Liebe Schwestern und Brüder,
die Teerstegenkonferenz in Essen ist unser aller Mutter. Sie ist die Mutter der Glaubenskonferenzen in der Bundesrepublik, und wir danken für alle Anstöße, die von ihr ausgegangen sind.
Inzwischen ist das kleine Kindlein bei uns in Württemberg recht munter und flügge geworden. Wir freuen uns, dass wir morgen an acht Stellen unseres Landes – wir sagen unseres Ländles – Regionalkonferenzen abhalten können.
Dabei ist es nicht wichtig, wie viele dazu kommen, sondern dass Jesus zu Einzelnen spricht und der auferstandene Jesus Zugang zu seinem biblischen Wort schafft.
Der Zugang zur Bibel als Herausforderung
Damit sind wir beim Thema: der auferstandene Jesus und der Zugang zur Bibel.
Wir haben zu Hause in Schondorf einen prächtigen Jugendkreis. Wenn wir ein Treffen für Menschen mit Behinderung veranstalten, sind sie voll dabei bei der Vorbereitung. Junge Flüchtlinge aus der DDR entdecken sie, und sie bringen ihnen eine Wohnung und Möbel. Wenn sie ihre modernen Glaubenslieder singen, dann wackeln die Wände. Und wenn sie eine Gebetsgemeinschaft haben, wünschen wir Eltern uns, dass das Herz der Väter zu den Kindern bekehrt werde.
Aber wenn sie vor der Bibel sitzen, tun sie sich schwer! Was ist denn gemeint, wenn Jesus sagt: „So ihr nicht werdet wie die Kinder“? Ich kann so schlecht mit Kindern umgehen. Was will Jesus denn von mir? Warum waren in Kana sechs Weinkrüge, und die großen Krüge zur Reinigung nicht fünf? Hat die Zahl eine Bedeutung? Warum wurde Jesus mit Mördern gekreuzigt? Was ist überhaupt ein Schacher?
Wenn sie uns mit solchen Fragen überfallen, merken wir: Der Zugang zur Bibel ist schwierig. Der normale Mensch kommt gar nicht so leicht in die Bibel hinein.
Oder ich denke an die junge Frau, die den Zugang zum Glauben an Jesus gesucht hat. Sie sagte: „Ihr Pfarrer redet immer von oben herab von der Kanzel. Können Sie mir nicht einen Kreis von Menschen sagen, so wie ich, mit denen ich zusammen die Bibel lesen kann?“ Ich nannte ihren Hauskreis, und sie war glücklich darüber.
Aber eines Tages kam sie und sagte: „Ich bin doch froh, dass es noch Gottesdienste gibt, bei denen Sie, Pfarrer, von der Kanzel predigen und sich bemühen, die Bibel auszulegen. Im Hauskreis reden wir über viele Probleme, aber ich habe dort unten den Eindruck, dass wir überhaupt nicht zur Bibel kommen.“
Die Not der Suchenden und die Schwierigkeit des Verstehens
Kennen Sie die Not der lieben, frommen Menschen, die die Bibel liebhaben wollen, aber keinen Zugang finden? Keinen Zugang zur Bibel.
Die frommen Pharisäer zur Zeit Jesu sagten: In der Bibel steht doch etwas über Ehescheidung, man darf sich scheiden. Doch Jesus antwortet: „Oh, ihr armen Burschen, von Anfang an war es anders gedacht. Der, der den Menschen geschaffen hat, schuf ihn als Mann und als Frau, als seine Freude. Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weib hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Das ist Bibel.
Oder da kamen die Sadduzäer und sagten zu Jesus: „Das mit der Auferstehung haben doch die Pharisäer erfunden. Das steht doch gar nicht in der Schrift, im Alten Testament. Wenn wir die Bibel ernst nehmen, die Geschichte von Tobias, wie die Frau sieben Männer nacheinander hatte – Herr Jesus, wenn es eine Auferstehung gäbe, gäbe es ja die schlimmste Keilerei im Himmel. Jeder würde sagen: ‚Mädchen, endlich sehe ich dich wieder!‘ Und andere würden ihn wegstoßen und sagen: ‚Nein, entschuldige, das ist meine Frau. Herr Jesus, im Himmel gibt es doch kein Durcheinander, das kann doch nicht wahr sein.‘“
Ganz ernst: Ihr irrt! Ihr wisst weder die Schrift noch die Kraft Gottes. Gott ist ein Gott der Lebendigen und nicht der Toten. Er ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ihm leben sie alle.
