Vom Weg abkommen – eine persönliche Erfahrung
Bist du schon einmal richtig vom Weg abgekommen? Vielleicht sogar so, dass du im ersten Moment dachtest, du bist auf dem richtigen Weg. Du hattest vielleicht sogar eine gute Idee und dachtest, das wird schon alles gut klappen. Doch nach einiger Zeit hast du gemerkt, dass du es total verbockt hast.
Ich habe eine ganz einschneidende Erinnerung daran. Vor ein paar Jahren – es ist schon eine Weile her – habe ich dir erzählt, wie ich es geschafft habe, komplett vom Weg abzukommen, ohne es zunächst zu merken. Wir waren auf dem Weg zu einer Hochzeit in Luxemburg. Die Strecke ist ja relativ weit mit dem Auto. Auf der Fahrt dahin waren unsere damals noch etwas kleineren Kinder nicht mehr so gut beisammen, sodass wir irgendwann doch den einen oder anderen ungeplanten Stopp einlegen mussten. Außerdem hatten wir einen gewissen säuerlichen Geruch im Auto.
Dann kamen wir der Sache endlich näher, und die Zeit wurde knapp. Ich hatte mir im Vorfeld angeschaut, wo es langgeht, und mich an Google Maps orientiert. Plötzlich sagte mein Navi, dass da ein Weg ist, der uns offensichtlich viel schneller ans Ziel bringt. Ich dachte, das ist super, den Weg gehen wir mal. Also bog ich ab. Relativ bald wurde aus der kleinen asphaltierten Straße eher ein Feldweg.
Meine Frau sagte: „Matthias, das ist nicht richtig, dreh um!“ Aber wie wir Männer so sind – oder zumindest ich – dachte ich: Das passt schon. Die grobe Richtung scheint ganz gut zu sein, und ich war mir sicher, dass bald eine kleine Bergkuppe kommt. Dort geht es rüber, dann folgt eine große, schöne Straße, und wir sind gleich da. Wir kommen sogar noch pünktlich.
Also fuhr ich weiter. Das Huckelige auf dem Feldweg tat den Kindern allerdings nicht gut. Nach einiger Zeit merkten wir: Auf dieser Straße kann man mit unserem damaligen Passat nicht fahren. Dafür bräuchte man einen Trecker. Die Kühe und Schafe, die uns durchs Fenster ins Auto hinein anschauten, schienen der gleichen Meinung zu sein.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hatte es so richtig verbockt. Ich musste auf diesem Feldweg wenden und gedemütigt den Weg zurück antreten. Natürlich kamen wir deutlich zu spät zur Hochzeit. Und natürlich waren meine Frau und meine Kinder nicht ganz glücklich mit mir.
Nun, so kann das laufen. Im Nachhinein ist das eine Anekdote, die man am Anfang einer Predigt erzählt. Aber wie ist das, wenn man vom Glaubensweg abkommt und es vielleicht erst gar nicht merkt? Und irgendwann feststellen muss: Man hat es so richtig verbockt? Hast du das vielleicht schon einmal erlebt? Vielleicht steckst du gerade mittendrin.
Manche Menschen denken in solchen Momenten: Gott kann mich eigentlich gar nicht mehr annehmen. Ich habe es so verbockt. Manche hoffen inständig auf eine zweite Chance bei Gott. Aber dann reicht das...
Die Verheißung und der erste Zweifel
Nun, in unserem Predigttext heute, in der zweiten Predigt unserer Predigtserie zu Abraham, kommen wir zu einem Abschnitt, den wir gerade schon gehört haben. Dort sehen wir, dass Abraham es so richtig verbockt.
Unser Predigttext heute ist 1. Mose 12, die Verse 10-20. Es ist vielleicht gut, sich noch einmal an das zu erinnern, was wir letzte Woche in den ersten neun Versen dieses Kapitels bedacht haben.
Wir hatten in den ersten drei Versen gesehen, wie der Herr Gott Abram große Verheißungen gegeben hat. Der Herr sprach zu Abram, heißt es in Kapitel 12, Vers 1: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen. In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“
Wir haben damit gesehen, wie Abraham tatsächlich im Gehorsam gegenüber der göttlichen Berufung und im Vertrauen auf diese großartigen Verheißungen in das Land Kanaan zieht. Dort bestätigt der Herr ihm noch einmal diese Landverheißung. So heißt es in Vers 7: „Deinen Nachkommen will ich dies Land geben.“ Voller Dankbarkeit baut Abram dem Herrn Altäre und betet ihn an.
