Eindrücke eines jungen Pfarrers und die Herausforderung des Christentums
Als ich als junger Mann mein Pfarramt antrat, fiel mir ein Buch in die Hand, das mich außerordentlich beeindruckte. Es stammt von dem amerikanischen Indienmissionar Stanley Jones. Er berichtet darin von seiner Arbeit unter indischen Studenten. Dabei sagt er, es sei für ihn quälend gewesen, ständig von ihnen mit einer Fülle von Fragen und Problemen überfallen zu werden.
Es waren Fragen des christlichen Dogmas, Fragen zu christlichen Institutionen und auch solche, die sich auf die Kirchengeschichte bezogen – eine Geschichte, die ja nicht immer sehr glorreiche Kapitel aufweist. Er war unablässig damit beschäftigt, das Christentum zu verteidigen oder auf diese Fragen Antworten zu geben.
Dann merkte er, dass er auf diese Weise nicht weiterkam. Eines Tages entschloss er sich, eine Frontverkürzung vorzunehmen. Ihm wurde klar, dass diese Fragen zu Kirchengeschichte, Dogmen, verschiedenen Konfessionen und Institutionen die Menschen nicht in ihrem Gewissen wirklich berührten.
Also beschloss er, die Front kurz zu machen und nur noch den Christus zu verkündigen – den auferstandenen Christus, der heute, jetzt, über die Landstraßen Indiens geht und an hungrige Menschen sein Wort wahrmacht: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an; so jemand meine Stimme hören wird, zu dem werde ich eingehen.“
Wie gesagt, dieses Buch hat mich außerordentlich beeindruckt, denn mir ging es genauso. Ich war in einem großen Arbeiterbezirk tätig und bekam ständig Fragen gestellt: Was ist mit der Kirche los? Warum gibt es verschiedene Konfessionen? Warum existieren bestimmte Dogmen in der Kirche? Warum geschieht dies oder jenes in der Kirchlichkeit?
Da sagte ich mir: Jetzt will ich nur noch den Christus verkündigen, der durch diese Bergarbeiterbezirke geht und Menschen ruft. Und so möchte ich es jetzt auch machen.
Zurück zur Quelle: Jesus Christus im Mittelpunkt
Ich möchte mit Ihnen zur Quelle gehen und mit Ihnen über Jesus Christus sprechen.
Sehen Sie, was heute oft unter Christentum verstanden wird: Institutionen, Kirchen, Kirchensteuer und vieles mehr. Das vergleiche ich häufig mit dem Rhein bei seiner Mündung. Dort fließt so viel hinein, dass der Fluss ganz schmutzig wird.
Wenn man jedoch oben bei der Quelle oder noch bei Schaffhausen schaut, ist der Rhein klar und schön. So wollen wir auch an den Anfang gehen und nach Jesus Christus fragen.
Von ihm hören wir im Neuen Testament. Jesus ist eine faszinierende Gestalt. Lassen Sie mich zunächst drei kurze Geschichten von ihm erzählen.
Begegnung mit dem Ausgestoßenen: Jesus und der Aussätzige
Jesus sprach einmal vor Tausenden von Menschen. Plötzlich entstand am Rand eine solche Unruhe, dass Jesus nicht weitermachen konnte. Was war dort los?
Oh, es war etwas Furchtbares. Ein Aussätziger war herangekommen und versuchte, sich unter die Menge zu mischen. Aussatz ist eine schreckliche Krankheit, bei der der Mensch bei lebendigem Leib verfault. Da die Ansteckungsgefahr groß war, wurden im Altertum die Aussätzigen in die Wüste oder in die Steppe verjagt.
Man kann sich vorstellen, wie es war, als dieser Aussätzige näherkam. Die Leute schrien: „Geh zurück! Mach dich fort!“ Sie hoben Steine auf, um ihn wegzujagen. Doch sie wichen vor ihm zurück, und er bekam Platz. Es entstand eine Gasse mitten durch die Menge, und durch diese Gasse kam er direkt auf Jesus zu.
Dann stand dieser elende Mensch vor Jesus – ach nein, er fiel vor ihm nieder. Ein schrecklicher Anblick: sein Kopf war mit Eiter bedeckt, vielleicht waren die Ohren schon abgefault, die Nase entstellt – ein elendes Bild eines Menschen vor Jesus.
Und sehen Sie, da geschieht das, was immer geschehen muss: Unser Elend und Jesus müssen zusammenkommen. Wie geht die Geschichte weiter? Sie denken, Sie wissen es, Sie sagen, er wird ihn geheilt haben. Doch vorher kommt noch etwas Wundervolles, ein Satz, den ich sehr liebe.
Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus einen Schritt zurücktritt vor diesem ekelhaften Anblick des Aussätzigen. Aber stattdessen tritt Jesus einen Schritt vor und legt ihm seine Hand auf den Kopf. Er rührte ihn an. Die Leute schrien auf: „Ein Aussätziger darf nicht berührt werden, das steckt doch an!“ Doch Jesus berührte ihn.
