dem anderen nicht tun. Man nennt das den kategorischen Imperativ. Er formuliert das etwas komplizierter: Die Maßstäbe, Ziele und Maximen deines Lebens sollen verallgemeinerbar sein für alle. Wenn das möglich ist, dann ist es gut.
Das klingt erst einmal ähnlich wie die Aussage Jesu in seiner goldenen Regel: „So, wie du willst, dass man dir tut, das sollst du auch anderen tun.“ In der Bibel wird diese Regel ja auf göttliche Autorität zurückgeführt. Heute sagt man oft, das sei ganz logisch. Aber so logisch ist das nicht. Es gibt Leute, die empfinden manche Dinge als gut, zum Beispiel Schlägertypen. Die wollen sich gerne schlagen und haben gar nichts dagegen, auch mal geschlagen zu werden. Heißt das nun, dass sich gegenseitig Schlagen deshalb gut ist, nur weil sie das so empfinden? Nein, auch nicht.
Nur weil ich gerne möchte, dass man mir etwas tut oder nicht tut, heißt das nicht automatisch, dass diese Sache auch für jeden anderen gut ist – mit der Ausnahme, und das ist das, was die Bibel sagt, wenn Gottes Autorität dahintersteht.
Ich nenne bewusst diese verschiedenen Systeme, wie ethische Entscheidungen bewertet werden, weil es immer mehr Menschen gibt, die auch in christlichen Gemeinden sind, aber selbst gar nicht so genau wissen, wonach sie ihre ethischen Entscheidungen treffen.
Ich habe zum Beispiel mit einer jungen Frau gesprochen, die in einer Zeitung darüber gelesen hatte, dass ein Junge plötzlich meinte, er sei eigentlich ein Mädchen. In dem Artikel wurde berichtet: „Ich bin im falschen Körper geboren.“ Dann sagte diese junge Frau zu mir: „Ja, dieser arme Junge, der muss sich doch jetzt umoperieren können, weil er empfindet, er sei eigentlich ein Mädchen.“
Aus diesem Empfinden heraus, aus der emotionalen Betroffenheit, dass sie das innerlich anspricht, wird abgeleitet, dass das richtig oder falsch ist. Und das sind Argumentationen von Christen, nicht von irgendwelchen Leuten, die vollkommen in der Welt leben.
Wir müssen uns klar machen: Nach welchen Maßstäben gehen wir eigentlich in unserer Ethik vor?
Nachdem ich nun einige Beispiele genannt habe, die allerdings nicht vollständig sind, sondern nur zeigen, wie ich zu ethischen Entscheidungen kommen kann, möchte ich nun darlegen, wie ich glaube, dass wir als Christen handeln sollten.
Ich bin der Meinung, dass wir nicht in erster Linie nach unserem Gefühl handeln sollten. Unser Gefühl müssen wir kritisch hinterfragen, denn es sagt nicht immer die Wahrheit. In der Bibel wird auch vom Gewissen gesprochen. Gewissen und Gefühl hängen miteinander zusammen: Wir haben ein schlechtes oder ein gutes Gewissen. Doch auch das Gewissen ist nicht der letzte Maßstab. Entscheidend ist, woran unser Gewissen geprägt ist, woran es gewöhnt ist.
Manche Menschen, etwa Massenmörder, empfinden kein schlechtes Gewissen, wenn sie jemanden töten. Ist das deshalb gut? Woran liegt das? Vielleicht sind sie in einer Familie aufgewachsen, in der von Anfang an Gewalt herrschte, und haben sich daran gewöhnt. Viele Menschen begehen Ehebruch, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Andere betrügen ihren Arbeitgeber oder ihre Nachbarn, ohne Gewissensbisse. Ist das, was sie tun, deshalb richtig? Nein, das ist es nicht.
Für Christen ist das Gewissen eine wichtige Instanz, aber es kommt darauf an, womit es gefüllt ist. Das Gewissen ist nicht von vornherein von Gott in allen Punkten festgelegt, sondern es wird geprägt. Vielleicht habt ihr als Christen auch schon bemerkt, dass euer Gewissen mit der Zeit empfindlicher wird. Dinge, die euch früher nichts ausgemacht haben, lösen jetzt ein schlechtes Gewissen aus und erinnern euch daran: Das ist nicht in Ordnung, tu das nicht! Denn unser Gewissen verändert sich.
Manchmal haben Menschen auch ein schlechtes Gewissen bei Dingen, bei denen sie eigentlich keines haben müssten. Ich habe gestern das Beispiel eines Adventisten erwähnt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer jungen Adventistin in Bayreuth, die eine Veranstaltung besucht hat. Wir sprachen miteinander, und sie sagte, sie habe ein schlechtes Gewissen, weil der Gottesdienst am Sonntag stattfindet und sie an diesem Tag hingeht. Ihr Gewissen sagt ihr, das sei falsch. Aber ist es falsch, am Sonntag in den Gottesdienst zu gehen? Eigentlich nicht.