So weit, so gut. Dann kommen wir zu Vers 10. Ab Vers 10 lesen wir nun, wie Abram vom guten Weg abkommt. Wir wollen diese elf Verse, Vers 10 bis 20, in drei Abschnitten miteinander betrachten.
Zuerst werden wir in den Versen 10 bis 13 sehen, dass Abram tatsächlich vom guten Weg abkommt, dass er auf einen Irrweg gerät und dabei die wunderbaren Verheißungen Gottes riskiert.
Dann werden wir in den Versen 14 bis 16 feststellen, dass manchmal gar nicht so klar ist, dass man auf einem Irrweg ist, weil das, was man dort erlebt, nicht immer nur Fluch, sondern manchmal scheinbar auch Segen ist.
Schließlich werden wir in den Versen 17 bis 20 sehen, dass Gott unzweifelhaft deutlich macht, dass Abraham wirklich auf einem Irrweg ist. Wir werden sehen, wie er Abraham mit seiner Sünde konfrontiert und dafür sorgt, dass die Verheißungen bewahrt bleiben.
Das sind die drei Abschnitte dieser Predigt. Ich möchte noch einmal für uns beten, wenn wir jetzt diesen Text betrachten, dass Gott uns ganz persönlich anspricht, ermutigt, aber wo nötig auch korrigiert.
Himmlischer Vater, das ist unser Gebet, dass hier jetzt nicht ein Mensch spricht, sondern dass du sprichst durch dein heiliges Wort. Schenke uns Demut, uns darauf einzulassen, dass der allmächtige und allwissende Gott mit seinem völlig zuverlässigen und autoritativen Wort in unser Leben spricht.
Wir wollen dich bitten, dass du uns zeigst, wo wir Veränderung brauchen. Wir wollen dich bitten, dass du uns Mut machst, dass du uns Hoffnung gibst, wo wir das brauchen, dass du uns hilfst, dich besser zu erkennen als einen treuen Gott, der dafür sorgt, dass deine Verheißungen bestehen bleiben bis in alle Ewigkeit. Amen.
Abrams Irrweg in der Hungersnot
Die Verse 10 bis 13 zeigen uns Abrams Irrweg. Wir sehen hier, wie Abraham die Verheißung Gottes, die er gerade erst empfangen hatte, riskiert.
Das Ganze beginnt mit einem sehr ernsten Problem. Gleich zu Beginn, in Vers 10, heißt es: „Es kam aber eine Hungersnot in das Land.“ Das war wahrscheinlich nicht das, was Abraham erwartet hatte. Ausgerüstet mit einem Versprechen Gottes zog er in das Land. Als er dort ankam, wurde diese Verheißung noch einmal bestätigt, und Gott sagte zu ihm: „Dieses Land will ich dir und deinem Nachkommen geben.“ Abraham war sicherlich voller Freude. Wir haben gelesen, wie er dann anbetet.
Doch wie passt das zu den Verheißungen? Eine große Hungersnot – kann das sein? Vielleicht kannst du das ganz persönlich nachempfinden. Vielleicht hast du einmal einen Anfang mit Gott gemacht, gesehen, wie Gott dich auf guten Wegen führt und große Verheißungen aus Gottes Wort erkannt. Und plötzlich hast du das Gefühl, dein Leben steckt komplett in einer Sackgasse. Leiden und Not kommen in dein Leben, und du fragst dich: Wie kann das sein? „Gott, hast du mich vergessen? Hast du deine Verheißungen vergessen? Bist du nicht der Gott, der mich liebt und für mich sorgt?“ Ich denke, mancher von uns hat so etwas schon erlebt.
Dann gibt es zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Die eine ist, sich an die Verheißungen zu klammern, Gott im Gebet anzurufen und zu sagen: „Herr, du hast versprochen, und ich will mich darauf verlassen. Herr, greif ein und gib mir das Vertrauen, den Weg weiterzugehen, gerade auch wenn er schwer wird.“ In unseren guten Phasen machen wir das so.
Aber dann gibt es auch die anderen Situationen, in denen wir zur Kenntnis nehmen: „Okay, läuft jetzt doch nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Dann muss ich mich wohl doch mehr auf mich selber verlassen und tun, was mir gut und richtig erscheint.“ So war es scheinbar auch bei Abraham.
