Einführung in die Abend-Bibelschule und Zielsetzung
Und jetzt fangen wir an. Wir haben hier Abend-Bibelschule. Das heißt, es geht wirklich um die biblische Botschaft von Jesus Christus. Dabei möchte man ein bisschen in die Tiefe schauen. Das ist ja der Sinn vom ABS: nicht unbedingt zu evangelisieren oder Menschen zum Glauben zu bringen, obwohl das auch immer wieder geschieht. Vielmehr geht es darum, dass ich Christ bin und wissen möchte, wie ich mit Jesus im Alltag leben kann. Darum geht es.
Ich habe mir diesmal Matthäus Kapitel 5 ausgesucht, einen Teil der Bergpredigt. Die Bergpredigt ist die längste Predigt Jesu, die wir in der Bibel finden. Sie erstreckt sich über drei Kapitel und beginnt mit den Seligpreisungen, die die meisten von uns kennen. Im Kapitel 5 geht es dann weiter ab Vers 17 bis zum Ende. Dieses Thema wollen wir in den sechs Abenden, die wir gemeinsam verbringen, behandeln.
Die Bergpredigt und das Verhältnis zum Alten Testament
Und bei den sechs Malen, wo Jesus sagt – wenn ihr eine Bibel dabei habt zum Beispiel –, liest Jesus nur den ersten Teil vor: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten. Wer tötet, der ist dem Gericht verfallen.“ Dann fügt er hinzu: „Ich aber sage euch, dass jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird“ usw.
Was da sechsmal geschieht, ist folgendes: Jesus sagt, „Ihr habt gehört, was gesagt ist, ich aber sage euch“. Dabei entsteht irgendwie der Eindruck, als ob das, was im Alten Testament steht oder gesagt wurde, von Jesus aufgehoben wird und er jetzt etwas Neues bringt. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man den Text so durchliest.
Umso interessanter ist es, dass Jesus gerade davor im Vers 17 sagt – und das wird jetzt die erste Einheit sein, dies zu verstehen: „Meint nicht, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.“
Das heißt, Jesus ist nicht gekommen, das Alte Testament aufzulösen, sondern er erfüllt das Alte Testament.
Die 613 Gebote im Alten Testament und ihre Bedeutung
Wir müssen das jetzt verstehen. Ich glaube, du kannst anfangen. Im Alten Testament gibt es insgesamt 613 Gebote. Ich habe sie nicht selbst gezählt, aber Theologen haben mir das gesagt. Insgesamt sind es 613 Gebote. Manche sagen 614, aber das ist mir nicht so wichtig.
Zu den 613 Geboten gehört das moralische Gesetz, also die zehn Gebote. Diese sind uns mehr oder weniger geläufig. Selbst wenn wir sie nicht genau kennen, wissen wir zumindest, dass es die zehn Gebote gibt. Das weiß eigentlich fast jeder.
Dann gibt es das Zivil- und Sittengesetz. Davon gibt es Hunderte. Es regelt zum Beispiel, wie die Israeliten damals zusammengelebt haben. Es war ähnlich wie heute ein Gesetzbuch, das bestimmt, was richtig und was falsch ist. Im Alten Testament kannst du lesen, wie es geregelt ist, wenn zum Beispiel ein Stier den Zaun des Nachbarn niederreißt und dabei ein kleines Kind verletzt oder tötet. Es wird genau festgelegt, wer schuld ist – ob der starke Stier oder der schwache Zaun oder etwas anderes. Diese Dinge sind im Sittengesetz geregelt, und es gibt noch vieles mehr.
Dann gibt es noch das Zeremoniengesetz oder das priesterliche Gesetz. Die Leviten, die Priester, führten die Opferriten durch. Auch dafür gibt es viele Gesetze. Die Leviten waren also die Priester, und daher kommen diese Vorschriften. Wenn man die Gesetze zusammenzählt, kommt man auf die 613 Gebote.
Das Problem der Einhaltung des Gesetzes und das Opfergesetz
Im Alten Testament gab es viele Gebote, doch die Israeliten konnten sie nicht alle einhalten. Das stellte ein Problem dar. Immer wieder brachen sie das Gesetz, das Gott ihnen gegeben hatte. Gott wusste das und gab ihnen deshalb ein Opfergesetz.
