Dann sucht er sich wahrscheinlich Leute aus, die bestimmte Voraussetzungen und Begabungen mitbringen. Solche, die von Menschen anerkannt sind und gut mit ihnen umgehen können.
Ich durfte als Prälat in den letzten sechs Jahren meines Dienstes die Gemeinden besuchen, wenn sie einen neuen Pfarrer brauchten. Im Auftrag des Oberkirchenrats fragte ich dann das Besetzungsgremium, welche besonderen Qualifikationen der Pfarrer haben muss.
Dabei hieß es immer zuerst: Er muss mit den Leuten können. Er muss auf die Menschen zugehen und Besuche machen. Außerdem soll er möglichst jung sein, aber dennoch viel Erfahrung mitbringen. Natürlich soll er gut predigen können. Gleichzeitig sollte er die Verwaltung mit leichter Hand erledigen.
Am besten wäre es, wenn er verheiratet ist. Eine Gemeindehelferin gibt es nicht mehr. Wenn seine Frau den Frauenkreis und den Leichenchor betreuen würde, wäre das gut. Der Pfarrgarten sollte natürlich auch gepflegt sein, und die Kinder müssen spuren.
Erwartungen an einen Pfarrer und die Realität der Berufung
Und wenn ich dann gesagt habe: So etwas haben wir nicht einmal als Möglichkeit, in Wasser Alfingen zu gießen, sagen Sie mir doch, was das Wichtigste ist, die Hauptsache.
Dann haben Sie meist gesagt: Das alles, das ist alles die Hauptsache. Wir wollen solch einen Pfarrer.
Deshalb ist es kein Wunder, dass der Oberkirchenrat bei den Gemeinden keine gute Nummer mehr hatte. Er sagte: Jetzt haben wir so einen klaren Wunsch geäußert, und jetzt haben wir einen alten Krieg oder einen, der bei der Predigt nicht vieles lang macht und so weiter. Sucht Gott Leute, die lauter Superasse sind? Merkwürdigerweise gar nicht.
Jetzt schlagen Sie einmal zwei Bibelstellen auf, zuerst Markus 12. Wenn der Herr Jesus etwas klar machen wollte, hat er eine Geschichte erzählt.
Wir Pfarrer sollten das viel öfter lernen, dass wir Bilder gebrauchen, damit es anschaulich wird. Es kann dann immer noch sein, dass sie mit sehenden Augen nichts sehen, aber in unserem Bildles-Zeitalter ist es immer wichtig, dass auch etwas anschaulich wird.
Das Gleichnis vom Weinberg und Gottes Auswahl der Werkzeuge
Und Jesus fing an, in Gleichnissen zu ihnen zu reden. Ein Mensch – achten Sie mal darauf: Wenn Jesus ein Gleichnis erzählt, dann ist meistens nicht das Himmelreich gleich einem Acker oder einem Sämann, sondern das Himmelreich wird oft durch die Gestalt Gottes dargestellt, des einen großen Wirkenden. So ist es zum Beispiel ein König, ein Mensch oder ein Herrscher.
Ein Mensch pflanzte einen Weinberg, zog einen Zaun darum, grub eine Kälte und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Weingärtner und ging außer Landes. Als die Zeit kam, sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit dieser von ihnen seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole.
Doch sie nahmen ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Er sandte erneut einen anderen Knecht. Diesem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Dann sandte er noch einen anderen Knecht, den töteten sie. Viele andere sandte er ebenfalls; die einen schlugen sie, die anderen töteten sie.
Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn. Diesen sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: „Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.“ Aber die Weingärtner sprachen untereinander: „Das ist der Erbe. Kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein.“ Sie nahmen ihn, töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.
Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen, die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.
Aber es ist wichtig: Habt ihr denn nicht das Schriftwort gelesen? Psalm 118 sagt: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.“ Das ist von Gott geschehen und ein Wunder vor uns.
Jetzt sehen wir etwas: Diese Geschichte mit dem Weinberg – wir wissen, von wem Jesus dieses Gleichnis erzählt. Der Weinbergbesitzer ist Gott. Er hat ein Reich begonnen, in dieser Welt einen ersten Stützpunkt in Israel. Mit aller Liebe gab er Israel das Gesetz, die Verheißungen, die Väter und den Gottesdienst bis hin zum Versöhnungstag und zu den Vorbildern.
Aber immer wieder ist Israel abgefallen. Wenn Gott seine Knechte sandte – wer sind diese Knechte? Wenn wir das Bild erweitern, sind es die Propheten.
Die Rolle der Propheten und das Schicksal der Auserwählten
Haben Sie diese Propheten nicht gehört? Denken Sie an Jeremia, der sagt: "Lieber Gott, warum bin ich geboren? Verflucht sei der Tag, an dem man meiner Mutter sagte: Du hast deinen Sohn geboren. Verflucht!"
Die Männer von Anatot, wo Jeremia Herr war, haben ihm nach dem Leben getrachtet. Daher kommt es, dass Jesus gesagt hat: Ein Prophet ist nicht angenehm in seinem Vaterland oder seiner Heimatstadt.
In diesem erschreckenden Bekenntnis Jeremias scheint alles keinen Wert mehr zu haben. Doch plötzlich sagt er: "Aber der Herr ist bei mir als ein starker Held, darum werde ich nicht fallen. Menschen habe ich keine, die zu mir stehen, ich bin allein, es versteht mich niemand, aber Gott wird aus mir etwas machen."
Bis heute lesen wir die Worte des Propheten Jeremia: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, den hat Gott zum Eckstein gemacht." Ähnlich hören wir dies auch bei Amos, Jesaja, Johannes dem Täufer und schließlich bei Jesus. Vor den Menschen verachtet, verlacht und geschmäht – aber Gott hat etwas daraus gemacht.
Die besonderen Werkzeuge Gottes sind nicht von Natur aus die Könner. Sie sind schwach, anfällig für Anfechtung, verzweifelt, einsam und im Scheitern. Doch Gott sagt: "Es wäre doch gelacht, wenn ich nicht etwas daraus machen würde."
Beim Apostel Paulus gibt es im 2. Korinther 12,9 die Stelle, die sagt, dass die überschwängliche Kraft von Gott und nicht von uns sei. Gott braucht nicht die Starken. Er will bei seinen Werkzeugen zeigen, was er kann.
