Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gräber haben es in sich, vor allem die Knochen. Der große Pioniermissionar und erste Indienmissionar Samuel Hebig, der auch in Korntal bestattet ist, hat einmal gesagt: Wenn ihr mein Grab öffnet und nur meine Fußknochen seht, dann sollen euch diese Knochen erzählen, dass es gute, liebe Füße sind. Sie haben mich treu durch Indien getragen.
Doch noch mehr wird mein Herr darüber sagen. Hier kommt Jesaja 52, das wir vorher gehört haben: "Wie lieblich sind die Füße der Boten, die Gutes verkündigen, Frieden bekannt machen und sagen: Dein Gott ist König."
Da sind also sogar die Fußknochen im Grab wichtig.
Die Bedeutung von Gräbern und Missionarsleben
Die Nationalsozialisten fürchteten sogar die Knochen in den Gräbern von Korntal. Sie wollten den alten Friedhof in Korntal aufheben, auf dem so viele Missionarinnen und Missionare bestattet sind. Ihr Ziel war es, die Erinnerung an diese frommen Menschen auszulöschen.
Doch es gab einen, Professor Schwenkel, der den Mut hatte, sich sogar gegen die Machthaber zu stellen. Dank ihm ruhen die Knochen von Samuel Hebich bis heute in Frieden – auch die Fußknochen.
Gräber haben eine besondere Bedeutung, das haben die Nationalsozialisten verstanden, aber auch Gottfried Osaimensa, einer der großen Kirchenführer Afrikas und Madagaskars. Er besuchte uns einmal, als wir in Schorndorf lebten. Er kam todmüde nach einem Nachtflug aus Nairobi, und ich sagte zu ihm: „Gottfried, wir haben eine Dusche und ein Bett für dich bereit.“
Doch er antwortete: „Zuerst will ich auf den Friedhof.“
Ich fragte: „Wohin?“
Er sagte: „Ich möchte das Grab von Kristaller sehen.“
Dieser Missionar Kristaller hatte in Ghana über vierzig Thuisprachen erforscht – ganz schwierige Dialekte und Sprachen.
Gottfried stand dann am Grab, zunächst in stillem Gebet. Danach sagte er mit strahlendem Gesicht, dass Kristaller ihre Sprache besser verstanden habe, als sie selbst es tun. Das könne nur der Heilige Geist bewirken.
Gräber haben es in sich. Gerade dieser Gottfried Osaimensa begleitete uns 1975 bei der großen Weltkirchenkonferenz in Nairobi. Dort, im Kenyatta Center, versammelten sich 3000 Delegierte aus aller Welt.
Ein westlicher Missionar begann am ersten Tag, seine Weisheiten zu verkünden. Er sagte: „Wir von der westlichen Christenheit müssen Buße tun, Buße vor den Afrikanern und vor Gott, weil wir den afrikanischen Völkern das Christentum aufgezwungen haben.“
Da fragte ich Gottfried: „Stimmt das?“
Er antwortete: „Ich würde ihn am liebsten mitnehmen auf die Friedhöfe bei uns in den Dörfern und Gräbern im Hochland von Kenia.“
Opferbereitschaft und Glauben in Ostafrika
Da stehen noch die Kreuze der Christen, die sich damals beim Mau-Mau-Aufstand gegen die Engländer erschlagen ließen. Ihr wisst, der große Aufstand fand von 1952 bis 1956 statt und war eine revolutionäre Bewegung gegen die Engländer. Die Christen im Kral ließen sich weder von den Mau-Mau-Revolutionären noch von den Engländern vereinnahmen. Lieber ließen sie sich selbst totschlagen, als dass sie zur Machete griffen.
Diese Leidensbereitschaft, diese Sterbensbereitschaft öffnete hier in Ostafrika das Herz der Massen für Jesus. Was muss das für ein Herz sein, das lieber in den Tod geht, als sich mit dem Schwert zu verteidigen? Gräber haben es in sich – sie sind sogar Ausdruck von Überzeugung.