Dabei konnte man ein Opfer bringen, zum Beispiel ein Schaf, einen Daumen oder ein Käwi. Dieses Tier wurde geschlachtet, und sein Blut stand stellvertretend für die Sünde des Menschen. In der Bibel steht Blut für Leben, nicht für Tod. Dieses Blut brachte Leben und stellte die Beziehung zu Gott wieder her.
Im Neuen Testament wissen wir, dass wir keinen speziellen Tag wie den Sonntag brauchen, um in die Kirche zu gehen. Wir schlachten keine Kühe oder Schafe mehr. Stattdessen ist Jesus Christus für uns gestorben – ein für alle Mal. Er hat den Tod auf sich genommen und sein Blut vergossen, damit wir leben können.
Die Frage nach der Gültigkeit der Gebote für Christen heute
Jetzt stellt sich für uns die Frage: Gilt das Gesetz für Christen überhaupt noch? Wenn Jesus alles erfüllt hat, müssen wir dann die zehn Gebote noch einhalten? Bleiben wir zunächst bei den zehn Geboten, weil sie uns geläufiger sind.
Im Neuen Testament lesen wir über das Alte Testament Folgendes: Es wird oft als das Gesetz, die Tora, bezeichnet. Zum Beispiel steht im Hebräerbrief, dass das Gesetz schwach und nutzlos sei und nichts zur Vollendung gebracht habe. Dort heißt es sogar, das Gesetz sei ein Dienst zur Verdammnis und zum Tod.
Man könnte nun denken: Wenn das so ist, dann können wir das Alte Testament vergessen und brauchen das Gesetz nicht mehr. Paulus sagt ja auch, ihr seid nicht unter dem Gesetz, also nicht unter dem Alten Testament, sondern unter der Gnade.
Andererseits wird im Neuen Testament gesagt, dass das Gesetz gut ist. Im ersten Timotheusbrief heißt es: "Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist." Im Römerbrief Kapitel 3, Vers 31 fragt Paulus: "Heben wir das Gesetz auf, weil wir durch den Glauben gerechtfertigt werden?" Und Paulus antwortet: "Keineswegs! Wir bestätigen das Gesetz."
Dadurch entsteht Verwirrung. In der Bibelschule, wo wir die Bibel studieren, ist das eine der meistgestellten Fragen: Gilt das Gesetz jetzt noch für uns oder nicht? Ist es gut oder schlecht? Sollen wir es befolgen oder nicht?
Über diese Frage möchte ich in den ersten paar Minuten sprechen und sie erklären.
Die überraschende Botschaft Jesu in der Bergpredigt
Als Jesus die Bergpredigt hielt, kam er, um das Evangelium, die gute Botschaft, zu verkünden. Wisst ihr, was für die Israeliten eine gute Botschaft gewesen wäre? Wenn Jesus gesagt hätte: „Ihr Juden, im Alten Testament gibt es 613 Gebote, aber ihr habt sie nie alle halten können. Wisst ihr, was eine gute Botschaft wäre? Wir streichen 500 davon. Dann habt ihr nur noch 100 Gebote, und damit kommt ihr besser zurecht.“
Eine gute Botschaft wäre auch gewesen, wenn Jesus gesagt hätte: „Jetzt habe ich euch zehn Gebote gegeben: Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht lügen, du sollst nicht Ehe brechen und so weiter. Aber auch diese habt ihr nicht gehalten. Aber das ist eine gute Nachricht: Ich streiche jetzt sechs davon. Dann habt ihr nur noch vier Gebote, und da werdet ihr wohl zusammenkommen.“
Doch Jesus hat genau das Gegenteil getan. Er sagte: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst nicht töten.“ Einige der religiösen Führer, die Pharisäer, hätten vielleicht gedacht: „Ja, das passt, das haben wir bisher eingehalten.“ Doch dann fügte Jesus hinzu: „Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zornig ist, der ist bereits schuldig.“
Wenn man das hört, denkt man: „Uh, das sieht jetzt schlecht aus.“ Im Alten Testament hieß es: „Du sollst nicht Ehe brechen.“ Die religiösen Leute hätten gesagt: „Ja, das passt, das haben wir geschafft, bis heute gilt das.“ Doch Jesus sagte: „Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen.“
Wenn man das hört, denkt man erneut: „Uh, das sieht nicht gut aus.“ Das heißt: Das, was Jesus hier verkündet hat, war keine gute Botschaft im Sinne von Erleichterung, sondern eine schlechte Botschaft für die Leute.