Am Anfang des 2. Korintherbriefs berichtet Paulus: "Wir waren so verzagt, dass wir am Leben verzweifelten und meinten, wir müssten sterben." Für Paulus war es körperlich schwer, er fühlte, dass alles keinen Wert hatte und kam nicht weiter.
Doch wissen Sie, wie es weitergeht? Wunderbar ist, dass wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzen, sondern auf den Gott, der Tote auferweckt, der nicht den Schwachen wieder neue Kraft gibt, sondern dort eingreift, wo nichts mehr ist. Dort, wo man nach menschlichem Ermessen sagen würde: Es ist aus.
Wir haben einen Gott, der Tote auferweckt. Wir haben einen Gott, der den Stein, den die Bauleute verwerfen, zum Eckstein gemacht hat. Das ist vom Herrn geschehen.
Jesus hat dieses große Gleichnis erzählt und sich selbst zuletzt in diese Reihe der besonderen Werkzeuge Gottes gestellt – als der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit, aus dem Gott etwas gemacht hat.
Die Verteidigungsrede des Stephanus und die Geschichte Israels
Jetzt darf ich Sie bitten, eine zweite Bibelstelle aufzuschlagen, damit wir auf diese Spur kommen – eine ganz andere Ecke der Bibel, Apostelgeschichte 7.
Apostelgeschichte 7 ist die Verteidigungsrede des Stephanus vor dem Parlament Israels, vor dem frommen und zugleich politischen Parlament Israels, dem sogenannten Synhedrium. Er war angeklagt, die Autoritäten Israels, den Tempel und das Gesetz für nichtig erklärt zu haben. Wir haben gehört, dass er Worte gegen diese heilige Stätte und gegen das Gesetz gesprochen haben soll.
Der Hohepriester fragt: „Ist das so?“ Und da hält Stephanus eine große Verteidigungsrede.
Unser Bruder Doktor Neudorfer, Studienleiter am Bengelhaus, hat seine Doktorarbeit über den Stephanus-Kreis geschrieben. Zu diesem Kreis gehörten auch Philippus und Nikolaus, diese sieben Almosenpfleger, Sozialarbeiter wie Bruder Rose. Diese Männer waren damals natürlich nicht nur Sozialarbeiter, sondern Stephanus war voll vom Heiligen Geist und hat gepredigt. Sie hatten besondere Gaben.
Der gute Doktor Neudorfer hat klar nachgewiesen, dass neben Paulus der interessanteste Kreis der Urgemeinde der Kreis der griechischen Juden war. Sie hatten alle griechische Namen: Stephanus, Prochorus, Nikanor. Sie haben schneller begriffen als Petrus und Jakobus, dass Jesus in die Welt hinaus wollte. Das waren Weltbürger, die aus dem Mittelmeerraum kamen. Sie dachten nicht nur an Israel.
Petrus und Jakobus dachten: „Wir sind das Reich Israel, und Gott hat mit Israel etwas vor.“ Dieser Stephanus-Kreis hat begriffen: Gott hat mit der Welt etwas vor. Das ist hochinteressant.
Jetzt hält Stephanus eine Rede, in der er noch einmal die Geschichte Israels komprimiert darstellt. Man darf einfach mit ihm noch einmal diesen Weg entlanggehen. Über jeden Vers könnte man eine lange Predigt halten.
Der große schottische Evangelist und theologische Lehrer Martin Lloyd Jones hat ein ganzes Jahr über Apostelgeschichte 7 gepredigt. So lange wollen wir es jetzt nicht machen.
Die Berufung Abrahams und die Geschichte des Volkes Israel
Der Hohepriester fragte: „Ist das so?“ Stephanus aber sprach: „Liebe Brüder und Väter, hört zu! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er noch in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte. Er sprach zu ihm: ‚Geh aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft, und zieh in das Land, das ich dir zeigen will.‘
Abraham ging aus dem Land der Chaldäer und wohnte in Haran. Als sein Vater gestorben war, brachte Gott ihn von dort herüber in das Land, in dem ihr nun wohnt. Er gab ihm kein Eigentum darin, auch nicht einen Fußbreit Land. Für einen richtigen Schwaben ist das schon verdächtig, wenn er nicht einmal ein Gütl oder eine Garde hat, keinen Quadratmeter, keinen Bauplatz, nichts.
Gott versprach ihm, dass er ihm und seinen Nachkommen das Land zum Besitz geben werde, obwohl Abraham noch kein Kind hatte. Wie alt war Abraham damals? Fünfundsiebzig Jahre, als er auszog. Und nachher, als Zara erklärt hat, war er wahrscheinlich neunzig. Manche Bibelwissenschaftler sagen, das waren wahrscheinlich Mondjahre.
Abraham war alt und dachte: „Lieber Gott, das ist biologisch unmöglich, dass meine Frau noch ein Kind bekommt. Es geht gar nicht.“ Denn so sprach Gott: „Deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem fremden Land. Sie werden dort Knechte sein und vierhundert Jahre lang misshandelt werden. Aber das Volk, dem sie als Knechte dienen müssen, will ich richten“, sprach Gott. „Danach werden sie ausziehen und mir an diesem Ort dienen.“
Also war Abraham ein Mann ohne Besitz, ein Fremdling. Sie wissen, wie Asylanten bei uns angesehen sind: „Was tut denn der da bei uns?“ So erging es auch Abraham. Ohne Kind, ein Beduinenscheich im Ruhestand, ein Lebenstorso. Wenn du Nachkommen hast, sagte Gott, wird es ihnen auch schlecht gehen. Sie werden als Sklaven dienen müssen in einem fremden Land.
Josef, Mose und die Führung Gottes trotz Widrigkeiten
Jetzt machen wir weiter mit den Erzvätern. In Vers 9 heißt es: Die Erzväter beneideten Josef und verkauften ihn als Sklaven nach Ägypten. Aber Gott war mit ihm, rettete ihn aus aller seiner Bedrängnis und gab ihm Gnade und Weisheit vor dem Pharao, dem König von Ägypten. Dieser setzte ihn zum Regenten über Ägypten und sein ganzes Haus.