Einer der großen Pioniermissionare Ostafrikas war Dr. Ludwig Krapff. Er stammte aus Derendingen bei Tübingen. Sein großes Ziel war Ostafrika, doch er wurde verlacht. Sein eigener Missionsdirektor, Dr. Hoffmann, sagte: „Wir müssen Indien anpacken, in Afrika ist nichts zu holen, das ist zu schwierig.“
Krapffs Ziel blieb bestehen, obwohl er aus Äthiopien hinausgeworfen wurde und furchtbare Entbehrungen erlitt. Zusammen mit seiner Frau Rosine hatte er in der Shoa-Wüste ein Kind geboren, das dort beerdigt werden musste. Sie waren von wilden Tieren bedroht und wurden schließlich aus Äthiopien, dem damaligen Habesch beziehungsweise Abessinien, vertrieben.
Dennoch versuchte Krapff noch einmal, von der Ostküste aus, bei Sansibar, gegenüber der Halbinsel Mombasa, Fuß zu fassen. Kaum waren sie dort bei Mombasa gelandet, erlitt seine Frau Rosine, die ihr zweites Kind erwartete, eine Frühgeburt. Sowohl das Kind als auch die Mutter starben.
Der einsame Ludwig Krapff setzte sich nach der Beerdigung seiner Frau hin und schrieb einen Brief an seinen Missionsdirektor Dr. Hoffmann in Basel. Darin bat er ihn, den Freunden der Mission zu sagen: „Hier an der afrikanischen Küste ist ein einsames Grab, in dem ein Glied unserer Gesellschaft ruht. Es ist das Zeichen dafür, dass der Kampf und das Ringen um Ostafrika begonnen hat. Weil der Sieg unseres Herrn Jesus Christus nur über die Gräber vieler seiner Leute führt, sollen sie wissen, dass der Tag kommen wird, an dem auch über Ostafrika Jesus siegen wird – ein Sieg über Gräber.“
Gleich neben dem Grab von Ludwig Krapff wollten alle in Korntal bestattet sein, weil sie dachten, dort seien die Türen offen und das Verständnis für Weltmission gegeben. Damals war es in unseren württembergischen Gemeinden noch nicht so. Niemand sagte, dass Mission wichtig sei. Doch Korntal war von Anfang an, seit 1919, weit geöffnet für den Horizont der Weltmission.
Die Anfänge und Herausforderungen der Weltmission
Gleich neben dem Grab von Krapff befindet sich auch das Grab von Johannes Rebmann. Er stammte aus Gerlingen und war der Mitarbeiter von Krapff. Rebmann verstarb im Alter von 56 Jahren in Korntal. Heute ist er ein junger Mann, zehn Jahre vor dem Wohlstand, nicht? Doch er war leergebrannt, er war blind und konnte nicht mehr.
Es war sein Wunsch, dass auf seinem Grabstein der Satz steht: „Saved in the Arms of Jesus“ – geborgen, gerettet, heil in den Armen von Jesus. Bis heute wird dies bezeugt für alle, die über den Friedhof gehen. Sie sind herzlich eingeladen. Ich mache gerne Führungen über diesen Friedhof, weil deutlich wird: Nicht wir – auch nicht die Missionarinnen und Missionare – helfen dem Herrn Jesus zu seinen Siegen, sondern die Größe des Herrn Jesus. Er lässt uns schwache Menschen an seinen Siegen teilhaben.
Whenever the Church is effective – wenn je die Kirche Erfolg hat – then Jesus is effective. Jesus hat dann Kraft, nicht wir. Das wird an diesen Gräbern deutlich. Es waren hervorragende Leute. Denn damals, so um 1815, 1820, war die Weltmission gerade erst in der evangelischen Welt entdeckt worden.
Die katholische Kirche war immer wachsam dafür, dass der Herr Jesus seinen Leuten gesagt hat: „Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker!“ Unter den Ersten, die nach Ostasien gingen, war Franz Xaver. Er folgte bis nach Japan und China, in Südamerika. Den Konkretisatoren folgte die Mission. Wir müssen diesen bisher unbekannten Menschen von Jesus erzählen, weil alle Menschen sich nach Erlösung sehnen.
Die katholische Kirche wusste auch, dass das Christsein normalerweise sehr schnell erstirbt, einschläft oder lau wird. Deshalb begann sie schon um 1200 nach Christus die Volksmission. Wir sollten in vielen Gebieten Hochachtung vor der katholischen Kirche haben. Gerne evangelisch, aber wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Prämonstratenzer und die Dominikaner das betrieben, was bis heute Volksmission genannt wird: Erweckung!