Deshalb ist das so verwirrend. Ich möchte nun mit drei Punkten erklären, wie man diesen Gegensatz verstehen oder aufheben kann. Dabei habe ich drei Punkte.
Drei Schlüssel zum Verständnis des Gesetzes
Der erste Punkt ist der Zweck oder die Bedeutung des Gesetzes. Warum hat Gott das Gesetz gegeben?
Der zweite Punkt betrifft den Effekt: Was bewirkt das Gesetz bei uns?
Der dritte Punkt beschäftigt sich damit, wie man das Gesetz erfüllt.
Das sind die drei Punkte zu diesem Thema.
Zweck und Bedeutung des Gesetzes
Punkt Nummer eins
Die Frage ist: Warum gibt uns Gott, unser Schöpfer, die zehn Gebote? Ich konzentriere mich jetzt nur auf die zehn Gebote und vergesse die anderen 603. Warum gibt Gott uns zehn Gebote, die bis heute kein Mensch wirklich eingehalten hat?
Man kann ja Regeln für Bibelschüler aufstellen und so weiter. Man lernt über die Jahre, dass eine Regel, die niemand einhalten kann, eine schlechte Regel ist. Das heißt, wenn ich in der Bibelschule eine Regel mache, zum Beispiel: „Ab morgen stehst du jeden Tag um vier Uhr auf, schneidest dann mit der Hinterhose im Schneider aus und betest danach, und anschließend bekommst du ein Hechtbrot zu essen“, dann wären wir beide wohl die einzigen, die das machen. Und ich wahrscheinlich auch nicht.
Das heißt, jede Regel, die man nicht einhalten kann, ist eine schlechte Regel. Das ist schlechte Pädagogik. Jetzt ist die Frage: Ist Gott ein schlechter Pädagoge? Denn er hat uns Regeln gegeben, die kein Mensch einhalten kann.
Um das zu besprechen, möchte ich zwei Bibelstellen am Anfang anschauen. Zum einen 1. Johannes 3,4. Dort sagt Johannes: „Jeder, der sündigt, bricht das Gesetz.“ Das heißt, das Gesetz ist die Linie, die Vorgabe, die einzuhalten ist. Bleiben wir bei den zehn Geboten, das ist das Gesetz. Und es gilt, das Gesetz zu befolgen.
Das Problem ist: Wenn jemand sündigt, also es nicht schafft, das Gesetz einzuhalten, dann hat er das Gesetz gebrochen. Der Maßstab, den er erreichen sollte, ist das Gesetz, aber das schafft er nicht. Also bedeutet Sünde, das Gesetz zu brechen.
Im Römer 3,23 sagt der Apostel Paulus: „Alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten.“ Jetzt ist der Maßstab, was wir erreichen sollten, die Herrlichkeit. Paulus sagt, ich komme gleich darauf, was das ist, aber alle haben gesündigt – wieder das Gleiche – und sie erlangen diese Herrlichkeit heute nicht. Sie schaffen es nicht, sie kommen nicht zur Herrlichkeit Gottes.
Die Herrlichkeit Gottes ist der Charakter Gottes, so ist Gott. Jetzt ist interessant: Johannes sagt, Sünde heißt, das Gesetz zu brechen – das schaffen wir nicht. Paulus sagt, Sünde heißt, die Herrlichkeit Gottes zu verfehlen – das schaffen wir nicht.
Wenn man die zwei Verse zusammen betrachtet, erkennt man etwas: Das Gesetz Gottes und die Herrlichkeit Gottes sind dasselbe.
Jetzt ist die Frage: Was ist die Herrlichkeit Gottes? Die Herrlichkeit Gottes, das kannst du im Lexikon nachschauen, ist nichts anderes als der offenbarte Charakter Gottes. Die Herrlichkeit Gottes ist der Charakter.
Wenn wir vor 2000 Jahren gelebt hätten und Jesus gesehen hätten – wie er Leprakranke geheilt hat, wie er mit Kindern umging, wie er gesprochen hat – hätte man sagen können: So ist Gott. Das ist die Herrlichkeit Gottes. Gott wurde Mensch, und wir sahen seine Herrlichkeit. Das steht in Johannes 1,14.