Es ist unbeschreiblich, dieses Bild: die Hand des Heilandes auf dem Haupt eines Aussätzigen. Und dann wird er geheilt. Aber das scheint mir fast nebensächlich.
Das ist wichtig: Jesus scheut sich vor keinem Elend. Dem Herrn Jesus ist kein Elend zu groß, er rührt es an.
Der Anspruch Jesu und das Kreuz
Die zweite Geschichte, die ich von Jesus erzählen möchte, handelt von seiner Verurteilung zum Tode. Man hat ihn zum Tode verurteilt, weil er den Anspruch erhob: „Ich bin von oben, ihr seid von unten.“
Sie können keine Zeile aus dem Munde Jesu lesen, ohne diesen Anspruch zu hören. Er sagt: „Ich komme aus einer anderen Dimension, ich komme aus der Welt Gottes in die dreidimensionale Welt zu euch herein.“ Er tritt auf als der Fremde, als der ganz Andere, als der, der eigentlich gar nicht hierhergehört.
Paulus drückt es so aus: „Der Sohn Gottes entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.“ Der Anspruch Jesu, dass er aus einer anderen Welt kommt und der Sohn Gottes ist, ist so unerhört, dass er bis heute die Menschen aufregt. Er bringt sie zum Spott, zum Hass und zum Widerspruch.
Damals konnten sie es nicht ertragen und verurteilten ihn zum Tode wegen Gotteslästerung. Dann wurde er ans Kreuz geschlagen.
Ich möchte dieses Kreuz vor Ihre Augen stellen. Da ist er, der Gewaltige, der den Sturm stillte, der Tote aus den Gräbern rief und der Tausende sättigte – ohnmächtig angenagert.
O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
O Haupt zum Spot gebunden mit einer Dornenkrone.
Von dieser Stunde an können Sie das Bild des Kreuzes nicht mehr aus der Welt entfernen. Es hat die abendländische Welt bestimmt und geprägt.
Die Auferstehung: Hoffnung und Begegnung mit dem Lebendigen
Die dritte Geschichte, die ich erzählen möchte, geht so: Man hat Jesus in ein Felsengrab gelegt. Dann hat man eine Steinplatte davor gelegt und sie versiegelt. Anschließend wurden römische Soldaten davor aufgestellt, damit niemand an das Grab herankommt.
Am dritten Morgen geschieht es: Die Wächter laufen entsetzt nach Jerusalem hinein und berichten, dass Jesus auferstanden ist. Er ist aus dem Grab gekommen.
Ich hätte nicht den Mut, hier zu sprechen, wenn ich nicht ganz sicher wüsste, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Er ist mir begegnet, so wie er Menschen begegnen kann. Und er begegnet zu allen Zeiten, auf allen Kontinenten und in allen Jahrhunderten.
Es ist merkwürdig, wenn man einmal das Neue Testament liest, wie dieser Jesus als schlichter Lehrer, der durchs Land zieht, auf der einen Seite unerhörte Ablehnung erfährt. Auf der anderen Seite findet er erstaunlichen Glauben. Und genauso ist es heute mit dem auferstandenen, lebendigen Jesus.
Unterschiedliche Reaktionen auf Jesus heute
Wie kommt es, dass die einen ihn annehmen und die anderen leidenschaftlich ablehnen? Ich glaube, es ist so: Es gibt Menschen, deren Leben unendlich glatt verläuft. Sie haben eine Weltanschauung, die genau aufgeht. Sie rechnen damit, dass sie mit dem Leben einigermaßen fertigwerden können, auch auf religiösem Gebiet. Sie sind mit sich selbst zufrieden und sagen: Dieser Jesus passt gar nicht in mein Leben hinein.
Diese Menschen werden nie Zugang zu Jesus finden, wenn nicht ein Wunder geschieht.
Aber es gibt andere Menschen, die an die Abgründe des Lebens geraten sind. Dort kommt der Mensch mit sich selbst nicht mehr zurecht – mit den Problemen seines Lebens, mit seiner Schuld, mit seinem Alltag. Vielleicht fällt das Schrecken Gottes auf sie, das Gewissen schreit auf, und das Grauen vor der Welt trifft sie.
Es gibt Menschen, die über sich selbst erschrecken, Menschen, die merken: Mein Weg ist ja gar nicht so, wie er sein sollte.
Solche Leute, die an die Abgründe des Lebens gekommen sind, horchen auf, wenn sie Jesus begegnen. Und so ist es bis zum heutigen Tage.
Die mit der glatten Lebenswanderung werden mich wahrscheinlich hier auslachen und sagen: Wir verstehen gar nicht, wovon du sprichst. Aber es kann von heute auf morgen geschehen, dass Gott vor ihnen den Abgrund aufreißt. Vielleicht denken sie dann daran, dass jetzt Jesus ihnen begegnen will.
Die Realität der Schuld und ihre Unveränderlichkeit
Lassen Sie mich noch etwas genauer von den Abgründen des Lebens sprechen, die die Bibel uns zeigt und denen wir im eigenen Leben begegnen.
