
Man muss sagen, diese Position war nicht ganz falsch. Es war aus christlicher Überzeugung heraus zu sagen: Wir machen das gar nicht.
Aber wir müssen uns die Frage stellen, ob diese radikale Überzeugung auch eine biblische Überzeugung ist, die wir als Christen vertreten müssen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, so zu leben – also als Christ zu sagen: Ich will gar nichts mit der Politik zu tun haben.
Die erste, rein logische Frage würde ich so beantworten: Es ist für uns gar nicht möglich, unpolitisch zu sein. Denn es kommt immer darauf an, wie wir Politik definieren. Fängt Politik da an, wo ich mich in den Bundestag wählen lasse? Oder da, wo ich für das Bürgermeisteramt kandidiere? Nein. Politik fängt in Deutschland schon damit an, dass ich geboren werde und hier auf der Erde lebe.
Es gibt beispielsweise Finanzpolitik. Womit wird Finanzpolitik betrieben? Mit meinem Geld. Nicht nur mit meinem, das wäre zu wenig, sondern auch mit Ihrem Geld. Das fließt mit hinein. Das heißt: Durch das, was ich kaufe, durch die Steuern, die ich bezahle, unterstütze ich die Finanzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Indem ich das eine Produkt kaufe und das andere nicht.
Jetzt könnte ich natürlich sagen: Ich verzichte darauf, ich bezahle einfach keine Steuern mehr. Aber das ist schwierig. Kaufen Sie beim Aldi ein und sagen: Ich will keine Mehrwertsteuer bezahlen. Das bekommen Sie nicht heraus, die wird sofort einkassiert. Oder Mineralölsteuer, noch schlimmer an der Tankstelle. Wenn wir die nicht mehr bezahlen würden, könnten wir plötzlich dreimal so viel tanken für denselben Preis. Denn das ganze Geld fließt ja an den Staat.
Darüber hinaus gibt es Arbeitspolitik: Welchen Beruf willst du? Wo bist du aktiv? Bekommst du Kinder oder nicht? Schickst du deine Kinder zur einen oder zur anderen Schule? Das sind alles Entscheidungen, die politisch mitgewollt sind. Auf die wir entweder eingehen oder nicht. Wir nutzen sie, wenn wir einen Antrag für eine Förderung stellen, etwa für den Hausbau. Bis vor ein paar Jahren gab es Kindergeld zu beantragen. Das sind Rechte, die wir haben und in Anspruch nehmen können oder nicht. Und wenn wir sie in Anspruch nehmen oder nicht, ist das eine politische Entscheidung.
Meine Meinung, die ich im privaten Bereich äußere – wenn ich sage, ich bin für diese oder gegen jene Entscheidung – das ist eine politische Äußerung.
Darüber hinaus gibt es viele Schnittstellen, an denen christliche Überzeugung sich mit politischer Überzeugung überschneidet. Gerade in den letzten Jahren wurde die Frage der homosexuellen Ehen heiß diskutiert. Wenn ich dazu meine Meinung äußere, ist das eine politische Äußerung, auch wenn ich sie vielleicht nur als Glaubensüberzeugung äußere.
Wenn ich sage: Ich glaube, Jesus Christus ist der Weg zu Gott, ist das ebenfalls eine politische Äußerung. Denn es ist gleichzeitig eine Aussage darüber, ob Pluralismus gilt – also, ob alles gleich ist – oder ob eben nicht alles gleich ist und es feste Überzeugungen gibt, an denen man festhalten kann.
Ich glaube, es ist eine Illusion zu meinen, wir könnten uns vollkommen von Politik fernhalten. Das geht gar nicht. Wir müssten uns in die Einöde zurückziehen, irgendwo ein kleines Kloster bauen mit einer großen Mauer ringsherum. Und selbst dann hätten wir Probleme. Denn wir müssten Grundsteuer bezahlen und was weiß ich noch alles für das Wasser. Und irgendwann kämen sie und unsere Kinder müssten der Schulpflicht nachkommen und in die Schule gehen. Wir müssten uns danach richten – oder eben nicht.
Ich glaube, es ist eine völlige Illusion zu denken, wir könnten uns ganz aus der Welt herausnehmen. Wir leben in der Welt. Jesus hat auch gesagt: Wir leben in der Welt, aber wir sind nicht von der Welt. Und da liegt der große Unterschied.
Das heißt: Wo ist die Grundlage meines Lebens? Sie liegt eben nicht nur in dem, was ich hier politisch entscheide. Dann falle ich häufig auf Scharlatane herein, die mir den Himmel auf Erden versprechen wollen. Und das gibt es ja überall.
Bei der Neuen Linken ist es oft so, dass sie dafür wirbt, Betriebe zu verstaatlichen. Sie versprechen eine glückliche Gesellschaft, in der alle reich werden. Das ist im Grunde genommen das, was man vor hundert Jahren schon im Marxismus-Leninismus gehört hat – nur in einer neuen Auflage.
Aus christlicher Sicht wird es diesen Himmel auf Erden so nicht geben. Wir leben in einer Welt, die, wie die Bibel deutlich sagt, gefallen ist. Sie hat sich von Gott gelöst. Die Menschen hören nicht mehr in erster Linie auf Gott, sondern vor allem auf sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse. Das führt auf Dauer zum Scheitern.
Man könnte sagen: „Ich muss doch auf meine Bedürfnisse achten, wer sonst?“ Das stimmt vielleicht. Aber wenn alle nur auf ihre eigenen Bedürfnisse achten, sehen wir, was passiert – zum Beispiel in Deutschland. Die Manager und Politiker, die die Möglichkeit dazu haben, stopfen sich die Taschen immer voller, weil sie an den Hebeln der Macht sitzen. Wenn ich eine Firma leite, kann ich entscheiden, wohin das Geld fließt – und eben auch zu mir.
Doch auf Dauer zerstört das eine Gesellschaft. Das war schon immer so, und es wird auch weiterhin so sein. Je größer die Verarmung wird und je größer der Leidensdruck ist, desto stärker werden die Auseinandersetzungen. Das war früher so und ist heute noch genauso.
Die Bibel sagt uns, dass der Mensch im Kern schlecht ist. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er nur das Schlechte tun will. Vielmehr denkt er zuerst an sich selbst statt an Gott. Er stellt seine eigenen Maßstäbe in den Mittelpunkt, nicht die Maßstäbe Gottes. Das ist, glaube ich, ein Grundproblem der Menschheit – und das führt immer wieder zum Scheitern.
Viele Lösungen der Vergangenheit sind ein Beispiel dafür. Egal ob politisch oder privat – auf Dauer gehen sie schief. In den Sechzigerjahren etwa wurde die Emanzipation gefeiert. Man sagte, Kinder seien eigentlich überflüssig, und man könnte die Kinderzahl nach Belieben regeln. Man meinte, Kinder seien gar nicht mehr nötig, es sei viel besser ohne.