Hier hat das Gewissen dieser jungen Frau etwas Falsches gesagt. Durch ihre Erziehung und Gewohnheit wurde ihr immer wieder gesagt: Das ist falsch. In Wirklichkeit war es aber nicht falsch. Ihr Gewissen war geprägt durch die Gewohnheiten ihrer Umgebung und nicht unbedingt durch Gott. Das Gewissen ist eine Hilfe, aber nur dann, wenn es von der richtigen Instanz geprägt und gefüllt wird.
Deshalb müssen wir stark daran arbeiten, dass unser Gewissen von der richtigen Instanz – nämlich von Gott – geprägt und gefüllt wird. Sonst kann das Hören auf das Gewissen auch vollkommen in die Irre führen. Wir tun dann Dinge, die Gott als falsch darstellt, weil unser Gewissen sagt: Kein Problem, das kannst du ruhig tun. Oder wir unterlassen Dinge, weil unser Gewissen meint, sie seien falsch, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind.
Auch beim Gewissen kommt es also darauf an, wodurch es gefüllt wird. Wenn wir unser Gewissen mit dem Guten füllen, also mit dem Willen Gottes und den Geboten Gottes, wird uns das mit der Zeit immer mehr prägen. Dann werden wir auch ganz spontan empfinden, was richtig und was falsch ist – aber nicht, weil es aus uns selbst kommt, sondern weil es aus der Prägung durch das Wort Gottes und aus der Nähe zu Gott entsteht.
Wir können uns ja nicht in jedem Moment hinsetzen und eine lange Studie anfertigen. Viele Entscheidungen müssen wir spontan treffen. Ich gehe davon aus, dass viele von euch berufstätig sind. Wenn ihr morgen aufsteht – heute ist ja kein Arbeitstag –, dann könnte ich fragen: Ist es ethisch richtig, morgens aufzustehen? Ihr könntet eine lange Studie anfertigen und viele Gründe aufzählen, warum es besser wäre, im Bett zu bleiben – für eure Gesundheit etwa. Vielleicht könnte euch heute ein Stein auf den Kopf fallen. Und überhaupt, Gott sagt doch, dass er uns versorgen will, so wie die Vögel am Himmel, die nicht bauen, anbauen oder arbeiten.
Ihr würdet also eine lange Studie machen, und vielleicht seid ihr erst am Mittag fertig und kommt zu dem Ergebnis, doch zur Arbeit zu gehen. Dann geht ihr zum Arbeitgeber und sagt: Ich musste erst überlegen, ob es richtig ist, zur Arbeit zu kommen. Ich vermute, ihr würdet euren Arbeitsplatz nicht lange behalten.
Bei vielen Dingen gibt es morgens keine lange Überlegung: Der Wecker klingelt, und hoffentlich springt ihr aus dem Bett, macht euch fertig und geht zur Arbeit. Wenn ihr dann auf dem Weg zur Arbeit oder beim Frühstück sitzt, überlegt ihr vielleicht, was ethisch richtig ist: Soll ich eine Scheibe Brot essen oder zwei? Vielleicht ist das schon Völlerei. In der Bibel steht ja, dass Fresser und Säufer das Himmelreich Gottes nicht sehen. Bin ich bei zwei Scheiben schon ein Fresser? Oder erst bei drei, vier oder fünf?
Hier merkt ihr, dass wir nicht ständig Entscheidungen treffen können, sonst wären wir ständig am Nachdenken. Erst das Aufstehen, dann beim Frühstück wieder stundenlanges Grübeln. Dann fahrt ihr mit dem Auto zur Arbeit, und an der roten Ampel überlegt ihr: Muss ein Christ sich an die Verkehrsregeln halten oder nicht? Vielleicht denkt ihr, Gottes Regeln sind höher als die Verkehrsregeln, und Christen haben Vorfahrt. Also fahrt ihr bei Rot über die Ampel. Doch das geht nicht. Also fahrt ihr zurück und sagt: Doch nicht. So kommt ihr nie an.
Was ich damit sagen will: Im Alltag können wir nicht endlos lange nachdenken. Was wir tun müssen, ist, uns möglichst intensiv von Gott und seinem Wort prägen zu lassen. Dann werden wir auch spontan die richtigen Entscheidungen treffen können.
Auch wenn wir nicht lange darüber nachgedacht haben: Viele Christen tun das nicht. Wenn ich mich wenig mit dem Wort Gottes auseinandersetze, werde ich auch wenig davon geprägt. Dann werde ich automatisch viel mehr durch andere Dinge beeinflusst.
