Lieber Jesus, vielen Dank, dass wir dich haben. Vielen Dank, dass du bei uns sein willst und uns deine Gegenwart versprochen hast.
Es gibt eigentlich nichts auf dieser Welt, das noch steigerungsfähig wäre. Es gibt nichts Höheres, als dich und deine Gegenwart zu erleben. Wir danken dir, dass du uns dieses Geschenk gemacht hast.
Auch heute Abend binden wir dich wieder darum. Bitte hilf uns beim Hören und beim Reden. Lass das Zeugnis von dir auch diesmal Glauben in uns wirken.
Amen.
Zielgruppe und Kontext der Bergpredigt
Ihr erinnert euch, dass wir ganz am Anfang gefragt haben, an wen sich die Bergpredigt richtet. Sie richtet sich an die Jünger, nicht an die Welt.
Es ist interessant, wie viele Menschen von der Jesusbotschaft beeindruckt sind. Viele gottlose Leute sagen, die Bergpredigt sei für sie sehr wichtig. Aber man muss das genau betrachten.
Ich kann die Bergpredigt nur leben, wenn Jesus in meinem Leben der Herr ist. Es geht gar nicht anders. Besonders morgen wird ganz klar, worum es eigentlich geht: um das Christsein.
Es ist gut, dass wir das verbindliche Wort unseres Herrn haben.
Umgang mit Kritik und das Verbot des Richtens
Jetzt fangen wir zunächst mit Kapitel 7, Verse 1 bis 14 an.
Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden. In welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.
Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders und nimmst nicht wahr den Balken in deinem eigenen Auge? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: „Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen“, wenn doch ein Balken in deinem eigenen Auge ist? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst.
Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen nicht vor die Säue werfen, damit sie diese nicht mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.
Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wäre es unter euch Menschen jemand, der seinem Sohn, wenn er ihn um Brot bittet, einen Stein gibt? Oder wenn er um einen Fisch bittet, ihm eine Schlange gibt? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten.
Heute ist es kennzeichnend, in jeder Zeitung wird Kritik geübt. Achtet mal darauf, überall wird kritisiert. Für unsere Zeit ist das ganz besonders bezeichnend. Mein Vater, der schon viele Jahre tot ist, hat mal an den Rand einer Stuttgarter Zeitung mit 136 Seiten geschrieben: „Wo bleibt das Positive?“ Wir Menschen haben überhaupt den Hang, alles zu zerreißen. Läuft etwas nicht richtig, fangen wir an, alles aufzuzählen, was falsch ist. Natürlich sind wir die einzig Richtigen, und deshalb ist es immer so gut, wenn man alles so herunterreißt.
Für unsere jungen Leute ist das ganz besonders schwer. Ich habe mal einen jungen Mann erlebt, den haben sie mir von einer diakonischen Einrichtung hergeschleppt. Er war ganz hart in der Kritik gegenüber seinen Eltern. Die jungen Leute wissen gern, was ihre Eltern alles falsch machen, wie der Heuchler in ihrem Leben ist. Und wie er in die diakonische Einrichtung kam, war er wieder voll der Kritik: Alles, was gemacht wird, ist grottenfalsch, das muss man ganz anders anpacken.
Dann kam das Wochenende, an dem er allein eine Kindergruppe betreuen musste, und er bekam einen Nervenzusammenbruch. Die jungen Leute sind gar nicht geschaffen für diese Belastungen und auch nicht darauf vorbereitet. Das ist sicher eine Aufgabe für uns, ihnen zu helfen, wie man mit Kritik umgeht.
Aber jetzt sind wir schon falsch drin, denn Jesus redet zu seinen Jüngern. Das, was ich gerade erzählt habe, ist ein Thema der Welt. In der Welt wird viel zu viel kritisiert. Übrigens hat Jesus das ganz deutlich unterschieden, und das passiert immer wieder bei unserer Bibellese: Eine Verwechslung. Mal hat einer von euch beim Mittagessen gesagt, auffallend, dass Jesus nie ein Wort zu den Missständen der Welt gesagt hat. Er hätte auch etwas sagen können zu den römischen Zäsaren, kein Wort. Zum Unwesen des Zollwesens und zu den ganzen Missständen dieser Welt findet man nichts.
In den heutigen Predigten ist das überall drin, und viele Christen sehen es als ihre Aufgabe an, die Welt zu kritisieren, was alles heute falsch läuft. Beim Trump sowieso – da weiß es jedes Schulkind schon besser, wie man es machen muss. Das ist so ganz verbreitet.
Aber Jesus redet zu seinen Jüngern und sagt: Das ist eine Not der gläubigen Christen. Jetzt sind wir dran: Gläubige Christen kritisieren wahnsinnig gern die Welt. Und das will Jesus nicht, Jesus hat das nie getan. Und dann müssen wir auch vorsichtig sein.
In der Welt gibt es viel, was übel ist, aber wir sollten das nicht tun. Warum sollten wir das nicht tun? Ganz wunderbar, was Bonhoeffer in seiner Nachfolge schreibt und sagt: Wir haben doch gar kein Recht, andere Menschen zu richten. Wenn wir das tun, rufen wir nur das Gericht Gottes über uns selbst herbei.
Wir sollen den Menschen in Liebe begegnen. Und dann sagt er: Es ist ein ganz schmaler Weg. Wir wollen ja die Sünde nicht gutheißen, ganz klar. Wir wollen nirgendwo etwas Unrechtes gutheißen. Aber es ist praktisch ein schmaler Grat, wie eine Rasierklinge. Wir wollen ganz klar wissen, was in dieser Welt nicht geht und nicht gehen darf. Aber wir wollen den Menschen mit großer Liebe begegnen.