Heute, zwanzig oder dreißig Jahre später, steht man vor dem Problem, dass uns die Kinder fehlen. Das hätte man auch schon vor dreißig Jahren merken können, aber damals schien das Problem noch nicht vorhanden zu sein. Das betrifft die Familienpolitik.
Ein anderes Beispiel ist die Ehe. Früher galt sie als lebenslange Verbindung. Heute wird sie oft als kurzfristiges Arrangement betrachtet. Im letzten Jahr gab es sogar einen Vorschlag einer CSU-Politikerin, die Ehe von vornherein auf sieben Jahre zu begrenzen – mit der Möglichkeit, alle sieben Jahre neu zu heiraten.
Doch wir sehen heute die Folgen: Familienstrukturen sind zerstört, Kinder entwurzelt. Viele Kinder können keine stabilen Beziehungen aufbauen, weil sie das zu Hause nie gelernt haben.
Ich habe das selbst erlebt, als ich vor nicht allzu langer Zeit in Köln an einer Hauptschule unterrichtete. Dort kamen wir im Religionsunterricht auf das Thema der Ehebrecherin, der Jesus begegnet ist. Für die meisten Schüler war es schwierig zu verstehen, was „Ehebrecherin“ überhaupt bedeutet.
Im Gespräch stellte sich heraus, dass nur ein einziges Kind in der ganzen Klasse bei verheirateten Eltern lebte, die auch die leiblichen Eltern waren. Bei allen anderen lebten die Kinder entweder bei Alleinerziehenden, bei anderen Verwandten, in homosexuellen Partnerschaften oder in anderen Konstellationen.
Nur ein einziges Kind in der ganzen Klasse hatte diese klassische Familienstruktur. Deshalb ist verständlich, dass die anderen Kinder nicht einmal begreifen, dass es ein Problem sein könnte.
Hier fehlt das Problembewusstsein, aber die Auswirkungen sind deutlich spürbar. Kinder sind immer weniger in der Lage, dauerhafte und verpflichtende Beziehungen einzugehen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Man muss sich um zerbrochene Ehen, zerbrochene Beziehungen und mangelnde Möglichkeiten, sich irgendwo einzubringen, kümmern. Dafür braucht man Therapeuten, Behandlungen und vieles mehr – was einen enormen Aufwand bedeutet.
Hier müssen wir sagen: Die Bibel sagt uns, der Kern ist meine Beziehung zu Gott.
Als nächstes ist der Kern die Familie. In der Familie lerne ich, miteinander umzugehen, Rücksicht zu nehmen, zu vergeben und Schuld einzugestehen. Wenn ich das dort nicht lerne, werde ich es später auch nicht können.
Wenn ich jemanden sehe, mich verliebe und heiraten möchte, merke ich spätestens nach ein oder zwei Jahren: Es ist nicht immer nur das Schmetterlingsgefühl oder Hollywood-Romantik. Wir stehen nicht nur oben auf der Titanic, der Wind weht uns entgegen und wir sind glücklich.
Sondern sobald wir in der Ehe sind, werden wir merken, dass es auch Auseinandersetzungen gibt. Wenn ich nicht gelernt habe, damit umzugehen, und wenn ich nicht gelernt habe, dass ich auch ein schuldiger, sündiger Mensch bin, der um Vergebung bitten muss, dann geht die Ehe garantiert schief. So läuft das eben nicht.
Hier merken wir, dass Politik und christlicher Glaube ineinandergreifen. Wir können sie gar nicht voneinander trennen. Denn so, wie ich lebe, steht das entweder in Konkurrenz oder im Einklang mit unseren politischen Prägungen. Und dann bin ich herausgefordert, auch dazu etwas zu sagen.
Nun möchte ich etwas mehr ins Detail gehen und die Frage klären: Wie ist das mit dem Engagement für Politik, für Staat, für Gesellschaft – wie auch immer wir das nennen – in der Bibel?
Zunächst einmal gibt es im Alten Testament verschiedene Formen des Zusammenlebens. Man kann manchmal fast von Demokratie sprechen, denn es wird miteinander gesprochen und verhandelt. Das Optimum im Alten Testament ist jedoch, dass sich jeder Mensch nach Gott ausrichtet. Das heißt, jeder Einzelne fragt nach Gott. In schwierigen Lebenslagen beruft Gott im Alten Testament beispielsweise Richter oder Propheten, die direkt von ihm angeleitet werden, um die Bevölkerung zu korrigieren.
Dann wünscht sich das Volk Israel einen König. Damals wird Israel gewarnt: „Passt auf, der König, wenn er einmal kommt, wird euch ausbeuten. Er wird eure Frauen und Männer nehmen, die Männer in die Armee stecken, die Frauen heiraten oder entführen. Er wird euch ausbeuten.“ Trotzdem will das Volk Israel einen König, und Gott lässt es zu.
Im Nachhinein sehen wir manche Könige, die sogar von Gott eingesetzt werden. Denken wir an David als den Prototyp des alttestamentlichen Königs, der als „König nach dem Herzen Gottes“ bezeichnet wird. Viele Könige werden später mit David verglichen. Hier zeigt sich ein starkes Ineinandergreifen von Frömmigkeit – also sich nach Gott richten – und gleichzeitig politische Verantwortung übernehmen.
David konnte nicht einfach sagen: „Hier bin ich jetzt im Gottesdienst, da bin ich gläubig, und hier bin ich der knallharte Machtpolitiker.“ Das geht nicht. Bei ihm fließt das ganz stark ineinander. Wir haben einen König, der auch Dichter ist. Er schreibt große Teile der Psalmen, in denen er innerlich beschreibt, wie er Gott gegenübersteht, wie er als König Gott Schuld bekennen muss, etwa nach dem Ehebruch mit Bathseba.
Hier fließen politische Überzeugung, Verantwortung vor Gott und Frömmigkeit stark ineinander. Gott trennt das nicht. Er sagt David nicht, er müsse sein Amt aufgeben, um fromm zu sein. Im Gegenteil: Gott hat ihn erst in dieses Amt berufen. Es gibt Könige, die von Gott berufen werden. Wir lesen sogar, dass Gott Könige einsetzt, absetzt und straft. Das zeigt, dass Gott im Alten Testament ein Gott der Geschichte ist, der eingreift.
Wir sehen in großen Teilen der Bücher Mose (2. bis 5. Buch Mose) Ordnungen, die wir heute als politische Ordnungen bezeichnen würden. Dort werden bis ins Detail Ausführungen über Familienrecht, Strafrecht, Steuerrecht und mehr gegeben, nach denen sich Israel richten soll – und zwar scheinbar von höchster Instanz, nämlich direkt von Gott.