Als in der evangelischen Kirche die Pfarrer noch Widerstand gegen die erste Evangelisation leisteten – sie sagten, das brauche man nicht, man predige doch jeden Sonntag gut – hat die katholische Kirche begriffen, dass es einen besonderen Ruf zum Glauben braucht.
In der evangelischen Kirche fiel der Groschen erst um 1790, 1800. Die Reformatoren hatten gar nicht daran gedacht, dass man Weltmission machen müsste. Es waren die Engländer, die der Christenheit das vermittelt haben.
Ein hohes Lied ist auf die katholische Kirche gesungen worden. Jetzt würde ich gern ein hohes Lied auf die Engländer singen. In England gab es in der Nachfolge der westlichen Erweckung Ende des 18. Jahrhunderts einen Aufbruch für Weltmissionen. Das Erste war The Foreign and British Bible Institute, die Mutter aller Bibelgesellschaften. Dann kam die London Missionary Society und vor allem die große Church Missionary Society.
In Basel und Stuttgart haben ein paar Leute begriffen: Das ist es, was wir brauchen. 1812 wurde in Basel eine Missionsanstalt gegründet. Man wusste überhaupt nicht, wohin man die Missionare aussenden sollte, mit welchem Geld und mit welchen Pässen. Da sagten die Engländer: Schickt sie zu uns. Wir schicken sie dann über die Church Missionary Society aus. Wir ordinieren sie mit anglikanischem Ritus und dann senden wir sie aus.
Aber wir wollen first-class missionaries haben. Wir wollen keine Abenteurer, keine Greenhorns, keine Globetrotter. Wir wollen First-Class Missionaries. Die Aufgabe ist so groß, dass wir begabungsmäßig, gesundheitsmäßig, kräftemäßig und im Durchhalten Leute brauchen, erster Klasse.
Als Leute wie Rebmann, Krapff und Isenberg nach Islington bei London geschickt wurden, sagte Henry Fenn, der Leiter der Church Missionary Society: „Those are first-class people.“ Das sind großartige Leute.
Scheitern und Neubeginn in der Mission
Aber selbst diese erstklassigen Menschen sind gescheitert. Dr. Ludwig Krapf war Jahrzehnte in Afrika, konnte jedoch keinen einzigen Afrikaner taufen. Sein Gefährte Johannes Rebmann war fast vier Jahrzehnte in Afrika tätig. Er wirkte, erforschte Sprachen, sammelte geografische Erkenntnisse, sorgte für Heilungen und baute medizinische Hilfe auf. Dennoch ließ sich nur ein einziger Afrikaner taufen – ein Krüppel namens Mringe. Auch erstklassige Missionare stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.
Heute sagt die Christenheit in Ostafrika, sie gehöre zu den lebendigsten Kirchen, die es weltweit gibt. Vielleicht noch Indonesien kann mithalten. Die Menschen dort sagen, dass sie all dies den Vätern verdanken, nämlich Rebmann und Krapf. In der Kathedrale von Nairobi sind im Chor riesengroße, wunderbar farbig gestaltete Glasfenster mit den Vätern der Christenheit zu sehen: Johannes Rebmann und Ludwig Krapf.
Wenn ich an den Gräbern vorbeigehe, wird mir immer wieder deutlich, was in 1. Korinther 15 steht: zeitfest, unbeweglich, und nehmt immer zu im Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist. Schließlich ist Jesus auch noch da. Um Jesu willen kann er selbst aus dem, was uns wie ein Bruch, wie Scherben, wie ein Torso oder Fragment erscheint, etwas machen.
Das ist es, was ich bei den Gräbern auf dem Friedhof von Korntal immer wieder lerne: His Story ist nicht einfach Missionsgeschichte. Missionsgeschichte ist seine große Geschichte – was er wirkt und was er kann.
Nun wollte ich mit euch über den Friedhof gehen, als sogenannten Appetizer, als Vorgeschmack für einen Besuch, den ihr einmal in Korntal machen könnt. Herzlich willkommen, wenn wir an einigen Gräbern vorbeigehen.
Die Gemeinde Korntal als Missionsstandort
Aber zuerst muss ich etwas zu Korntal sagen. Korntal wurde 1819 gegründet. Der Wunsch war, eine Gemeinde zu haben, in der die Mitglieder nicht nur dem Namen nach Mitglieder sind, sondern tatsächlich mit Verantwortung und Engagement dabei sind.