Jetzt machen wir wieder den Sprung. Sie kennen diese Geschichte von Josef. In Vers 17 steht: Als nun die Zeit der Verheißung sich näherte, die Gott dem Abraham zugesagt hatte, wuchs das Volk und mehrte sich in Ägypten. Bis ein anderer König in Ägypten aufkam, der nichts mehr von Josef wusste. Dieser ging mit Hinterlist gegen unser Volk vor, misshandelte unsere Väter und ließ ihre kleinen Kinder aussetzen, damit sie nicht am Leben blieben.
Zu der Zeit wurde Mose geboren. Er war ein schönes Kind vor Gott und wurde drei Monate im Haus seines Vaters ernährt. Als er ausgesetzt wurde, nahm ihn die Tochter des Pharao auf und zog ihn als ihren Sohn groß. Mose wurde in aller Weisheit der Ägypter gelehrt und war mächtig in Worten und Werken.
Als er aber vierzig Jahre alt wurde, dachte er daran, seine Brüder, die Israeliten, zu sehen. Er sah einen Unrecht leiden, stand ihm bei und rächte den, dem Leid geschah, indem er den Ägypter erschlug. Er meinte, seine Brüder sollten verstehen, dass Gott durch seine Hand ihnen Rettung bringe, aber sie verstanden es nicht.
Nun geht es weiter: Ein Beduinenscheich im Ruhestand, ohne Landbesitz und ohne Kinder. Die Nachkommen, wie Josef, der von seinen Brüdern verstoßen, in die Sklaverei verkauft wurde, in der Sklaverei ins Gefängnis geworfen und dort vergessen wurde von denen, die ihm helfen wollten. Doch der Herr war mit Josef, sodass er später sagte: Ihr dachtet es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.
Was Gott aus seinen schwachen Werkzeugen macht, ist interessant. Er setzte Josef zum Segen für den ganzen Vorderen Orient ein, damit er sie aus der Hungersnot retten konnte. Doch dann kam ein König auf, der gar nicht mehr wusste, was Josef war, und die Israeliten wurden versklavt.
Dann tut Gott seine Wunder – durch wen? Durch Mose, den sie verstoßen hatten, der fliehen musste und vierzig Jahre in der Wüste war. Als er achtzig Jahre alt war, berief Gott ihn. Zu diesem Zeitpunkt war er schon wesentlich müder als ich in seinen Knochen. Mit 80 macht man keine großen Sprünge mehr, und dennoch sagt Gott zu ihm: Du wirst Israel erlösen.
Verstehen Sie, das sind die besonderen Werkzeuge Gottes.
Beispiele besonderer Werkzeuge Gottes in der Geschichte
Eine Frau namens Hanna wird von einer anderen Frau, Penina, ausgelacht. Penina sagt zu ihr: „Mein Leben hat einen Sinn, ich habe Kinder, du hast keine.“ Doch dann schenkt Gott Hanna ein Kind. Diese Frau, die zuvor verstoßen war, möchte man auf den richtigen Weg bringen.
Nun kauft sie einen Farbstift in scharfem Grün. Mit diesem Stift markiert sie zahlreiche Stellen in der Bibel, an denen von besonderen Werken Gottes die Rede ist. Für Bauleute und Experten mag das wertlos erscheinen, doch es sind Stellen, die zeigen, wie Gott etwas geschaffen hat.
Mit demselben grünen Stift kann man auch Stellen in der Bibel markieren, in denen vom Wirken Gottes die Rede ist. Auf der ersten Seite heißt es: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Am Ende der Bibel steht: „Siehe, ich mache alles neu.“
Zwischen diesen beiden Stellen gibt es viele Beispiele: Ihr dachtet, es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen. Die Berufung des Petrus, als dieser sagt: „Herr, geh von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch“, und Jesus antwortet, dass er ihn zum Menschenfischer machen will.
Auch im Johannesevangelium sieht man, wie der Sohn tut, was er den Vater tun sieht. Wie der Vater Tote lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, wen er will.
Erweckung und geistliches Leben in schwierigen Gemeinden
In meinem alten Schörndorfer Bezirk gab es eine Gemeinde, in der bereits Bischof Haug, den ich vorhin erwähnte, eine wichtige Rolle spielte. Wenn ich mit ihm durchs Land fahren durfte – ich war damals sein kleiner Adjutant – erzählte er mir oft davon. Er war ein frommer Lehrer und prägte das ganze Dorf.
In dieser Gemeinde gab es einmal eine Erweckung mit sehr lebendigen Stunden. Dabei habe ich viel von Württemberg kennengelernt. Als wir durch das Remstal fuhren, wo ich später tätig wurde, hörte ich oft, dass in einem bestimmten Ort „Hopfen und Malz verloren“ sei. Man sagte, dort sei alles aus, es habe nie Leben gegeben. Es gab weder Posaunenchor noch Jugendarbeit. Einfach harter Boden, auf dem nichts wachsen könne.
Doch während meiner Zeit als Dekan dort staunte ich, was sich entwickelte: eine blühende christliche Pfadfinderarbeit entstand. Mit einer besonderen Begabung gelang es, auch die Eltern der jungen Leute zu Gottesdiensten zu ziehen. Die Gottesdienste waren voll. Beim Gemeindetag hatten sie zu Beginn schöne schwäbische Eisenbahnen aufgebaut und auf dem Rasen die Kontinente lebendig dargestellt. Geistlich war die Gemeinde wach.
Wie war das möglich? Martin Zerrer, einer der Beteiligten, hatte am Grab seiner Mutter gesagt, es sei wie eine Stimme des Herrn Jesus an ihn gewesen: „Martin, du könntest aus deinem Leben auch noch einmal etwas anderes machen.“ Das war der Anfang.
Jesus macht lebendig, wen er will. Man kann nicht sagen, in der Gemeinde sei noch ein bisschen geistliche Glut unter der Asche gewesen – da war gar nichts. Er macht lebendig.
Liebe Freunde, wenn wir für unser württembergisches Land etwas erhoffen, dann, dass Jesus das wahr macht – auch über unsere Müdigkeit und Resignation hinaus. Unsere Kirchen und Synoden haben nicht viel Wert. Was der Herr Jesus machen kann, ist unglaublich. Wir sollten ihm vielmehr zutrauen, Großes zu bewirken.