Und Sie wissen, dass wir gleich die Tür zuschlagen, wenn wir einem Menschen von vornherein sagen, was er alles in seinem Leben falsch macht. So können wir ja auch in unserer Arbeit gar nicht auf Menschen zugehen. Wir können niemanden in unsere Versammlungen einladen, wenn wir ihm gleich vorhalten, was alles in seinem Leben falsch ist.
Es ist auffallend, wie Jesus selbst der Frau am Samariterbrunnen begegnet ist. Obwohl er Prostitution völlig klar verurteilt hat, hat er in großer menschlicher Liebe diese Frau ernst genommen. Und das ist für uns ganz wichtig, das meint Jesus. Obwohl wir genau wissen, dass das, was sie tut, falsch ist, musst du das nicht sagen, auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Wir wissen das ja.
Ich habe immer ein wenig Sorge, dass wir uns an den Negativthemen, die auch Modethemen unserer Zeit sind, ein wenig berauschen. Es ist ja gar nicht die aktuelle Frage, wie wir zur Abtreibung stehen. Das sind politische Fragen, über die wir als Bürger reden dürfen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht dauernd auf Leute draufhauen, die wir auch in unseren Versammlungen eigentlich gewinnen wollen. Menschen, die irgendwo unter die Räder gekommen sind und denen wir die Liebe Jesu zur Bekehrung nahebringen wollen – zum neuen Leben, zur Abkehr vom Bösen.
Aber man kann das nicht tun durch das Richten, weil das Menschen kaputt macht. Erstaunlich, wie Jesus bei den Zöllnern und Sündern zum Mittagessen saß. Und doch war es völlig klar, dass Jesus keine Kumpanei mit der Sünde machte.
Das ist für uns ganz wichtig, das meint Jesus: Richtet nicht, sonst ruft ihr das Gericht Gottes über euch selbst herbei.
Und das ist ganz wunderbar bei Bonhoeffer, wenn Sie in den nächsten Tagen im Buch „Nachfolge“ noch einmal darin blättern. Ganz wunderbar, dass er sagt: Die Welt ist uns gar nicht gegeben, sie gehört uns nicht. Sie steht unter dem Rettungswillen von Jesus. Und wir können nur in die Fußstapfen von Jesus treten und diese Liebe Jesu und das Gnadenangebot jedem Menschen anbieten. Natürlich ist Umkehr und Buße nötig, aber wir dürfen ihn nicht im Geist des Richtens zerbrechen.
Das Richten innerhalb der Gemeinde und die Haltung der Liebe
Es gibt noch eine zweite Wendung, die genauso wichtig ist: das Richten innerhalb der Gemeinde ist eine Notwendigkeit. Lassen wir uns das einfach von Jesus sagen. Ich kenne die Menschen ja nicht alle persönlich, aber ich habe mir das bei der Vorbereitung noch einmal von Jesus sagen lassen. Wir richten sehr schnell über andere, auch in unseren Kreisen.
Der große Staatsrechtler Johann Jakob Moser, der fünf Jahre völlig zu Unrecht auf dem Hohen Wild saß, war württembergischer Landschaftskonsulent. Er musste die Stände beim Herzog vertreten, wenn es um Steuergesetze ging. Der Herzog hatte bisher mit seinen Landschaftskonsulenten – das war die erste demokratische Vorform, die sich die württembergischen Stände erobert hatten – in der Zeit des Absolutismus eigentlich immer leicht gebrochen. Er ließ Moser morgens um vier von den Dragonern nach Ludwigsburg holen und sagte ihm, er solle jetzt diesen Steuererlass unterschreiben. Schon im Vorzimmer sagte der Adjutant, es werde gut sein, wenn Moser sich untertänig zeige. Doch Moser antwortete: „Euer Durchlaucht werden einen ehrlichen Mann finden.“
Vor fünf Jahren war Moser auf dem Hohen Wild. Johann Jakob Moser, der größte Staatsrechtler seiner Zeit, der die Fürstenhäuser in großen, schwierigen Rechtsfragen beriet, hatte in dieser Zeit seine Frau verloren. Er durfte nicht hinaus, saß ohne Glas und Fenster auf dem Hohen Wild. Er sagte immer, er sei eigentlich ein Pietist, doch die Pietisten hätten für ihn zu wenig Liebe zu den Menschen.
Ich will mir das auch sagen lassen: Einer, der wirklich in der Mitte der gläubigen Gemeinde wach ist. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht so empfinden, wie es manchmal die Leute von draußen tun, wenn sie in unsere Versammlung kommen. Wir meinen, alles ganz genau zu wissen, wo jemand steht und wie er steht, und überlassen das nicht unserem Herrn Jesus. Vielleicht sollten wir gar nicht versuchen, den anderen einzuordnen. Stattdessen wollen wir für Menschen beten, ihnen das Evangelium sagen und sie in die Nachfolge Jesu rufen.
Wir alle müssen viel eifriger und lebendiger sein. Doch Jesus hat uns das Richten verboten, weil Richten eben ein Aburteilen ist. Man darf überhaupt nicht richten. Doch der Lehrer muss Zeugnisse geben, die Schule muss das tun, das Gericht muss es tun – das sind Instanzen des Staates, die wir benötigen. Jesus hat uns das Richten nicht erlaubt, weil er es selbst nicht geübt hat.
In dieser bösen Welt, in der wir leben und in der so viel Sünde geschieht, sind wir nicht als Richter da, sondern als Fürbittende, wie Abraham, der noch für Sodom bittet. Weil wir diese Chance nutzen wollen, mit jedem Menschen, dem wir begegnen, solange er lebt, ist die Tür zum Vaterhaus noch offen: richtet nicht!