Viele dieser Richtlinien haben nach meinem Dafürhalten bis heute ihre Brisanz und Gültigkeit behalten. Zum Beispiel, wenn wir heute über Religionsfreiheit sprechen und oft hören, das habe es früher nicht gegeben. Erstmal müssen wir sehen, dass die Religionsfreiheit in Deutschland stark aus christlichem Ideal und Gedankengut gewachsen ist – auch wenn die Kirchen manchmal anders reagiert haben, als sie es hätten tun sollen.
Im Alten Testament heißt es: „Du sollst den Fremdling, der unter dir wohnt, nicht zwingen.“ Das bedeutet, der Fremde, der andersherkommt, soll nicht gezwungen werden, in den Tempel zu kommen oder mitzubeten. Er darf seiner Religion weiter anhängen. Niemand wurde gezwungen, Jude zu werden, auch wenn er mit den Israeliten zusammenlebte.
Außerdem finden wir schon im Alten Testament feine Unterscheidungen zwischen Mord, Totschlag und Unfall mit Todesfolge. Diese Dinge werden genau unterschieden. Solche Regelungen entsprechen heutigen Unfallverhütungsvorschriften. Zum Beispiel wird gesagt: Wenn du einen Balkon baust, sollst du ein Geländer anbringen, damit niemand abstürzt, wenn kein Licht da ist.
Das zeigt uns: Die Bibel bietet direkte Anleitungen, die man mit heutigen Bauvorschriften vergleichen kann. Das ist interessant, denn Gott ist nicht nur an unserer Seele interessiert, sondern auch daran, dass wir ordentlich zusammenleben und miteinander umgehen können. Er bietet uns Maßstäbe, von denen wir manches Mal sagen können, dass sie uns sogar voraus sind.
Ein Beispiel dafür ist, dass es im Alten Testament keine Gefängnisse gab. Es gab zwar Orte, an denen Leute festgehalten wurden, bis das Urteil gesprochen war, aber keine Gefängnisstrafe im heutigen Sinne. Das ganze Alte Testament kann man durchlesen, ohne dass Gefängnisstrafen erwähnt werden.
Das wirft für uns heute eine Herausforderung auf: Warum gab es keine Gefängnisse? Heute wissen wir, dass Gefängnisstrafen in den meisten Fällen wenig bringen. Es wird viel über Resozialisierung gesprochen, aber oft funktioniert das nicht. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der sein Leben lang in einer Justizvollzugsanstalt in Hamburg gearbeitet hat. Anfangs war er begeistert vom Gedanken, die Menschen begleiten und resozialisieren zu können. Doch nach Jahrzehnten merkte er: Die Gefangenen kommen immer wieder zurück.
Viele Mitarbeiter waren frustriert, weil das System nicht funktioniert. Im Gefängnis lernen die Insassen oft nur neue Tricks und Kontakte, die sie später wieder nutzen. Sie werden aus der Gesellschaft herausgezogen und entfremdet. Ohne eine grundlegende Kehrtwende, etwa zum Glauben, gelingt es kaum, das Leben zu ändern.
An der Schule, an der ich unterrichte, gibt es einige, die im Gefängnis zum Glauben an Jesus Christus gefunden haben. Ihr Leben hat sich total verändert, und sie kommen nicht wieder zurück. Aber wenn diese Veränderung fehlt, dann ist der Kreislauf oft tragisch: Aus dem Gefängnis entlassen, mit guten Vorsätzen, aber ohne Job und ohne neue Perspektive, fallen viele wieder in alte Muster zurück und landen erneut hinter Gittern.
Hier stellt sich die Frage, ob die Bibel auch in diesem Bereich etwas zu bieten hat. Die biblische Antwort ist, dass es sofort Bestrafung geben soll, und zwar nicht erst Jahre später nach langwierigen Verhandlungen. Diese Bestrafung kann Geldstrafe, Arbeitsleistung, Körperstrafe oder Ähnliches sein.
Ich möchte nicht sagen, dass wir deshalb alle heutigen Gesetze abschaffen sollen. Aber vielleicht gibt es Ansätze, die uns in unserem heutigen Dilemma Orientierung und Hilfe bieten können.
Das ist die Sicht im Alten Testament. Wichtig ist: Es wird keine bestimmte Regierungsform von Gott vorgeschrieben. Israel lebt zeitweise unter Königen, dann wieder unter Richtern, was mehr einer ungebundenen Staatsform entspricht. In diesen Zeiten leben die Menschen mehr oder weniger frei, bis Richter und Propheten eingreifen.
Das Königtum ist eine weitere Form, die ebenfalls von Gott gebraucht wird. Wenn wir das Alte Testament anschauen, finden wir keine festen Staatsformen, die unbedingt sein müssen. Was wir aber festhalten können, ist: Kirche und Staat sind getrennt.
Das heißt, der Pastor ist nicht gleichzeitig Politiker, und ein Politiker ist nicht automatisch Oberhaupt der Kirche. Das zeigt sich zum Beispiel bei Saul, der Opfer bringen will, was eigentlich nur der Priester darf. Gott verbietet es. Das zeigt die klare Trennung.
Warum? Weil politische und religiöse Interessen sich manchmal widersprechen und Konkurrenz entstehen kann. Stellen wir uns vor, ein Kirchenleiter erlässt ein Gesetz, das alle verpflichtet, sonntags zum Gottesdienst zu gehen, mit Strafe bei Verstoß. Das mag für ihn schön sein, aber es ist keine gute Motivation für die Menschen, in die Kirche zu kommen.
Wenn sie dann widerwillig kommen, zerstört das die Gemeinschaft. Ebenso ist es problematisch, wenn ein Politiker als Kirchenführer in der Gemeinde für seine Partei wirbt. Deshalb muss es eine Trennung geben.
Gleichzeitig macht die Bibel deutlich: Gott hat etwas zu sagen für die Gemeinde und für den Staat. Als Christ bin ich immer in beidem drin: Ich bin Bürger des Staates und trage dort Verantwortung. Gleichzeitig bin ich Mitglied der Gemeinde und trage dort Verantwortung für das, was Gott mir gegeben hat.
Zweitens wirkt Gott in und durch unterschiedliche Staatsformen. Jeder Staat im Alten Testament hat seine Legitimation von Gott. Gott setzt Herrscher ein, setzt sie ab und straft sie. Das sehen wir bei Nebukadnezar und anderen Königen.
Darüber hinaus betreffen die Ordnungen Gottes jeden Lebensbereich. Glaubende sollen sich in einem Staat einsetzen, der Gott gefällt, aber auch in einem Staat, der das nicht tut.