Wir werden in diesen Tagen noch hören von dem äthiopischen Schatzminister, wie er die Schriftrolle zu verstehen sucht und sie nicht verstehen kann. Die Not der Menschen, die gern die Bibel liebhaben würden und keinen Zugang haben.
Der natürliche Mensch und das Verstehen der Schrift
Und da sagt der Apostel Paulus: Knochen trocken. Der natürliche Mensch vernimmt nichts. Paulus sagt nicht, dass der gottlose Mensch oder der zerfahrene Mensch nichts vernimmt, sondern der normal gebaute Mensch vernimmt nichts.
Auch wenn er in einem frommen Elternhaus aufgewachsen ist und Gott lieben möchte, ist es normal, dass die Bibel für uns verschlossen bleibt. Die liebe Großmutter Busch hat es uns Jüngeren zum Trost einmal erzählt, wie Johannes Busch als Theologiestudent der gesegnete Seelsorger Johannes Busch, der auch für die Therstegen-Konferenz so viel bedeutet hat, vor 25 Jahren heimgegangen ist.
Sie erzählte, wie er als Theologiestudent einmal in der Hülbener Stunde gesessen habe und so schicke Pritscheshosen getragen habe, wie ich sie damals gehabt habe. Die Mutter sagte mit großer Liebe über ihren Sohn: Wie er mit seinen Händen an den Pritscheshosen gerieben habe, aber trotz allem Reiben sei oben nichts Vernünftiges herausgekommen, sondern nur dürre Moral.
Sie wollte die Großmutter nicht schlechtmachen, die für ihren gesegneten Sohn gebetet hat, sondern uns Enkeln klarzumachen, dass auch ein frommes Elternhaus nicht garantiert, dass die Bibel offen ist. Auch ein Theologiestudium garantiert nicht, dass sich die Bibel öffnet. Der normale Mensch vernimmt nichts.
Es ist die meine Torheit!
Das Wunder des auferstandenen Jesus und das geöffnete Wort
Und dann geschieht das Wunder: Der auferstandene Jesus kommt zu uns, nimmt das Brett von unserem Kopf und die Binde von unseren Augen. Durch das Wort seiner Apostel und Propheten schenkt er uns ein Wort, das so persönlich erscheint, als wäre es nur für mich gesprochen. So entdecke ich eine Schneise, Zusammenhänge, die mein Herz erwärmen. Ich merke, dass Jesus jetzt durch sein herrliches biblisches Wort mit mir redet.
Als ich junger Pfarrer in Ulm war, hatte ich eine sehr schwierige Klasse im Religionsunterricht. Einer der besonders munteren Schüler fragte mich gleich in den ersten Stunden: „Herr Schäffbuch, haben Sie schon mal Jesus erlebt?“ Richtig! Ich antwortete ihm: „Ich erlebe ihn jeden Samstagnachmittag pünktlich, wenn ich bei meiner Predigtvorbereitung sitze.“
Wir Pfarrer haben einen Text; wir sprechen nicht aus dem hohlen Bauch. Es ist eigentlich gar nicht schwierig, ein paar Seiten zu füllen, ein Aufsatzlein zu schreiben. Aber mir geht es immer wieder so, dass ich Seite um Seite wegwerfe, weil ich merke: Das ist nicht das Wort des Herrn. Dann kann ich nur beten: „Herr Jesus, jetzt rede doch zu mir durch dein Wort, rede!“
Und dann erlebe ich Samstag für Samstag das Wunder, dass Jesus plötzlich durch ein Wort seiner Apostel und Propheten zu mir spricht. So sehr, dass ich mit dem Schreiben kaum nachkomme, weil er mir zuteilt, weiterzugeben, wie den Jüngern, als sie die fünf Brote und zwei Fische an fünftausend Menschen austeilen durften.
