Bad. Hier ist Toni. Und ich bin Philipp. Ich heiße Marie. Ah, und einer darf bei uns auch nicht fehlen: Sammy.
Uhuh, hier bin ich. Die Doppeldecker.
Ich habe viele Ideen, was wir noch dazubauen können.
Um den Doppeldecker? Der hängt doch jetzt an der Decke. Was willst du denn da noch dazubauen?
Ich fände es super schön, wenn wir eine Rittdecke machen würden, mit Kissen und so. Das wäre gemütlicher als der Holztisch.
Ja, wieso nicht?
Da sind wir. Philipp und Marie sind bei Mike angekommen. Auf dem Weg zur Scheune hören sie etwas aus dem Garten. War das Mike? Er klingt ziemlich sauer. Los, wir gehen hin.
„Ich habe es ihm hundertmal gesagt, er kann mich einfach fragen.“
„Ich weiß, Mike. Sieh mal, da kommen Marie und Philipp.“
„Hallo, ihr zwei.“
„Hey, ihr beiden, schön euch zu sehen. Was ist denn passiert, Onkel Mike? Kommt mal mit um die Ecke.“
Entsetzt starren die beiden auf eine große Buche, die quer im Garten liegt. Die Baumkrone ragt in die Scheune. Durch ein großes Loch in der Wand kann man nach drinnen schauen.
„Äh, aber wie?“
„Ihr kennt doch meinen Nachbarn, Herrn Reinhard, oder?“
„Nur vom Sehen, der redet nicht viel.“
„Kann man wohl sagen. Die Buche stand auf der Grenze unserer beiden Grundstücke. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass jeder seine Seite stutzt. Jetzt hat er einfach den Baum gefällt.“
„Was? Das ist ja furchtbar. Das ist ... Wieso macht jemand sowas?“
Wie zur Antwort tritt Herr Reinhard an den Gartenzaun.
„Na, weg. Recht chaotisch bei Ihnen, was?“
„Sehr witzig. Wir hatten eine Vereinbarung, Herr Reinhard.“
„Ach so, dann haben Sie die Bestimmung irgendwo schriftlich?“
„Geht ihr schon rein, wir kommen gleich nach.“
„Na, aber ...“
„Okay, komm mit, Marie.“
„Nun sagen Sie schon, was Sie damit meinen.“
„So ein ... Unglaublich! Ich fasse es einfach nicht. Der ist aber auch dreist.“
„Du bist aber erstaunlich ruhig geblieben.“
„Innerlich habe ich gekocht.“
Gelacht hat er noch. „Ihm tut das nicht mal leid. Und wie das hier drin aussieht ... Ich bin froh, dass der Doppeldecker noch hängt.“
Gehen wir heute lieber in die Küche?
Ja, hier ist es zu kalt. Holst du bitte Sammy, Marie? Ins Haus?
Meinst du das ernst, Mike?
Ach, Gudrun, er ist doch kein wilder Waschbär. Sammy kommt mit, weil er die Kälte nicht verträgt. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Keine Sorge, frei herumlaufen darf er nur unter Aufsicht.
Na ja.
Kurz darauf, in der Küche:
Ich verstehe es nicht, Onkel Mike, ihr kamt doch immer zurecht.
Dachte ich auch.
Obwohl, Herr Reinhardt hat sich in den letzten Monaten oft beschwert. Die Wurzeln treiben den Boden auf, die Blätter liegen überall herum und so weiter und so fort. Aber dass es so weit gehen würde!
Er darf den Baum gar nicht fällen, wenn er euch beiden gehört. Und erst recht nicht in die Scheune rein.
Zeigst du ihn jetzt bei der Polizei an?
Tja, die Polizei war vorhin schon da. Wenn wir uns nicht einig werden, müssen wir vor Gericht.
Sehr gut, dann bekommt er, was er verdient.
So einfach ist das nicht.
Wieso nicht?
Der Bruder von Herrn Reinhardt ist Anwalt und dafür bekannt, dass er die Wahrheit gerne etwas beugt, um einen Fall zu gewinnen.
Was? Das will einfach nicht in meinen Kopf. Er hätte sich doch entschuldigen können, wir würden uns schon einig. Aber er scheint regelrecht stolz zu sein, dass er meine Scheune kaputt gemacht hat. Die zu reparieren wird Wochen dauern.