Dann sagt Jesus: „Sonst siehst du dir das gnadenlose Gericht Gottes auf dein Leben kommen.“ Herr, hab Erbarmen! Wir müssen immer daran denken, dass es unverdiente Gnade in unserem Leben ist, nichts aus uns selbst.
Für mich war es immer heilsam – ich habe es Ihnen schon einmal erzählt – mit dem Gefängnis: Wenn man da die Geschichten hört, wie behütet man aufgewachsen ist und diese gefährlichen Situationen gar nicht erlebt hat, die andere erlebt haben, dann erhebe dich nicht. Stattdessen sag diesen Menschen von der Umkehr. Das wissen ja alle, dass eine Umkehr nötig ist. Sie sollen den Heiland kennenlernen. Das ist unsere Aufgabe, ihnen das zu sagen.
Wir sollten auch dem widerstehen, diese Aufgabe als ständige Kritik anzusehen. Manchmal wissen wir nicht mehr, wo oben und unten ist, weil die ganzen Werte und Begriffe durcheinandergeworfen werden. Nein, das ist keine Frage. Wir wissen ganz genau, und da sind wir uns in den bibeltreuen Gruppen, die das Wort Gottes ernst nehmen, einig: Es gibt keinen Zweifel, was Ehe ist, was voreheliche Praxis ist, und wie wir in anderen Fragen handeln – auch bei Genderfragen.
Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht gnadenlose Richter werden. Wenn jemand es nicht klar weiß, soll er es in der Bibelarbeit erforschen. Wir können viel wissen, aber nicht im Aburteilen von Menschen. Das ist ganz wichtig. Jesus nennt das hier sehr schön: den Splitter aus dem Auge des anderen zu ziehen, während der Balken im eigenen Auge steckt.
Wichtig ist auch: Die Leute von Qumran zur Zeit Jesu haben sich von der Welt zurückgezogen. Das ist nicht der Weg, den Jesus mit uns vorhat. Wir sollen uns nicht in die reine Gemeinde zurückziehen – das ist eine große Versuchung. Wir sollen uns nicht nur mit Gleichgesinnten treffen, sondern mitten in der Welt stehen, aber mit ganz großer Liebe.
Auch wenn es nachher heißt, man komme durch die enge Pforte – ich will ein Herz haben wie ein Scheunentor oder wie bei der Straßenbahn im Depot, wo es riesige Türen gibt – um Menschen zu Jesus einzuladen. Obwohl wir ganz klar wissen, dass es keinen Kompromiss mit der Sünde geben darf, kann Liebe gerade dadurch Menschen sichtbar werden.
Es war interessant, dass es immer Menschen mit großer Liebe zu den Verlorenen waren, die das gespürt haben. Friedrich von Bodelschwingh, den ich noch einmal erwähne, war ein Kinderfreund Friedrichs II., Abgeordneter im Reichstag. Er lief mit einem Mann in Berlin die Straße entlang, als ein Betrunkener dort hing. Bodelschwingh ging hin, reichte ihm die Hand und führte ihn über die Straße. Sein Begleiter fragte, ob er keine Angst habe, sich Wanzen oder Flöhe einzufangen. Bodelschwingh antwortete: „Das ist das, was ich mit meinem kleinen Leben tun kann – Menschen die Hand reichen und Liebe üben.“
Das ist schon wichtig: die praktische Tat der Liebe. Wir müssen uns das immer wieder sagen. Es ist gut, dass wir in der Bergpredigt die großen Gefährdungen unseres Glaubenslebens betrachtet haben, nämlich dass wir zu Kritikern werden, die alles ganz genau wissen und jeden einordnen können. Dabei vergessen wir gern, dass wir selbst noch viel an uns arbeiten müssen.
Also noch einmal: Keine Kompromisse mit der Sünde, keine unklaren Linien. Ich sage es noch einmal mit Bonhoeffer: Es ist ein ganz schmaler Grat. Wir wollen in der Sache ganz klar sein. Wir wollen an keiner Position von den Werten und der Ethik abweichen. Aber wir können nicht dauernd nur dieses Thema führen. Es soll uns nicht beschäftigen, sondern Menschen sollen die Retterliebe von Jesus spüren.
Es ist immer wieder so, dass Menschen, die in der Sünde leben, genau wissen, dass sie umkehren müssen, weil es in ihrem Gewissen lebt. Sie sehnen sich nach einem anderen Leben. Darum ist es so wichtig.
Wir selbst sollten uns den Balken immer wieder aus dem Auge ziehen lassen, wie Jesus sagt: „Du Heuchler!“ Das ist Heuchelei, wenn wir über die Fehler anderer reden.
Das ist übrigens die Not: Ich habe es im Zusammenhang erwähnt, da, wo wir immer meinen, unser Lebenswandel sei so überzeugend für die anderen. Aber Nichtchristen in unserer Umgebung sehen in uns nur Heuchler. Darum ist es gut, wenn sie in uns ein Herz sehen – ein Herz der Liebe, das sucht.
Wir sollten uns auch nicht von ihnen abkapseln. Wir können nicht in allen Dingen Gemeinschaft mit ihnen haben, wir haben andere Interessen, aber sie sollen spüren, dass wir sie lieben – in einer aufrichtigen, großen Liebe. So wie Jesus auf Zachäus zuging, der wirklich viele Verfehlungen begangen hatte. Er hatte Menschen in ihrer Existenz vernichtet, Huren hatten Familien zerstört, Kinder waren ohne Vater. Die Missstände waren groß. Doch Jesus hat die Menschen gesehen, die Rettung brauchen, und ist in Liebe auf sie zugegangen.