Nach dem Fortgang von Vers 1 lesen wir: „Da zog Abraham hinab nach Ägypten, dass er sich dort als Fremdling aufhielte, denn der Hunger war groß im Lande.“ Ich glaube, es ist in gewisser Weise total nachvollziehbar, was Abraham hier tut – und gleichzeitig auch wieder nicht.
Einerseits ist es gut nachvollziehbar, weil wahrscheinlich die allermeisten von uns doch ähnlich gehandelt hätten. Eine große Hungersnot – okay, da ist Ägypten, da gibt es immer etwas zu essen, ich habe Hunger, da gehe ich hin. In gewisser Weise also ganz logisch.
Und dann doch wieder erstaunlich und fast verrückt, denn Abraham hat doch gerade die Verheißung bekommen, dass Gott sagt: „Dieses Land ist für dich.“ Gott verheißt ihm eine göttliche Verheißung, das ist das Land für dich. Und Abraham sagt: „Oh ja, danke, nette Idee, aber ich gehe jetzt mal da lang.“ Eigentlich auch erstaunlich, wie schnell er das riskiert, was Gott ihm doch verheißt.
Man sollte nicht zu hart über Abraham urteilen. Ich möchte uns ermutigen, wenn wir in Situationen kommen, in denen das, was wir wahrnehmen, nicht zu dem passt, was wir meinen, von Gott gehört zu haben; wenn wir glauben, eine göttliche Verheißung zu haben und dann erleben, dass das irgendwie nicht passt und wir in die Gefahr geraten, andere Wege zu gehen.
Ich möchte uns ermutigen und darauf hinweisen, dass Gottes Verheißungen nie bedeuten, dass der Weg zum Empfangen dieser Verheißung nicht auch durch dunkle Täler führt. Gott hat uns keinen leichten Weg, keinen Spaziergang hin zur Verheißung versprochen. Nein, Gott ist ganz realistisch – und doch sagt er uns zu: Gerade dann bin ich auch bei euch.
Die Worte aus Psalm 23 sind uns sicher gut bekannt: „Und ob ich schon wandere im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich.“ Lasst uns das immer wieder neu lernen.
Das beginnt damit, dass wir Gottes Verheißungen immer besser kennenlernen. Damit wir nicht auf Dinge hoffen, die Gott nicht versprochen hat, und dann enttäuscht von ihm sind, obwohl wir keinen Grund dazu haben. Das heißt manchmal auch, dass wir das, was wir meinen, als eine Verheißung Gottes für uns verstanden zu haben, vielleicht noch einmal überprüfen – indem wir zum Beispiel im Hauskreis mit anderen Geschwistern darüber reden.
Wie verstehst du den Text? Verspricht uns Gott hier ein leichtes Leben? Verspricht Gott uns hier Reichtum, Gesundheit, dass wir auf jeden Fall geheilt werden von dieser Krankheit? Verspricht uns Gott, dass wir auf jeden Fall einen Ehepartner finden? Dass wir auf jeden Fall einen zufriedenstellenden Job finden? Verspricht uns Gott diese Dinge?
Lasst uns einander dabei helfen, zu erkennen, was Gottes Verheißungen wirklich sind. Und dann lasst uns einander ermutigen, an diesen Verheißungen festzuhalten und auf sie zu vertrauen.
Natürlich kann es Situationen geben, in denen nicht so klar ist, was denn jetzt eigentlich wirklich die Verheißung Gottes ist. Soll ich jetzt nach rechts oder nach links gehen? Was ist jetzt der treue und richtige Weg? Nun, dann ringe mit Gott im Gebet. Dann – ja – dann gebrauche deinen Verstand und nimm Rat in Anspruch.
Nur bei Abraham lesen wir nichts davon. Wir müssen uns klar machen: Abraham hatte doch eine ganz klare Wegweisung Gottes bekommen. Abraham hatte von Gott empfangen, als er noch im Land Ur bei den Chaldäern war, und Gott hatte ihm gesagt: „Geh in das Land, das ich dir zeigen will.“ Und dann war er losgegangen, war in Haran irgendwie stehen geblieben für eine Weile. Gott hatte ihm noch einmal deutlich gemacht: „Auf geht's ins Land Kanaan.“ Und als er dann in das Land Kanaan kam, hat Gott gesagt: „Du bist hier richtig, das ist der richtige Ort.“
Wir lesen hier nichts davon, dass Abraham jetzt zu Gott betet und sagt: „Herr, wie habe ich das zu verstehen?“ Nein, stattdessen zieht er in das Land Ägypten, wo er vielleicht nicht hungern müsste, aber doch in Lebensgefahr geraten würde.