Wir helfen dir natürlich, so gut wir können.
Danke, Marie, und vor allem dann mit Toni. Er ist sicher eine größere Hilfe. Am liebsten hätte ich euch alle drei dabei.
Habt ihr denn noch mal was von Toni gehört?
Er hat geschrieben, als er angekommen ist. Seitdem nicht.
Ist Toni verreist? Habt mich schon gewundert, wo er wohl bleibt.
Ja, er besucht seine Oma in Italien.
Toll für ihn, es ist so schön dort und sehr warm. Offen gesagt wäre ich gerade auch lieber in Italien als hier.
Verstehe ich gut, du solltest es deinem Nachbarn heimzahlen.
Aber nichts vor dem Gerichtsverfahren, Marie, sonst macht sich Mike selbst schuldig.
Aber der hat doch angefangen. Kann ja was Kleineres sein.
Und was genau meinst du?
Lasst mich euch unterbrechen. Ich gebe es ja zu, gerade würde ich selbst am liebsten seine Obstbäume fällen.
Mike!
Ja, eben!
Na, lasst mich bitte ausreden, das werde ich aber selbstverständlich nicht tun, weil es falsch wäre. Verdient hätte er es.
Weißt du was, Mike? Wenn uns so etwas passiert, erzählt uns eine Geschichte. Denkst du, das hilft heute auch? Hm, lass mich mal einen Moment nachdenken. Ohne Toni? Kann das überhaupt gut gehen?
Das schaffen wir bestimmt, wir sind doch ziemlich clever. Herausfordernd wird das allemal. Aber ich würde euch nie in ein Abenteuer schicken, das ich euch nicht zutraue.
Gut, einverstanden. Wo geht's denn heute hin? In den Süden von Brasilien, wo es viele Farmen gibt. Ihr erlebt eine, die etwas ganz Besonderes ist.
Was ist denn daran besonders? Das werdet ihr schnell merken. Auf den ersten Blick wirkt noch alles gewöhnlich. Die Sonne scheint, man hört die Geräusche von Mähdreschern und Bauern.
Ich will hier. Ja, wenn ich auch. Schaut mal! Was denn? Noch während Philipp sich alles richtig vorstellt, um hier anzukommen, ist Marie losgestürmt. Ihr Ziel ist die Weide gleich vor ihnen, auf der drei Pferde grasen.
Nun komm schon, Phil, die Pferde sind super niedlich! Ja, ich komme ja schon. Aber ich gehe nicht so nah ran, Pferde treten gern mal aus, wenn sie sich erschrecken.
Philipp geht ein paar Schritte hinterher und bleibt dann plötzlich stehen. Oh nein! Was denn? Schau dich mal um! Sieht aus wie aufgefressen. Die Felder sind ja komplett kahl. Furchtbar, nicht wahr?
Ihr seid wohl gerade angekommen, was? Ich bin Viktor, der Leiter dieser Farm. Schaut euch ein bisschen um. In einer halben Stunde treffen wir uns alle dort hinten im Haupthaus zur Krisenbesprechung und um das Mittagessen vorzubereiten.
Überrascht schauen Marie und Philipp erst den Neuankömmling an, dann einen anderen, anschließend wieder ihn. Wieso lädt er sie so selbstverständlich zum Essen ein? Und was für eine Krisenbesprechung?
Um besser zu verstehen, was hier los ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.
Vor einer Woche fand hier dieses Gespräch statt. Das ist total ungerecht. Ich will davon nichts mehr hören. Ihr kennt die Regeln und auch die Konsequenzen. Eine Woche, und dabei bleibt es.
„Ja toll, vielen Dank, Viktor. Du hast doch keine Ahnung.“ Viktor wirft Theo und Gustavo einen strengen Blick zu und verlässt das Zimmer. Sie sind wütend, weil er sie bestraft hat, nachdem sie jemanden verprügelt hatten.