Verschiedene Themen der Bergpredigt und der Umgang mit dem Evangelium
Jetzt müssen wir immer vorsichtig sein. In der Bergpredigt sind verschiedene Themen zusammengestellt. Deshalb sollte man immer wieder einen richtigen Absatz einfügen. Jesus hat ja sicher ein, zwei, drei oder vier Stunden gesprochen. Dabei wurden verschiedene Dinge angesprochen.
Der Vers 6 muss wieder abgetrennt werden, denn er behandelt ein anderes Thema. Dort heißt es, man soll das Heilige nicht den Hunden geben. Das ist sehr schön formuliert. Bonhoeffer hat dazu gesagt: Drängt es nicht! Nichtchristen sollte man nicht zu viel von der Herrlichkeit des Evangeliums auf einmal zumuten. Wenn man es ihnen bringt, spotten sie oft darüber. So vertreibt man nur eine billige Gnade.
Man muss schauen, ob die Stunde gekommen ist, in der der Herr die Herzen geöffnet hat. Das ist auch wichtig zu betonen. Man kann nicht auf Teufel komm raus evangelisieren. Man muss erkennen, wann der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch ist. Dann kann man einem Menschen das Evangelium in seiner ganzen Schönheit darstellen.
Wenn man einem Menschen das Evangelium gibt und dieser dann wie Säue auf den Perlen darauf herumtrampelt, ist das schade. Genau das passiert in unserer Welt auch: Das Evangelium wird an der falschen Stelle verteilt. Es hat mich immer sehr verletzt, wenn so viele Gideon-Bibeln in den Schulpapierkörben gelandet sind.
Irgendwann dachte ich, die Gideonen müssten sich etwas einfallen lassen. Es ist schade, dass so viele Bibeln einfach weggeworfen werden. Der Schulleiter des Chemie-Instituts Vlade in Stuttgart hat einmal gesagt: Wer eine Bibel will, kann sie nachher dort in einem Raum abholen. Dort liegen sie bereit. So muss jemand die Bibel bewusst holen. Ich möchte das so handhaben, damit wir den Menschen auch vor der Sünde bewahren, dass sie die Bibel zerreißen und in den Papierkorb werfen.
Wir müssen immer vorsichtig sein. Das ist ein ernstes Wort: Wir sollen nicht die Perlen vor die Säue werfen. Gleichzeitig wollen wir nicht schweigen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir das Evangelium nicht zum Gespött machen.
Wir sind oft so zurückhaltend und schweigen viel zu viel. Aber wir müssen spüren, ob wirklich Resonanz da ist. Deshalb versuchen wir es immer wieder. Wenn wir merken, dass jemand etwas hören will, machen wir weiter. Wenn er aber sagt, nein, ich will das nicht, dann respektieren wir das.
Darum fragen wir auch bei Kranken: Darf ich mit Ihnen beten? Wir wollen feinfühlig sein, wenn jemand das nicht möchte. Denn es hat keinen Wert, Perlen vor die Säue zu werfen.
Gleichzeitig müssen wir achtsam sein, denn diese Welt braucht das Wort. Wir müssen es zu den Menschen bringen, es ihnen sagen und zustellen. Das ist wichtig. Wir wollen in dieser Welt drin sein.
Mittragen gefallener Menschen und das Beispiel Jutzüs
Noch ein Wort, ein Beispiel, das mir gerade noch einfällt, über die Weise, wie wir mit gefallenen Menschen mittragen sollen.
Es war ein großer Tag, als in Stuttgart der Finanzmanipulator Jutzüs auf der Prag aufgehängt wurde. Ganz Stuttgart war auf den Beinen und wollte das Schauspiel ansehen. Es war ja makaber, wie man ihn in einem Gitter aufgehängt hat.
Es ist eine ganz tragische Geschichte gewesen, dieser Jutzüs. Er hat sich zuerst beim katholischen Herzog eingeschmeichelt. Das war damals in Württemberg, in einem evangelischen Herrschaftshaus. Plötzlich war dort ein Katholik an der Macht, und er brauchte Geld. Das versprach ihm der Jutzüs. Mit großer Begabung war er der einflussreichste Mann.
Interessant ist, dass er, als er den großen Einfluss hatte und im Hof in der Seestraße in Stuttgart wohnte – dort, wo heute das Katharinenhospital steht –, sich den Kaftan anzog und Jude sein wollte. Er verachtete die Leute, doch letztlich war er derjenige, der den Landständen in Württemberg nach dem Tod von Karl Alexander wieder geholfen hat.
Zum Dank wurde er dann aufgehängt. Eine ganz interessante Lebensgeschichte hat Leon Feuchtwanger vielleicht am besten geschrieben. Leider hat Hitler einen schrecklichen Film darüber gedreht, der nichts Historisches enthält. Leon Feuchtwanger war selbst Jude und hat das ganze Problem am besten verstanden.
Als das geschah, hielt Georg Conrad Rieger, der Erweckungsprediger in der Leonhardskirche, eine wertvolle Predigt. Seine Predigtbände zu besitzen und zu lesen ist sehr empfehlenswert. Er sagte damals, „Gell, endlich wird das Böse bestraft?“ Die Leute hatten lange gefragt, warum Gott es zulässt, dass ein solcher Mann das Land ruiniert und beherrscht. Doch Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein.
Dann brachte er die ganzen Sprüche, die die Leute so gesagt hatten, und sagte plötzlich: „Wisst ihr, was der Heiland über diesen Jutzüs denkt? Er ist einer vom Hause Israel. Habt ihr schon einmal für ihn gebetet, dass er zum Heil findet? Wollt ihr auch hinaus zum Spektakel gehen oder merkt ihr nicht, dass ihr mitschuldig seid, wenn er nicht zu seiner Erlösung und Rettung findet?“
Ganz selten ging das so weiter. Von den Predigthörern ging bestimmt keiner hinaus zum Spektakel. Und ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Wir müssen uns da von der Welt unterscheiden, die sehr brutal und herzlos über Schuldige spricht. Wir sollen Boten der Versöhnung von Jesus sein.