Das können meine Gefühle sein, die Meinung meiner Freunde oder der Medien. Auch das, was als normal angesehen wird, oder das, was mir in einer Statistik gezeigt wird – zum Beispiel: „Alle denken doch so.“ All diese Dinge bestimmen dann mein Denken und meine Entscheidungen mit, aber nicht Gott.
Dann bin ich vielleicht ein frommer Christ, aber ich entscheide nicht so, wie Gott es eigentlich will. Stattdessen entscheide ich nach den Maßstäben der Welt um mich herum. Leider ist das nicht nur bei vielen Nichtgläubigen so, sondern in den letzten Jahren handeln auch immer mehr Christen so, weil sie nicht genügend vom Wort Gottes geprägt sind.
Das Wort Gottes will uns Maßstäbe und Hilfe geben, um den Willen Gottes zu erkennen. Ich möchte dazu ein paar Bibelstellen vorlesen, die uns deutlich machen, was der Wille Gottes ist. Ich nenne jeweils die Bibelstelle, die ich mir schon herausgeschrieben habe, und lese sie dann vor.
Da lesen wir in Johannes 7,17: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede.“
Also: Wenn ich als Christ sage, ich will den Willen Gottes erkennen, dann kann ich ihn auch nur erkennen, wenn ich bereit bin, ihn auch zu tun. Das steht hier ja deutlich. Das heißt: Der Christ, der sagt, „Ich will wissen, was richtig ist“, aber innerlich gar nicht bereit ist, es auch zu tun, dem wird Gott seinen Willen häufig gar nicht zeigen.
Nehmen wir an, jemand will sich unbedingt von seiner Frau trennen und sagt dann: „Jetzt will ich aber noch den Willen Gottes hören.“ Dann besteht die Gefahr, dass er nur nach den Stellen sucht, die ihm genau das sagen, was er gerne hören will.
Das gibt es bei vielen Christen. Sie haben innerlich schon lange eine Entscheidung getroffen, trauen sich aber nicht, das offen zu sagen. Dann suchen sie nur nach Bibelstellen, die ihre Entscheidung stützen. Das habe ich immer wieder erlebt.
Zum Beispiel im letzten Sommer: Die Freien Evangelischen Gemeinden in Deutschland haben entschieden, dass auch Frauen ins Ältestenamt kommen dürfen und Predigerinnen werden können. Wir haben jahrelang diskutiert. Ich war in einigen Gemeinden eingeladen, um eine biblische Perspektive darzustellen.
Ich habe ihnen von vornherein gesagt: „Wenn ihr nicht bereit seid, zu hören, was die Bibel sagt, und nur hören wollt, dass die Frau Pastorin werden darf, dann kann ich gleich wieder gehen. Dann brauche ich euch gar nichts zu sagen.“
In vielen Gemeinden lief es genau so: Man suchte nur nach Argumenten, die für die eigene, schon feststehende Position sprechen. Das ist kein Suchen nach dem Willen Gottes.
Wenn du wirklich den Willen Gottes erfahren willst, musst du von vornherein bereit sein, ihm zu folgen. Auch wenn er vielleicht etwas Unangenehmes von dir fordert oder dich etwas tun lässt, wozu dein Gefühl Nein sagt.
Dein Gefühl sagt dir vielleicht: „Ich will unbedingt das tun!“ Dann musst du bereit sein, auch gegen dein Gefühl und Empfinden zu handeln. Sonst wirst du den Willen Gottes nie richtig erfahren.
Ich habe das auch bei manchen jungen Paaren erlebt. Sie sagten: „Ich will unbedingt den und den heiraten, aber ich will den Willen Gottes erkennen.“ In Wirklichkeit wollten sie von Gott nur noch den Segen haben: „Ist in Ordnung, mach das!“ Aber sie wollten nicht hören: „Nein, heirate den nicht.“
Da merken wir: Wenn wir nicht bereit sind, auch auf den Willen Gottes zu hören, dann werden wir ihn nicht erkennen. Wer sich innerlich schon lange entschieden hat und nur noch in der Bibel Bestätigung sucht, wird den Willen Gottes nicht erkennen.
Wenn jemand seinen Willen tun will – also wirklich bereit ist, das auch zu tun – dann wird er von der Lehre wissen, ob sie von Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede. Aber nur dann. Wer sich innerlich schon entschieden hat, wird die Wahrheit nicht erkennen können.
Kolosser 1, Vers 9: Deshalb hören wir auch nicht auf, von dem Tag an, an dem wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis.