„Ausgerechnet heute verpassen wir die Party des Jahres, nur weil Viktor immer so austickt. Der versteht halt nichts vom Leben, aber das ist auch egal.“
„Wie meinst du das, Theo?“
„Na ja, der ist auch nicht überall gleichzeitig. Wir gehen einfach trotzdem hin. Und wenn uns dann so eine Petze verpfeift?“
„Hör auf zu heulen, die kriegen wir schon ruhiggestellt. Pass auf, wir machen’s so.“
„Klingt wie einer dieser typischen ‚Was-sollte-da-schon-schiefgehen‘-Pläne, oder? So einer, wie sie am Ende immer schiefgehen.“
Viktor organisiert jedes Jahr diese Feier für die Jugendlichen, die hier wohnen. Theo und Gustavo warten ab, bis alle auf der Party sind. Dann wollen sie sich dazuschleichen und sich amüsieren, bevor Viktor sie bemerkt. Gerade sind sie auf dem Hinweg.
„Au, was war das?“
„Hör auf, hier rumzubrüllen, Mann.“
„Ja, tut halt weh.“
„Stell dich nicht so an.“
„Au, was war das?“
„Weiß ich ja nicht.“
Theo zieht seine Sandale aus und inspiziert, so gut es in der Dunkelheit eben geht, seinen Fuß. In seiner Haut stecken mehrere winzige, sehr schmerzhafte Dornen. Gustavo bemerkt dasselbe bei sich.
„Oh Mann, du weißt, was das ist, oder? Irgendein Gestrüpp halt.“
„Schön wär’s, ich hab so etwas schon mal erlebt, als ich noch bei meinem Alten gewohnt habe. Das sind Blattschneideameisen.“
„Na und? Recht dich nicht auf! Du checkst das nicht, Theo! So eine Ameisenkolonie frisst so viel wie eine erwachsene Kuh. Und man wird die nicht einfach wieder los. Die fressen uns hier ruckzuck alle Felder kahl.“
„Ist das mein Problem? Soll sich doch Viktor dumm kümmern.“
„Klar ist das dein Problem, du isst doch den Kram, der da wächst. Mann, wir müssen Viktor Bescheid sagen.“
„Okay, pass mal auf, Gustavo, du bist offensichtlich schwer von Begriff, deshalb erkläre ich’s langsam, okay? Wir haben hier draußen die Ameisen gefunden.“
„Ja?“
„Eigentlich haben wir Hausarrest.“
„Und?“
„Das heißt, wir sollten eigentlich gar nicht hier draußen sein.“
„Weiß ich doch alles.“
„Was denkst du denn, was passiert, wenn wir Viktor von den Ameisen erzählen?“
„Matteo, was meinst du denn?“
„Dass er dann sofort weiß, dass wir abgehauen sind. Und dann lässt er sich wieder irgendeinen Quatsch einfallen.“
„Was heißt das nun?“
„Dass wir Viktor gar nichts sagen. Wir gehen jetzt auf die Party. Die kleinen Mistviecher wird er schon selbst bemerken, schnellstens, wenn er reinkommt.“
Das ist jetzt genau eine Woche her. Gustavo und Theo haben es durchgezogen, nichts zu sagen. Sie wurden nicht erwischt. Die Ameisen haben sich rasend schnell vermehrt und in der kurzen Zeit alle Felder kahlgefressen – die Felder, von denen sich die Farmbewohner ernähren.
Neugierig sind Marie und Philipp der Einladung, eigentlich der Aufforderung, zur Krisensitzung gefolgt. Sie sitzen im Speisesaal inmitten einer Gruppe Jugendlicher mit mürrischen Minen. Zwischen ihnen tollen drei kleine Kinder umher.
Vorne steht Viktor. Hören wir mal rein: „Uns steht eine schwierige Zeit bevor. Sophia und ich haben lange darüber beraten, wie wir jetzt weiter vorgehen.“
„Was ist denn los, Viktor?“
„Heute Morgen haben wir einen sehr starken Befall von Blattschneideameisen entdeckt. Sie konnten sich offenbar mehrere Tage lang unbemerkt ausbreiten. Man sieht das oft erst, wenn es bereits zu spät ist.“
„Das ist ja furchtbar. Können so kleine Ameisen echt so viel Schaden anrichten?“
„Leider schon. Die sind in riesigen Kolonien oft perfekt organisiert. Es gibt sie öfter in den Tropen, und sie sind dafür gefürchtet, ganze Ernten zu vernichten.“
Nach der Ansprache brechen an den Esstischen aufgeregte Gespräche aus. Viktor setzt sich zu Marie und Philipp. Er erklärt ihnen, dass das hier eine besondere Farm ist, nämlich eine Hilfseinrichtung für Jugendliche, die große Probleme in der Familie haben oder gar keine Familie. Viele von ihnen waren schon mal kriminell geworden. Hier auf der Farm arbeiten sie bei allem mit. Dafür müssen sie nicht ins Jugendgefängnis und dürfen hier kostenlos wohnen und essen.