Das heißt Folgendes: Vielleicht ist es manchmal ein hilfreiches, negatives Beispiel, wie das Gesetz nicht entstanden ist. Das Gesetz ist entstanden, weil es „So ist Gott“ repräsentiert. Wenn du wissen willst, wie Gott ist, schau auf Jesus oder schau auf die zehn Gebote – es ist ein und dasselbe.
Wie ist das Gebot nicht entstanden? Vielleicht denkt man sich, Gott schaut zu, ein paar Engel stehen hinter ihm – das ist eine Karikatur – und ein Engel sagt: „Du Gott, das ist echt ein Problem. Schade, bringt einer den anderen um, das ist nicht gut.“ Dann sagt Gott: „Weißt du was, mach mir ein Gebot: Du sollst nicht töten, das wird helfen.“ „Okay, sollst nicht töten“, Gebot.
Dann sagt der nächste Engel: „Ja, aber Gott, das ist ja gar nicht das Problem. Weißt du, warum der den umgebracht hat? Weil der mit seiner Frau geschlafen hat, und jetzt ist er so zornig, dass er umgebracht hat.“ Dann sagt der andere Engel: „Ja, dann müssen wir noch ein zweites Gebot machen: Du sollst nicht ehebrechen. Vielleicht hilft das.“
Dann sagt der dritte Engel: „Aber weißt du, das ist auch nicht das Problem. Weißt du, warum der Ehebruch begangen hat? Weil der dem etwas gestohlen hat. Er hat sich an die Frau rangemacht, war erfolgreich, hat mit ihr geschlafen, und dann hat ihn der umgebracht.“ „Ja, so müssen wir halt noch ein Gebot machen: Du sollst nicht stehlen.“
So sind die zehn Gebote nicht entstanden.
Wisst ihr, warum die zehn Gebote sagen: „Du sollst nicht töten“? Aus einem ganz einfachen Grund: Weil Gott das Leben ist.
Warum sagen die zehn Gebote: „Du sollst nicht lügen“? Weil Gott die Wahrheit ist.
Warum lesen wir: „Du sollst kein falsches Zeugnis reden“? Weil Gott nie falsch über jemanden redet.
Warum steht „Du sollst nicht ehebrechen“? Weil Gott absolut treu ist, und der Sohn ist absolut treu seinem Vater gegenüber.
Warum steht „Du sollst Vater und Mutter ehren“? Weil der Sohn Gottes immer das tut, was dem Vater gefällt.
Warum steht „Du sollst den Feiertag heiligen“? Weil Gott am siebten Tag geruht hat.
Das heißt, die zehn Gebote repräsentieren den Charakter Gottes – so ist Gott.
Gott hat die zehn Gebote nicht in erster Linie gegeben, um auf Steintafeln zu sagen: „Tu nicht stehlen“, „Tu nicht töten“. Nein, es ist viel mehr: Sie repräsentieren, so ist Gott.
Zum Punkt Nummer eins: Was ist der Zweck oder die Bedeutung vom Gesetz? Der Zweck oder die Bedeutung ist, dass es den Charakter Gottes offenbart.
Wirkung des Gesetzes auf den Menschen
Damit zum Punkt zwei: Was bewirkt es jetzt, wenn ich die zehn Gebote des Gesetzes lese, die den Charakter Gottes offenbaren? Was bewirkt es bei mir und bei dir, wenn wir ehrlich sind? Es zeigt mir, dass ich nicht so bin wie Gott und nicht so, wie Gott mich haben möchte. Das heißt, es zeigt die Unfähigkeit und das Versagen des Menschen.
Ich möchte es so erklären: Ihr kennt die Geschichte, oder die meisten von euch, im Alten Testament am Berg Sinai. Dort ist Mose hinaufgegangen, vierzig Tage lang, und hat oben die zehn Gebote bekommen, in Stein geschrieben, mit Gottes Finger. Das erste Gebot lautet, du sollst „Gott alleine ehren“ und keine anderen Götter neben ihm haben. Es gibt nur einen Gott, und den sollen wir ehren.