Wir lesen ab Vers 11, dass Abraham davon ausging, dass es genau so sein würde. Eine seltsame Wahl: dem Hungerstod zu entkommen, um sein Leben auf andere Weise in Gefahr zu bringen.
Die Angst und der falsche Plan
Vers 11 und als er nahe an Ägypten war, sprach er zu Sarai, seiner Frau: „Siehe, ich weiß, dass du ein schönes Weib bist. Wenn dich nun die Ägypter sehen, werden sie sagen: Das ist seine Frau, und sie werden mich umbringen, aber dich leben lassen.“
Wir sehen hier ein zweites Problem. Diesmal betrifft es die gutaussehende Ehefrau von Abraham. Schöne Frauen können Probleme verursachen. Abraham befürchtet, dass die Ägypter seine Meinung teilen könnten und Sarai nicht nur schön, sondern ausgesprochen schön finden. Manche Ägypter könnten sie vielleicht sogar selbst zur Frau nehmen wollen und ihn dann umbringen, um diese Frau auf legale Weise zu sich zu holen.
Diese Vermutung war sicherlich nicht ganz unbegründet, denn wir sehen ja, dass genau das später geschieht. Andererseits ist es auch hoch spekulativ. Die Ägypter hätten ja auch sagen können: „Den Abraham scheuen wir uns einfach, wir nehmen uns einfach die Frau.“ Warum sollten sie ihn ermorden? Warum hätte nicht Ehebruch genügt? Das wäre ja auch möglich gewesen.
Wie dem auch sei, Abraham lässt seinen engsten Freund im Stich. Er malt sich ein Horrorszenario aus. Er sieht seine hübsche Frau, vielleicht hat er schon erlebt, dass andere Männer sie attraktiv fanden. Er fürchtet um sein Leben, gerät immer mehr in Panik und schmiedet so einen Plan.
Vielleicht kennen wir das auch: Situationen, in denen wir Not sehen und plötzlich fängt es im Kopf an zu rattern. Das Horrorszenario entsteht, und die Ängste nehmen überhand. Angst ist nie ein guter Ratgeber. Als Kinder Gottes dürfen wir wissen, dass wir einen Vater haben, der für uns sorgt. Das heißt nicht, dass wir dumm sein müssen, aber wir sollten der Angst keinen freien Lauf lassen.
Doch genau das tut Abraham hier. Er lässt seine Angst freien Lauf und schmiedet blind vor Angst einen verrückten Plan. „Sag doch“, sagt er zu seiner Frau, „du seist meine Schwester, damit es mir wohl ergehe um deinetwillen und ich am Leben bleibe um deinetwillen.“
Vielleicht können wir noch ein bisschen Verständnis für die Ängste haben, die Abraham hat. Vielleicht können wir auch verstehen, dass er die Landverheißung ziemlich leichtfertig aufgibt. Aber ich hoffe, wir sind uns einig, dass das, was er hier jetzt tut, ein absolutes No-Go ist.
Abrams irrationale Angst ist hier zudem mit einem komplett egoistischen Denken verbunden. „Liebe Frau, erzähl mal eine kleine Lüge. Das könnte für dich schlecht ausgehen, aber mir hilft es.“ Was ist das für ein Ehemann? Immer wieder sagt er: „Um meines Willen, damit es mir wohl ergehe.“
Liebe Ehemänner, ich hoffe, ihr wisst, was eure Verantwortung gegenüber euren Frauen ist. Vielleicht darf ich euch noch einmal daran erinnern: Epheser 5 macht das ganz deutlich. „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen. Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sie vor sich stellt als eine Gemeinde, die herrlich ist und keine Flecken oder Runzeln oder etwas dergleichen hat, sondern heilig und untadelig ist.“
So sollen wir Männer mit unseren Frauen umgehen. Was Abraham tut, ist absolut verwerflich. Anstatt bereit zu sein, sich selbst hinzugeben zum Wohl seiner Frau und alles dafür zu tun, dass sie vor Gott heilig und untadelig steht, sagt er: „Ach ja, dann lass dich halt von Männern nehmen, Hauptsache, es geht mir gut.“
Und noch dazu riskiert er die Verheißung. Denn die Verheißung war ja nicht nur das gelobte Land, sondern auch, dass aus ihm ein großes Volk werden würde. Jetzt gibt er die Frau, die das Werkzeug Gottes ist, um aus einem Mann und einer Frau ein großes Volk zu machen, einfach weg.