Der auferstandene Jesus öffnet uns die Schrift. Deshalb gibt es nichts Wichtigeres, als wenn wir unsere Bibeln in die Hand nehmen, dass wir beten – so wie es in einem Vers aus dem Himmelfahrtslied heißt: „Jesus, öffne du uns das Verständnis!“ Wie du es den Jüngern getan hast, führe uns zur lebendigen Erkenntnis. Trag die Fackel selbst voran! Das Licht der Welt hat schon viele Finsternisse erleuchtet. Licht der Welt, erleuchte auch mich, denn im Licht geht man gewiss.
Die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus in Lukas 24
Und nun lassen Sie uns den Abschnitt lesen, wie es im Wort Gottes steht. Verlassen Sie sich nie auf Zettel oder auf die Weltgebetstagsordnung oder Ähnliches. Diese sind oft gekürzt. Lesen Sie stattdessen im Wort Gottes selbst nach.
Lukas 24,36: Da sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: „Friede sei mit euch.“
Aber sie erschraken und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist.
Er aber sprach zu ihnen: „Was seid ihr so erschrocken? Warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich selber bin es. Fühlt mich an und seht: Ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich habe.“
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Füße. Da sie immer noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: „Habt ihr hier etwas zu essen?“
Sie legten ihm ein Stück von gebratenem Fisch und Honig vor, und er nahm es und aß vor ihnen.
Er sprach zu ihnen: „Das ist es, was ich zu euch sagte, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.“
Dann öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden. Und er sprach zu ihnen: „So ist es geschrieben: Christus musste leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen. Und dass in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern gepredigt werden muss. Beginnt in Jerusalem und seid dessen Zeugen.“
Und jetzt lassen Sie uns einen Vers aus dem Lied 50 singen: „Jesus ist gekommen, Grund ewiger Freude“, den ersten Vers.
Wir wollen zwischen den einzelnen Abschnitten nach alter Tradition in Essen natürlich drei Abschnitte singen. Immer wieder einen Vers singen – drei Teile.
Die Bedeutung der Bibel durch den auferstandenen Jesus
Der auferstandene Jesus macht uns die Bibel wichtig – zweiter Teil.
Der auferstandene Jesus erweist die Bibel als richtig.
Drittens macht uns der auferstandene Jesus tüchtig im rechten Umgang mit der Bibel.
Auf Schwäbisch reimt sich alles, weil wir „tüchtig“ sagen, nicht? Richtig, wichtig, tüchtig.
Bei Ihnen klingt es zwar etwas anders, doch vielleicht hilft es trotzdem, sich diese Begriffe zu merken.
Die Wichtigkeit der Bibel durch den auferstandenen Jesus
Der auferstandene Jesus macht uns die Bibel wichtig. Jetzt würde ich am liebsten den ganzen Tag mit Ihnen über den auferstandenen Jesus sprechen – darüber, dass Gott uns Jesus als Lebendigen zurückgegeben hat. In einer Welt, in der man sterben muss – todsicher –, trifft es uns alle: von Adam über die Neandertaler bis hin zu Doktor Bleiberg, dem ein neues Herz eingepflanzt wurde.
Sie müssen sterben, die Staatsmänner, die wir in der verfahrenen Situation unserer Tage gebraucht hätten. Sie müssen sterben, die Dichter, die uns auf das Schöne und Edle in einer Welt voller Schmutz hätten hinweisen können. Gott kann auf alle verzichten. Auf Jesus aber wollte er nicht verzichten. Den brauche ich, und den braucht ihr. Und diesen Jesus hat er uns zurückgegeben.
Eigentlich müsste jeder todverfallene Mensch in der Auferstehung Jesu das Programm Gottes erkennen. Auf ihn kommt es an, er ist wichtig. Doch heute sagt schon ein elfjähriger Schüler: Es ist technisch unmöglich, dass jemand vom Tod zurückkommt. Mit unserer ganzen modernen Wissenschaft haben wir uns solche Scheuklappen aufgesetzt, dass wir die Wirklichkeit Gottes gar nicht mehr erfassen können.
Wir sagen dann so leicht: Ja, wir leben in einer modernen Welt, wir haben eben unsere Zweifel. Und da sagt uns die Bibel: Ach, nehmt euch nicht so wichtig mit eurer modernen Welt. Schon vor ein tausendneunhundertfünfzig Jahren haben die Jünger es nicht geglaubt, sie hielten es für unmöglich. Das liegt gar nicht an der modernen Welt, sondern an dem Wunder ohne Gleichen, dass Gott diesen Jesus ins ewige Leben zurückholt.