Jetzt hat Mose heute zwei Steine bekommen, da platzt er und geht hin. Was ist das Erste, was er sieht? Die ganzen Israeliten tanzen um ein goldenes Kalb, und er ist schockiert. Er schmeißt die Tafeln hin und muss sich neue holen. Aber wisst ihr, was da wichtig ist? Gott hat nichts Neues über die Menschen gelernt, sondern der Mensch hat etwas Neues über sich selbst gelernt, nämlich: Wir können Gott nicht so dienen, wie wir sollten. Es zeigt das Unvermögen des Menschen.
Das ist wunderbar im Römerbrief Kapitel 7 beschrieben. Dort kann man es anschaulicher machen. In Römer 7, Vers 7 beschreibt Paulus dieses Dilemma mit dem Gesetz. Er sagt: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde?“ Das ist die Frage. Ist es gut oder schlecht? Das haben damals schon die Christen gefragt. Paulus antwortet: „Das sei ferne!“ Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt, wenn nicht das Gesetz gewesen wäre. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: Du sollst nicht begehren. Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir. Denn ohne Gesetz ist die Sünde tot. Ich aber lebte einst ohne Gesetz. Als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf, ich aber starb.
Das ist ein etwas komplizierter Text. Wenn du noch nicht viel Bibel gelesen hast, denkst du vielleicht: Ist es gerecht, dass es da so steht? Was heißt das? Weißt du, was das heißt? Ich nehme oft das Beispiel von der Geburt meiner Tochter Lisa. Sie war unser zweites Kind. Das war etwa ein Jahr nach der Geburt von Lukas. Damals war das Krankenhaus noch da oben, und ich war mit Lukas allein zu Hause, weil ich mit Lisa im Krankenhaus war.
Ich war bei der Geburt dabei, alles ist gut gegangen, wir haben uns gefreut. Aber ja, wir hatten auch ein bisschen Stress, weil ich nie gewickelt habe – das war nicht so mein Ding. Aber jetzt musste ich es halt machen, und das war ein bisschen kompliziert. Auf jeden Fall war ich dann etwas gestresst.
Ich weiß noch, am nächsten Tag musste ich Lukas fertig machen und bin mit ihm in den Tauernhof gefahren, mit Kindersitz und so weiter. Eigentlich war es ein schöner Tag, ich war fröhlich, weil Lisa gesund geboren war. Es war ein Apriltag. Ich bin runtergefahren, und bei der Ramsauer Straße hatte ich Stress. Ich bin langsam gefahren. Da kam ein Polizist, früher nannte man sie „Chantal“. Auf jeden Fall habe ich ins Krankenhaus geschaut, war glücklich, fröhlich, kein Problem, schöner Tag.
Bis jetzt ein Erdloch kam bei der Kurve, und da stand der Polizist. Das war ein netter Kerl, aber ich war gerade im Stress mit ihm. Ich wurde angehalten und habe gesagt: „Ja, okay, fahr weiter.“ Aber weißt du, was mir diese Geschichte geholfen hat zu verstehen? Solange kein Polizist da stand, war ich total fröhlich, frei, ohne Sorgen. Ohne Gesetz ist die Sünde tot, ohne Gesetz lebst du, kein Problem.
Jetzt kommt das Gesetz, und auf einmal denkst du: Ich bin ein Schwerverbrecher. Genau das bewirkt das Gesetz. Es zeigt uns: Du kommst nicht so hin, wie du gemacht bist, du schaffst es nicht, du brauchst mich.
Und was bewirkt das Gesetz jetzt? In Galater 3, Vers 24 steht es wunderbar: „Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister“ – das griechische Wort ist Pädagogos, unser Pädagoge – „auf Christus hin, der uns zu Christus führt, damit wir durch den Glauben gerechtfertigt würden.“
Das heißt: Wenn ich sehe, bei mir fällt es weit von dem ab, wie es sein sollte. Wenn Jesus sagt: „Du sollst nicht Ehe brechen“, denke ich mir: Ja, das ist okay. Aber wenn eine Frau sich so kleidet, dass es gar nicht mehr gut aussieht, dann fällt es bei mir weit daneben. Das Gesetz ist ein Pädagoge zu Christus hin, wo ich dann sage: Herr Jesus, ich glaube, ich brauche Hilfe, ich komme in mein Leben.