Wir können nicht darauf warten, dass es einen christlichen Staat gibt, in dem alles nach Nächstenliebe läuft. Denken wir an Joseph, der als Sklave nach Ägypten verkauft wurde. Er wird berufen, den Traum des Pharaos zu deuten, und zum Vizekönig eingesetzt.
Joseph sagt nicht: „Ich bin fromm, mit schmutziger Politik will ich nichts zu tun haben, ich steige aus.“ Er weiß, dass diese Berufung von Gott kommt, und übernimmt Verantwortung in einem heidnischen Staat. Die Ägypter beteten viele Götter an, die von unserem Glauben abweichen. Trotzdem wirkt Gott durch Joseph.
Joseph zwingt niemanden, Jude zu werden, aber er spricht von seinem Gott und erfüllt seine Aufgabe im Sinne Gottes. Er legt Vorratshäuser an, sammelt Ernte für die Hungersnot und sorgt gut für das Land.
Ein anderes Beispiel ist Daniel, der aus Israel entführt wird und im Exil in einem fremden Land dient. Er lernt die Sprache, dient dem König als Sklave und steigt durch Gottes Führung bis in höchste Regierungsämter empor – ebenfalls in einem heidnischen Staat.
Oder denken wir an Königin Esther, die bis in höchste Verantwortung für den Staat gelangt – ebenfalls in einem heidnischen Umfeld.
Diese Beispiele zeigen, dass Gläubige nicht nur in einem Staat Verantwortung tragen, der nach christlichen Motiven handelt, sondern auch in Staaten, die das nicht tun.
Deshalb müssen wir nicht darauf warten, bis wir einen christlichen Staat haben, um politisch Verantwortung zu übernehmen. Wenn Christen berufen sind, sich politisch zu engagieren, dann kann das auch in einem Staat geschehen, der nicht allein nach christlichen Motiven handelt.
Das bedeutet natürlich auch, dass wir in diesem Staat handeln und nicht immer das Optimum durchsetzen können. Wir können nicht erwarten, dass sich alle nach christlichen Motiven richten, wenn wir über Menschen regieren, denen die Bibel nichts sagt und die sich auch nicht danach richten wollen.
Wie ist das im Neuen Testament? Das griechische Wort Polis, das damals so viel wie Staat oder Politik bedeutete, finden wir im Neuen Testament 161 Mal.
Im Römerbrief 13 wird unter anderem gesagt, dass Gott die Obrigkeit eingesetzt hat – und zwar jede Obrigkeit. Es wird erklärt, dass diese Obrigkeit von Gott den Auftrag hat, die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen. Das geht dort sogar bis hin zur Todesstrafe. Es heißt, die Obrigkeit trägt das Schwert nicht umsonst, sondern soll es einsetzen, um die Bösen zu bestrafen. Wir werden aufgefordert, uns als gläubige Christen dieser Obrigkeit zu unterordnen.
Hier haben wir wieder eine Anweisung: Wenn du Jesus Christus folgen willst, bist du Bürger deines Staates und durch Jesus verpflichtet, dich grundsätzlich nach den Ordnungen dieses Staates zu richten. Das gilt zumindest so lange, wie diese Ordnungen nicht grundsätzlich den Ordnungen Gottes widersprechen.
Wenn der Staat zum Beispiel verlangt, einen heidnischen Gott anzubeten, wie es bei Daniel der Fall war, können wir als Christen sagen: Nein, das machen wir nicht mit. Oder wenn im Nationalsozialismus gesagt wird, du sollst einen Juden töten, nur weil er Jude ist, dann müssen wir als Christen sagen: Die Ordnung Gottes ist höher als die Ordnung der Menschen. Darauf bin ich nicht bereit einzugehen, auch wenn ich die Konsequenzen tragen muss.
Christen in der Zeit des Nationalsozialismus – uns allen sind Namen wie Bonhoeffer oder von Bodelschwingh bekannt, der seine bodelschwinghschen Anstalten hatte. Diese Leute waren in Gefahr, wurden zum Teil eingesperrt oder sind umgekommen, aber sie haben sich treu am Wort Gottes festgehalten. Es heißt also: Nicht immer mitmachen, aber generell dem Staat gegenüber verantwortlich sein.
Auch im ersten Petrusbrief 2,13-14 wird gesagt, dass wir dem Staat gegenüber gehorsam sein und für ihn beten sollen. Hier zeigt sich eine Verantwortung der Christen, selbst wenn sie kein politisches Amt innehaben. Sie können sich nicht zurückziehen und sagen, das geht mich nichts an, denn sie leben in diesem Staat. Sie sollen für sein Wohl und für die Verantwortlichen beten – das ist eine Aufforderung, die wir in der Bibel finden.
Jesus sagt in Markus 12, Vers 17, dass wir dem Kaiser geben sollen, was des Kaisers ist. Jesus ruft nicht zur Revolution auf. So sehr wir uns auch ärgern können, zum Beispiel über die Mineralölsteuer, steht dort, dass wir sie bezahlen müssen – solange sie nicht gegen die Ordnung Gottes verstößt. Das mag ärgerlich sein, aber grundsätzlich hat Gott den Staat eingesetzt. Der Staat macht nicht immer alles richtig, das steht in der Bibel auch, aber wir sind verantwortlich, uns ihm unterzuordnen. Jesus selbst sagt das.
Hier merken wir auch: Der Christ ist Staatsbürger. Man kann das nicht vollkommen voneinander trennen.
Wir finden sogar, dass Menschen, die Jesus nachfolgen, durchaus auch hohe politische Ämter innehaben können. Denken wir an den Hauptmann von Kapernaum, der zu Jesus kommt. Hauptmänner waren damals nicht nur Militärs, sondern hatten auch politische Verantwortung für die Verwaltung eines Landes.
Da ist auch Cornelius im Neuen Testament, der fromm ist und zum Glauben kommt. Auch er hatte eine politische Verantwortung im Staat. An keiner Stelle lesen wir, dass er diese aufgeben soll oder sagen soll, das spielt keine Rolle mehr. Diese Ämter können weiter ausgeübt werden, aber wie man darin handelt, soll sich verändern.
Ich würde auch die Predigt von Johannes dem Täufer heranziehen, bevor Jesus auftritt. Soldaten fragen ihn zum Beispiel: Was sollen wir tun? Johannes sagt nicht, dass sie ihren Soldatenjob aufgeben sollen, weil man als frommer Mensch das ja nicht tut. Stattdessen sagt er: Ihr sollt kein Unrecht tun, nicht rauben und nicht korrupt werden. Dann nennt er einige Punkte: Ihr sollt euch mit eurem Sold zufrieden geben und keine Gewalt anwenden, wo sie nicht unbedingt nötig ist. Das scheint die Anleitung für einen „christlichen Soldaten“ zu sein.