Die Jünger hatten sich nach Ostern, nach dem Karfreitag, geschworen, nie mehr auf etwas hereinzufallen. Sie wollten stocknüchtern bleiben. Eher hielten sie einen Geist, ein Gespenst, für denkbar, als dass Jesus noch einmal da ist.
Und was sagt Jesus? Gut, wenn er es nicht wahrhaben will, dass ich da bin, dann lasst es eben bleiben, dann gehe ich weiter. Nein, mit großer göttlicher Geduld müht er sich um die Zweifelnden.
Wenn wir jeden Bibeltext verstehen, dann in diesem Abschnitt, dass Jesus uns große Geduld und großes Erbarmen mit dem Zweifler geben möchte. Wir sollten doch nie Angst haben um unsere Kinder und Patenkinder, die nicht den Weg mit Jesus gehen wollen. Sie seien verloren, sie seien nicht mehr für Jesus zu gewinnen. Jesus hat sie viel lieber, als wir sie haben können.
So wie er seine Jünger lieb gehabt hat, die er erwählt und berufen hatte, für die er gestorben war und die Gott durch ihn auferweckt hatte, so hat er sich um sie bemüht, damit die Decke von ihren Augen weggeht.
Der Herr Jesus, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, braucht es wirklich, dass er den paar Jüngern, die nicht glauben wollen, seine Hände und Füße zeigt, seine Wundmale? Braucht er es, dass er auch noch vor ihnen isst? Muss er sich so degradieren?
Ach, nicht er hat es nötig, sondern sie haben es nötig – die armen, verschüchterten, zweifelnden Jünger. Um ihretwillen geht er einen ganz weiten Weg. Er spricht mit ihnen, zeigt ihnen seinen gemarterten Leib, den Gott vom Tod herausgeholt hat. Er ist mit ihnen, weil es unserem Herrn Jesus wichtig ist, dass wir es wissen und erfassen: Jesus, er, mein Heiland, lebt.
Die Berufung zum Zeugnis und die Kraft der Schrift
Wenn wir annehmen, dass Jesus möchte, dass die Jünger die Hände ausbreiten und sagen: "Herr Jesus, jetzt endlich begreifen wir, du bist wieder da, unser Jesus, mein Jesus", dann lehrt uns der nüchterne und klare Bericht in Lukas 24 etwas anderes. Jesus zielt nicht in erster Linie darauf ab, Stunden der Innigkeit und des innigen Umgangs mit ihm zu erleben. Vielmehr will der auferstandene Jesus, dass wir seine Leute zu Zeugen werden.
Es muss gepredigt werden – im Namen Jesu Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt in Jerusalem damit an, denn ihr seid meine Zeugen, so steht es im Vers 47. Ein Zeuge ist jemand, der etwas zu sagen hat, der etwas berichten kann. Schon vor Gericht darf ein Zeuge nicht nur sagen: "Ja, ich war dabei, so ist es passiert." Er muss erzählen, was er erlebt hat. Unser Herr Jesus hat uns nicht zu Marktschreiern berufen, die laut herausschreien: "Hierher, das ist einmalig, so etwas habt ihr noch nie gesehen!" Stattdessen will er uns zu Zeugen berufen, die von den Taten, Gedanken und Plänen des ewigen Gottes berichten.
Diese Zeugen sollen erzählen, dass man Gott fürchten kann, dass man Gott lieben kann, dass man Erfahrungen mit Gott machen kann und ihm begegnet – wie er wirkt und wie er zu uns steht. Es ist eine Fülle von Wahrheit, die wir als Zeugen weitergeben sollen.
Deshalb öffnet Jesus die Schrift und eröffnet ihnen das Verständnis. In Vers 44 heißt es: "Das ist es, was ich zu euch sagte, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz Mose, im Propheten und in den Psalmen." Jesus öffnete ihnen das Verständnis.
Das Schlimmste, was Herr Verdemme und ich bei einem großen christlichen Treffen vor Jahren erlebt haben, war in revolutionären Zeiten. In einer großen Halle zogen Gruppen mit roten Fahnen herum. Wir warteten darauf, dass der Zeuge Jesu, der jetzt sprechen sollte, die Wahrheit Gottes aus der Schrift bezeugt. Doch er erzählte von seiner Heimatstadt und brachte Zitate von Dichtern. Dazwischen rief er immer wieder: "Jesus lebt!"