Dennoch möchte ich uns ermutigen, hier nicht zu schnell zu urteilen und Abraham zu verurteilen. Wie ist das bei uns? Wer ist frei, wirklich frei von Schuld, von Lüge, von Täuschung? Wer ist frei davon, egoistisch zu handeln? Wer frei ist, werfe den ersten Stein.
Ich sehe keine Steine. Ich glaube, wir dürfen uns herausfordern lassen. Abraham ist vielleicht gar nicht so anders als wir.
Wenn Segen trügerisch erscheint
In den Versen 14 bis 16 sehen wir, dass anhand der Lebensumstände nicht sofort deutlich wird, dass Abraham wirklich auf einem Irrweg ist. Er verliert zwar seine Frau Sarai, das hatte er erwartet, und so kommt es dann auch vor. Wir lesen das in den Versen 14 und 15:
„Als nun Abraham nach Ägypten kam, sahen die Ägypter, dass seine Frau sehr schön war, und die Großen des Pharao sahen sie und priesen sie vor ihm. Da wurden sie in das Haus des Pharao gebracht.“
Andererseits geht sein Plan auf, dass es ihm um Sarais Willen wohlergehen würde, weil sie sich als seine Schwester ausgab. So heißt es weiter in Vers 16:
„Und er, der Pharao, tat Abraham Gutes um ihretwillen, und er bekam Schafe, Rinder, Esel, Knechte und Mägde, Eselinnen und Kamele.“
Ich kann mir vorstellen, wie Abram jetzt sein Verhalten in seinem Kopf und in seinem Herzen gerechtfertigt hat. Ich kann mir vorstellen, wie sein Pastor mit ihm redet: „Abram, was hast du denn da gemacht?“ Und Abram antwortet: „Ja, was sollte ich denn machen? Wir waren in Kanaan und wären verhungert, wenn wir nichts getan hätten. Und du hast mich doch in die Situation gebracht, da war Hunger.“
Außerdem: „Es ist ja gar nicht so, dass ich Sarai zur Lüge angestiftet habe, das möchte ich noch mal klarstellen. Sie war ja meine Halbschwester.“ Das stimmt übrigens, das kann man im Kapitel 20, Vers 12 lesen. Sarai war seine Halbschwester, und er hat ihr nur gesagt, dass sie erzählen soll, dass sie seine Schwester ist. Also hat sie einfach nur etwas weggelassen.
Außerdem, mal ganz ehrlich, geht es ihr doch jetzt bestimmt viel besser. Sie ist jetzt im Harem, im Palast beim Pharao. Und mal ganz ehrlich: Mit dieser Verheißung von dem großen Volk – dir ist schon klar, Sarai war unfruchtbar – und jetzt habe ich Mägde, und vielleicht ist da eine dabei. Ich habe da schon mal eine gesehen, vielleicht klappt es mit der besser, und dann kann das noch was werden mit dem großen Volk.
Also ganz ehrlich, Gott, im Endeffekt habe ich eigentlich gar nicht so richtig etwas falsch gemacht. Ich habe in der Not Entscheidungen getroffen, und das scheint doch halbwegs zu funktionieren. Also, was willst du eigentlich von mir?
Wenn ihr denkt, das ist jetzt sehr konstruiert, dann lade ich euch ein: Kommt mal in mein Büro. Ihr müsst euch nur eine Woche neben mich setzen, und ihr werdet ähnliche Geschichten hören. Oder kommt mal – na, das geht nicht so einfach – in mein Herz und in meine Gedanken, und ihr werdet feststellen, auch der Pastor tickt manchmal so.
Sei mal ganz ehrlich über dein eigenes Herz und deine eigenen Gedanken: Hast du schon mal einen Irrweg gerechtfertigt, eine Sünde gerechtfertigt? Wenn du meinst, nein, und bist verheiratet, dann frag heute Nachmittag mal deinen Ehepartner. Das tun wir doch alle, oder? Viel zu oft.