Jesus hält davon nicht ab. Bei all den Militärs, mit denen Jesus oder Paulus zu tun haben, lesen wir keine Stelle, wo gesagt wird, wenn ihr Christen werden wollt, müsst ihr zuerst eure Waffen niederlegen. Die Mennoniten haben das gefordert, vermutlich aus gutem Beweggrund, aber biblisch ist das nicht gefordert.
Wir haben Aussagen, dass „wer das Schwert nimmt, durch das Schwert umkommen wird“. Das ist aber kein Verbot, das Schwert zu nehmen, sondern bedeutet, dass man mit den Konsequenzen rechnen muss. Wenn du kämpfst, musst du damit rechnen, getötet zu werden.
Jesus fordert auf, sich der Obrigkeit unterzuordnen, zum Beispiel in Matthäus 5,11-12. Das lesen wir auch in der Offenbarung, und Paulus fordert dazu auf – und das in einem Staat, der nicht freundlich gegenüber Christen gesinnt war.
In den ersten drei Jahrhunderten waren es Herrscher, die Christen angegriffen und verfolgt haben. Trotzdem gibt es die Aufforderung: Betet für den Staat, betet für die Obrigkeit. Jesus selbst wusste, dass er von der Obrigkeit verurteilt werden würde. Immerhin waren es Pilatus und Herodes, die ihn verurteilten. Gott wusste das im Voraus, und trotzdem sagt Jesus: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.
Es ist also nicht die Forderung, sich nur dann an den Staat zu halten, wenn er tut, was man will. Wir müssen uns auch dann unterordnen, wenn der Staat nicht so handelt, wie wir uns das vorstellen.
Wir werden aufgefordert, ethisch und moralisch vorbildlich zu leben (Römer 12,17-21; Galater 6,9). Das heißt zum Beispiel: Lebt in Frieden mit jedermann. Das ist auch eine politische Aussage für unsere Umgebung, in der wir wohnen. Es ist eine Herausforderung, in der wir stehen.
Auch im Neuen Testament sind wir also nicht generell unpolitisch. Es wird gesagt, dass wir uns der Gemeinde unterordnen sollen, dem Arbeitgeber, der Familie – es gibt eine Frage von Unterordnung. Damit haben wir zu tun. Das ist etwas, was wir in der Bibel finden.
Jetzt stellt sich die Frage: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus, und was können Christen konkret tun? In der Bibel steht nicht, dass jeder von uns Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin werden soll. Es heißt auch nicht, dass wir unser Hauptaugenmerk auf die Politik richten oder Wahlkampf machen müssen. Vielmehr sollte unser Hauptaugenmerk als Christen auf der Verantwortung in der Familie und gegenüber Gott liegen. Das ist der Kern, und das dürfen wir nie vergessen.
Wir werden als Christen keine vollkommen glückliche Gesellschaft auf Erden errichten, in der alle zufrieden sind und jedem Recht getan wird. Solange wir hier auf der Erde leben, befinden wir uns in einer gefallenen Welt, die vom Bösen geprägt ist. Deshalb heißt es im Vaterunser: „Bewahre uns vor dem Bösen.“ Wir sollen nicht in Versuchung geführt werden, sondern erlöst werden von dem Bösen. Das gilt für die Zeit bis zur Wiederkunft Jesu, bis Gott sein Reich aufrichtet und wir in der Ewigkeit sein werden. Bis dahin leben wir in einer unvollkommenen Welt.
Dennoch haben wir in dieser unvollkommenen Welt Verantwortung entsprechend unserer Stellung. Das wird in der Bibel relativ eindeutig gesagt. Zum Beispiel hat die Frau nicht dieselbe Verantwortung wie der Mann, der Gemeindeleiter trägt andere Verantwortung als das Gemeindeglied. Lehrer haben eine doppelte Verantwortung, weil sie eine höhere Stellung in der Gemeinde innehaben und deshalb doppelt vor Gott Rechenschaft ablegen müssen. Ebenso hat jemand, der in der Politik eine höhere Stellung innehat, mehr Verantwortung.
Im Römerbrief lesen wir, dass die Juden vor Gott eine größere Verantwortung tragen, weil sie mehr Offenbarung Gottes im Alten Testament erhalten haben als die Heiden, die weniger davon wussten. Als Christen haben wir eine höhere Verantwortung, weil wir mehr wissen, was Gott will, als jemand, der die Bibel und Gott gar nicht kennt. Dennoch möchte ich betonen: Unsere primäre Aufgabe ist nicht, Politiker zu werden und den Glauben zur Nebensache zu machen. Der Kern und die Basis unseres Lebens muss immer der Glaube bleiben. Daraus ziehen wir auch Kraft, wenn es in unserer Umgebung schwierig wird oder Menschen sich nicht auf das einlassen, was wir gerne wollen.
Wer sich politisch engagiert und das einmal ausprobiert hat, wird merken, dass es ein hartes Geschäft ist. Es ist nicht so, dass wir einfach hingehen und alle uns bejubeln und sagen: „Toll, jetzt kommt du als Christin, wir machen dich zur Bundeskanzlerin.“ Nein. Ich habe kürzlich mit einer Frau in Sachsen gesprochen, die eine Zeit lang in einer Partei gearbeitet hat – ich nenne bewusst keine Partei, denn es geht nicht um Werbung –, und sie hat frustriert das Handtuch geworfen. Sie sagte, es gibt so viel Klüngeln, Machtstreben, jeder will seinen Posten, es geht ums Geld und um Verwaltung. Nach ein paar Jahren hat sie frustriert aufgegeben, weil das die Realität in der Politik ist.
In der Politik werden oft Verbindungen geknüpft: „Wir sind Verbündete, wir trinken regelmäßig zusammen, und bei der Wahl stimmst du auch für mich, wenn ich für deine Sache stimme.“ Politik ist nicht nur reines Wissen und das Handeln nach eigenem Gewissen. Das ist Unsinn. Häufig wird nach Fraktionszwang im Parlament abgestimmt. Dabei geht es nicht nur darum, ob man für oder gegen etwas ist, sondern der Parteichef entscheidet, und dann muss man die Hand heben. Das ist Realität.
Wenn wir uns nur mit einem Wolkenkuckucksheim zufriedengeben, mit einem Ideal, das wir uns vorstellen, werden wir als Christen scheitern. Wir werden nicht den Atem dafür haben. Je höher die Posten in der Politik sind, desto größer wird die Versuchung. Heute sagen wir vielleicht: „Wir lassen uns doch nicht bestechen, wir sind nicht korrupt.“ Das liegt oft daran, dass niemand Interesse hat, uns zu bestechen. Nehmen wir an, Sie sind heute Morgen hier als Rentner. Warum sollte man Sie bestechen? Wofür denn? Gibt es Millionen zu verdienen?