Wir wollten eine Gemeinde sein, die Modelle schafft – im Bereich der Pädagogik, im Bereich der Diakonie – und wir wollten offen sein für die Weltmission. Das hat große Frucht getragen. Weltmission bedeutet nicht, dass man nur sagt: „Jetzt muss ich auch noch opfern und dafür beten.“ Vielmehr hat es den Korntalern von Anfang an geholfen, einen weiten Horizont zu haben.
Während andere noch lange auf der Landkarte suchen mussten, wo überhaupt Vorderindien liegt, wussten die Korntaler genau, wo Chombola, Betgeri und Mangalur sind, wer dort wirkt und welche Probleme es gibt. Denn wer mit der Missionsgeschichte und der Missionsarbeit verbunden ist, weiß: Mit der ersten Bekehrung ist noch lange nichts getan. Die eigentliche Bewährung kommt erst danach, beim Hineinwachsen ins Christsein.
Liebe Freunde, wie viele junge Leute waren in unseren Jugendkreisen und Posaunenchören, die später weggeblieben sind? Sie waren einmal begeistert, sie waren einmal dabei. In der Mission kann man lernen: Die Schwierigkeit kommt danach, beim Festwerden im Glauben.
Man kann in der Mission auch lernen, dass man sich selbst krank macht und überfordert, wenn man dauernd nur an Erfolge denkt. „Mensch, wir müssen es doch schaffen!“ Man muss damit rechnen, dass man selbst scheitert.
Der Apostel Paulus hat einmal gesagt: „Wir waren so am Leben verzagt, als wir meinten, es sei mit uns aus. Es geschah aber deshalb, dass wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der den Tod lebendig macht.“ Das kann man in der Mission erleben: Vertrauen nicht auf uns selbst.
Ludwig Krapff hat gesagt: Im Blick darauf, dass man keine Glaubens-Trotter oder Abenteurer brauchen kann, brauchen wir in der Mission angesichts der großen Aufgaben hochintelligente Leute. Wir brauchen Menschen, deren Gesundheit und Kraft belastbar sind.
Aber vor allem brauchen wir Leute, die sich nicht dauernd selbst überschätzen, sondern bereit sind, sich selbst zu verleugnen – was eben zum Zeugnis gehört. Die auch bereit sind, das zu tun, was sie eigentlich von Herzen gar nicht tun wollen, gegen das sie rebellieren. Selbstverleugnung – solche Leute brauchen wir.
Kinder und Frauen in der Missionsgeschichte
Aber wie gesagt, ich wollte ja von Korntal erzählen. Wenn Sie gerade durch das Portal gehen, kommen Sie zuerst an einem Kindergrab vorbei, dem von Jakob Friedrich Weidbrecht.
Jetzt möchte ich etwas weiter ausholen und von seiner Mutter erzählen. Sie war eine englische Christin, glaubenstark. Der Vater war ein Missionarfreund von Gottlieb Daimler und stammte aus Schorndorf. Weidbrecht war an der ersten großen Erweckung in Indien, in der Gegend von Kalkutta, beteiligt.
Sie hatten mehrere Kinder, der Jüngste war Jakob Friedrich. Da das Klima in Kalkutta ungesund war, schickten sie ihn lieber nach Korntal, ins fromme Korntal, in die gesunde Luft. Dort gab es noch keine Abgase wie in Stuttgart.
Dann sammelten sie einige Missionskinder in Korntal: den Sohn von Missionar Fjellstadt, die beiden Kinder von Missionar Häberlin und weitere. Es waren etwa 30 bis 40 Missionskinder, die im gesunden Korntal aufwachsen sollten.
Im Jahr 1852 kam jedoch eine Scharlach-Epidemie nach Korntal. Unter den 40 Kindern, die innerhalb einer Woche starben und bestattet wurden, waren auch zwölf Missionskinder. Dieses kleine Gräberfeld erinnert mich an die vielen Kindergräber im Hochland von Usambara in Tansania, in Ruanda und Burundi.
Immer wenn Christen die Friedhöfe besuchen, führt der Weg zuerst zu den Kindergräbern, zu den Kindern der Missionare. Das zeigt, welche Opfer gebracht wurden. Viele Missionare ließen ihre Kinder in Europa zurück. Ein eigener Schwiegervater war erst ein halbes Jahr alt, als seine Eltern ihn zurücklassen mussten, um selbst für zehn Jahre nach Kamerun zu gehen.