Und wenn diese Rechtfertigung auch tatsächlich irgendwie richtig erscheint, wenn es ja tatsächlich irgendwie geklappt hat, also Gott es doch scheinbar segnet, dann fühlen wir uns unserer Sache ganz sicher.
Ihr Lieben, das ist eine Lüge Satans, der alles dafür tun wird, damit wir nicht auf Gottes Wort, auf Gottes Verheißungen vertrauen, sondern auf unsere eigenen Gedanken und Ideen.
Gerade weil der Satan ein ernstzunehmender Versucher ist, gehe ich davon aus, dass wir das alle kennen. Wenn er dich noch nie versucht hat, dann mache ich mir fast noch mehr Sorgen um dich, als wenn du verstehst, wovon ich gerade rede. Denn er versucht alle, die von Herzen her versuchen, Gott treu zu sein – das ist sein Geschäft.
Gott spricht durch sein Wort, durch solche Passagen, um sein Handwerk aufzudecken und uns die Zuversicht zu geben, dass er stärker ist. Sein Segen zeigt sich, wenn Menschen in unser Leben treten, die die Lüge Satans offenlegen.
Manchmal tut Gott das, indem er durch seinen Heiligen Geist in uns selbst eine Überführung von Schuld bewirkt. Ich glaube, das kennen wir: So dieses Wissen, „Ach nee, das war jetzt falsch, jetzt habe ich gerade jemand anderem und vielleicht mir selber was vorgemacht.“ Dann führt er uns zur Buße, auf die Knie. Wir demütigen uns vor Gott und preisen den Herrn für das Wirken seines Heiligen Geistes in uns.
Manchmal tut er das durch Menschen, die in unser Leben kommen und uns mit unserer Sünde konfrontieren und mit unserem falschen Denken. Das erfordert Mut, andere so anzusprechen. Aber auch das gebraucht der Herr immer wieder.
Gottes Eingreifen und Bewahrung der Verheißung
Und genau das sehen wir im Fall von Abraham ab Vers 17. Wir sehen, wie der Herr eingreift, zuerst Abraham mit seinen Sünden konfrontiert und dann dafür sorgt, dass seine Verheißungen nicht verlorengehen.
Ich lese uns Vers 17 bis 19:
„Aber der Herr plagte den Pharao und sein Haus mit großen Plagen um Sarais, Abrams Frau, willen. Da rief der Pharao Abram zu sich und sprach zu ihm: Warum hast du mir das angetan? Warum sagtest du mir nicht, dass sie deine Frau ist? Warum sprachst du denn, sie ist meine Schwester, so dass ich sie mir zur Frau nahm?“
Nur eine kleine Nebenbemerkung: Interessant ist, dass offensichtlich Abram selbst diese Dinge gesagt hat, die eigentlich seine Frau sagen sollte. Es könnte sein, dass Sarai an dieser Stelle nicht ganz mitgemacht hat und geschwiegen hat. Ihr Mann hat zumindest vorerst nicht widersprochen, als er diese Halbwahrheit, die wirklich eine Lüge ist, dem Pharao auftischte.
Nun erleben der Pharao und sein Haus nicht näher definierte Plagen. Es ist übrigens nicht das letzte Mal, dass Pharao und die Ägypter Plagen erfahren, damit Gottes Volk wieder zurückziehen kann in das Land der Verheißung.
In dieser Not gibt Gott dem Pharao wahrscheinlich nicht nur die Plage, sondern auch die Erkenntnis, wie er aus dieser Not wieder herauskommen kann. Ihm wird offenbar deutlich, dass das etwas mit Sarai zu tun hat. Sarai hat dann offensichtlich vor ihm eingestanden, dass sie wirklich Abrams Frau ist.
Hier wird nun dem vom Gott erwählten Stammvater Abraham von einem Heiden, dem Pharao, dem gottlosen Pharao, seine Sünde deutlich vor Augen geführt. Das muss demütigend gewesen sein, oder? Der Verheißene, der Erwählte, Gottes Mann, der mit Gott sprach, der von Gott hörte, der Gott sah – wie auch immer, wir wissen es nicht genau, wir haben es nur letzte Woche in diesem Abschnitt gelesen – wird jetzt von einem gottlosen Mann mit seiner Sünde konfrontiert.