Wenn Sie aber Dezernent in Köln sind, zuständig für Umweltfragen oder Müllbeseitigung, und es soll eine neue Müllverbrennungsanlage für zig Millionen gebaut werden, dann kann es Angebote geben: „Unser Angebot ist das beste, und damit du das weißt, bauen wir dein Haus neu, hier ist noch eine Reise, und hier noch 500.000 Euro.“ Dann ist die Versuchung größer, Ja oder Nein zu sagen. Solange niemand uns etwas anbietet, können wir sagen, wir würden widerstehen. Aber wenn das Geld angeboten wird und gesagt wird, es sei nichts Böses, dann ist die Versuchung groß. Viele, die angetreten sind, um gegen Korruption zu kämpfen, landen nach einigen Jahren selbst darin.
Diese Versuchung können wir nur widerstehen, wenn wir eindeutige Maßstäbe haben, nicht nur Ideale, sondern klare Maßstäbe. Ich weiß, ich bin nicht nur dem Richter gegenüber verantwortlich. Sonst würde ich versuchen, den Richter auszuschalten, so wie einige Politiker und Wirtschaftsleute es tun, zum Beispiel Zumwinkel. Sie versuchen, dubiose Firmen zu bestechen, Geld auf legalen Wegen zu verstecken. Wenn ich nicht innerlich die Moral von Gott habe, weil ich weiß, dass ich letztlich vor Gott verantwortlich bin, wird das schnell zusammenbrechen. Das gibt Halt, in diesen Auseinandersetzungen zu bestehen.
Ich glaube, es gibt heute Menschen, auch Christen, die gefordert sind, in der Öffentlichkeit den Mund aufzumachen und für christliche Werte und Überzeugungen einzustehen. Wir sollten nicht die Illusion haben, dass das spurlos vorbeigeht. Es gibt Menschen, die darauf warten und antworten. Ich habe mit einem Politiker gesprochen, der in der Landespolitik tätig ist. Es ging um das Thema Abtreibung. Er sagte, dass CSU- oder CDU-Politiker eigentlich gegen Abtreibung sind, aber wo sind die Leute, die sie unterstützen? Wenn niemand sie unterstützt, wofür sollen sie sich dann einsetzen?
Er sprach mit einigen Leuten aus der evangelischen Kirche, wurde aber nicht klüger. Die sagten ihm, Abtreibung sei eigentlich nicht gut, aber die Situation sei komplex. Daraufhin fragte er: „Wofür kämpfe ich denn jetzt?“ Wenn ihr das nicht wollt, dann mache ich nichts mehr, denn ein Politiker muss schließlich gewählt werden. Hier brauchen wir Christen, die solche Leute unterstützen, die ihnen Mut machen und sagen: „Wir sind dafür, wir setzen uns dafür ein.“
Vor ein paar Jahren habe ich eine Unterschriftenliste initiiert, zusammen mit anderen Christen, als die Abtreibungspille eingeführt wurde. Es war ein neuer Schritt, Abtreibung zu Hause zu ermöglichen. Wir sammelten 20.000 Unterschriften und übergaben sie im Bundeskanzleramt. Das veränderte wenig, aber meine Verantwortung vor Gott und den Menschen ist es, aufmerksam zu machen. Manchmal hören Politiker darauf, manchmal nicht.
Eine andere Aktion war die Pressekonferenz gegen die Homo-Ehe in Berlin. Einige Journalisten sagten uns hinter vorgehaltener Hand, sie seien eigentlich unserer Meinung, dürften es aber nicht öffentlich sagen. Heute wird ein Politiker, der Homosexualität kritisch sieht, kaum noch gewählt. Fernsehmoderatoren, die Familie als von Gott gewollt bezeichnen, werden schnell ausgegrenzt. Dinge, die heute nicht populär sind, kann man kaum noch offen sagen, vor allem wenn man Karriere machen will.
Wir sind gefragt, solche Leute zu unterstützen und ihnen Mut zu machen, dass man solche Überzeugungen auch öffentlich vertreten darf. Christen sollten nicht nur dadurch bekannt sein, was sie ablehnen, sondern auch wofür sie stehen. Das müssen wir ebenso deutlich machen. Jeder kann Politiker, die sich positiv für christliche Werte einsetzen, unterstützen.
Wir können generell Vorbilder sein – auch das ist politisch. Politik bedeutet nicht nur, Veränderungen zu fordern, sondern auch bei sich selbst anzufangen. Wenn wir gute Vorbilder sind, werden andere aufmerksam, und das wirkt oft mehr als viele Sonntagsreden. Das ist auch politisch: Wenn ich versuche, eine gute Ehe zu führen, wirkt das auf andere, im Gespräch mit Nachbarn und in der Umgebung.
Wir wohnen in einem kleinen Dorf, da gibt es solche Gespräche. Wenn Leute merken, dass ich nicht nur auf den Staat schimpfe und zum Betrug an der Versicherung aufrufe, sondern ehrlich bin, gewinnt das Glaubwürdigkeit. Wenn ich ehrlich bin, wer glaubt mir dann noch, wenn ich nachher von Ehrlichkeit rede? Vorbildfunktion ist deshalb sehr wichtig – und das ist politisch, weil es etwas verändert.
Wenn ich politisch sage, es sei gut, Kinder zu haben, weil die Zukunft des Staates gesichert wird, aber selbst dagegen argumentiere, dass Kinder mühsam und teuer sind, bin ich unglaubwürdig. Auch hier gilt die Vorbildfunktion.
Zweitens können wir Kommentare zu aktuellen Entwicklungen geben. Jesaja 1,1-17 und Apostelgeschichte 17,16 zeigen Beispiele, wo Propheten im Alten Testament Stellungnahmen abgaben, wenn Könige oder Regierungen falsch entschieden haben. Wir können als Christen auch öffentlich Stellung nehmen und sagen: „Das ist nicht in Ordnung.“ Unterordnung unter den Staat heißt nicht, dass wir immer alles gutheißen müssen. Wir beten für den Staat und sind bereit, uns unterzuordnen, wo es möglich ist. Wenn der Staat aber gegen biblische Maßstäbe verstößt, sind wir herausgefordert, das zu sagen. Das ist legitim.
Allerdings nicht durch Gewalt oder Selbstjustiz. Es gibt in den USA extremistische Christen, die Abtreibungsärzte erschossen haben. Das ist nicht unser Weg. Der Staat ist verantwortlich, auch für die Justiz. Ich als Christ sage: Abtreibung ist nicht von Gott gewollt, weil das ungeborene Kind von Gott geschützt ist. Aber ich lade Schuld auf mich, wenn ich einen Arzt erschieße. Wo fangen wir an, wo hören wir auf? Selbstjustiz ist falsch. Der Staat muss das Recht sprechen, und ich kann ihn dabei unterstützen.