Ich lese noch einmal Kolosser 1, Vers 9: Deshalb hören wir auch nicht auf, von dem Tag an, an dem wir es gehört haben, für euch zu bitten und zu beten, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis.
Also, was brauchen wir, um den Willen Gottes zu erkennen, auch in Fragen der Ethik und des Handelns? Zunächst einmal Fürbitte. Das ist nicht ein für alle Mal geklärt. Wir müssen uns immer wieder am Wort Gottes orientieren und füreinander beten.
Dann steht da auch, dass wir Weisheit brauchen und geistliches Verständnis. Es geht bei der Festlegung der Ethik nicht nur um scheinbar logische Dinge. Manche Leute sagen: „Ja, aber die Medizin hat doch festgestellt, dass Menschen gar nicht monogam sein können, das heißt, immer mit einem zusammenleben. Die Menschen müssen mal einen anderen Partner haben.“
Da spielt es keine Rolle, was die Medizin oder Umfragen festgestellt haben oder auch nicht, und auch nicht, was unsere Logik uns sagt. Hier steht, dass wir Weisheit und geistliches Verständnis brauchen.
Das geistliche Verständnis kann nur von Gott kommen, durch den Heiligen Geist, nicht immer durch logisches Überlegen. Logisches Überlegen ist gut, und gerade wenn wir mit Nichtgläubigen zusammensprechen, dann brauchen wir auch logische Argumente für unsere Überzeugung. Diese allein genügen aber nicht.
Ein Beispiel: Ist Lügen falsch oder richtig? Das würde ich auch sagen. Heutzutage gibt es aber immer mehr Bücher, in denen behauptet wird, dass Lügen an sich gut sei. Ich habe unter anderem ein relativ neues Buch auf Deutsch dabei, das ich euch nachher zeigen kann. Darin steht, dass man nur lernen müsse, richtig zu lügen und es in der richtigen Situation anzuwenden, weil Menschen Lügen brauchen.
Das ist natürlich von keinem Christen geschrieben, aber immer mehr Menschen in unserer Umgebung sagen, Lügen sei gar nicht falsch, weil es einem manchmal hilft. Es hilft zum Beispiel, um manche Diskussionen abzukürzen. So war es auch bei einem unserer Nachbarn: Meine Frau war dort zu Besuch, und die Frau sagte zu ihren Kindern, der Fernseher sei kaputt, als die Kinder fernsehen wollten. Später, als sie allein waren, fragte meine Frau nach und erfuhr, dass der Fernseher gar nicht kaputt sei, sondern die Mutter einfach nicht wollte, dass die Kinder fernsehen.
Manche sagen dann, das sei doch gut. Statt lange mit den Kindern zu diskutieren – „Ich will aber doch“, „Nein, nicht“ und „Was, ja?“ – sagt man einfach: „Der Fernseher ist kaputt.“ Und schon hat man sein Ziel erreicht.
Oder wie ist es, wenn eine Frau in der Gemeinde auf dich zukommt, ein neues Kleid gekauft hat und fragt: „Wie findest du das?“ In Wirklichkeit findest du das Kleid gar nicht so schön. Was machst du jetzt? Ist es nicht unhöflich, das ehrlich zu sagen?
Oder nehmen wir an, du bist zum Essen eingeladen. Die Gastgeberin hat sich richtig viel Mühe gegeben, aber du denkst, das schmeckt gar nicht gut. Jetzt fragt sie: „Wie schmeckt es denn?“ Was sagst du?
Dann wird oft gesagt: „Ach, es ist doch viel einfacher zu lügen. Dann sind alle zufrieden: die einen glücklich, der andere auch. Und gegessen hast du sowieso schon, und es gibt ja nichts anderes.“ Also, statt jetzt noch viel Ärger zu machen, einfach ein bisschen lügen – das schadet ja gar nicht.
Oder im Verkauf in irgendeinem Unternehmen: Ich habe neulich einen Christen getroffen, der sagte, im Verkauf müsse man ja sogar lügen. Da fragt ein Bauunternehmer: „Wie schnell könnt ihr das bauen?“ Und du weißt genau, wenn du zu viel Zeit angibst, bekommt der andere den Auftrag. Also sagst du „in drei Wochen“, obwohl du weißt, dass du es gar nicht in drei Wochen schaffst. Aber erst mal, wenn du den Auftrag hast, sagst du dann, es sei schwieriger und dauert länger. Also lügst du ein bisschen. Und das ist heute in weiten Teilen der Unternehmen ganz normal.
Ich habe eine Zeit lang als Student in einem Hotel als Nachtportier gearbeitet. Vor der Basler Mustermesse, einer großen Messe in Basel, sind alle Hotels ausgebucht. Dann wurde mir aufgetragen, wenn jemand ein paar Wochen vor der Messe anruft und ein Zimmer will, zu sagen: „Wir sind besetzt.“ Warum? Aus Geschäftsinteresse. Denn die Hotelbetreiber wussten, wenn jemand während der Messe kommt, bezahlt er den doppelten Preis.