Das bewirkt das Gesetz: Es treibt uns zu Christus. Und weißt du, was das Schöne ist? Jesus möchte uns nicht niedermachen. Unter Menschen ist es leider oft so, dass jemand sagt, wie schlecht er ist, damit andere sich schlecht fühlen und schuldig. Aber Gott tut das nicht. Gott tut es, damit er uns frei macht. Damit er sagt: „Hans Peter, weißt du was? Du brauchst es gar nicht schaffen. Ich will es schaffen. Du brauchst es gar nicht meistern, ich will es meistern, und ich will in dein Leben kommen.“
Das ist eine unheimlich befreiende Botschaft: Wenn man erkennt, ich schaffe es nicht und gehe zu Jesus. Gerade auf meiner Reise habe ich Christen getroffen, die mir gesagt haben: „Weißt du was, ich habe mich so bemüht, ein guter Christ zu sein, und dann weiß ich schon, wie es weitergeht. Aber ich habe es nicht geschafft. Ich bin ein totaler Versager. Gott ist enttäuscht von mir, und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.“
Zu solchen Leuten sage ich dann: „Gratuliere, du hast es geschafft. Du bist auf dem besten Weg, weil du jetzt endlich kapiert hast, dass du es nicht schaffst und dass du es nicht schaffen musst. Darum brauchst du Jesus.“
Wie übrigens viele oft nicht wissen: Du kannst Gott nie enttäuschen. Das wissen viele nicht. Gott ist nie enttäuscht von dir. Weißt du warum nicht? Weil im Deutschen hört man es gut: Um enttäuscht zu werden, müsste Gott sich vorher enttäuscht haben in dir. Aber Gott kennt dich genau. Darum ist Gott nie enttäuscht. Er weiß genau, wer du bist, und er hat dich gern.
Das ist so eine befreiende Botschaft: Ich bin geliebt, weil Gott mich genau kennt. Und Gott liebt dich nicht trotz deiner Probleme, er liebt dich mit deinen Problemen. Das ist so befreiend.
Aber er sagt uns hier in der Bergpredigt: „Kommt zu mir, allein schafft ihr es nicht.“
Erfüllung des Gesetzes durch Christus
Und damit kommen wir zum dritten und letzten Punkt, nämlich: Wie wird das Gesetz erfüllt?
Wir haben gelesen in Matthäus 5, Vers 17: Glaubt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz und die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Bevor ich eine Erklärung gebe, möchte ich drei Bibelverse vorlesen. Habe ich die eigentlich oben in der Outline? Wahrscheinlich nicht. Warte mal, wo habe ich die? Ich dachte, ich hätte sie aufgeschrieben, aber nein. Ihr müsst sie euch einfach aufschreiben oder merken.
Die erste Stelle ist Kolosser 1, 25-27. Da sagt der Apostel Folgendes. Eigentlich reichen die Verse 26 und 27:
Kolosser 1, 26-27: Paulus erzählt ein Geheimnis, das von den Weltzeiten und von den Geschlechtern her verborgen war. Das hat keiner kapiert, weder Jesaja noch Jeremia oder sonst jemand im Alten Testament. Es war verborgen.
Jetzt aber ist es seinen Heiligen, das heißt den Gläubigen, offenbart worden. Ihnen wollte Gott zu erkennen geben, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei. Und das ist – und jetzt kommt das Geheimnis – Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Es ist Christus in uns, der die Hoffnung der Herrlichkeit ist.
Der zweite Vers stammt aus dem Alten Testament, Jeremia 31, Vers 33:
Jeremia 31, 33: Da sagt Gott durch den Propheten: „Das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde“, spricht der Herr. „Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und es auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“
Gott sagt also: Ich werde mein Gesetz nicht mehr auf zwei Steintafeln schreiben, sondern in euer Inneres, auf euer Herz. Dort schreibe ich es hinein.
Der dritte Vers ist Hesekiel 36, Vers 27:
Hesekiel 36, 27: Da sagt Gott durch den Propheten: „Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben, und ich werde machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt und meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut.“
Er sagt also: Ich werde meinen Geist in euer Inneres legen, und ich werde bewirken, dass ihr meine Gebote haltet. Wer macht das? Er, nicht wir.