Die Schwachen als Werkzeuge Gottes und ihre Ablehnung
Die schwachen Werkzeuge der Menschen werden verworfen und abgestoßen wie Fremdgewebe. Dabei kann man das Bild der Organverpflanzung verwenden: Wenn jemand zwei kranke Nieren hat und auf eine Spenderniere wartet, eine gesunde Niere, damit sein Organismus wieder funktioniert, wird diese Niere schließlich verpflanzt. Doch, oh Schrecken, bekommt der Körper Fieber, weil er das Fremdgewebe, das ihm helfen sollte, abstößt.
So ist es auch bei den Boten Gottes in unserer gottlosen Welt. Sie werden abgestoßen.
Dann sagt Gott: Jetzt will ich doch mal sehen, wer hier der Chef ist. Gott lässt sich nicht so schnell abschrecken. Der Stoff, aus dem die Segensträger Gottes sind, sind die Verachteten und die Schwachen, auf die man in den Augen der Welt nicht viel gibt.
Beispiele aus der Kirchengeschichte: Ludwig Hofacker
Jetzt ist Freitagabend, deshalb möchte ich noch ein paar Geschichten zu diesem Bibelwort erzählen.
Am 31. Januar 1823 hat Ludwig Hofacker, schwer geschwächt durch eine Nervenerkrankung, versuchsweise in der Stuttgarter Leonhardskirche stellvertretend für seinen erkrankten Vater eine Predigt gehalten. Vorausgegangen war eine zweijährige Predigtätigkeit. Hofacker hatte Theologie studiert und war ein fröhlicher, gut aussehender junger Mann. Doch plötzlich brach er im August in Tübingen zusammen. Zunächst dachte man an einen Sonnenstich, doch vielleicht war es eher eine Art Anfall, den man heute als schizophrenen Anfall bezeichnen würde.
Jedenfalls war er ein Jahr lang zu Hause. In dieser Zeit erlitt sein Vater einen Schlaganfall und sein Bruder Max wurde wahnsinnig. Offenbar war die Familie stark belastet. Einige Freunde vom gerade erst gegründeten Basler Missionshaus hörten von dem frommen jungen Mann und schrieben ihm. Er antwortete: „Sie sehen mich als einen in Gott geborgenen Menschen an, aber wenn man den ganzen Tag in großer Schwäche sitzt, den verrückten Bruder Max um sich toben sieht und der Vater im Schlafzimmer todkrank liegt, dann kommen einem ganz andere Gedanken.“
Hofacker schrieb weiter: „Wenn ich mich frage, was ich eigentlich habe, dann habe ich keine rechte Stellung. Bin ich Pfarrer geworden? Ich habe keine Anerkennung beim Konsistorium. Die Stuttgarter Bürger hatten gebeten, dass ich eine Pfarrstelle an der Leonhardskirche bekomme. Ich habe keine Gesundheit, keine Kraft der Seele und des Körpers, nichts, dessen ich mich rühmen könnte. Und doch raunt es in mir: Du hast wenigstens einen Ernst, wie ihn wenige andere haben. Aber wenn mich der Herr fragt, wie er Petrus gefragt hat: 'Hast du mich lieb?', dann kann ich nur sagen: Herr, geh nicht ins Gericht mit mir. Und oft rebellierte ich auch: Lieber Gott, warum?“
Am 31. Januar 1823 hielt er seine erste Predigt. Danach hielt er zwei Jahre lang stellvertretend für seinen Vater, der inzwischen verstorben war, die Gottesdienste in der Leonhardskirche. Die Predigten sind in einem Predigtband zusammengefasst, der inzwischen in der sechzigsten Auflage erschienen ist.
Doch dann endete diese Krankheitszeit nicht. Durch Nervenkrämpfe wurde er erneut schwer belastet. Er machte eine Kur in St. Moritz und Bad Ragaz. An seinem rechten Ringfinger wuchs eine merkwürdige Geschwulst, Tuberkulose, die operativ entfernt werden musste. Es begann eine Wassersucht, und schließlich bekam er die Pfarrstelle in Rielingshausen übertragen. Dort konnte er kaum Dienst tun, weil er so krank war. Er starb, als er gerade dreißig Jahre alt war.
Hofacker war nicht nur körperlich ein Wrack, auch geistig war er zerrüttet. Ein Freund besuchte den sterbenden Hofacker und war erschrocken, wie innerlich aufgewühlt er war. Hofacker sagte: „Ich habe tausendmal mehr die Hölle verdient als den Himmel.“ Der Freund las ihm einen Liedvers von den goldenen Gassen vor, die auf uns warten. Darauf antwortete Hofacker: „Das ist zu flott für mich, da gehöre ich nicht hin.“
Wie das bei einem Krankenbesuch oft ist, wenn man merkt, man kann keinen Trost geben, verließ der Freund fast verzweifelt den Kranken. Doch eine Woche später traf er Hofacker ganz getrost an und fragte, wie dieser Umschwung zustande gekommen sei. Hofacker antwortete: „Ich habe mir bewusst gemacht, was für eine Schande es ist, dass der Heiland dort seine Liebesarme zu mir Schwachem ausstreckt und ich selbst meinen Zweifel und Unglauben so ernst nehme, dass ich ihn immer wieder zurückweise. Jetzt habe ich mich entschlossen, es einfach gelten zu lassen, dass er mich in seine Hand nimmt.“
Das sind die Werkzeuge unseres Herrn, die bis heute wirken. Hofacker hat nicht die Hofacker-Vereinigung gegründet. Vor dreißig Jahren haben wir dieser Arbeitsgemeinschaft für Bibel und Bekenntnis in unserem Land diesen Namen gegeben, damit klar wird: Es geht uns darum, dass Gott etwas durch uns schwache Leute bewirkt, wie damals bei Hofacker – schwache Werkzeuge. Das ist der Stoff, aus dem Segen entsteht.
Weitere Beispiele aus der Kirchengeschichte und Mission
Ich war in den letzten Tagen damit beschäftigt, den Begriff des Hohen Priesters bei Hortacker zu verstehen. Das war bereits vor hundertachtzig Jahren ein Begriff, der in Wort und Sprache kanonisch war. Hofhager hat den Begriff nicht lange erklärt, sondern gesagt, dass der Hohe Priester jemand ist, der dich versteht und vor Gott für dich eintritt – für dich, der du bedürftig bist. Das wurde verstanden.