Vorher kannst du den Preis nicht einfach verdoppeln, weil das alles in den Unterlagen steht. Aber wenn jemand während der Messe kommt, kannst du sagen: „Wir haben gerade noch ein Zimmer frei, aber dafür müssen Sie das Doppelte bezahlen.“ Und alle bezahlen das. So waren Betrügen und Lügen ganz normal im Alltag.
Viele Menschen sagen heute: „Lügen ist doch normal, das muss man doch.“ Es gibt sogar die Notlüge in bestimmten Situationen, wo es angeblich nicht anders geht. Deshalb sei Lügen nicht generell verboten.
Jetzt merken wir, dass es viele verstandesmäßige, logische Argumente gibt, die dafür sprechen können, in bestimmten Fällen zu lügen. Aber ich stelle die Frage erneut: Ist Lügen nun richtig oder falsch? Es ist trotzdem falsch.
Hier merken wir, wie schwierig das sein kann. Unser Verstand kann uns nämlich auch betrügen. Er begründet uns häufig das, was wir gerne hätten, weil wir dadurch einen Vorteil zu haben meinen oder weil es uns einfacher erscheint. Aber das ist nicht der Maßstab für richtig und falsch.
Immer mehr Christen richten sich aber nach dem Motto: „Es scheint mir plausibel, ich habe gute Gründe dafür, also ist es richtig, das zu tun.“ Und da kann man alles Mögliche begründen – selbst Dinge, die in der Bibel vollkommen als falsch dargestellt werden.
Beispielsweise bei der Frage der alternativen Heilmethoden, über die ich manchmal auch Vorträge halte: Da kommen Christen und sagen: „Ja, aber diese Methode hat mir doch geholfen, also muss sie gut sein.“ Es wird gar nicht mehr gefragt, ob die Methode an sich gut ist oder ob sie im Einklang mit dem Glauben steht. Die Frage ist nur: „Es hat mir geholfen, also ist es gut.“
Der Verstand sagt uns: „Was mir hilft, ist gut.“ Diese Christen provoziere ich regelmäßig, indem ich ihnen sage: „Wenn du deine Seele dem Teufel verschreiben könntest und dadurch gesund werden würdest, würdest du das auch tun, wenn es hilft?“ Die Antwort ist natürlich jedes Mal: „Nein, natürlich nicht.“ Dann merkt man, dass das Argument „Es hat mir geholfen“ nicht das entscheidende Argument ist.
Es kommt auch immer darauf an: Ist der Weg, auf dem ich Heilung bekommen habe, richtig und im Einklang mit der Bibel oder nicht? Das heißt, ich muss mir nicht nur überlegen: Tut mir das gut? Hilft mir das? Empfinde ich das als richtig? Habe ich verstandesmäßige Argumente dafür oder nicht? Denn auch unser Verstand kann uns in die Irre führen.
Das habt ihr sicher auch schon im Alltag erlebt. Wenn ihr etwas wirklich gerne wollt, findet euer Verstand immer eine gute Erklärung dafür. Zum Beispiel: Wenn du schon zweimal im Jahr Urlaub gemacht hast und jetzt überlegst, noch einen dritten Urlaub zu machen, könnte man sagen: Geldverschwendung, Zeitverschwendung. Du könntest die Zeit besser nutzen, etwa um dem Nachbarn zu helfen oder in der Gemeinde mitzuarbeiten.
Wenn du aber lange genug nachdenkst, findest du viele gute Gründe, warum du unbedingt noch einen Urlaub brauchst. Du sagst dann vielleicht: „Ich bin so gestresst, und Gott will ja, dass es mir gut geht. Um meine Arbeitskraft zu regenerieren, will Gott, dass ich Urlaub mache. Außerdem habe ich danach eine gute Möglichkeit, mit meinem Nachbarn zu sprechen.“ Dann warst du noch mal auf Mallorca, und danach hattest du ein gutes Gespräch mit deinem Nachbarn. Weil du mit ihm sprechen kannst, will Gott, dass du in den Urlaub fährst. Und so weiter.
Du kannst endlos viele Beispiele nennen, warum du unbedingt in den Urlaub fahren musst. Wenn man etwas will, findet man viele Gründe dafür.
Aus dieser Stelle im Kolosserbrief lesen wir: Das Entscheidende ist nicht, welche Gründe wir sammeln. Die können uns in die Irre führen. Wichtig ist das geistliche Verständnis, das heißt, sich vom Geist Gottes prägen zu lassen. So erkennen wir vielleicht, dass unsere Argumente, wie die Bibel sagt, nur fleischlich, menschlich und auf unserer Logik aufgebaut sind – aber nicht auf der Logik Gottes.