"Jesus ist auferstanden" – das war richtig. Aber Jesus will uns nicht dazu berufen, einzelne Wahrheiten herauszuposaunen. Er will, dass wir die Fülle biblischer Wahrheit aus der Schrift weitergeben. Ein Autor wird nicht danach beurteilt, wie laut seine Hupe ist, sondern ob er sicher fährt, eine bestimmte Geschwindigkeit einhält und der Motor funktioniert. Ebenso wird ein Zeuge Jesu nicht daran gemessen, ob er einzelne Sätze laut hinausschreit, sondern an der Fülle der biblischen Wahrheit, die er erkannt hat und weitergeben kann.
Der Zeuge Jesu wird beurteilt nach der Kraft des biblischen Geistes, die sein Zeugnis enthält. Es wird uns nicht im Einzelnen berichtet, was Jesus aus der Schrift geöffnet hat. Ich könnte mir vorstellen, dass er von Joseph erzählt hat: Gottes Wohlgefallen lag nicht auf Joseph, als sein Vater ihm den bunten Rock schenkte. Auch nicht, als er im Gefängnis war, von seinen Brüdern vergessen und verkauft wurde, von Potiphar ins Gefängnis geworfen und vom Mundschenk vergessen wurde. Doch der Herr war mit ihm. Wo kein Mensch mehr einen Pfennig für ihn gegeben hätte, wurde Joseph ein Mann des Gelingens und Segens, der Millionen im Vorderen Orient am Leben erhalten konnte.
Vielleicht erzählte Jesus auch von David, der wie ein Floh von Saul gehetzt wurde, verfolgt, aber dennoch der Gerettete, der Auserwählte und Geliebte Gottes war. Oder von Psalm 118, der in Jesus erfüllt ist: "Man stößt mich, dass ich fallen soll, aber der Herr hilft mir. Die Rechte des Herrn ist erhöht."
Über den leidenden, auferstandenen Jesus wird nicht nur in Jesaja 53 gesprochen, sondern auch in der Geschichte Abrahams, den Gott aus dem Vaterland herausführt in ein Land, in dem er keinen Fußbreit Boden hatte – wie der Menschensohn, der keinen Ort hatte, sein Haupt hinzulegen. Über ihm halten die Engel in Gottes Welt den Atem an, weil sie erkennen, dass hier der Mittelpunkt der Geschichte Gottes liegt.
Oder in der Geschichte des Volkes Israel, das aufschreit: Der Herr hat mein Vergessen. So wie Jesus am Kreuz rief: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Und diesem Augapfel Gottes, Israel, und dem Herrn Jesus wird bezeugt: "Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselben vergäße, will ich doch dich nicht vergessen."
Liebe Brüder und Schwestern, lassen Sie sich vom auferstandenen Jesus hineinführen in die Fülle der Schrift. In Jesus ist die Bibel des Alten und Neuen Testaments gebündelt und komprimiert. Der auferstandene Jesus macht uns die Bibel wichtig.
Damals gab es noch nicht die ganze Bibel, die wir heute haben, sondern nur das Alte Testament. In Israel gab es eine Lehre: 2000 Jahre des Chaos, dann 2000 Jahre mit der Schrift, mit der Tora, und dann 2000 Jahre mit dem Messias. Danach brauchte man keine Tora und keine Schrift mehr, sondern nur noch das ewige Leben, die ewige Vollendung.
Jesus durchkreuzt diese fromme Theorie, dass man im Zeitalter des Messias keine Schrift mehr braucht. Er öffnete ihnen die Schrift, der Auferstandene, der Messias, damit sie es verstehen konnten.
Gott will uns nicht als Marktschreier in die Welt schicken, sondern als Menschen, die in der Bibel gegründet leben. Menschen, die wissen, wer Gott ist, was er will, wie er zu uns steht und die das aus dem begründen können, was Gott getan hat.
Der auferstandene Jesus macht uns die Bibel wichtig.
Nun lassen Sie uns Vers 2 singen: "Jesus ist kommen, nun springen die Bande."