Man kann sich kaum vorstellen, was das für Mütter bedeutete, sich von ihren Kindern zu trennen – alles um der Aufgabe willen. Verstehen Sie, sie haben durchlitten, was der Herr Jesus einmal gesagt hat: Wer nicht bereit ist, Vater, Mutter, Brüder, Schwestern und Kinder aufzugeben – Jesus sagte sogar, wer nicht bereit ist, sie zu hassen –, der kann ihm nicht nachfolgen und kein Jünger sein.
Diese Opfer wurden gebracht. Dabei wurde nicht gesagt: „Jetzt habe ich endlich ein Recht auf ein bisschen Freiheit“, oder „Habe ich nicht auch ein Recht auf Urlaub?“ oder „Habe ich nicht auch ein Recht auf gute Behandlung und Bezahlung?“
Das waren keine Helden, die dort in Korntal auf den vielen Friedhöfen bestattet sind, sondern Menschen, die Großes von Jesus erwarteten.
Herausforderungen und Opfer in der Missionsarbeit
Und wenn wir heute etwas brauchen, liebe Freunde in der Christenheit, dann ist es, wieder Großes von Jesus zu erwarten. Es gibt so viele Rezepte; im Moment schwirrt es nur so von Vorschlägen, wie unsere Gemeinden neu gegründet werden können, wie sie wachsen können, wie sie effektiv werden können, wie eine gesunde Leiterschaft, geschult in Leadership, die Gemeinden voranbringen könnte. Es wird diskutiert, welche Musik wir brauchen, wie anders die Gottesdienste sein müssten und wie es da „pfupfen“ müsste.
Angesichts der Gräber der Missionare kommt mir das immer vor wie Streu, die der Wind zerstreut. Wenn wir unser Vertrauen auf Rezepte, Programme, Musik und Gestaltung setzen, dann ist das nicht das, was wirklich zählt.
Wann immer die Kirche effektiv ist, wenn sie überhaupt Erfolg hat, gesund ist, dann ist Jesus der Effektive. Ich wollte ja von Korntal erzählen: Das nächste Grab existiert nicht mehr. Die Nazis hatten es ausgehoben, bevor die Zerstörung des Friedhofs gestoppt werden konnte. Die damalige Hitlerjugend und der Bund Deutscher Mädchen (BdM) wurden eingesetzt, um die Gräber zu öffnen, auch das Grab der Luise Däuble, einer Lehrerstochter aus Gerlingen.
Wir wollen ja nicht nur von Männern sprechen, sondern auch von Kindern und Frauen. Die Luise war gefragt worden – ihre zwei Brüder waren Missionare. Man sagte zu ihr: „Luise, das wäre doch etwas für dich. Draußen gibt es so viele Missionare, die sind jetzt fünf, sechs Jahre draußen und merken, dass sie nicht sterben über dem Tropenklima.“ Aber dann schrieb wieder jemand, er brauche eine Frau. „Lina, wärst du nicht bereit? Luise, wärst du nicht bereit, nach Indien zu gehen?“
Es wird so viel Törichtes über die Missionsbräute geschrieben. Was für eine Brutalität wäre es gewesen, sie zu einem völlig unbekannten Bräutigam hinauszuschicken! Doch es entstanden meist viel glücklichere Ehen als bei uns, wo man am Anfang nur an die Liebe denkt, und nach 14 Tagen ist sie oft nicht mehr so stark. Die Missionare wussten: „Wir wollen miteinander die Sache des Herrn Jesus anpacken.“ Das war die Basis, auf der auch eine Ehe gebaut werden konnte.
Die Luise war bereit. Auf einer ganz langen Fahrt – damals gab es noch keinen Suezkanal – kam sie über Afrika nach Indien. Viele Stürme, Seekrankheit, sogar der indische Koch wurde krank. Da ging Luise in die Kombüse und kochte schwäbische Knöpfle zur Begeisterung aller Teilnehmer auf der Fahrt. Sie war eine praktische Frau.
Sie überlegte, wie wohl ihr Bräutigam, der Missionskammerer, aussehen würde, dem sie zugedacht war. Als sie auf der Höhe von Mangalore war, fragte sie: „Wer von denen da draußen ist er denn?“ Doch alle machten betrübte Gesichter. Als Luise schließlich mit ihrem Kanu an Land kam, musste man ihr sagen, dass der Kammerer leider vor vier Wochen gestorben war.