1. Timotheus 2,2 fordert uns auf, den Staat in seiner Aufgabe zu unterstützen. Aber nicht nur zu sagen: „Staat, kümmere dich um die Armen“, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen. Jakobus 4 erinnert uns daran, dass es Sünde ist, Gutes zu wissen und es nicht zu tun. Wenn ich sehe, dass jemand in Not ist, und ich helfe nicht, dann ist die Liebe Gottes nicht in mir.
Das heißt, wir sollen nicht nur auf den Staat schimpfen, sondern selbst helfen, zum Beispiel Obdachlosenheime unterstützen oder alleinerziehenden Müttern helfen. Jesus hat Sünder als solche benannt, ihnen aber auch Vergebung und Neuanfang angeboten. Er verurteilte nicht die Ehebrecherin, sondern vergab ihr und forderte sie auf, nicht mehr zu sündigen.
Wir dürfen nicht so tun, als seien wir rein und Gott würde uns lieben, aber andere nicht mehr, wenn sie sündigen. Gott liebt auch die, die sich nicht nach ihm richten, aber er will, dass sie umkehren. Dafür müssen wir die Hand reichen und Hilfe anbieten. Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen für die Gesunden, sondern für die Kranken.“ Er vergleicht sich mit einem Arzt, der für die Kranken da ist.
Viele Menschen in unserer Umgebung leben zwar durchschnittlich, meinen, bei ihnen sei alles in Ordnung, machen ab und zu Fehler, aber das sei normal. Doch der entscheidende Faktor ist, dass wir alle sündig sind und vor Gott verurteilt werden müssten. Jesus ist für unsere Schuld gestorben, damit wir Vergebung erhalten können, wenn wir ihn darum bitten.
Es hilft nicht, auf andere zu zeigen, die schlimmer sind. Gesetzesübertretung bleibt Gesetzesübertretung, egal wie viele es tun. Wer vor Gott steht, wird verurteilt, wenn er nicht Vergebung annimmt. Wir als Christen müssen diese Vergebung auch anderen anbieten.
Wir sollten für Politiker beten, die als Christen in der Politik stehen. Zum Glück gibt es solche. Außerdem sollten wir bei Wahlen gut überlegen, wen wir wählen, und Christen unterstützen, die nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Es gibt keine Partei, die alles richtig macht, denn viele politische Entscheidungen sind nicht biblisch geregelt.
Zum Beispiel gibt es keinen Bibelvers, der sagt, wie schnell man in Ortschaften fahren darf oder wie hoch Diäten sein sollen. Solche Entscheidungen müssen mit Weisheit getroffen werden. Christen in Parteien versuchen, das nach bestem Wissen umzusetzen, und wir sollten sie unterstützen und für sie beten.
Wir können uns auch auf unser Recht berufen, wenn es um Religionsfreiheit geht. Jesus nennt die bittende Witwe, Paulus beruft sich auf seine römische Bürgerschaft. Christliche Schulen fordern ihre Rechte ein, und wir können das auch tun. Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sind Rechte, für die wir einstehen dürfen.
Wir können auch protestieren, wie es im Alten Testament bei Jeremia und Hosea beschrieben wird. Dort gab es öffentliche Zeichen, um auf Gottes Gericht aufmerksam zu machen. Solche öffentliche Demonstrationen sind nicht grundsätzlich verboten. Unser Staat erlaubt es sogar, öffentlich aufzutreten und seine Meinung kundzutun.
Wie kommen wir zu Entscheidungen, wenn die Bibel nicht über alles etwas sagt? Wir müssen Eckpfeiler christlicher Ethik kennen und daran festhalten. Dazwischen müssen wir nach Weisheit ableiten. Zum Beispiel im Umgang mit Flüchtlingen: Es gibt keinen Bibelvers, der genaue Asylverfahren regelt.
Aber die Bibel zeigt Beispiele von Menschen, die ins Exil gingen, wie Abraham, Jakob, Joseph, Maria und Josef. Jesus selbst war als Kind eine Art Asylbewerber in Ägypten. Christen wurden im römischen Reich zerstreut. Diese Beispiele zeigen, dass Gott das gutheißt.
Wir können nicht als Christen sagen, alle Ausländer sollen rausgeschmissen werden. Das ist unbiblisch. 5. Mose 14,29 und 16 sagen, dass der Fremdling im Land geschützt werden soll. 5. Mose 10,18-19 fordert, den Fremdling zu lieben, weil Israel selbst Fremdling war. Fremdlinge sollen dieselben Rechte haben wie Israeliten, aber sich an die staatlichen Ordnungen halten (3. Mose 24,22).
Das bedeutet: Flüchtlinge können aufgenommen werden, aber sie müssen sich an die Gesetze halten. Sie werden nicht gezwungen, Christ zu werden, aber sie müssen sich an die Regeln halten, zum Beispiel bezüglich Ehe und Zwangsheirat.
Diese Grundsätze schützen sowohl vor Ausländerfeindlichkeit als auch vor einem ungeordneten Multikulti, in dem jeder macht, was er will. Zum Beispiel ist in Deutschland nur eine Ehefrau erlaubt, und das gilt auch für Muslime.
Der Islam erlaubt zwar mehrere Frauen, aber nicht als Pflicht. Viele islamische Länder erlauben nur eine Frau. Korangelehrte sagen, man soll alle Frauen gleich behandeln, was kaum möglich ist, so dass eigentlich nur eine Frau vorgesehen ist.
Muslime können sich den Ordnungen unterwerfen und trotzdem Muslim bleiben. Bassam Tibi hat dazu Bücher geschrieben. Wir sollten uns nicht von Forderungen wie der Einführung der Scharia in Großbritannien irritieren lassen. Muslime dürfen ihren Glauben ausüben, müssen sich aber an die staatlichen Gesetze halten.
Das ist eine gute Grundlage für unsere Rechtsprechung und Politik. Wir brauchen eine Zwischenlinie zwischen Ausländerfeindlichkeit und ungeordnetem Multikulti.
Man kann fragen: Wenn ein Iraker mit zwei Frauen nach Deutschland kommt, darf er dann alle krankenversichern? Solche Fälle gibt die Bibel nicht vor. Für solche Einzelfälle gibt es keine biblische Antwort, sondern wir müssen nach Weisheit entscheiden.
Auch die Frage, wer Flüchtling ist, ist nicht immer einfach. Jemand, der mehr Geld verdienen will, ist vielleicht kein Flüchtling. Jemand, der politisch verfolgt wird, schon. Das muss im Einzelfall entschieden werden.
Generell aber ist es unchristlich, alle Ausländer abzulehnen oder zu zwingen, Christ zu werden. Die Bibel gibt Eckpfeiler, aber keine Details. Wir müssen diese Eckpfeiler kennen, um nicht aus Emotionen zu handeln.