Mir ist das ganz eindeutig geworden. Vielleicht erkläre ich zu viel, aber ich möchte sagen, was Gott tut. Es ist eine großartige Zeit! Einer dieser Segensträger Gottes, dieser schwachen Leute, hat schon viel bewirkt. Die Kirchengeschichte zeigt das deutlich. Aber das Wirken Gottes darf ja hindurchgehen.
Im Korntal, auf dem Alten Friedhof – falls Sie ihn noch nicht kennen – lade ich Sie herzlich ein, mit Ihrem Frauenkreis zu kommen. Ich mache gerne eine Führung. Besuchen Sie Korntal, und dann gehen wir auf den Alten Friedhof. Dort liegen der alte Weissenhausvater Mundle und Banner, die unter größten Entbehrungen die ersten diakonischen Einrichtungen im armen Korntal aufgebaut haben.
Auch der Missionar Samuel Hebich ist dort begraben. Er erkannte in England, dass er zuerst die englischen Offiziere missionieren müsse, wenn er in Indien missionieren wolle. Es ist eine Schande fürs Christentum, wenn sich diese als getaufte Christen ausgeben, aber das Erbarmen gilt dem armen Korntal. Ein Missionar aus der Heidenwelt, nicht aus Indien, sondern aus Nellingen auf der Alb, aus unserem Heidenland, ging hinaus.
Auf diesem Friedhof sind auch Johannes Rebmann und Ludwig Krapf begraben. Ludwig Krapf hat sein ganzes Leben als begabter Sprach- und Geografiemissionar in Afrika verbracht. Beim ersten Aufenthalt musste er seine Frau am alten Hafen von Mombasa beerdigen. Er schrieb an die Church Missionary Society in London, seine aussendende Gesellschaft, dass unser Herr sein Reich über den Gräbern der Seinen baut.
Krapf konnte in fünf Jahrzehnten Tätigkeit als Missionar keinen einzigen Afrikaner taufen. Sein Freund Rebmann taufte wenigstens einen verkrüppelten Afrikaner. Was hat das für einen Wert? Gut, Krapf hat den Mau in Kenia entdeckt, Rebmann war der erste Weiße, der den Kilimandscharo entdeckte. Dafür erhielten sie die Plakette der Geografischen Gesellschaft von Paris. Aber eigentlich wollten sie Missionare sein.
Krapf sagte: Wenn das Volk der Oromos, der Gallas, von Jesus ergriffen wird, dann geht es sprunghaft vorwärts. Doch er konnte dort nichts bewirken. Er trug nie ein Gewehr, obwohl er in Gefahr war, von wilden Tieren angegriffen zu werden. Er wollte nicht mit den Sklavenhändlern verwechselt werden, die Afrikaner zusammentrieben – vergeblich.
Wenn Sie ins Staatsmuseum von Dar es Salaam gehen, das im sozialistischen Tansania aufgebaut wurde, ist die erste Abteilung Krapf gewidmet. Er hat uns gelehrt, gegen die Sklaverei vorzugehen. Er hat Afrikaner geliebt. Krapf selbst hat nicht mehr erlebt, was seit etwa 40 Jahren in diesem Gebiet von Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und Burundi geschieht: die große ostafrikanische Erweckungsbewegung, die größte Erweckungsbewegung unserer Zeit.
Im letzten Jahr fanden große Gedenkfeiern am Mount Kenia zum 100. Todestag von Ludwig Krapf statt. Der junge schwäbische Missionar Johannes Beierhaus, Sohn von Professor Beierhaus, stieg mit dem dicken Bischof auf den Berg. Sie wollten eine Gedenkplatte oben am Mount Kenia errichten, um zu zeigen, dass all das, was jetzt an Hospitälern und Schulen in diesem durch die Erweckung geprägten Land entstanden ist, diesem Boden Gottes, Ludwig Krapf, zu verdanken ist.
Sie haben jedoch die Werkzeuge vergessen und mussten die Tafel irgendwo an einen Felsen stellen. Aber sehen Sie: Eure Arbeit ist nicht vergeblich im Herrn, wie es im 1. Korinther 15 heißt. Denn der Herr ist auch noch da, der aus zerbrochenen Menschen, die denken, das Leben sei ein Torso, ein Fragment, eine Ruine, eine große Panne, noch etwas machen kann.
Er zeigt seine Ehre, indem er unsere Arbeit nicht nur segnet und mit Blumen schmückt, sondern daraus etwas Neues erschafft – aus Nichts etwas macht.
Gottes Macht über das Unmögliche und das Beispiel Abrahams
Wo steht es? Oh, wir müssen in die Bibel hineinschauen. Wo genau steht es? Ja, noch einmal schön – ich würde sagen, Römer 4. Jetzt schauen wir mal bei Bruder Scheifele nach, wer Recht hat. Ja, Römer 4, Vers 17: „… und er hat Gott geglaubt, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ruft, dass es sei.“
Violett oder grün unterstreichen – also, wo sind wir gerade? Beim Grün. Das ist die Art Gottes: Er ruft dem Tohuwabohu zu, wo nichts ist, wo nichts verheißungsvoll ist, und sagt, es soll sein, in göttlicher Vollmacht.
Könnte ich so weitermachen. Ich bin in Stuttgart aufgewachsen, in einer sehr aktiven Gemeinde, von der ich sehr viel mitbekommen habe – auch Impulse von Laien und Theologen. Wir hatten große Prediger unter den Pfarrern, Organisatoren und auch einen, den wir damals schon „Little“ genannt haben, den Kleinen. Er war körperlich klein, und wir haben auch „Kannst du eigentlich vergessen?“ gepredigt. Little!
Neulich war ich beim Friseur, bei meinem alten Freund Schmiedlin. Manchmal muss sogar ich noch zum Friseur. Wir kamen ins Gespräch über vergangene Zeiten. Er war früher in unserem Jugendkreis. Da sagte er: „Was ich in all den anderen Pfarreien vergesse, aber an den denke ich heute noch – der hat meinen Namen erst nach 25 Jahren gewusst.“ Das war der Einstieg für Seelsorge vom Kleinen. Gott benutzt das Kleine, um seine Wunder zu tun.