Wenn man diese drei Verse zusammen betrachtet, erkennt man Folgendes: Paulus spricht vom Geheimnis „Christus in euch“, der die Hoffnung der Herrlichkeit ist. Das wurde im Alten Testament prophetisch hunderte Jahre zuvor angekündigt. Dort steht, dass Gott die Gebote nicht mehr nur auf Tafeln schreiben, sondern in unser Inneres, auf unser Herz schreiben wird. Hesekiel sagt, wenn Gott mit seinem Geist in uns lebt, wird er bewirken, dass wir in seinen Ordnungen leben.
Ich glaube, das sagt Folgendes: Was im Alten Testament ein Befehl und Gebot war, ist im Neuen Testament ein Versprechen geworden. Im Alten Bund gab es Gebote und Befehle, im Neuen Bund sind es Versprechen.
Ihr habt eine Geschichte gehört, die anscheinend stimmt, egal ob sie wahr ist oder nicht. In England war ein Mann, der eine Bank ausgeraubt hat. Er wurde dabei erwischt und für mehrere Jahre eingesperrt. Während seiner Zeit im Gefängnis fand er durch einen Gefängnisseelsorger zum Glauben an Jesus Christus. Er wurde Christ.
Er sagte sich: Wenn ich aus dem Gefängnis entlassen werde, gehe ich als Erstes in die Kirche, um Gott zu danken, dass ich ihn im Gefängnis kennengelernt habe.
Dann kam der Tag seiner Entlassung. Er ging in den Gottesdienst und setzte sich hin. Die englischen Kirchen sind oft sehr traditionell, und dort waren die Zehn Gebote aufgelistet. Er las sie durch und sah: „Du sollst nicht stehlen.“
Er dachte: „Das ist das Letzte, was ich jetzt brauche. Ich weiß, ich bin ein Dieb, ich habe gestohlen. Und jetzt verurteilt mich das schon wieder: ‚Du sollst nicht stehlen.‘“
Er wollte eigentlich gleich wieder gehen, blieb aber sitzen und las die Gebote noch einmal. Dabei veränderte sich etwas in seinem Lesen. Er las nicht mehr „Du sollst nicht stehlen“, sondern „Du musst nicht mehr stehlen.“
Es war nicht mehr ein Befehl, sondern ein Versprechen: „Du bist frei, weil ich jetzt in dir wohne. Du bist kein Dieb mehr, und ich werde dir helfen.“
Das ist genau, was Paulus im Römerbrief Kapitel 6, Vers 14 sagt:
Römer 6, 14: „Die Sünde wird nicht mehr über euch herrschen.“ Das heißt, du musst nicht mehr stehlen. Die Sünde wird dich nicht mehr beherrschen, denn du bist nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.
Das heißt: Ich bin frei, ich muss nicht mehr sündigen. Natürlich kann man als Christ sündigen, aber man muss nicht mehr.
Darum ist das die befreiende Botschaft: Jesus sagt, das Gesetz und die Sünde sind nicht mehr deine Sklaventreiber. Du bist nicht mehr Sklave der Sünde, sondern frei. Du kannst auch anders, du musst nicht sündigen.
Und weißt du was? Das ist die gute Botschaft. Ich möchte das ganz persönlich sagen: Wenn du vielleicht ein Problem mit Lügen hast, wenn dir auffällt, dass du oft Halbwahrheiten sagst – ich tue das auch oft –, dann habe ich eine gute Botschaft für dich. Du musst jetzt niemanden mehr belügen. Du bist frei.
Es ist unheimlich befreiend zu erkennen: Ich bin kein Sklave der Sünde mehr. Ich muss nicht mehr sündigen.
Wenn du vielleicht Probleme hast mit schlechtem Nachreden oder es dir sehr leichtfällt, hinter dem Rücken anderer schlecht zu reden, dann habe ich auch eine gute Botschaft für dich: Du musst nicht mehr falsches Zeugnis gegen deinen Nächsten ablegen. Du bist frei.
Vielleicht hast du Probleme mit Treue, mit Ehebruch. Ja, auch für dich gibt es eine gute Botschaft: Du kannst damit aufhören. Du bist kein Sklave mehr.
Das muss uns bewusst sein, wenn Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern um es zu erfüllen.“ Aber er erfüllt es, nicht wir.
Dann wird uns bewusst, wie notwendig wir Jesus in unserem Leben brauchen, weil nur er das Leben leben kann, das wir nicht können – und er tut es.