Der größte Abgrund tut sich dann auf, wenn wir begreifen, was Schuld in unserem Leben bedeutet. Ist Ihnen eigentlich schon einmal die Schrecklichkeit der Schuld bewusst geworden? Schuld, die wir nicht entfernen können.
Lassen Sie mich ein kleines Erlebnis von einem Freund erzählen, dem die Augen für die Unveränderlichkeit und Unlöslichkeit der Schuld aufgingen.
Dieser Freund hatte einen prachtvollen Vater. Während der Semesterferien war er als Student zuhause und hatte ein kleines Zimmer oben im Haus. Eines Tages rief der Vater von unten seinen Sohn. Der streckte den Kopf heraus und fragte: „Was ist los?“
Da sagte der Vater: „Du, ich muss einen Gang in die Stadt machen. Willst du mich nicht begleiten?“
Der Sohn antwortete: „Ach, ich habe gerade so eine wichtige Arbeit vor mir. Ich bin gerade so in meinen Gedanken verstrickt, ich habe Schlechtzeit.“
Dann ging der Vater allein.
Acht Tage später war der Vater tot. Es war nicht wie in der Großstadt, wo man die Leiche gleich wegholt. Er wurde im Haus aufgebahrt, und nach der Sitte des Hauses hielt der Sohn in der Nacht Wache am offenen Sarg seines Vaters.
Da fiel ihm ein, wie der Vater ihn vor acht Tagen gebeten hatte, ihn zu begleiten. Und er hatte Nein gesagt. Er hatte ihm einen kleinen Liebesdienst verweigert.
Da sagte er, so erzählt er, zu dem Toten: „Vater, bitte mich doch noch einmal. Ich würde gern den hundertfachen Weg jetzt mit dir gehen. Vater, fordere mich noch einmal auf.“
Aber der Vater blieb still.
Und als er das stumme Gesicht seines Vaters sah, verstand er, dass er diese kleine Lieblosigkeit in alle Ewigkeit nicht mehr reparieren und gutmachen kann.
Zum ersten Mal begriff er, dass man Schuld nicht gutmachen kann – nie und nimmer.
Die Notwendigkeit der Ehrlichkeit vor Gott und die Vergebung durch Jesus
Ich wünsche Ihnen allen die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, dass Sie einmal die Schuld in Ihrem Leben auch wirklich Schuld und Sünde nennen. Ich glaube, diese Ehrlichkeit kann man aufbringen, wenn man ins Licht Gottes kommt. Dann werden Sie verstehen, was es heißt: Jesus kann Schuld wegnehmen. Er kann sie aus meiner Vergangenheit wegradieren. Dafür ist er gestorben.
Das Blut Jesu Christi macht mich rein von aller Sünde. Ich darf einen Tausch machen: Ich darf ihm, der am Kreuz hing und lebt, meine Schuld geben, und er gibt mir seine Gerechtigkeit.
Es ist wichtig, dass wir das verstehen. Wir sind ja so großartige Leute geworden. Wir verstehen es, mit der Schuld unseres Lebens sehr schnell fertigzuwerden. Wir leugnen sie, wir vergessen sie, wir gehen darüber hinweg. Solange wir das schaffen, geht der Weg unseres Lebens glatt und fröhlich weiter. Und wenn wir mal siebzig sind, bekommen wir schöne Jubiläumsreden gehalten.
Aber wie ist es, wenn Gott uns unser Gewissen weckt und unsere Schuld uns, wie es in der Bibel heißt, vor die Augen stellt? Ganz bestimmt wird er das tun im Gericht. Wir werden in seinem Gericht stehen.
Die Bibel sagt, dass Sünde alles ist, was gegen Gott getan ist. Das ist Wirklichkeit und kann man nicht wegschwätzen oder wegvergessen. Sünde ist Realität. Da kann ich tausendmal sagen: Ich denke nicht darüber nach oder ich nehme es nicht ernst – sie ist eine Wirklichkeit, und sie liegt auf uns.
Wenn uns die Augen dafür aufgehen, wie David sagt: „An dir allein habe ich gesündigt“, dann stehen wir vor einem Abgrund. Dann merken wir, dass wir dem Gericht Gottes verfallen sind, dem ewigen Gericht.
Aber wenn der Abgrund aufgerissen ist, wenn die Schuld da ist und mein Gewissen mich verklagt, dann muss Gott selbst es mir sagen: Ob es möglich ist, dass er Sünde vergibt. Und dann, wie ich schon sagte, dürfen wir es am Kreuz Jesu ablesen. Die Strafe, meine Strafe, liegt auf Jesus, auf das Kreuz.
Wir brauchen alle jetzt, sage ich das Wort, das wir nicht hören wollen, und das doch das wichtigste Wort für unser Leben ist: Wir brauchen alle Vergebung der Sünden. Niemand im Himmel und auf Erden kann uns Vergebung der Sünden geben als allein Jesus. Er kann sie geben, weil er das Gericht am Kreuz dafür getragen hat.