Bei Schmiedlin muss noch ein weiter Weg gegangen werden, bis er zum Herrn kommt, aber der Einstieg war, wo wir Menschen dachten: Oh ja, also neben unserer großen Prediger-Organisation – nein, Gott hat den benutzt. Alle anderen waren Nebensache.
In Stuttgart ist das geistliche Leben des evangelischen Stuttgarts im letzten Jahrhundert geprägt worden durch Leute wie Prälat Sixx und Karl Kapff, der zuvor erster Pfarrer in Korntal gewesen war. Er war kurze Zeit Prälat, hat aber dann gemerkt, dass man als Prälat schon damals nichts ausrichten konnte und ist wieder Pfarrer geworden an der Stiftskirche – sozusagen Vorvorgänger von Konrad Eisler – und hat dort 27 Jahre als Pfarrer gewirkt.
Da gäbe es sehr viel vom Siegskarl Kapff zu erzählen, im Unterschied zum Krapff von Gohehr. Aber ich bin im Lauf der Zeit erst darauf gekommen, dass die entscheidende Figur natürlich Charlotte Reilen war. Nun hatten es Frauen im letzten Jahrhundert noch viel schwerer als heute, sich durchzusetzen – und Charlotte Reilen besonders.
Das Leben und Wirken von Charlotte Reilen
Einmal war sie körperlich so schwach, wahrscheinlich von Jugend an, möglicherweise auch aufgrund einer Erbkrankheit. Die Mutter starb im völligen Wahnsinn, und die einzige Tochter hat vermutlich eine ähnliche Veranlagung geerbt. Man sagte von ihr, sie habe „nicht alle Tassen im Schrank“ – also, nicht alle Schrauben richtig angezogen.
Ihr Mann sagte einmal zu ihr: „Du bist verrückt und bleibst verrückt. Bei einer Verrückten kann ich nicht aushalten.“ Daraufhin wanderte er nach Amerika aus. Ein bisschen mag er damit Recht gehabt haben.
In dieser Situation war es gut, dass sie sich an den Prälaten Kapf und den späteren Missionsdirektor Hoffmann anhängte. Diese Männer führten sie immer ein wenig. Johannes Schneidmann von Velva, einer der großen Väter der hanischen Gemeinschaft und Weingärtner, sagte sie einmal, ihr Mann solle sie bekehren. Er antwortete darauf: „Ich weiß gar nicht, was die Stuttgarter Frauen alle haben, dass ihre Männer sich bekehren sollen. Ich glaube, sie wollen es sich nur ein bisschen leichter machen.“
Sie verstand sich auch gut mit erfahrenen Mitchristen. Wenn sie manchmal einen seelsorgerlichen Rat erhielt, wurde sie ein wenig gedämpft in ihrer Dynamik. Doch Charlotte Reil, körperlich schwach und seelisch gefährdet, war durch viel Not gegangen.
Während der Revolution von 1848 hatten die Revolutionäre als erstes Ziel, das Rheiländische Haus zu plündern – das erste Kaufhaus in Stuttgart. Die Stuttgarter Diakonissenanstalt wurde von ihr gegründet, trotz des Widerstands frommer Leute. Diese sagten, jetzt fange man auch bei ihnen mit katholischen Sitten an, dass es Nonnen geben würde, und die Mädchen, die den Dienst tun, seien eingebildet. Sie sollten etwas Richtiges schaffen.
Charlotte Reil gründete das Diakonissenhaus und sammelte Gelder. Damals gab es keine Staatszuschüsse. Sie sagte: „Kann man ihnen helfen? Herzlich willkommen, kommen Sie!“ Das wurde sehr geschätzt.
Nebenbei hatte ein Schandorfer einmal eine ähnliche Situation bei einer Bibelstunde erlebt. Da sprang eine Frau auf und sagte, die Elternversammlung sei eine Etage höher. Sie wolle nicht, dass auch Fremde teilnehmen. Man müsse immer sagen: „Es ist schön und wunderbar, dass Sie da sind.“ Viele Menschen nehmen dies nicht an.
Charlotte Reil sagte: „Es muss doch auch etwas für Töchter getan werden.“ Es gab ein Gymnasium für Jungen, aber nichts für Mädchen. Sie hörte von dem frommen Lehrer Weidle, und da es keine Mädchenschule gab, räumte sie ihr Wohnzimmer aus und stellte den Lehrer Weidle an. Er unterrichtete zwölf bis vierzehn Mädchen aus benachbarten, befreundeten Familien.
Sie hörte immer zu und sagte sich, was Weidle den Kindern weitergibt, sollte auch uns eine Stunde halten. So begann die sogenannte Weidlesche Stunde. Später sagte sie, Weidle solle eine Schule für Mädchen aufbauen.
Wenn man sich heute in Stuttgart das Möhringer Gymnasium ansieht – früher Töchterinstitut – so wurde es von Charlotte Reil gegründet. Die gesamte evangelische Gesellschaft in Stuttgart und alle Einrichtungen mit Mädchenwohnheim gehen auf sie zurück. Sie sammelte Geld.
Damals kam das neue fromme Gesangbuch heraus. Schon damals brachte die Kirche alle 40 Jahre ein Gesangbuch heraus, das auch eine Geldquelle war. 1842 kam das fromme Gesangbuch heraus, und Charlotte Reil sagte, die ärmeren Leute könnten sich das gar nicht leisten. Deshalb gründete sie einen Verein, damit ärmere Menschen ein Gesangbuch kostenlos erhalten konnten. Das waren viele Ideen einer Kaufmannsfrau.
Überall, wo man in Stuttgart unterwegs ist, stößt man auf Spuren von Charlotte Reil. Sie sagte: „Männer haben eine Stunde, in der sie sprechen, und wir Frauen dürfen in dieser Stunde gar nicht richtig reden. Könnte nicht Prälat Kapf für uns eine Frauenstunde einrichten, in der wir auch die Fragen zur Sprache bringen, die uns zu Hause in der Erziehung und so weiter bewegen?“
Charlotte Reil war ein besonderes Werkzeug Gottes. Ihre Spuren sind schön und wertvoll.
Das Bild vom schmalen Weg und die geistliche Entwicklung
Vielleicht kennen manche von Ihnen das Bild vom breiten und schmalen Weg, das früher fast in jedem rechten württembergischen Haus hing. Es ist ein Gleichnis Jesu, das im Mittelalter oft verwendet wurde. Im 17. Jahrhundert malten Künstler es sehr moralisch: Auf der einen Seite sieht man das Staatsgefängnis, auf der anderen Seite das College und Ähnliches.