Freiheit durch den Geist und der Prozess der Verwandlung
Noch ein letzter Gedanke vor der Pause:
Manchmal geraten Christen schon wieder unter Stress und sagen dann: „Ja, aber ich bin doch Christ, Jesus wohnt doch in mir, und trotzdem habe ich wieder schlecht geredet. Also hilft das bei mir nicht.“
Nun ein Vers noch vor der Pause, 2. Korinther 3,17: Da sagt der Apostel Paulus: „Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“
Was damit gesagt wird: Du bist frei, du musst nicht mehr.
In Vers 18 sagt er dann: „Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.“
Hier spricht Paulus zwei Dinge an: Zum einen sagt er, dass wir verwandelt werden. Das heißt, es ist ein Prozess, in dem du stehst. Wir müssen nicht sagen: „Ich bin am Tag meiner Wiedergeburt verwandelt worden.“ Wir müssen auch nicht sagen: „Ich werde einmal verwandelt, wenn Jesus wiederkommt.“ Nein, wir werden in der Gegenwart verwandelt. Das ist ein Prozess, in dem wir alle stehen, in dem Christus in uns wirkt und uns nach seinem Bild verwandelt.
Ja, man hat Rückschläge, es geht manchmal wieder zurück, aber Christus arbeitet weiter, wie es vom Geist des Herrn geschieht – nicht von uns. Er macht es.
Was wir tun müssen, ist, uns lieben zu lassen, uns führen zu lassen und mit Jesus unterwegs zu sein. Das ist unsere Verantwortung: mit ihm zu leben und von ihm zu empfangen. Indem wir das tun, ist Christus frei, in und durch uns zu wirken.
Es ist wirklich ein Vorrecht, einige Menschen als Vorbild zu haben, bei denen man sieht: Der lässt Jesus an sich heran, er lässt zu, dass Jesus ihn liebt, er lässt zu, dass Jesus ihn führt. Und da sieht man eine Veränderung und Verwandlung.
Aber nicht von uns! Es geht nicht darum zu sagen: „So, jetzt bin ich Christ, jetzt muss ich mich zusammenreißen.“
Dazu gibt es einen Spruch von Zinzendorf, den ich sehr schätze. Er war ein alter deutscher Kirchenvater. Ein berühmter Satz von ihm lautet: Jesus hängt am Kreuz und sagt zu ihm: „Das habe ich für dich getan, was tust du jetzt für mich?“
Bei diesem Satz habe ich immer zusammengezuckt. Da denke ich: Ich habe nichts zu bieten, was soll ich ihm geben? Dieser Satz ist nicht das Evangelium, sondern das Gesetz.
Ich schätze Zinzendorf sehr, aber nicht jeder Mann sagt immer alles, was Recht ist. Das ist kein Evangelium, sondern Gesetz.
Jesus sagt: „Ich habe alles für dich getan und werde es weiter für dich tun. Du bist mein geliebtes Kind. Schau nur auf mich, geh nur mit mir, und du wirst von mir verwandelt werden – von einer Herrlichkeit zur anderen.“
Und weißt du was? Christen, die so leben, das sind schöne Menschen. Christen, die mit dem Gesetz leben, werden oft ein bisschen verbissen. Da ist wenig Schönheit, dafür viel Rechthaberei.
Es gibt so viele rechthaberische Christen, das tut mir oft direkt weh. Aber das kommt nicht daher, dass sie es schlecht meinen. Sie meinen es gut, aber sie glauben, sie müssten jetzt das Leben leben und sich anstrengen. Dann sieht es eben ein bisschen verkrampft aus.
Das ist oft nicht sehr ansteckend für andere Menschen, sondern eher abstoßend.
Die gute Botschaft ist das Attraktivste, was es auf dieser Welt gibt. Und diese haben wir nur in Jesus Christus allein.
Ausblick auf die weiteren Einheiten
Gut, danke für Ihre Aufmerksamkeit. Nun haben wir die Einleitung abgeschlossen.
Jetzt beginnen wir mit den Themen Töten, Zorn und Ähnlichem. Es wird sehr praktisch.
In den nächsten Stunden geht es darum, wie das Leben im Alltag ganz konkret aussieht. Das sind die nächsten fünf Einheiten.