Vielleicht können das auch manche von uns nachvollziehen. Ich kann das zumindest. Ich erinnere mich noch gut an Situationen, gerade aus der Frühphase meines Glaubenslebens. Ich kann mich noch gut erinnern, wie in einer Situation ein Nichtchrist zu mir sagte: „Du bist aber ein komischer Christ.“ Oh, tat das weh! Er wusste mehr darüber, was es heißt, Christ zu sein, als mir das in dem Moment selbst klar war. Obwohl er keiner war, obwohl er sogar meinen Glauben verspottete, konfrontierte er mich mit meiner Sünde, die ihn nicht weiter störte, über die er sich nur lustig machte.
Gott gebrauchte einen gottlosen Menschen in meinem Leben, um mir Sünde zu zeigen. Das ist demütigend, das ist schmerzhaft, aber es ist auch gut. Es ist gut, weil Gott so eingreift und uns wegbringt von dem Ort, der ins Verderben führt, und hinführt wieder zu sich.
Denn Buße ist immer ein Abwenden von einem falschen Weg und ein Hinwenden hin zu dem Gott, der uns liebt. Deshalb möchte ich Mut machen, dass wir uns nicht geben, den Gottlosen die Chance, sich über uns lustig zu machen. Lasst uns einander helfen, so dass wir, wenn wir beieinander sehen, dass jemand auf einem Irrweg ist, einander mutig und liebevoll ins Leben sprechen, um einander wiederherzustellen und auf den guten Weg zu bringen.
Wie es in Galater 6,1 heißt:
„Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist. Helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid, und sieh auf dich selbst, dass du nicht versucht werdest. Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“
Nur nachdem der Herr Abraham durch den Pharao in seiner Sünde konfrontiert hat, tut er noch mehr. Er sorgt dafür, dass die Verheißungen bestehen bleiben. Wir sehen zuerst, dass der Pharao Abram seine Frau zurückgibt, und so die Verheißung des großen Volkes bestehen bleiben kann: „Siehe, da hast du deine Frau, nimm sie!“
Dann sendet er Abram in das gelobte Land zurück und bewahrt so auch die Landverheißung. „Und sieh hin“, sagt Pharao, „da bestellte er Leute, um seinen Willen, dass sie ihn geleiten, seine Frau und alles, was er hatte.“
So sehen wir am Ende dieser Episode, am Ende dieses langen Irrwegs, wie Abraham und Sarai wieder zusammen sind und wie sie wieder im gelobten Land sind. Gott hat eingegriffen. Er hat sie vom Irrweg zurückgebracht, damit die Verheißung bestehen bleiben kann.
Ihr Lieben, Gott ist treu. Gott ist seinen Verheißungen gegenüber treu, und auch wir werden seine Verheißungen nicht durcheinanderbringen oder kaputtmachen. Ist das nicht großartig? Gott ist treu, auch da, wo wir untreu sind.
Und doch reicht das nicht. Abraham und Sarah und wir alle brauchen mehr als einfach nur eine zweite Chance.
Mehr als eine zweite Chance – Jesus als Vorbild
Ich greife schon einmal vor zu Kapitel 20. Überschrieben im Ersten Mose, Kapitel 20, mit Abraham, Abraham heißt er dann, und Sarah, bei Abimelech. Wer die Geschichte kennt oder zum ersten Mal seine Bibel liest und zu Kapitel 20 kommt, denkt vielleicht: „Warte mal, habe ich mich verblättert? Habe ich das nicht gerade schon gelesen?“ Ganz ähnlich wie in Kapitel 12. Dort sagt Abraham, dass Sarah seine Schwester sei, und der König nimmt sich die Frau. Dann greift Gott ein.
Kennen wir das nicht auch alle? Eine zweite Chance allein reicht nicht. Scheitern wir nicht immer wieder? Manchmal, wenn wir uns so richtig verbockt haben – das weiß ich als Pastor aus dem Leben anderer, und das weiß ich aus meinem eigenen Leben – dann gibt es Situationen, in denen wir tief gebrochen sagen: „Herr, vergib mir, von nun an will ich alles besser machen.“ Wir versprechen Gott ganz ernsthaft, dass uns das nicht wieder passieren wird.