Darum können wir auch nicht mitmachen. Das Beispiel ist wirklich gut, besonders weil heute Mittag am Tisch von einem von euch angesprochen wurde, dass Jesus nie zu den ganz grässlichen Missständen der Welt geredet hat. Er hat vom Reich Gottes geredet und zu den Christen gesprochen, zu den gläubigen Christen.
Manchmal hat er dann doch etwas gesagt, das wir hier auch noch erwähnen wollen. Er sagte zum Beispiel, dass wir das Unkraut nicht ausjäten sollen. Da müssen Sie aufpassen, denn das Unkraut auf dem Acker ist ein wichtiges Gleichnis, das Jesus selbst gedeutet hat. Wir sollen das Unkraut nicht ausjäten.
Das heißt nicht, dass wir Missstände in der Gemeinde einfach hinnehmen sollen, sondern dass wir in der Christenheit eben das haben müssen, was viel Ungrund und Weisheit erfordert. Jesus hat ausdrücklich gesagt: „Der Acker ist die Welt.“ Ihr braucht die Welt nicht zu säubern.
Aber die Gemeinde – auch in der urchristlichen Gemeinde – war es immer wichtig, dass wir in der Gemeinde eindeutig leben, auch für die, die draußen sind. Darum ist es eine ganz schwierige Sache, wie wir in der Gemeinde Dinge besprechen, möglichst unter vier Augen.
Es gibt auch das Wort, wie es Nathan zu David gebraucht hat: „Du bist der Mann!“ Wenn man sagt, dass etwas nicht richtig ist, was jemand tut, müssen wir das manchmal auch unseren jungen Leuten sagen. Sie können nicht Glied der Gemeinde sein, wenn sie bestimmte Dinge tun. Das geht bei uns nicht.
Wir wollen aber versuchen, das so weit wie möglich in Liebe zu tun. In der Gemeinde ist ein Unterschied zu machen. Wenn man das nicht beachtet, kann man die Welt nicht säubern. Dann müssen wir das Unkraut wachsen lassen bis zum jüngsten Tag, bis Jesus das Unkraut verbrennt.
Aber in der Gemeinde ist es ganz klar, dass sie sich immer wieder trennen muss. Das ist für uns eine Notwendigkeit: Trennung von falscher Lehre, auch wenn die Bibel dadurch verletzt wird. Das ist natürlich für uns alle immer eine Gewissensfrage. Auch für mich war das mein ganzes Leben lang eine unvorstellbare Not.
Aber es ist in vielen Freikirchen nicht anders. In jeder Gruppe steht man immer wieder vor der Frage, wie wir das im Sinne Jesu lösen. Es kann nur in der Barmherzigkeit von Jesus sein, dass wir einem Menschen sagen, wie sehr die Liebe Jesu ihm gilt, aber dass es nach dem Wort von Jesus nicht sein kann, was er tut.
Dafür wünsche ich euch immer die gute Hand, auch unseren Kindern gegenüber. Das ist ja ganz arg schwierig: Wie sollen wir ihnen das erklären, wenn sie sagen, bei unseren Klassenkameraden ist das alles üblich, und wir sagen, das können wir nicht tun?
Ich wünsche euch den Heiligen Geist, dass ihr die richtigen Worte findet und auch die Liebe. Viele Eltern bemühen sich dann, ihren Kindern umso mehr Freude zu bieten, damit sie gar keine Sehnsucht nach den Sünden der Welt haben.
Das ist auch etwas, worum wir uns mühen müssen – auch die Fröhlichkeit der Gemeinde, damit sie bei uns nicht in Langeweile und Trockenheit der Rede erstickt. Das ist also wichtig.
Wir müssen hier unterscheiden: Lasst das Unkraut bisher, und das betrifft nur die Welt. Das gilt nicht in der Gemeinde. In der Gemeinde hat Paulus alle Missstände, die in Korinth sehr klar waren, angesprochen und gesagt, dass das nicht möglich ist, wenn man Glied am Leib Christi ist, solche Dinge zu tun.
Aber in welcher Form wir das tun, ist ganz wichtig. Wir müssen das Richtige tun und dürfen keine Heuchler oder falsche Leute sein. Jesus hat seine Gemeinde gereinigt und geheiligt, und das ist wichtig.
Ich habe schon einmal gesagt: Jede Gemeinde, der ich beitrete, ist keine heilige Gemeinde. Es gibt nur die heilige Gemeinde, die von Jesus gereinigt ist. Man stellt sie immer wieder unter das Blut der Versöhnung und sieht das klar im Wort Gottes.
Das wollte ich zu diesem Thema der Kritik sagen, die hier da ist.
Das Gebet als Ausdruck des Vertrauens und der Bitte
Und nun hat Jesus noch ein anderes Thema angeschnitten: die Erhöhung des Gebets. Das ist ein ganz großes Recht von uns, dass wir beten dürfen. Wir müssen jedoch aufpassen, dass wir dem Gebet nicht zu viel hineinlegen.
Es war ja Luther, der uns immer geraten hat, kurz zu beten. Er hat auch immer wieder betont, dass wir Gott nicht mit vielen Vorschlägen überhäufen sollen, wie er eine Sache lösen soll. Wenn wir selbst Lösungen kennen, sollten wir diese ergreifen. Das Gebet ist ganz besonders dann da, wenn man keinen Ausweg mehr weiß.