Die Bestätigung der Schrift durch die Auferstehung
Und der auferstandene Jesus erweist, dass die Bibel, das Alte Testament, richtig ist. Ich glaube, da sind wir alle vereint in dem Gefühl, dass uns viele Verheißungen des Alten Testaments unsagbar teuer sind.
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen“, spricht der Herr, dein Erbarmer. „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“
Die Jünger Jesu hätten sich am Karfreitag oder am Ostermorgen bei solchen Verheißungen die Ohren zugehalten. Sie hätten es sich verbeten, dass man ihnen so vollmundig solche Worte sagt. Ihnen war der Boden unter den Füßen weggerissen – und zwar der Boden der Schrift, der Verheißungen Gottes.
Wenn jeder der Geliebte Gottes war, dann ihr Meister. Er hatte nach Jesaja 53 für die Übeltäter am Kreuz gebetet. Aber wo war es denn, dass er die Starken zum Raube hatte? Er hatte, wie es in Psalm 31 steht, seinen Geist in die Hände Gottes gegeben. Aber wo war es, dass der Herr sein Angesicht über seinem Knecht leuchten lässt? Ins Grab hatte man ihn gelegt, zur Verwesung bestimmt.
Herr Jesus hatte über seinem Weg ans Kreuz Psalm 118, jenen Lobgesang Israels, ernst genommen: „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht. Was können mir Menschen tun?“ Lesen Sie mal Psalm 118.
Man kann das Leiden Jesu nicht verstehen, außer dass Jesus diesen Psalm in seinem Leiden nachgebetet hat – bis zum Kreuz. Aber wo war es denn, dass die Rechte des Herrn den Sieg behält? „Ich werde nicht sterben, sondern leben“ – tot war er.
Josef von Arimathia hat sein Grab hergegeben. Aber seitdem Gott diesen Jesus aus dem Grab herausgeholt hat, seitdem Gott sein Angesicht über seinem Knecht leuchten ließ, seitdem es Gott wahrgemacht hat, dass die Rechte des Herrn erhöht ist, ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben (Psalm 118), zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen, ein Wunder vor unseren Augen.
Seitdem es wahr wurde, dass Jesaja 53 sagt, er würde die Starken zum Raube haben, weil er für die Übeltäter gebetet hat, gibt es für uns keine dunkle Stunde mehr, in der wir an der Wahrheit der Schrift zweifeln sollten.
Natürlich haben wir Hemmungen, manchmal eine biblische Verheißung zu sagen. Neulich wurde ich in ein Haus gerufen. Die Polizei kommt und sagt: „Es ist ganz schwierig. Wir haben eben zu den Eltern eines Kindes gesagt, es sei am Leben. Wir haben uns getäuscht. Das Kind ist von einem Baustellenfahrzeug erdrückt worden. Die Eltern dürfen es nicht einmal mehr zum Identifizieren sehen. Sie müssen es den Eltern beibringen, dass das Kind tot ist.“
Eigentlich verbietet sich doch alles, was in uns menschlich ist, in solch einem Augenblick zu sagen: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst“, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Am Ostermorgen konnte man an der Schrift zweifeln, aber seitdem tragen alle Verheißungen unseres Gottes das Gütezeichen des Auferstandenen. Dass Gott bei uns drinnen ist, selbst wenn das Meer wütet und wallt und von seinem Ungestüm die Berge einstürzen, das ist unüberbietbar wahr seit Ostern.
Dass man den Herrn auch im Tod anrufen kann und Leid und Seele ihm befehlen, das ist seit Ostern wahr – und nicht ein Traum oder eine Ausflucht. Dass Gottes Handeln dadurch gekrönt wird, dass er Menschen die Sünde vergibt, wie es in Psalm 130 steht, das ist wahr. Und durch das Leiden und Auferstehen Jesu ist diese Verheißung mit der Gütemarke versehen.
Dass in meinem Namen gepredigt wird: Buße und Vergebung der Sünden – wer sich Gott befiehlt, kann erleben, dass Gott sein Angesicht leuchten lässt. Es ist wahr, dass Gott zu lieben ist. Es ist wahr, dass man Gott fürchten kann. Es ist wahr, dass mitten im Toben der Völker Psalm 2 sagt, Gott habe seinen Sohn eingesetzt auf seinem heiligen Berg.