1. Thessalonicher 4,3: "Denn dies ist Gottes Wille, eure Heiligung, dass ihr euch von der Unzucht fernhaltet." Dann geht es noch ein ganzes Stück weiter. Der Wille Gottes ist unsere Heiligung.
Auch in ethischen Fragen geht es nicht nur darum, ob etwas gerade noch erlaubt oder verboten ist, sondern es geht stark darum, ob das, was wir tun, unserer Heiligung dient. Heiligung heißt ja Aussonderung für Gott. Dient das, was ich tue, dazu, dass ich Gott näherkomme, oder nicht? Manche Dinge sind vielleicht biblisch nicht hundertprozentig verboten, aber sie dienen nicht dazu, dass ich Gott näherkomme. Deshalb sind sie ethisch abzulehnen.
Nun könnten wir zum Beispiel die Frage stellen: Ist es in der Bibel verboten, fernzusehen? Ihr könnt viele Bibelstellen nachschauen und werdet feststellen, dass der Fernseher in der Bibel nicht erwähnt wird. Zumindest kenne ich keine Stelle, wo er explizit genannt ist. Ja, in der Offenbarung gibt es das sprechende Bild beim Antichristen, aber ob das der Fernseher ist, wissen wir nicht genau. Es könnte auch etwas anderes sein, das bis dahin noch erfunden wird.
Heißt das, weil in der Bibel nichts darüber steht, ist Fernsehen generell gut oder erlaubt? Nein, denn manchmal spielen ganz andere Maßstäbe eine Rolle. Zum Beispiel: Dient das Fernsehen deiner Heiligung? Dient es dazu, dass du Jesus näherkommst oder ihn besser kennenlernst? Hier müsste jeder, der ehrlich ist, wahrscheinlich sagen: Nein, gar nicht. Häufig dient es sogar eher meiner Verunheiligung, weil viele Dinge vermittelt werden, die genau im Gegensatz zu dem stehen, was ich als richtig empfinde und von dem ich weiß, dass es von Gott richtig ist.
Manche Sachen sind vielleicht in der Bibel nicht mit einem deutlichen Wort verboten, aber wenn wir diesen Maßstab anlegen, merken wir: Es dient nicht dem Positiven, dass ich Gott näherkomme, seinen Willen erkenne und heilig werde. Das ist nach der Bibel ein Maßstab für Ethik und richtiges Verhalten.
In Epheser 5,17 sagt Paulus: "Darum seid nicht töricht, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist." Das ist eine Aufforderung, sich damit auseinanderzusetzen, was Gott für dein Leben will. Im 1. Thessalonicher 5,18 heißt es: "In allem dankt; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch." Auch das hat mit Ethik zu tun. Zum Beispiel: Bin ich in der Ethik dauernd dabei, mich zu beschweren oder negativ über andere zu reden? Wenn das immer der Fall ist, stimmt etwas nicht. Hier steht, mein Reden soll von Dankbarkeit geprägt sein.
Wenn ich immer nur Gott Vorwürfe mache oder andere beschuldige, alles sei schlimm, Gott sei so oder alle anderen böse, dann ist das nicht richtig. Ja, man darf Fehler ansprechen, das muss sogar sein. Aber wenn ich nur darüber rede, entspricht das nicht dem Willen Gottes.
An einigen Stellen wird Gottes Wille, also das, was unser Handeln bestimmen soll, also die Ethik, ganz konkret deutlich gemacht. Es wird klar gesagt: Das sollst du tun oder das sollst du nicht tun. Zum Beispiel 1. Petrus 3,17: "Denn es ist besser, wenn der Wille Gottes ist, für Gutes zu leiden als für Böses zu leiden." Manche argumentieren: Wenn ich im Betrieb nicht lüge, verliere ich meinen Job. Die Antwort darauf ist: Dann ist es gut, für Gutes zu leiden, statt für Böses. Leide, weil du getan hast, was Gott will.
Es heißt nicht immer, dass alles glattläuft, wenn du richtig handelst und alle dir zujubeln. Manchmal bekommst du sogar Nachteile, wenn du das Richtige tust. Vielleicht kümmert sich dein Nachbar nicht um Bauregeln, baut einfach wie er will oder betrügt sogar den Staat. Du machst es ehrlich und darfst deine Garage nicht bauen, während er es kann, weil niemand ihn fragt. Was lernen wir daraus? Ehrlichkeit kann Nachteile bringen. Aber es ist besser, für Gutes zu leiden als für Böses.