Dennoch dürfen wir den ganzen Tag über in einem ununterbrochenen Gespräch mit dem Herrn sein. Das ist so wunderbar. Einer hat mal gesagt: „Die Christen erkennt man am Beten, wie die Vögel am Fliegen.“ Das ist eine eigene Art, sie beten, und daran erkennt man sie. Denn das ist so wichtig, weil wir die Gaben von Gott nur empfangen können, wenn wir sie nicht selbst haben.
Jetzt ist es ja so wunderbar in diesem Wort, dass Jesus heute Morgen schon absolut gewiss war, als er das Thema ansprach: „Bittet, euch wird gegeben.“ Das Wort wurde ja immer wieder verballhornt, zum Beispiel wenn jemand einen Schlüssel verloren hat oder etwas anderes sucht. Das bezieht sich aber nicht auf unsere weltlichen Dinge.
In der Welt habe ich oft viel verloren und nie wiederbekommen. Wer gestern in den Nachrichten gehört hat, dass ein Mann im Schnellzug nach Basel seinen Rucksack mit 25 Euro darin oben verstaut hat und dann eingeschlafen ist, der braucht sich nicht zu wundern, dass er ihn nicht zurückbekommt. So ist das in der Welt: Man bekommt oft nicht, was man verloren hat.
Ich habe oft bei Ämtern angerufen und um etwas gebeten, sogar bei Kirchenleitungen, und immer eine Abfuhr bekommen. Man hat nicht einmal zugehört. Aber das gilt nur absolut sicher bei Jesus: Wenn du bei ihm bittest, wird dir gegeben. Was er uns gibt, überlässt er seinem Willen. Aber er lässt kein Gebet unbeantwortet.
Erst recht, wenn wir ihn suchen, finden wir ihn. Mir ist das ein ganz großer Trost, wenn Menschen nach der Wahrheit suchen. Ihnen kann man sagen: Wenn du ehrlich suchst, wird dir Jesus die Tür auftun. Wenn einer ehrlich sucht – und das haben wir oft erlebt, wenn Menschen kamen und fragten – dann bekommen sie plötzlich die Erkenntnis. Wer nach der Wahrheit sucht, findet sie. Wer anklopft, dem wird aufgetan. Wer bittet, empfängt. Wer sucht, findet. Wer anklopft, dem wird aufgetan.
Wir freuen uns an den vielen Geschichten im Neuen Testament, in denen Aussätzige und Kranke zu Jesus kamen, ihn um Hilfe baten und er sogar ein Wunder vollbrachte. Nun wollen wir heute nicht wundersüchtig sein. Aber die Geschichten, die Sie erzählen könnten, würden den Rahmen sprengen. Sie könnten erzählen, wie Sie in ausweglosen Lagen eine so überwältigende Hilfe erfahren haben, wie der Herr gesprochen hat.
Wir haben das unheimlich oft erlebt, wenn wir nicht mehr weiterwussten – in ausweglosen Situationen, auch in persönlichen Nöten, in großer Not und tiefer Beugung. Der Herr hat uns herausgeholt aus den Tiefen der Angst und wieder auf die Füße gestellt. Das ist so wunderbar, dass jeder das erleben darf.
Ich hätte verstanden, wenn Jesus gesagt hätte: „Bemüht mich nicht in Kleinigkeiten, die ihr selbst lösen könnt.“ Nein, er hat gesagt: „Betet! Ruf mich an!“ Und wir dürfen das in allen Dingen tun und werden erleben, wie der Herr uns reich beschenkt. Das ist eine ganz große Ermutigung für unser ganzes Christenleben.
Wir wollen Jesus nicht vorschreiben, was er tun soll. Gerade wenn das Beispiel kommt mit dem Vater und dem Kind: Wenn das Kind mit einem scharfen Messer hantiert, muss der Vater es ihm aus der Hand nehmen. Der Vater im Himmel weiß, was wir brauchen, was gut für uns ist und was uns nützt. Oft brauchen wir lange, bis wir das verstehen.
Auch der Weg des Leidens ist ein Segensweg, wenn er im Namen Jesu uns verordnet ist und wir diesen Weg gehen. Jesus sagt hier: Wir haben zwei Versionen. Er hat sich öfter dieses Beispiel bedient. Wenn wir predigen, betonen wir manchmal das eine, manchmal das andere. Hier heißt es: „Wie viel mehr wird der Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten.“
Das ist ganz wunderbar. Es ist Gutes, Gedanken der Liebe und des Friedens, die er dir geben will. Es ist nichts Böses. Im Lukas 11 sagt Jesus dasselbe noch einmal und verspricht, den Heiligen Geist zu geben – noch wunderbarer.
Sie dürfen beide Aussagen von Jesus als wunderbar ansehen. Es sind keine Widersprüche in der Bibel, sondern wie es die Jünger festgehalten haben. So wie bei einem Bibelabend, wo der eine etwas mitnimmt und der andere etwas anderes, das ihm eindrücklich wird. Aber Sie dürfen bitten, dass der Herr nur Gutes gibt. Nur Gutes.
In dem Lied „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ gibt es eine Strophe: „Er wird uns nicht Gift einschenken für Arznei.“ Gottes Treue zeigt sich darin. Gerade Lieder legen das so herrlich aus, und man kann es im Reim gut behalten: Es wird nie Gift sein, auch wenn ich es am Anfang noch nicht verstehe. Drum bitte ich und sage: Herr, in deinem Namen gehen wir diesen Weg.
Er hat seine Kinder oft auf einem sehr schwierigen Weg geführt. Gerade darüber sind sie gewachsen und reif geworden. Die ganze Missionsgeschichte ist keine Erfolgsgeschichte des Menschen, sondern ein Weg durch Tiefen, Leiden, Pleiten, Pech und Pannen. Und der Herr hat darüber sein Reich gebaut.