Charlotte Reilen gab dieses Gemälde in Auftrag, einem Maler, dessen Namen wir heute nicht mehr kennen. Ihre Idee war, am schmalen Weg, dem Weg Jesu, all das einzuzeichnen, was ihr wichtig war. So sieht man dort die Sonntagsschule. Sie hatte das Netz der Stuttgarter Sonntagsschulen aufgebaut. Früher waren diese nicht kirchlich organisiert. Sie sagte: "Ihr vom Jünglingsverein, vom CVJM müsst die Sonntagsschule machen."
Auch die Diakonissenanstalt, Jugendheime, Bewährungsheime und Rettungsanstalten sind am schmalen Weg dargestellt. Die ganze Diakonie ist dort zu finden. Vorn sieht man einen Wanderer, der aus der Quelle trinkt – das war ihre Bekehrungsgeschichte.
Nachdem sie als junge Frau den Trubel der Vergnügungen in Stuttgart erlebt hatte – als Pfarrerstochter endlich mal das Stuttgarter Leben –, freute sie sich, dass sie ihrem Mann Söhne geboren hatte. Doch plötzlich bekam einer eine Gifterkrankung und erstickte daran.
Da sagte sie: Das ist sicher eine Strafe Gottes, eine Warnung, dass ich zu weltlich lebe. Eine Seelsorgerin sagte zu ihr: „Hanei, das ist wie bei einer Schafherde. Wenn ein Mutterschaf nicht mehr weiterkommt, nimmt der Hirte das Lämmlein auf den Arm, dann läuft die Schafherde von selbst nach. So hat der Herr Jesus es jetzt bei deinem Kind gemacht.“
Das tröstete sie zunächst nicht. Doch als ein Pfarrer einmal predigte, dass in Gott die Quelle des Lebens ist und das Wasser, das er gibt, in uns eine Quelle lebendigen Wassers wird, die ins ewige Leben führt, hat sie das tief berührt.
Das Abendmahl war für sie ein Trost. „Ist der Leib“, und wie Paulus sagt, „erst grüne Zehnten“ – das gesegnete Brot, das wir essen, und der gesegnete Kelch, den wir trinken – das ist doch Gemeinschaft mit Jesus.
So sind wir wieder beim vorherigen Thema: Ich, armselige, sündige Frau, die so viel falsch gemacht hat, darf verbunden sein mit dem lebendigen Gott, als eines seiner besonderen Werkzeuge.
Das können Sie in der Kirchengeschichte nachvollziehen, zum Beispiel bei einem zerbrochenen Bodelschwing, der den Tod seiner vier Kinder erlitt und sagte, Gott habe ihn durch diesen furchtbaren Verlust barmherzig gemacht, sodass er sein Leben widmen konnte.
Die Realität des christlichen Lebens und Gottes Wirken trotz Schwäche
Den Ärmsten der Armen werden in den meisten christlichen Lebensbeschreibungen oft nur die positiven Seiten dargestellt. Dabei war er noch kein Engel.
Ich habe in Bethel einmal einen alten Diakon gefragt: „Sie haben doch noch Bodelschwingen, wie lebte er denn?“ Er kam aus Hamburg und antwortete: „Stur. Sie können sich vorstellen, wie stur er war.“ Das war er auch – noch kein Engel. Aber Gott hat ihn benutzt.
Mit seiner Sturheit, dem Verlust seiner vier Kinder und seinem zerbrochenen Leben wurde er zu einem besonderen Werkzeug Gottes. Wie die Propheten wurde er geschmäht, verachtet und schwach, ähnlich wie Jeremia oder Jona. Er lief von Gott weg, wurde aber zurückgeholt mit den Worten: „Komm, ich brauche dich.“ Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, den Jesaja gesehen hat. Doch Gott stellte ihn auf die Seite und sagte: „Der Plan des Herrn wird durch seine Hand weitergehen.“
Schon vor Martin Luther gab es viele, die Pläne für die Reform der Kirche hatten. Wyckliff, Hus und Waldus machten gewaltige Pläne. Doch Gott benutzte diesen kranken, schwachen, ständig gallenkranken und migränegeplagten Mönch Martin Luther. Er machte einen Vulkan aus ihm.
Wenn ich heute noch die 52 Bände der Weimarer Ausgabe sehe, mit all seinen Schriften und Briefen, frage ich mich, wie er das überhaupt zeitlich geschafft hat. Er hatte keine Schreibfräulein, keinen Computer und keinen Laptop. Es ist wirklich ein Wunder, dass all das erhalten geblieben ist.
Wo Gott wirkt, geschieht Unvorstellbares – gerade bei schwachen Menschen. Luther selbst hat immer von seinem schwachen „Madensack“ seines Körpers gesprochen.
Ermutigung zum Vertrauen auf Gottes Kraft
Was bedeutet das praktisch für uns? Er hoffte, wo nichts zu hoffen war. Formose heißt, er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn.
Über die Kirche und den Zustand der Christenheit gibt es viel Anlass zu klagen. Dennoch sollten wir Menschen sein, die sagen: Jetzt bin ich mal gespannt, was Gott daraus macht. Wir wollen Gott bitten, dass er aus diesen Trümmern, die wir vor uns haben, etwas zu seiner Ehre schafft.
Die Erfahrung meines Lebens zeigt, dass wir mit dem Kritisieren manches vielleicht aufhalten können, aber kaum Gewissen wecken. Mich bewegt es immer wieder, wenn ich bei ProChrist bin. Zum Beispiel beim ersten Eröffnungsabend in Leipzig, in dieser gottlosesten Stadt Deutschlands. Schon 1939 gehörte 50 Prozent der Bevölkerung keiner Kirche an. Nach 40 Jahren Atheismus hätte ich nicht für möglich gehalten, dass die riesige Messehalle überhaupt einigermaßen voll wird. Doch sie war bis zum letzten Stuhl gefüllt.