Da sagte sie: „Habt ihr für mich Aufgaben?“ Sie sprang im Schulwesen in Mangalore ein, bis Ludwig Fink, ein Missionar und Theologe aus Calw, dachte: „Das wäre doch auch etwas für mich, die Luise.“ Er musste allerdings zuerst nach Basel schreiben, ob er die Genehmigung bekommt. Doch die Genehmigung kam, und sie heirateten, bekamen ein Kind.
Dann wurde der gute Missionar Fink schwer krank. Luise sagte: „Es hat gar keinen Wert, wir müssen möglichst schnell heim.“ Mit dem Schiff fuhren sie zurück, wieder den weiten Weg, allerdings war damals schon der Suezkanal gebaut. Im Mittelmeer gab Ludwig Fink seinen Geist auf, in der Nähe von Korfu. Man konnte ihn nicht mehr im Mittelmeer bestatten, weil man zu nah an der Insel Korfu war.
Luise musste den Leichnam ihres Mannes dem Konsul in Korfu übergeben und fuhr selbst weiter. Als Witwe kam sie nach kurzen Ehejahren nach Deutschland zurück. Dort sagte man zu ihr: „Luise, schau mal, der Missionar Rebmann ist jetzt 55 Jahre alt, er ist blind, ausgepowert, leergebrannt. Das wäre doch etwas für dich.“ Und sie heiratete ihn.
Mit erblindeten Augen sagte Rebmann: „Lobe den Herrn, meine Seele, vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Die letzten Lebensmonate dieses greisen Missionars wurden plötzlich erhellt durch die Gegenwart der Luise, die dann noch dreißig Jahre in Korntal lebte. Missionsschicksale bereit zum Opfer, zu einem fröhlichen Opfer.
Manchmal musste man auch schlucken. Ich weiß von einer Missionsbraut, die nach Kamerun kam und merkte: „Mein Bräutigam ist so anders, als ich mir vorgestellt habe.“ Da kamen ihr täglich die Tränen, bis ihr Bräutigam sagte: „Jetzt ist Schluss!“ Ab dem Augenblick hat sie nicht mehr geweint.
Also, das gab es auch: Durch Krisen hindurch mussten wir zusammenstehen. Uns wurde eine glückliche und gesegnete Ehe geschenkt.
Samuel Hebich und die Herausforderung der Mission in Indien
Luise Däuble, wir gehen noch ein paar Meter weiter. Samuel Hebich, der große Indienmissionar, war bereit, auf den Götzenfesten der Inder zu sagen: „Ihr betet doch Steingötter an, die euch nicht helfen können.“
Bis die Tempelpriester die Elefanten losgelassen haben, die Tempelelefanten, auf diesen Missionar Hebich. Die ersten Elefanten konnte er noch erschrecken mit seinem großen schwarzen Regenschirm, den er aufgespannt hatte. Das war für Indien etwas ganz Neues. Wahrscheinlich hatte Gandhi überhaupt dort gelernt, einen Regenschirm zu tragen.
Aber nach und nach hat er Hebich begriffen: Nicht die Götzentempel sind das Schlimme, sondern die englische Kolonialarmee, die in Indien war. Für die Hindus in Indien galten die Engländer ja als getaufte Leute, es sind Christen. Und wie die saufen und sich benehmen – das sollen Christen sein? Da habe ich gewusst: Da kann ich missionieren, solange ich will. Sie sind abgeschreckt. Ich muss zuerst bei den Engländern anfangen, sie daran zu erinnern, was es bedeutet, auf den Namen des Herrn Jesus getauft zu sein.
Und so hatte er angefangen, unter den englischen Offizieren zu missionieren, zu evangelisieren. Schließlich wurde das Regiment, das in Kananour stationiert war, „Hebbigs Own“ genannt, Hebichs Leib-Regiment. Dort sind Offiziere und Soldaten zum Glauben gekommen und wurden durch die Botschaft verändert.