Das ist so wunderbar, dass auch Sie das erleben dürfen, in Ihrem Leben, wo er Ihnen manches aus der Hand genommen hat. Im Alter müssen Sie sagen: Es war gut, dass er meine Pläne nicht verwirklicht hat. So muss ich immer sein. Ich hatte ganz andere Pläne, auch fleischliche Pläne, selbst im Dienst für den Herrn.
Ich wollte in die Mission gehen, dann dachte ich, ich mache Jugendfahrten und arbeite als Evangelist. Doch der Herr wusste, was ich brauche. Und ich will es so wunderbar sagen: Ich durfte auch in der Familie sein in diesen vierzig Jahren Dienst. Das wäre schrecklich gewesen, wenn ich in den großen Belastungen der Mission gewesen wäre.
Erst im Alter merkt man, wie gnädig der Herr war und wie er auf unsere körperliche Kraft geachtet hat. Sie dürfen das im Gebet wissen: „Herr, dein Wille geschehe.“ Das ist kein Trick, falls nicht das kommt, was ich wünsche. Sie wissen, es ist das Gute, das er mir gibt, weil er der gute Vater im Himmel ist.
Das steht ja ganz nah bei den Gerichtsworten und der Kritik, aber dass ich in dieser Liebe zum Vater beten darf, ist ganz wichtig. Das gilt auch bei der Fürbitte, die wir für unsere Kinder und Enkel haben, für unsere Nachbarn, für unseren Ort und auch für die politisch Verantwortlichen, für die Jesus so sehr gebetet hat.
Das gerechte Gebet vermag viel, wenn es ernsthaft ist. Wir dürfen beten. Vielleicht können wir einmal in der Ewigkeit rückblickend sehen, wie das Gebet der Gläubigen ganz viel Not dieser Welt aufgehoben hat.
Das ist immer wieder wichtig für uns – für unser persönliches Gebet und für unser Gemeinschaftsgebet. Wir dürfen beten, auch für die Wahlen, die vor uns liegen, und für die völlig verfahrene Situation in Europa zwischen den Großmächten. Nach der Entspannung unter Gorbatschow erleben wir wieder schreckliche Verhältnisse.
Heute hat auch Trump seine Unterschrift zu einer neuen Verhärtung gegen Russland gegeben. Ich bin einfach traurig, wie die Feindschaft der Völker und Nationen immer weitergeht – gegeneinander statt gemeinsam anzulegen, damit die Nöte der Welt wenigstens ein wenig gelindert werden können.
Wir können beten, und der Herr hat uns dieses Recht gegeben. Wir brauchen nicht vom Fenster hinaus zu predigen, sondern dürfen beten – auch für die Missstände, die wir sehen. Ich bin überzeugt, dass wir viel erleben werden, was uns der Vater schenken wird: Der Vater im Himmel wird das Gute geben, was wir bitten.
Die Goldene Regel als Leitprinzip des Zusammenlebens
Und nun noch einmal ein Wort, das ganz abgesetzt steht: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch. Das hat nichts mit dem Gebet zu tun, sondern es geht darum, was ihr von anderen erwartet. Was wollt ihr, dass eure Nachbarn euch tun sollen? Wollt ihr, dass sie nicht zu euch sind? Dann sagt dieser: Na bitte, seid auch nicht zu ihnen. Was wollt ihr von euren Nachbarn, damit man gut zusammenleben kann? Also lebt das doch.
Das ist ein ganz simpler Satz, fast eine Volksweisheit: Was ihr tun sollt, das tut ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten. Jesus hat das ganz wunderbar dargestellt, auch in der Goldenen Regel: Ich soll Gott lieben und meinen Nächsten wie mich selbst. Ganz wunderbar! Wenn man es auf so einen Satz bringt, erkennt man, dass die ganz natürlichen Dinge dieser Welt von Jesus geheiligt und gebraucht werden. Wir sollen auch die Weisheit dieser Welt nicht verachten, sondern das tun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen. Das war schon im Gesetz so, das steht in den Propheten, und das ist ganz arg schwer.
Dabei erkenne ich viel Schuld bei mir, weil ich viel versäumt habe. Es ist immer wieder schwer zu sehen, wie viel man nicht beachtet hat. Das merkt man, wenn Leute sagen: „Du gehst immer an mir vorbei, du kümmerst dich nicht um mich, du lässt mich so auf der Seite liegen.“ Wir selbst wollen sehr beachtet sein. Wir müssen da ganz sensibel werden.
In meiner Gemeinde habe ich immer wieder gemerkt, dass das Thema der Missachtung der Frauen ein großes Problem ist, gerade in der gläubigen Gemeinde. Ich habe oft gehört, dass Frauen, obwohl es keinen Grund dafür gibt, grundsätzlich sagen: „Wir gelten nichts in der Gemeinde.“ Ich weiß, es gibt bei vielen die klare Haltung, dass eine Frau nicht predigen soll. Darum geht es jetzt gar nicht. Sie muss nicht die Kanzel übernehmen, aber Frauen fühlen sich oft an den Rand gedrückt. Ähnlich geht es Witwen und manchmal auch alten Menschen. Deshalb wollen wir ganz besonders sensibel sein – sowohl in der Gemeinde als auch in der Welt.
Paul Daytonbeck hat immer gesagt: Die zu kurz Gekommenen im Leben sollen aufgenommen werden. Die Gemeinde soll eine Station sein, an der diejenigen, die im Leben zu kurz gekommen sind, eine Liebe erfahren, die sie sonst nirgendwo bekommen. Das ist auch ein Dienst, den wir tun, neben den Evangelisations- und Seelsorgeaufgaben. Einfach das Gute und die Liebe tun.