Der Maßstab darf nicht sein, ob ich besser durchkomme oder Vorteile habe. Auch als Christ bist du nicht generell von Gott geschützt, dass nichts Schlimmes passiert. Manchmal leidest du gerade, weil du ehrlich bist und das Richtige tust.
1. Petrus 4,2 sagt: "Um die im Fleisch nach der übrigen Zeit nicht mehr mit den Begierden der Menschen, sondern dem Willen Gottes zu leben." Was tut der normale Mensch? Er lebt nach den Begierden des Fleisches. Wenn wir uns nicht vom Wort Gottes prägen lassen, geht es uns als Christen genauso.
Dein Gefühl sagt vielleicht: Es ist besser, noch ein bisschen zu schlafen, als in der Bibel zu lesen. Oder: Es ist besser, sich zu unterhalten, als sich von Gott prägen zu lassen. Oder: Es ist zu mühsam, mit dem Nachbarn über den Glauben zu sprechen, also tue ich es nicht.
Auch unser Fleisch, unsere menschliche Natur, kann uns dazu bringen, Dinge zu tun, die nach Gottes Maßstab nicht richtig sind. Deshalb wird hier Begierden der Menschen und Wille Gottes gegenübergestellt. Unsere inneren Begierden sind nicht immer dasselbe wie das, was wir tun sollen.
Gott gibt an vielen Stellen ganz konkrete Hinweise, was wir tun sollen. Zum Beispiel in 2. Mose 20 ab Vers 1, die Zehn Gebote: "Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen usw." Hier werden klare Aussagen getroffen, die unser Gewissen prägen sollen.
Es geht nicht erst in der konkreten Situation darum, zu überlegen, ob ich lügen soll. Sondern ich soll mir das immer wieder bewusst machen. Je stärker ich davon geprägt bin, desto eher entscheide ich mich spontan richtig und sage: Nein, ich lüge nicht, ich will das nicht tun. Wenn ich nicht geprägt bin, gerate ich schnell in Gefahr, so zu handeln wie alle anderen. Alle schreiben ab, dann schreibe ich auch ab. Alle lügen, dann lüge ich auch.
Je näher wir bei Gott sind und uns von ihm prägen lassen, desto stärker können wir uns richtig entscheiden.
Das ist nicht das Einzige. Zum Beispiel steht in 3. Mose 19: "Du sollst deinen Nächsten nicht unterdrücken, nicht berauben, der Lohn des Tagelöhners darf nicht über Nacht bei dir bleiben. Du sollst den Tauben nicht fluchen und dem Blinden kein Hindernis legen. Du sollst im Gericht kein Unrecht tun, die Person des Geringsten nicht bevorzugen und die des Großen nicht ehren."
Das sind ganz konkrete Dinge, die Gott will. Ich weiß nicht, ob ihr oft in die Lage kommt, einem Blinden ein Hindernis in den Weg zu legen, aber scheinbar war das damals ein Problem. Oder dem Tauben zu fluchen – der Taube hört ja nicht, und dann schimpft man über ihn. Hier steht: Nein, auch das nicht.
Das sind Beispiele, wo Ethik nicht davon abhängt, ob der andere es hört. Es ist falsch, etwas Schlechtes über jemanden zu sagen, nur weil er es nicht mitbekommt. Andere sagen vielleicht: Wenn es den anderen nicht verletzt, ist es in Ordnung. Aber hier steht: Nein, das ist nicht richtig.
Wir finden viele konkrete Beispiele, die in unser Leben sprechen, wo Gott klare Aussagen macht. Zum Beispiel Kolosser 3,5: "Tötet nun eure Glieder, die auf Erden sind: Unzucht, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Begierden, Habsucht, die Götzendienst sind! Um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams."
Dann heißt es weiter: "Legt ab Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden aus eurem Mund." Das sind klare ethische Vorgaben.
Wenn ich mich frage, wie ich im Alltag reagieren soll, muss ich von diesen Dingen geprägt sein. Es darf mir nicht zuerst einfallen: Ach, alle handeln so oder ich fühle so. Sondern ich soll denken: Da steht doch in der Bibel, das ist gut, und ich weiß, dass Gott die Wahrheit sagt.
Nach der Bibel gibt es nicht für jeden etwas anderes, was richtig ist. Wir glauben an einen Gott, der festlegt, was richtig und was falsch ist. Es ist nicht unsere Macht, das selbst zu bestimmen.
Gerade der Wille des Menschen, selbst festzulegen, was gut und was böse ist, ist die Ursünde. Genau das hat der Teufel Adam und Eva versprochen: "Ihr werdet erkennen, was gut und was böse ist." Hier geht es nicht ums Erkennen, sondern darum, dass der Mensch selbst festlegen will, was gut und böse ist. Das steht nur Gott zu.