Viktor hatte Marie und Philipp für Neuzugänge gehalten. „Nun würde ich aber doch gern wissen, wer ihr seid.“
„Ich bin Marie, das ist Phil.“
„Ich bin Sammy mit Y.“
„Warte, warst du das?“
„Nein, er kann selbst sprechen.“
„Man wird ja doch immer wieder aufs Neue überrascht. Aber da habe ich leider schlechte Neuigkeiten für euch.“
„Was denn?“
„Haustiere sind hier nicht erlaubt.“
„Was? Hier rennen doch überall Tiere rum, und die sind nicht mal...“
„Nicht einmal so schlau wie ich. Natürlich sind hier überall Tiere, das hat eine Farm so an sich. Aber um die geht's nicht, sondern darum, dass die Jugendlichen Verantwortung lernen. Vielen fällt das enorm schwer. Deshalb dürfen sie keine eigenen Tiere haben. Das gilt für alle hier.“
„Und was jetzt?“
„Wir finden einen Platz für dich bei den anderen Tieren im Stall. Dort kannst du Marie und Phil täglich sehen.“
„Und wenn ich so tue, als wäre ich einer von den großen Jungs, kann ich dann bleiben? Das merken die nie.“
„Lass mal, Sammy, du hast zu viele Haare im Gesicht, um nicht aufzufallen.“
„Stimmt vielleicht. Kannst du nicht bitte eine Ausnahme machen, Viktor? Sammy kann doch in meiner Tasche bleiben.“
„Das geht leider nicht, aber ich habe noch eine andere Idee.“
Viktor führt die beiden ins oberste Stockwerk des Haupthauses. Hier sitzt gerade Viktors Frau Sophia mit ihrer Tochter Lilly im Arm. Sie legt den Finger auf die Lippen, weil die Kleine eben eingeschlafen ist. Viktor nickt ihr liebevoll zu und redet nur noch gedämpft.
„Hier oben wohnt nur meine Familie. Ihr könnt hier übernachten, dann kann Sammy bei euch bleiben. Aber nur ich in der Wohnung, er darf nicht mit raus, habt ihr das verstanden?“
„Also kein Ernten und Kühe ärgern?“
„Tut mir leid, Sammy. Und danke, Viktor.“
„Dann richtet euch mal häuslich ein. Kommt dann runter zu den Ställen hinter dem Haus. In zwanzig Minuten reiten wir los.“
„Ein Ausritt?“
Marie freut sich riesig, dass sie dabei sein darf. Philipp ist bei dem Gedanken eher mulmig, und Sammy ärgert sich, dass er in der Wohnung sitzen soll, während die anderen Spaß haben.
„Hihi, dann komme ich eben heimlich mit, ganz leise.“
Da seid ihr ja! Hier drüben sind Shadow und Storm. Seid ihr schon mal geritten?
Einmal im Urlaub auf dem Reiterhof. Aber da war ich noch klein.
Ich noch nie. Und wo sind denn die anderen Jugendlichen? Kommen die nicht mit?
Nein, so viele Leute brauchen wir nicht. Und ihr seid ja gerade erst angekommen, da zeige ich euch gleich alles.
Es ist so super schön, aufs Dom zu reiten. Ich wünschte, ich könnte das jeden Tag machen.
Echt? Also, ich werde hier oben eher seekrank.
Man kann nur im Wasser seekrank werden.
Habt ihr das gerade auch gehört?
Nee, was denn?
Ach, nicht so wichtig. Sammy wollte doch ganz still sein.
Er hat sich in Maries Rucksack versteckt, um bei dem Abenteuer dabei zu sein. Zum Glück hat nur sie ihn gehört und ihn nicht verpetzt.
Die Felder sehen ziemlich bedrückend aus. Alles kahl. Das muss eine riesige Arbeitskolonie sein. Oder mehrere.
Wir sind fast fertig mit der Runde. Wir müssen zügig zurück und Vorbereitungen treffen.