Das Eröffnungsgebet sprach Bischof Kress. Dann standen die Sektierer, die Schabranek-Leute, auf und störten mitten im Gebet. Da sind sie hilflos, da können sie eigentlich nur weinen. Lieber Gott, zeigst du uns, dass wir den Kopf durchgesetzt haben, dann hätten wir Ulrich Farzani, den du als richtig erkannt hast, verschüttet. Doch nach seiner Ansprache rief er die Leute auf, nach vorne zu kommen – und keiner stand auf.
Dann kamen die jungen Leute. Auf die Frage, warum sie nach vorne gingen, antworteten sie: „Da, wo die Störung war, wussten wir, dass wir jetzt sagen müssen, wo wir hingehören wollen.“ Wenn wir am Zerbrechen sind und nichts mehr haben, benutzt Gott das, um seine Siege zu machen.
Man kann nicht einfach sagen: ProChrist ist eine tolle Sache, wieder strömen die Menschen nach vorne, und doch ist die Entscheidung ein richtiger Weg. Oh, liebe Zeichen, es ist alles weggeschlagen worden – alle Erfahrungen, alle Planungen. Aber Jesus hat etwas daraus gemacht.
Die besonderen Werkzeuge Gottes sind geschlagene, armselige, schwache Menschen, damit die überschwängliche Kraft von Gott kommt und nicht von uns. So setzen wir unsere Hoffnung nicht auf uns selbst, sondern auf den Gott, der den Tod überwunden hat und lebendig ist.
Weitere Beispiele besonderer Werkzeuge Gottes
Vorher dachte ich, man müsste eigentlich auch in der Kirchengeschichte Beispiele finden, in denen das wahr wurde. Kennen Sie die Missionsgeschichte von der unbegabten Frau, die von allen Missionskomitees abgelehnt wurde, aber dann zur großen Missionarin in China wurde? Wo gibt es sonst noch solche Beispiele?
Nehmen Sie zum Beispiel Thomas, von dem in der Bibel steht, dass er gezweifelt hat und Jesus nicht extra wegen seines Zweifels erschien. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Thomas, der Apostel, der am weitesten gekommen ist – bis nach Indien. Die Marthoma-Kirche geht bestimmt auf Thomas zurück. Den Missionsbefehl verstand gerade der Zweifler, aus dem hat Jesus etwas gemacht.
Und jetzt, grüner Bleistift, denken Sie daran, wo Sie sehen, dass etwas durch schwache Leute getan wurde. Joachim Neander ist auch nur etwa dreißig Jahre alt geworden. Er musste oft die frische Luft bei Düsseldorf genießen. Dieser junge Rektor wanderte gerne in den Tälern, die später nach ihm Neandertal genannt wurden. Dort fand man den Urmenschen.
Von Joachim Neander haben wir die großen Königslieder, die bis heute gesungen werden. Darüber gibt es keine Diskussionen in jedem neuen Gesamtbuch. Das muss hinein: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“, „Sieh hier bin ich, Ehrenkönig“, „Wunderbarer König, Herrscher von uns allen“. Gott hat durch die scheinbar Schwachen gewirkt.
Aber jetzt hören Sie zu, natürlich stimmlos. Ja, herstehen! Jetzt sehen Sie, dass Sie immer dran sind – die schwachen, schwachen Werkzeuge Gottes.
Der Lobgesang der Hanna als Abschluss
Zum Abschluss möchte ich noch einen Bibeltext lesen, und zwar aus dem ersten Buch Samuel, Kapitel zwei, dem Lobgesang der Hanna.
Nachdem Gott der verschlossenen, kinderlosen Frau Hanna ein Kind geschenkt hatte, hat Vater Gutbrot oft betont, dass man dies als Kindergottes in Vorbereitung erzählen soll. Hanna hat nicht einfach gesagt: „Ich möchte ein Kind haben“ oder „Ich möchte Mutter werden“. Vielmehr sprach sie: „Lieber Gott, du brauchst doch in diesem gottlosen Tempel, in dieser Stiftsstätte jemanden, mit dem du rechnen kannst. Du brauchst in unserem Volk einen, mit dem du arbeiten kannst, einen Segensträger.“ Wahrscheinlich war das richtig erkannt, das war die Tendenz Hannas.
Nun folgt der Lobgesang der Hanna, den ich heute Abend zum Abschluss lesen darf:
Hanna betete und sprach:
„Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn,
mein Haupt ist erhöht in dem Herrn,
mein Mund hat sich weit aufgetan gegen meine Feinde,
denn ich freue mich deines Heils.
Es ist niemand heilig wie der Herr,
außer dir ist keiner,
es ist kein Fels wie unser Gott.
Lasst euer großes Rühmen und trotziges, freches Reden nicht aus eurem Munde gehen,
denn der Herr ist ein Gott, der es merkt,
und von ihm werden Taten gewogen.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen,
und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.
Die Sattwaren müssen um Brot dienen,
und die Hungernden leiden nicht mehr.
Die Unfruchtbare hat sieben geboren,
und die viele Kinder hatte, welkt dahin.
Der Herr tötet und macht lebendig,
er führt hinab zu den Toten und wieder herauf.
Man kann diesen Satz kaum lesen, ohne zu merken, dass hier die erste Prophetin spricht, die schon auf Jesus schaut:
Der Herr ist nicht die Feinde, nicht der Hohepriester;
der Herr tötet und macht lebendig.
Vers 7:
Der Herr macht arm und macht reich,
er erniedrigt und erhöht.
Einer der größten Verse:
Er hebt den Dürftigen aus dem Staub
und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setze unter die Fürsten
und den Thron der Ehre erben lasse.
Er macht lebendig, erhebt den Dürftigen aus dem Staub.
Praktisch kann es sein, dass unser Gebet voll Zutrauen sein will. Wir sehen viel Bruch in unserer Kirche, auch in unseren Gemeinschaften, CV&Ms, Hauskreisen. Da könnte noch viel mehr Leben sein. Jetzt sind wir gespannt, was Gott tun wird. Nicht immer neue Rezepte, nicht nur noch mehr Tagungen und Studienprogramme. Ich bin gespannt, was Gott tun wird.
Wollen wir das? Sind wir bereit, weil wir es ernst nehmen, was sein Wort sagt und was er quer durch die Geschichte der Christenheit getan hat? Wir sind gespannt darauf, was er tun wird. Erbarm dich über uns, gib, dass wir uns nicht vermessen und meinen, du hättest keine anderen Hände.