Liebe Leute, wenn wir eine politische Botschaft haben, die in die Enge unserer Tage hineinwirkt, dann hoffentlich diese: Für die öffnet uns unser auferstandener Herr den Blick, dass im Toben der Völker Gott seinen König eingesetzt hat.
Das ist überhaupt interessant: In der Taufe Jesu und in der Verklärung Jesu hält ja Gott eine Kurzansprache – der heilige Gott selbst, so kurz, wie wir es gar nicht können. Gott zitiert seine Bibel mit drei kurzen Worten: „Du bist mein Sohn“ (Psalm 2), „An dir habe ich Wohlgefallen“ (Jesaja 42), „Den sollt ihr hören“ (5. Mose 18).
Gott ist die Bibel so wichtig, dass er sie selbst zitiert. Und noch mehr: Der auferstandene Jesus ist es nicht Stunden der Innigkeit mit seinen Jüngern wichtig, des Umarmens, sondern dass sie die Schrift begreifen. Er öffnete ihnen die Schrift: „Das ist von mir geschrieben“, damit die Leute Jesu wissen, dass dieses Wort wahr ist, nicht trügt und gewiss hält, was es verspricht – im Tod und auch im Leben.
Jesus erweist, dass die Schrift, die Bibel, richtig ist.
Lassen wir uns Vers drei singen: „Jesus ist kommen, sagt aller Welt enden.“
Der rechte Umgang mit der Bibel durch den auferstandenen Jesus
Der auferstandene Jesus macht uns tüchtig im Umgang mit der Schrift. Es besteht die Gefahr, die Bibel nur zu lesen, um zu sehen, ob Gott einem Trost schenkt. Wenn wir die Bibel aber lieben, dürfen wir sie niemals nur danach lesen, was für uns persönlich gesagt ist.
In Württemberg haben wir mit großer Anteilnahme den Fernsehgottesdienst aus dem Weiglehaus verfolgt. Zum einen aus großer Liebe zu Essen, zum Weiglehaus und zu Ulrich Parzany, zum anderen, weil wir im Juli letzten Jahres auch einen Fernsehgottesdienst aus der Schorndorfer Stadtkirche hatten. Herr Doktor Tumser hat uns beide lieb, die Essener und die Schorndorfer.
Interessant war für mich, dass die Beleuchter eine Woche vorher nicht kommen, aber sich große Mühe geben, den Saal richtig auszuleuchten. Am Samstag gibt es dann die Probe, bei der der Prediger aufs Podest treten muss. Die Beleuchter sagen nicht einfach: „Gehen Sie noch ein bisschen nach links, damit Sie richtig im Licht stehen“, sondern sie geben genaue Anweisungen wie „Beleuchter sieben, Scheinwerfer dämpfen“ oder „Beleuchter drei, Scheinwerfer auf“. Der Prediger muss ins rechte Licht, und dafür sorgen die Beleuchter. Die Scheinwerfer müssen so eingestellt sein, dass die Botschaft klar wird und selbst ein Taubstummer am Fernsehgerät versteht, was gesagt wird.
Lassen Sie mich das als Bild nehmen: Der auferstandene Jesus macht deutlich, dass erfüllt ist, was über ihn geschrieben steht. Man kann die Bibel natürlich als Informationsquelle benutzen, so wie es die alten Babylonier und Assyrer taten. Man kann versuchen, naturwissenschaftliche Erkenntnisse oder moralische Lehren daraus zu ziehen. Manche benutzen die Bibel auch als Stoff für lange Diskussionsrunden. Aber so ist die Bibel nicht gedacht.
Die Bibel ist vielmehr so konstruiert, dass Altes und Neues Testament wie zwei Scheinwerfergruppen zusammenwirken. Ihre Aufgabe ist es, Jesus im hellen Licht erstrahlen zu lassen. Wenn Sie zum Beispiel im Psalm 119 lesen: „Tritt ein für deinen Knecht“, dann sollten Sie nicht denken: „Ach ja, Herr Jesus, das wäre schön, wenn du mir, dem Rolf Scheff, der dein Knecht sein will, auch dein Eintreten schenken würdest.“ Vielmehr gilt es zu fragen: Ist es bei Jesus wahr geworden, dass du, Herr, für deinen Knecht eingetreten bist? Ja, es ist wahr. Du bist zu ihm gestanden. Deshalb kann die ganze Liebe und Kraft Jesu auch mir gelten.