Vorbereitungen? Wofür genau?
Au, Sammy! Schnell, mach deinen Rucksack auf, gib mir den Rucksack!
Marie reicht den Wiktor. Der greift blitzschnell hinein und zieht Sammy heraus. Dann wirft er den Rucksack auf den Boden.
Ein völlig erschrockener Sammy springt von Viktors Hand auf den Hals des Pferdes. Ratet mal, was dann passiert.
Hastig springt Marie von ihrem Pferd. Etwas unbeholfen klettert auch Philipp von Deinu. Behutsam helfen sie Viktor, aufzustehen.
Bist du verletzt?
Nein, ich denke nicht. Nur ein paar Prellungen. Aber wir müssen mal der Bella hinterher, sie hat sich mächtig erschrocken.
Upsi, tut mir leid. Sammy, wo bist du denn?
Hier unten im Gras. Bin runtergefallen von dem Hautehüt.
Hast du dich verletzt?
Glaub nicht, nur die Pfote tut weh.
Tut mir leid, Bauernmann.
Meinst du mich?
Ja. Wir reden später darüber, was du hier machst und was ihr zwei davon wusstet. Jetzt müssen wir deine Pfote verbinden und Bella finden.
Ich bin dankbar, dass der Skorpion dich nicht getötet hat.
Skorpion? Der hat mich ganz fies gezwickt.
Sei froh, dass es nur das war.
Sammy tut sehr leid, dass Bella seinetwegen geflüchtet ist, dafür schnuppert er extra gründlich, um ihr schnell auf die Spur zu kommen.
Nur einen knappen Kilometer entfernt finden sie Bella am Wegesrand und können weiter.
Aber sie haben Zeit verloren, erschöpft kommen sie erst spät nachmittags wieder am Wohnhaus an.
Sie ahnen nicht, dass der Ärger dort bald erst richtig losgeht.
Viktor bespricht sich mit Sophia und erklärt beim Abendessen, wie es jetzt weitergeht. Die Lage ist ernst: Die Ernte für dieses Halbjahr ist komplett vernichtet. Wir müssen sparsam mit dem Essen sein.
„Nein, ich habe es gewusst, es kann doch nicht wahr sein!“ Das liegt schwer im Magen, entsetzt schauen die Jugendlichen einander an, erste Rufe werden laut. „Ganz toll, da rackern wir uns hier ab und kriegen nicht mal was zu essen.“
„Ach, halt die Klappe, du Idiot! Was machen wir jetzt, Viktor?“
„Das will ich euch gern sagen“, antwortet er. „Wir haben vor zwei Wochen angefangen, Vorräte einzulagern. Gleich heute noch werden wir sie zählen und eintragen, wie viel von allem da ist. Dann wissen wir, wie lange es reicht. Jeder packt mit an. Sophia ist gerade schon dabei herauszufinden, ob wir Lebensmittel von außerhalb einkaufen können.“
„Das ist das Ende, wir werden alle verhungern!“
„Ich weiß, dass es schwerfällt, aber lass uns hart arbeiten, fest zusammenstehen und Gott um Hilfe bitten.“ Mit ernstem Blick beendet Viktor seine Ansprache. Einige Jugendliche sind bereits von ihren Plätzen aufgestanden, um mit ihm zum Vorratsraum zu gehen.
„Er kann gut reden, oder?“
„Ja, finde ich auch. Aber ich habe Angst, dass es vielleicht zu wenig Essen gibt.“
„Habt ihr noch ein paar Minuten?“
„Ja.“
„Was war das denn?“
„Äh, was meinst du?“
„Da hat doch irgendwas in deiner Tasche gequatscht.“
„Ich habe es auch gehört. Hast du wohl heimlich dein Handy behalten?“
„Das stimmt doch gar nicht!“
„So etwas kann Viktor gar nicht leiden. Besser du gibst mir das Ding, damit du nicht erwischt wirst!“
„Da war überhaupt nichts, und selbst wenn, dann geht dich das gar nichts an!“
„So redet man nicht mit mir!“ Drohend macht Theo einen Schritt auf Marie zu.
„Lass sie in Ruhe!“ ängstlich schauen Marie und Philipp einander an. Immer mehr Jugendliche scharen sich dicht um sie.