Wenn Menschen selbst festlegen, was richtig und falsch ist, entfernen sie sich von Gott. Das ist die Ursünde des Menschen. Auch heute wollen Menschen selbst bestimmen, was richtig und falsch ist.
Die Grundlage sollte klar sein: Wir sollen uns nicht danach richten, was ich empfinde, was alle denken, was Statistiken sagen oder was die Logik meint. Sondern wir sollen uns nach dem richten, was Gott sagt. Wir wissen, dass Gott es gut mit uns meint, den größeren Überblick hat und allein festlegt, was richtig und falsch ist.
Zum Schluss noch ein wichtiger Gedanke: Die Bibel gibt nicht über alles Auskunft. Bei vielen Dingen finden wir Grundprinzipien, die wir auf konkrete Entscheidungen anwenden müssen. Zum Beispiel die Frage, ob Organtransplantation erlaubt ist. In der Bibel steht nichts darüber.
Dann kommt es darauf an, die Grundprinzipien zu finden, die in dieser Frage eine Rolle spielen. Danach treffen wir ein Urteil. Die Bibel gibt nicht zu jedem Detail Auskunft, aber sie gibt uns Grundprinzipien, die uns die Richtung vorgeben.
Manche Dinge sind in der Bibel verboten, andere geboten, und dann gibt es noch das, was Theologen Adiaphora nennen. Das sind Dinge, die nicht genau festgelegt sind. Es gibt auch Dinge, die frei sind: Man kann sie tun, muss sie aber nicht tun.
Paulus sagt zum Beispiel, der eine hält alle Tage gleich, der andere hält manche Tage besonders. Jeder sei seiner Sache gewiss. Das ist nicht entscheidend wichtig.
Wir haben also Freiraum bei bestimmten Dingen. Aber generell sollen wir die Verbote kennen, die wir in keinem Fall tun sollen, und die Gebote, die wir unbedingt tun sollen. Wenn wir diese gut kennen, können wir sie auf Fragen anwenden, die in der Bibel nicht eindeutig beschrieben sind.
Damit schließe ich den ersten Teil. Er soll uns bewusst machen, auf welcher Grundlage wir Ethik betreiben. Wir sehen, dass vieles, was Menschen um uns herum tun und auch wir manchmal tun, wo wir denken, das sei einfach richtig, dass wir das neu überdenken sollten. Wir sollen kritisch gegenüber unserem eigenen Gefühl sein und neu suchen, was Gott als richtig will.
Gott ist nicht altmodisch. Man kann nicht sagen, das galt früher, heute nicht mehr. Wenn Gott etwas sagt, gilt es seit zweitausend Jahren und auch heute noch. Jemand, der sagt, das sei unmodern, irrt sich. Wenn Lüge früher falsch war, ist sie heute auch falsch. Wenn Ehebruch früher falsch war, ist er heute auch falsch.
Gottes Maßstäbe sind überzeitlich gültig, nicht auf eine bestimmte Zeitepoche festgelegt. Manchmal wird gesagt: Früher war das verboten, heute nicht mehr. Das gibt es biblisch nicht. Wenn Gott sagt, das ist falsch, ist es generell falsch. Wahrheit verändert sich nicht durch Zeit oder Meinung der Menschen. Wahrheit bleibt gleich.
Jetzt machen wir eine kleine Pause und danach wenden wir das auf ein konkretes Beispiel an, um zu sehen, wie die Bibel uns einen Leitfaden für richtiges Verhalten in diesem und jedem Lebensbereich gibt.
Wer noch konkrete Fragen zur Ethik hat, kann in der Pause auf mich zukommen. Wir werden heute nicht alles besprechen können, sondern nur einzelne Beispiele. Wenn ihr sagt, dieses Beispiel interessiert mich, diese Frage beschäftigt mich, nehme ich das gerne mit auf.
Nach der Pause beginne ich mit der Frage: Christ und Besitz – wie geht ein Christ mit seinem Besitz um? Gibt es biblische Maßstäbe? Wie kann ich mich richtig verhalten? Das ist eine wichtige Frage, denn wir alle haben Besitz, mehr oder weniger.
Entweder handeln wir nach unserem Gutdünken oder versuchen, Maßstäbe heranzuziehen, was Gott darüber denkt. Dazu gehören auch Fragen wie: Darf ein Christ Geld leihen? Soll ein Christ Geld an die Gemeinde spenden? Wie geht ein Christ mit Besitz und Geld um?
Das würde ich sonst behandeln, es sei denn, ihr habt noch andere Fragen, die ihr gerne besprechen möchtet. Dann nehme ich die noch mit auf.