Als schließlich der alte Hebich nach Europa zurückkam, wurde gesagt: Die Hauptaufgabe ist, hier in diesem heidnischen Europa wieder zu sagen, dass Jesus der Erlöser und Retter ist, der ein Leben verändern kann. Er begann in der Schweiz, im Elsass, in Württemberg und Baden, Evangelisationsvorträge zu halten. Dabei wurde er von einer Pfarrerschaft gebremst, die sagte: „Wir haben das nicht nötig.“
Aber er war eigentlich der Erste. Wenn wir heute Ulrich Parzany haben, verstehen Sie, der steht auf den Schultern eines Hebich. Hebich hat angefangen und gesagt: Die Aufgabe in unseren deutschsprachigen Gemeinden ist, dass wir ganz neu wieder lernen, was Glaube an den Herrn Jesus bedeutet. Dazu hat er eingeladen – ein Bahnbrecher der Evangelisation.
Auf seinem Grabstein steht: Samuel Hebich, ein Zeuge Jesu Christi aus der Heidenwelt. Mit der Heidenwelt hat er nicht Indien gemeint, sondern sein Nellingen auf der Ulmer Alb, aus dem er stammte. Dort gab es Heidentum, bei uns in Württemberg. Und ich bin als Zeuge Jesu aus dieser Welt herausgerissen worden, damit ich Menschen sagen kann, was man an Jesus hat.
Wie lieblich sind die Füße der Boten, die Frieden verkündigen und sagen: „Dein Gott ist König.“ Ich habe vorher erzählt, dass Krapf und Rebmann eigentlich erfolglos gearbeitet haben. Aber heute gibt es in Ostafrika eine lebendige Christenheit – in Ruanda, Burundi, Tansania, Kenia –, die selbst Missionare aussendet. Manche von Ihnen haben noch auf unseren Gemeindetagen den afrikanischen ugandischen Bischof Festo Kivengere erlebt, das Frucht Ostafrikas.
Wie kam es dazu, dass über diesem scheinbaren Scheitern von Rebmann und Krapf dann plötzlich eine Christenheit entstanden ist?
Karl Isenberg und die Jugend in der Mission
Wenn ich mit Ihnen jetzt noch ein paar Meter weitergehe zum Grab von Karl Isenberg, muss ich zuerst sagen: Wenn es überhaupt Jugendarbeit gibt und wenn wir heute eine Jugendkonferenz für Weltmission haben, dann war Karl Isenberg der Erste, der um 1840 Jugendkreise gesammelt hat. Zuerst waren es Jungmännerkreise – in Barmen, in Basel, in Berlin, überall, wo er hinkam, hat er solche Kreise gegründet. Das war damals etwas ganz Neues.
Was brauchen junge Leute für sich selbst? Junge Menschen brauchen einen eigenen Bereich. Isenberg hat ihnen von der Mission erzählt und ihnen die Mission lieb gemacht. Er selbst war körperlich schwächlich, aber geistig sehr stark. Man merkte seine unglaubliche Sprachbegabung.
Ursprünglich hat er in Barmen, wo er zu Hause war, Klempner gelernt. Doch sein Pfarrer erkannte, dass in ihm mehr steckt. Er wollte Missionar werden und konnte es auch. Deshalb wurde er zu Sprachstudien geschickt. In Basel sagte man, er sei so begabt, dass man ihn schnell nach Berlin zu den besten Theologieprofessoren schicken müsse. So sollte er später, wo immer man ihn in der Mission einsetzte, die theologischen Hintergründe verstehen.
Man schickte ihn zuerst nach Äthiopien. Damals, um 1840, war die Welt überzeugt, dass der Islam bald zusammenbrechen würde. Man hielt diese Religion für überholt. Um den Menschen, die dann keinen Halt mehr hätten, Rückhalt zu geben, wollte man zuerst die Reste der christlichen Kirchen in den muslimischen Ländern stärken. Dazu gehörten die koptischen Kirchen in Äthiopien und Ägypten sowie die Kirchen in Persien und Südrussland. Diese sollten fähig sein, nach dem Zusammenbruch des Islam neu zu evangelisieren.
Welche Illusion! In der Mission wurde immer wieder deutlich, dass die großen Pläne der Menschen oft scheiterten. Doch unser Gott hat Großes vor. Ich habe vorher gesagt, dass Krapf und Träbmann aus Äthiopien von der koptischen Priesterschaft hinausgeworfen wurden. Auch Karl Isenberg, der äthiopische Wörterbücher verfasst, Grammatik geschrieben und die Bibel ins Äthiopische übersetzt hat, wurde schmählich hinausgeworfen.