Als Theo gerade ausholt, um Philipp zu schlagen, ruft jemand: „Sofort aufhören! Euch kann man ja keine Sekunde lang den Rücken zudrehen.“
„Ich habe gar nichts gemacht, Viktor. Echt nicht.“
„Nun bleibt mal locker, war doch nur eine Kleinigkeit.“
„Euer Verhalten ist nicht mehr tragbar, Gustav und Theo. Ihr geht jetzt in euer Zimmer. Wir reden weiter, sobald ich mit den anderen die Lebensmittel gezählt habe. Eins bis dahin: Ihr erlaubt euch zu viele Kleinigkeiten, und ihr wisst, was das heißt. Bei der nächsten fliegt ihr raus. Die Farm soll ein sicherer Hafen für Jugendliche sein. Dafür müssen aber beide Seiten mithelfen. Das sehe ich bei euch nicht.“
Eigentlich hatte Gustavo wirklich nichts gemacht, aber niemand traut sich, etwas dazu zu sagen. Schweigend verlassen Gustavo und Theo den Speisesaal.
Auf dem Weg in ihre Zimmer
„Immer ziehst du mich in diesen Mist mit rein. Kannst du das nicht bitte mal lassen?“
„Was, redest du so mit deinem besten Freund?“
„Was? Ich hab dir so viel Gutes getan, Gustav! Gustavo! Und das ist jetzt dein Dank dafür?“
„Dank? Also schau mal: Ich hab dich nicht verpfiffen, als du zur Party gegangen bist. Ich hab kein Wort gesagt, als du Bier hier reingeschmuggelt hast. Und da war so ein klitzekleiner Vorfall mit einem geklauten Handy. Wie war das gleich? Erinnerst du dich da noch dran?“
„Mann, ja, das hatte ich geklaut. Ich wollte es doch zurückgeben, aber dann habe ich es im Wald verloren. Und nicht nur irgendein Handy, das von unserer Chefin Viktor höchstpersönlich.“
„Er hat nie rausgekriegt, dass du das warst, obwohl du dich voll dämlich angestellt hast, sind wir mal ehrlich. Und wieso?“
„Weil ich so getan habe, als hätte mich ein Puma angefallen und ich hätte es dem an den Kopf werfen müssen. Das habe ich für dich gemacht, mein Freund. Freunde machen sowas füreinander.“
„Wenn du meinst ... Dann wirst du mich jetzt hier sicher auch nicht hängen lassen.“
„Und was willst du jetzt von mir?“
„Na ja, dass du sagst, dass du zuerst zuschlagen wolltest und mir hilfst, mich an dieser blonden Zicke und dem dicken Typen zu rächen.“
Oh oh! Gustavo ist sehr unwohl dabei, aber er kann Theo nicht die Stirn bieten. Er steht zu viel auf dem Spiel.
Wenn Viktor herausfände, dass Gustavo sein Handy gestohlen hatte, würde er ihn sofort auf die Straße setzen. Theo würde ihn eiskalt verraten, wenn er ihm nicht hilft, da ist Gustavo sich sicher.
Im Vorratslager ahnen Marie und Philipp nichts von der drohenden Gefahr.
Ich habe noch einen großen Sack Kartoffeln. Darauf steht, dass etwa dreißig Kilo hineinpassen. Mit denen, die wir schon haben, sind das ungefähr achtzig Kilo Kartoffeln. Klingt gar nicht mal so schlecht. Dazu kommen noch zwanzig Kilo Maniok zum Brotbacken und einiges Gemüse.
Ich habe außerdem noch zwei große Beutel Äpfel gefunden, dazu einen Sack Reis und einen mit getrockneten Bohnen. Auch die anderen Jugendlichen berichten Viktor genau, was sie gezählt haben. Das sollte dann hoffentlich reichen.
Die Lage ist ernst. Die Vorräte werden für etwa eine Woche ausreichen, wenn wir sparsam sind. Danke euch, Leute. Dann aber jetzt ab ins Bett, vor uns liegen anstrengende Tage. Gute Nacht!
Eine Weile später liegen alle in ihren Betten. Fast alle. Viktor und Sophia besprechen, wie sie weiter vorgehen. Marie hört sie durch die geschlossene Zimmertür gedämpft reden. Neben ihr atmet die kleine Lilly gleichmäßig im Schlaf.