Ich glaube nicht, dass es nötig ist, viele Aktionen zu machen. Oft finde ich das sogar schädlich. Es ist schön, wenn jemand sagt: „Ach komm, geh doch heute mit mir.“ Ich habe zwar nichts Besonderes, ich habe heute nur das Essen vorbereitet, aber das Wenige wird der Herr miteinander segnen. Sie werden erleben, dass genau das Menschen bewegt. Nicht, dass man ein großes Festmahl veranstaltet und sagt: „In vier Jahren lade ich dich mal ein“, sondern dass man jemanden in die Familie hinein nimmt und sagt: „Du bist da, und ich höre dir zu, was dich bewegt.“
Wir müssen als Ältere aufpassen, dass wir immer wieder hören, was unsere jungen Leute bewegt. Auch wenn wir gleich sagen: „Es ist alles Mist, was du denkst“, sollten wir erst einmal zuhören. Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihnen auch.
Ich beobachte, dass in unserer Welt ein großer Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen besteht. Es ist schön, dass wir als Jesusjünger nicht davor kapitulieren müssen.
Das Nächste heben wir uns dann für morgen auf. Es ist ganz wichtig, wenn es um die enge Pforte geht. Jesus hat die Themen so kunterbunt angesprochen, und das ist wunderbar. Aber es ist auch so praktisch und seelsorgerlich, wie sie uns berühren. Darum ist es so wichtig. Gerade der letzte Teil dieser Bergpredigt wird erschütternd hart. Die Leute sind entsetzt, weil bei Jesus keine Missdeutung mehr möglich ist, was er sagt.
Doch auch diese Worte, die wir hier haben, sind so wichtig für unser Leben. Wir merken gerade hier, dass sich Leute wohlfühlen in unserer Nähe. Das war auch bei uns selbst so, als wir Kinder waren. Ich weiß nicht, wie alt ihr damals wart, als ihr die ersten Erlebnisse hattet, bei denen ein Erwachsener – ob Oma oder jemand anderes – sich Zeit genommen hat, euch anzuhören. Obwohl euer Leben noch kunterbunt und verwirrt war, vieles falsch lief und ihr im Glauben noch keine ersten Schritte gemacht hattet.
Es ist etwas Wunderbares, was Jesus segnet. Es ist gut, dass er so praktisch zu uns redet.
Abschluss und Gebet
Bevor wir eine Gebetsgemeinschaft beginnen, wollen wir noch ein Lied singen. Es ist das Lied Nummer 350: „Herr, bleib bei mir“. Schauen wir, ob der Text stimmt.
Dieses Lied ist in England sehr verbreitet. Lange Zeit war es in Deutschland nicht verfügbar, weil es keine gute Übersetzung gab. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch Werner in eine passende Sprache übertragen. Es zählt zu den wunderbarsten Liedern.
Der Lieddichter, Lüth, war Pfarrer einer einfachen Fischergemeinde. Er war schwer an Tuberkulose erkrankt, wie damals häufig. Immer wieder fuhr er an die Riviera, denn das war damals die einzige Möglichkeit zur Linderung. Bei seiner letzten Abreise – ich glaube, es war Karfreitag – bevor er an die Riviera fuhr, schenkte er dieses Lied der Gemeinde.
Deshalb ist das Lied nicht nur ein Abendlied oder ein Sterbelied. Es umfasst alles: Abend, Lebensende und die Hoffnung auf die Ewigkeit. Lüth wurde an der französischen Riviera beerdigt. Dieses Lied gehört zu den schönsten, die Sie kennen und lieben sollten. Wenn Sie es im Alter auswendig lernen, werden Sie viel Freude daran haben.
Herr, wo wir versagt haben, wollen wir jetzt einfach in der Meerestiefe versenken. Vor Dir bekennen wir es und werden frei. Wir wollen nicht mehr davon sprechen. So können wir fröhlich an unseren Platz zurückkehren.
Wir wissen, dass wir über andere Menschen kein Mandat haben. Wir sind nicht ihre Richter, aber Du bist ihr Friedensfürst und der gute Hirte. Heute Morgen haben wir von den neunundneunzig Schafen gesungen, die Du suchst – das eine Verlorene.
Was wir jetzt sind, wenn wir von hier weggehen, sind wir nur durch Dich und mit Dir. Darum wollen wir auch Deinen Blick für die Menschen haben. Herr, gib uns immer wieder diesen Blick. Du führst uns Menschen zu, und wir wollen das spüren lassen.
Wir möchten Dich bitten, dass die Menschen ihr Herz öffnen und spüren, wie Deine Liebe sie sucht. Es ist wunderbar, dass wir diesen Dienst tun können. Er erfordert nicht viel, sondern wir schieben alles auf Dich und tun alles in Deinem Namen.
Wir danken Dir, dass Du alles schon vorbereitet hast, wenn wir nach Hause kommen. Wir brauchen nur noch fröhlich in Dir zu sein und zu wissen, dass wir von Dir gebraucht werden. Du stiftest Segen durch uns, weil Deine Gnade mächtig ist – ganz wunderbar.
So wollen wir auch in diese Nacht hineingehen und Dich um Deinen Frieden bitten. Unsere Sorgen legen wir bei Dir ab, denn Du sorgst für uns. Was sollte uns sonst noch betrüben?
Wir freuen uns, dass Du uns das Leben schenkst. Wir dürfen diesen Tag genießen – in der ganzen Freude, in der schönen Schöpfung, mit all den guten Gaben und Begegnungen, mit den guten Worten, die wir hören und austauschen durften.
Doch das Schönste ist: Du bist bei uns und ziehst Deine Hand nicht von uns ab. Amen!