Als er Äthiopien verlassen musste, war er wie ein Wrack. Er sagte zu seiner Kirche: "Was ich jetzt brauche, ist Ruhe." Daraufhin schickte man ihn nach Bombay. Dort sollte er eine englischsprachige Zeitschrift herausgeben, als Redakteur ein ruhiges Leben führen.
Eines Tages standen englische Marineoffiziere vor ihm. Sie berichteten, dass sie im Auftrag der englischen Regierung im Indischen Ozean arabische Sklavenschiffe aufgebracht hätten. In England war inzwischen beschlossen worden, gegen die Sklaverei zu kämpfen. Die Erwachsenen konnten zurück nach Ostafrika gebracht werden, da sie wussten, zu welchen Dörfern sie gehörten. Aber was sollte mit den Kindern geschehen? Könnte Isenberg sie nicht aufnehmen?
So begann Isenberg, über Nacht, 27 Boys’ Homes und Girls’ Homes in Bombay aufzubauen. Die Kinder lernten Handwerk, und viele von ihnen kamen zum Glauben. Isenberg fragte sich: "Hier kommt doch etwas aus Ostafrika. Wie wäre es, wenn ich euch zurückschicke zu Rebmann und Krapf?"
Als die Kinder in der Gegend von Mombasa ankamen und plötzlich in ihrer Swahili-Sprache sangen: "Lobe Alendolo, lobe den Herren, mächtigen König der Ehren", liefen dem fast erblindeten Rebmann die Tränen über das Gesicht. Gott hatte es geschafft! Obwohl Menschen scheiterten, entstand plötzlich eine ostafrikanische Gemeinde.
War die Mission in Äthiopien umsonst? Martin Flath, der in Korntal beerdigt ist, ließ auf seinen Grabstein das Psalmwort schreiben: "Morenland wird seine Hände ausstrecken nach dir, Jesus." Die paar hundert Bibeln, die Krapf und Isenberg zurückgelassen hatten, wurden von manchen für vergeblich gehalten. Ein schwedischer Forscher hat jedoch nachgewiesen, dass diese Bibeln Anlass dafür waren, dass heute lebendige Kirchen wie die Kalehawad-Kirche und die Mekane-Jesus-Kirche in Äthiopien existieren.
Gott kann sogar ein paar alte Bibelausgaben benutzen, um Leben entstehen zu lassen.
Vergiss nie den Augenblick, als Emanuel Abraham, der Präsident der damals vom sozialistischen Regime verfolgten Mekane-Jesus-Kirche, uns in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Osnabrück ein großes Wort sagte. Er meinte, er könne nicht viel sagen, weil die Geheimdienste auch in diesem Saal seien und sofort nach Addis Abeba berichten würden, was er über die Verfolgung sagte. Er grüßte uns mit dem Wort aus Römer 8: "Wir sind geachtet wie Schlachtschafe."
Da wussten wir, was los war. Dann machte er eine Pause, sein Gesicht strahlte, und er fuhr fort: "Aber so geht es weiter in Römer 8: In dem allem überwinden wir weit um des Willen, der uns geliebt hat, des Jesus Willen."
Heute ist das sozialistische Regime weggefegt, und die Gemeinden und Kirchen Äthiopiens blühen. In dem allem überwinden wir weit.
Die Siege, die unser Herr Jesus Christus auf diesem weiten, schönen Feld der Welt erringt, sind Siege, an denen er seine schwachen Leute teilhaben lässt. Es braucht uns nicht, dass wir ihm zum Sieg verhelfen. Aber es ist die Würde derer, die in der Mission draußen wirken, der Würde derer, die eine kleine Jungschar leiten oder sich um den Jugendchor kümmern, dass Jesus uns an seinen Siegen teilhaben lässt – in His Story, der Geschichte, die er schreibt.
Herr Jesus, vielen Dank, dass das nicht bloß Vergangenheit ist, versunken in Gräbern, sondern dass du bei jedem von uns wirken kannst. Deine Geschichte, die Ausstrahlung, die du uns schenkst, geschieht nicht, weil wir so toll sind, sondern weil du toll bist. Wir sind gespannt darauf, was du noch tun wirst bei uns, in unserer jungen Generation, in unseren Gemeinden. Amen.