Kennst du das? So eine Buße mit dem festen Vorsatz: „Das mache ich von heute an besser. Ich werde mein Leben anders leben, meinen Glauben konsequenter leben, und dieser Versuchung gebe ich nicht mehr nach.“ Vielleicht planen wir sogar aktiv, wie wir das wirklich verhindern können. Kennt ihr das? Ich hoffe, ihr kennt das. Das ist wahre Buße.
Wahre Buße bedeutet nicht nur, zu bereuen, dass etwas schiefgegangen ist, und abzuwarten, ob es wieder passiert. Wahre Buße heißt, konkrete Pläne zu machen, damit diese Sünde nicht wieder vorkommt. Und doch, denke ich, kennen alle, die sich das schon einmal so vorgenommen haben, dass wir viel zu oft nach einiger Zeit feststellen: Das war mehr als ein Strohfeuer, vielleicht war es sogar nur ein Strohfeuer, aber es hält nicht an, und wir versagen wieder.
Ihr Lieben, ich hoffe, uns ist klar, dass wir viel mehr brauchen als eine zweite Chance. Wir brauchen jemanden, der für uns treu ist, da, wo wir untreu sind. Wir brauchen nicht nur den Gott Abrahams, wir brauchen jemanden, der wie Abraham ist und doch besser und treuer. Wir brauchen Jesus, so wie Abraham.
Auch er bekam einst einen großen Zuspruch von Gott, dem Vater. In Jesu Fall waren das die Worte: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ Und genau wie Abraham wurde dieser Erwählte, dieser Geliebte Gottes, in ein Land geführt, an einen Ort, wo er Hunger litt. Das haben wir gerade in der Textlesung aus Matthäus 4 gelesen.
Dort, wo Abraham nach eigenem Gutdünken eine Entscheidung traf, wie er dem Hunger entkommen kann und die Verheißung Gottes aufgab, da blieb Jesus treu und hielt aus, bis die Engel Gottes gesandt wurden und für ihn sorgten.
Aber mehr noch: Abraham mutmaßte, dass er vielleicht um seiner hübschen Frau willen sterben müsste. Jesus wusste, dass er um seiner Braut, der Gemeinde, willen sterben würde. Was bei Abraham Spekulation war, war bei Jesus Gewissheit. Und die Braut, die bei Abraham noch attraktiv und hübsch war, ist bei Jesus manchmal gar nicht so hübsch.
Doch da, wo Abraham lieber seine Braut opferte, um sich selbst zu schonen, war Jesus bereit, sich nicht zu schonen, sondern sich selbst zu opfern, um seine Braut zu retten. Jesus ist vollkommen treu, größer und besser als Abraham. Bei ihm bekommen wir nicht einfach nur zweite Chancen, sondern eine Gerechtigkeit geschenkt, die wir selbst nicht haben, eine Treue, die wir selbst nicht haben.
Egal, ob zum ersten Mal oder immer wieder: Ich möchte hier einladen, ihm zu vertrauen. Vertrauen ihm. Und dann lernen, immer wieder aufzustehen und ihm nachzufolgen, wenn du es mal wieder verbockt hast. Denn er ist treu, auch da, wo wir untreu sind.
Gebet zum Abschluss
Ich bete, himmlischer Vater, danke für deine große Treue und deine große Liebe. Herr, wir danken dir, dass du uns am Beispiel Abrahams zeigst, wie treu und geduldig du bist – auch mit Menschen, die oft ihren eigenen Weg gehen und nicht auf dich vertrauen, sondern auf sich selbst.
Herr, danke, dass deine Verheißungen bestehen bleiben, weil du treu bist. Danke, dass du in Jesus Christus gekommen bist, um an der Stelle zu siegen, an der Abraham versagt hat. Danke, dass Jesus sich durch den Hunger nicht hat verleiten lassen, das zu tun, was nach menschlichem Verstand vernünftig gewesen wäre.
Danke, dass Jesus bereit war, seine Braut nicht um sein eigenes Wohl willen aufzugeben, sondern sich selbst hinzugeben, damit wir leben können. Hilf uns, dir mehr zu vertrauen, denn du bist es wert, du bist würdig und verdienst unser Vertrauen.
Höre uns und hilf uns, in diesem Vertrauen und Glauben an deinen Verheißungen festzuhalten. Lass uns ihnen durch alle Höhen und Tiefen folgen, bis wir eines Tages vor dir stehen. Amen.