1. Petrus 2,16-17 sagt: „Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Gutes Tun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt, als Freie, aber nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für Bosheit benutzen, sondern als Sklaven Gottes. Erweist allen Ehre, liebt die Geschwister, fürchtet Gott, ehrt den König.“
Das ist ein Leitfaden, wie wir uns in der Öffentlichkeit verhalten sollen. Zuerst Vorbild sein, nicht die Freiheit als Deckmantel für Bosheit nutzen. Dann Gott nachfolgen, ihm dienen, allen Menschen Ehrfurcht entgegenbringen, die Geschwister lieben, Gott fürchten und das Regierungsoberhaupt ehren.
Psalm 119,97 sagt: „Wie habe ich dein Gesetz so lieb, täglich rede ich davon; du machst mich mit deinem Gebot weiser als meine Feinde; denn es ist ewiglich mein Schatz.“ Wenn wir Maßstäbe setzen wollen, dürfen wir uns nicht auf Gefühl oder Tradition verlassen, sondern auf das Gesetz Gottes. Gott sieht mehr als wir, und seine Ordnung hält auf Dauer.
Viele gesellschaftliche Probleme heute, besonders seit den 1968er Jahren, hängen damit zusammen, dass christliche Maßstäbe immer weniger gelten. Wir sind herausgefordert, dem entgegenzuwirken.
Es gibt viele historische Beispiele, wo Christen die Welt maßgeblich beeinflusst haben, weil sie so lebten. Abraham Kuyper war Anfang des 20. Jahrhunderts Ministerpräsident der Niederlande und hat das Land aus christlichen Erwägungen verändert. Er gründete eine freie Universität und setzte sich für Mitbestimmung christlicher Gruppen in Medien ein.
In Deutschland verdanken wir Sozialgesetzgebung wie Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung Bismarck, der als Christ diese Reformen aus christlicher Verantwortung einführte. Raiffeisen gründete die Volksbanken aus christlicher Überzeugung, um Menschen vor Ausbeutung zu schützen.
Krankenhäuser entstanden aus christlichem Glauben, im Gegensatz zu anderen Religionen, die Krankheit als Strafe oder Karma betrachten. Die größten Behinderteneinrichtungen in Deutschland wurden aus christlichem Glauben gegründet, zum Beispiel die Bodelschwinghschen Stiftungen.
Christlicher Glaube bewegt also viel, und Christen, die bereit sind, sich im öffentlichen Bereich einzusetzen, haben ein großes Potenzial. Nicht jeder ist dazu berufen, aber wir alle tragen Verantwortung an der Stelle, wo wir sind, sei es durch Kommentare, Briefe oder Gebet.
Ich habe zum Beispiel Volker Beck geschrieben, weil ich seine homosexuelle Agitation kritisierte. Auch Leserbriefe an Zeitungen und Petitionen sind Möglichkeiten, die wir nutzen können. Wir können nicht erwarten, dass Politiker christliche Politik machen, wenn niemand ihnen sagt, dass wir das wollen.
Unsere Heimat ist im Himmel, aber solange wir hier leben, müssen wir Verantwortung übernehmen. Wenn wir nichts tun, dürfen wir uns später nicht beklagen, dass die Politik unchristlicher wird. Unsere Faulheit wird uns dann angelastet.
Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber die Zeit ist abgelaufen. Ich möchte die Möglichkeit für Rückfragen und Kommentare geben. Es muss nicht jeder meiner Meinung sein.
Zum Thema Muslime: Wir sollten nicht pauschal kritisieren, sondern differenziert vorgehen. Es ist verständlich, wenn man sich an Minaretten stört oder an großen Moscheebauten. Die Kritik darf aber nicht pauschal auf Muslime abzielen.
Der Koran enthält den Begriff „Takiyya“, der erlaubt, Ungläubige zu täuschen. Man kann sich fragen, ob man sich mit dem Koran noch auseinandersetzen sollte. Muslime beziehen sich auf Rechtsgelehrte und Fatwas, die schwer zu greifen sind.
Viele Christen investieren viel Zeit in diese Debatte, ohne dass viel herauskommt. Wir vertrauen darauf, dass Gott die Welt in der Hand hat. Er führt die Geschichte, nicht wir. Das zeigt sich beim Zusammenbruch des Ostblocks.
Politik ist mehr als nur die Auseinandersetzung mit dem Islam. Es gibt Familien-, Sozial-, Umwelt- und Außenpolitik, zu denen Christen Ideen einbringen können. Umweltpolitik ist wichtig, weil die Schöpfung Gottes bewahrt werden soll.
Wir dürfen nicht nur auf den Islam fixiert sein. Das ist nur ein Teil der Politik. Wir tun, was wir können, und vertrauen darauf, dass Gott die Sache lenkt.
Ich möchte mit einem Gebet schließen. Wir müssen uns auf die Bibel konzentrieren, um zu wissen, mit wem wir es zu tun haben und unsere Überzeugungen vertreten zu können.
Vater im Himmel, danke, dass du da bist. Du hast gehört, was wir heute besprochen haben, und weißt, was richtig und weise ist und was unsere Meinung ist. Bitte führe uns, erinnere uns an das Gute, gib uns Weisheit, wo wir Verantwortung übernehmen sollen und den Mund aufmachen sollen.
Hilf uns, vorbildlich zu leben, Politiker auf Fehler aufmerksam zu machen und Initiativen zu ergreifen, um Menschen zu helfen und auf dich aufmerksam zu machen. Bewahre uns vor Extremismus und lass uns deine Grundlagen immer besser kennenlernen.
Schenke uns Liebe zu den Menschen in unserer Umgebung, damit wir nicht nur ihre Gefahren sehen, sondern auch, dass du sie liebst und erreichen willst. Mögen immer mehr Menschen in Deutschland dich kennenlernen und mit dir leben.
Wir bitten dich auch für unsere Politiker auf Landes- und Bundesebene, dass du ihnen Weisheit gibst und sie zum Wohl unseres Landes regieren. Lass sie Lobbygruppen erkennen, die nicht im Sinne Gottes handeln, und gib ihnen Mut, Nein zu sagen.
Wir danken dir, dass du alles in der Hand hast und dass wir uns auf die Ewigkeit bei dir freuen dürfen. Begleite uns heute bei allen Entscheidungen, Begegnungen und Verantwortungen. Amen.
Ich bleibe noch für Gespräche und Fragen. Auf dem Tisch hinten liegen einige meiner Bücher zu Themen wie moderne Bibelübersetzungen, Sakrilege, Blaise Pascal, Medizin und Ethik. Sie können gerne etwas mitnehmen und eine Spende in den Karton legen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag und stehe für Fragen zur Verfügung.