Maries Gedanken kreisen um die Ereignisse des Tages. Hoffentlich schaffen es Viktor und Sophia.
Oh, dann habe ich Hunger. Jetzt brauchen wir hier auch noch etwas zu essen, obwohl wir schon so wenig für alle haben. Vielleicht gibt es noch einen Schokoriegel in meiner Tasche.
Leise tastet sie im Dunkeln nach der Tasche. Versehentlich berührt sie den schlafenden Sam.
Nicht die Eichhörnchen. Psst, leise, Sammy, ich bin’s nur.
Keine Eichhörnchen? Nein, hier sind keine. Sorry, dass ich dich wach gemacht habe. Ich habe von Nüssen geträumt. Ach, Sammy. Bestimmt haben wir bald mehr Essen. Hilfst du mir jetzt erst mal, die Umhängetasche zu finden?
Die ist nicht hier, das würde ich riechen. Echt nicht? Oh nein! Ich glaube, ich habe sie unten im Vorratsraum vergessen. Mein Tagebuch ist auch da drin, das darf niemand lesen.
Ich kann sie holen. Nicht allein, ich komme mit. Und Phil am besten auch. Na gut.
Sammy huscht auf Maries Schulter. Auf Zehenspitzen schleicht sie durch den Flur ins andere Zimmer. Ein noch halb schlafender Philipp ist gar nicht begeistert davon, jetzt aufzustehen, aber er will sie nicht allein gehen lassen. Also verlassen sie zu dritt heimlich die Wohnung.
Kurz vorher hält Marie inne, als sie Sophia aus dem Wohnzimmer hört.
Sie: „Sie tun mir leid, Viktor. Sie haben viel durchgemacht und dann so eine Krise ...“
Er: „Ich weiß, meine Liebe. Ein bisschen erinnern Sie mich an verlorene Schafe. Deshalb wollen wir ja so gut wir können Hirten für sie sein. Und keinen zurücklassen, egal wie schwer es wird.“
Sie: „Wir haben alle Farmen im Umland angerufen, keiner hat schon genug, um etwas abzugeben. Aus der Stadt zu bestellen, können wir uns nicht leisten.“
Er: „Was jetzt, Viktor?“
Sie: „Hm, was würde Jesus wohl tun?“
„Los, komm schon, Marie!“ Sachte schüttelt Philipp sie an der Schulter. Sie hat so nachdenklich zugehört, dass sie das Tagebuch glatt vergessen hat. Jetzt aber los in den Vorratsraum, bevor jemand bemerkt, dass sie aufgestanden sind.
Auf der Kellertreppe, die dorthin führt, stößt sich Philipp den Kopf am niedrigen Deckel.
„Au! Wollen wir nicht doch lieber Licht anmachen? Wir schleichen hier rum wie Kriminelle.“
„Wir machen doch nichts Kriminelles. Ich will einfach nicht, dass jemand sich unnötig Sorgen macht.“
„Na dann, wir sind da. Schau mal, die Tür ist einen Spalt offen.“
„Ist das Absicht?“
„Nein, ich bin sicher, dass Viktor sie zugemacht hat. Hier hat es vor kurzem Ratten gegeben.“
„Ratten sind lustig.“
„Deshalb war es ihm wichtig, dass sie auf jeden Fall zu ist.“
„Komisch. Lass uns nachschauen, aber vorsichtig.“
Ohne die Tür weiter zu öffnen, späht Marie durch den Spalt. Sie entdeckt im Inneren den Lichtkegel einer Taschenlampe. Gut, dass wir kein Licht gemacht haben.
„Willst du wissen, wer das ist?“
„Moment mal!“
Marie weiß gar nicht, wie ihr geschieht, als sie Philipp und Mike vor sich in der Küche sitzen sieht. Sammy liegt auf einem kleinen Kissen und schläft.
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, Onkel Mike. Hast du nicht an meiner Tür klingeln hören?
Mit diesen Worten macht sich Mike schon auf den Weg. Doch er kommt nicht allein zurück.
„Hey Leute, Toni!“ Toni ist früher zurück als erwartet.
Wie Mikes Geschichte weitergeht, wollen er und die anderen auf keinen Fall verpassen. Du bist wieder mit dabei im zweiten Teil der Hörspielfolge „Farm in Not“.
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