Es gilt immer zuerst von Jesus zu fragen: Was ist über unseren Herrn Jesus gesagt? Die Bibel redet von Jesus. Wenn wir in Jeremia 17 lesen: „Selig ist der Mensch, der sich auf den Herrn verlässt und dessen Zuversicht der Herr ist“, dann sollten wir nicht in erster Linie denken: „Gilt das mir?“ Vielmehr gilt: Ja, es ist in Jesus wahr geworden. Alles ist erfüllt, was über ihn geschrieben steht. „Selig ist der Mensch, der sich auf den Herrn verlässt; er ist wie ein Baum am Wasser gepflanzt und am Bach gewurzelt.“ Deshalb kannst du, Herr Jesus, mich Dürstenden kräftigen, weil du am Bach gewurzelt bist.
Wir kommen immer in Zweifel, wenn wir die Worte nur auf uns beziehen und uns fragen, ob der Herr Jesus mir gestern geholfen hat oder heute hilft. Wenn wir es aber auf Jesus beziehen, kennen wir den schönen Satz im Neuen Testament: In ihm sind alle Gottesverheißungen Ja und Amen. Das ist kein Fragezeichen, ob es vielleicht bei mir eintrifft, sondern die Wahrheit.
Wir müssen wieder lernen, die Bibel auf Jesus hin zu lesen. Was ist über unseren Herrn Jesus gesagt? Der Kirchenvater Augustin hat gesagt, das Alte Testament komme vielen vor wie geschmackloses Wasser. Wer aber im Alten Testament Christus sucht, der wird den köstlichen Wein finden, von dem er nie genug bekommen kann.
Unser schwäbischer Landsmann und geistlicher Vater, der Liederdichter Philipp Friedrich Hiller, hat gesagt: „Man darf im unvergleichlichen Buch der Bibel nicht Nebensachen suchen, sondern nur Jesus.“ Nicht Nebensachen suchen, sondern Jesus!
Die Konzentration auf Jesus als Kern der Schrift
Einer meiner Söhne hat neben der Liebe zur Gemeinde Jesu auch eine große Leidenschaft für das Fußballspielen. Leider nicht für Schalke – das hätte ich Ihnen in diesen traurigen Tagen gern gesagt. Doch er hat sich gleich auf das richtige Pferd gesetzt und ist seit vielen Jahren begeistert von Bayern München. Dabei hat er eine besondere Liebe zu Sepp Maier entwickelt. Wenn Sie nicht wissen, wer das ist, fragen Sie junge Leute.
Am Montag habe ich die Zeitung eigentlich nur danach durchgesehen, was über Sepp Maier geschrieben steht. Die Illustrierten hat er ausgeschnitten, die Bilder gesammelt und fast auswendig gelernt, was über Sepp Maier gesagt wurde. Wenn das bei einem schwachen Menschen schon so ist, dass sich das ganze Interesse komprimiert auf eine Person, dann sollten wir, die wir die Bibel lieben, uns vom auferstandenen Jesus sagen lassen: „Ich möchte jetzt nur hören, was über meinen Geliebten, über Jesus gesagt ist, über den, auf den ich stolz bin.“
Was steht im Psalm, was bei Mose, was sagen die Propheten über Jesus, meinen Herrn? „Und er öffnete ihnen die Schrift, da sie verstanden, dass alles erfüllt ist, was von ihm gesagt war.“ Alle Gottesverheißungen sind Ja und Amen in ihm. Dann werden wir all das, was geschichtlich und über Geographie und so weiter in der Bibel gesagt ist, in die richtige Relation setzen. So brauchen wir gar nicht mehr so viel zu diskutieren. Die Bibel will in erster Linie uns sagen, wer Jesus ist.
Lassen Sie mich schließen mit zwei Versen von Philipp Friedrich Hiller, dem großen Ausleger der Bibel:
Jesus ist der Kern der Schrift,
weil in ihm zusammentrifft, was im Alten und Neuen Bund je in Gottes Buche stand,
weil in ihm zusammentrifft, in Jesus.
Jesus, schreibe dich allein durch dein Wort dem Herzen ein,
bis wir dich von Angesicht zu Angesicht schauen, ohne Schrift, im Licht.