Nur ein kurzer Hinweis: Die Legotage haben in den letzten Tagen stattgefunden, von Donnerstag bis Samstag.
Wir haben diese Woche kein Video für euch, vielleicht gibt es nächste Woche eines. Vielen Dank für eure Gebete – es war eine sehr segensreiche Zeit.
Viele Kinder waren dabei, darunter auch viele, die normalerweise nicht zur Gemeinde gehören. Es gab auch richtig gute Gespräche mit einigen von ihnen.
Vielen Dank für eure Gebete. Nun möchte ich für die Predigt beten.
Dank und Vertrauen in Gottes Herrschaft
Vater, ich danke dir für diesen Tag, den du uns geschenkt hast. Wir danken dir, dass du auf dem Thron sitzt, Herr.
Auch wenn alles um uns herum ein bisschen chaotisch erscheint, bist du doch Herr. Du bist König, und wir preisen dich dafür.
Wir beten, dass du uns auch heute Morgen hilfst zu erkennen, dass du wirklich die Kontrolle über alles hast. Wir bitten dich um deine reiche Gnade für alle, die auf dich vertrauen.
Amen.
Die Verheißung an Abraham und der Beginn einer Nation
Gott versprach Abraham, eine große Nation zu werden. Bisher scheint bei seiner Familie jedoch alles eher langsam begonnen zu haben. Isaak ist der einzige Sohn von Abraham und Sarah. Jakob ist nur einer von zwei Söhnen Isaaks. Insgesamt wirkt das zunächst wenig beeindruckend, von einer großen Nation kann man noch nicht sprechen.
In der heutigen Bibelstelle ändert sich das jedoch. Es gibt eine Art Explosion von Kindern. Wir schauen uns 1. Mose 29,21-24 an. Wenn ihr das nachschlagen möchtet: Die Stelle befindet sich auf Seite 32 in den vorliegenden Bibeln.
Dieses Kapitel zeigt uns die Anfänge der Erfüllung von Gottes Verheißungen an Abraham, dass aus ihm eine große Nation hervorgehen soll. Es geht um die Geburten von elf der zwölf Söhne Jakobs. Aus diesen Söhnen entstehen die Stämme, die großen Familien Israels.
Das Chaos einer dysfunktionalen Familie
Aber was für eine Geschichte das ist! Ich weiß nicht, ob ihr das in der Vorbereitung gelesen habt. Es ist ein totales Chaos, das in dieser Familie passiert. Es ist eine dysfunktionale Problemfamilie.
Ich weiß nicht, wer, wie gesagt, diese Predigtstelle gelesen hat, aber es gibt so viel Chaos, so viel Fiasko hier. Es ist alles, außer dem gepflegten, sauberen Bild einer gesunden, nuklearen Familie, das wir so gerne sehen.
Warum ist diese peinliche Geschichte in der Bibel? Ich meine, es redet hier von einem Erzeuger des Glaubens. Das ist aber ein totales Chaos. Warum hat Mose die Details nicht einfach vertuscht? Warum hat er nicht einfach gesagt: Ja, und übrigens, Jakob hatte zwölf Söhne? Warum so viele Details?
Weil das die Realität zeigt. Die Bibel ist sehr realistisch. Sie redet über ganz normale Menschen, mit normalen Problemen, mit normalen Kämpfen. Die Bibelhelden sind keine Supermenschen, sie sind wie du und ich.
Was sie aber besonders macht, ist, wie Gott mit ihnen umgeht und wie Gott mit ihrer Situation, mit ihrem Chaos umgeht. Diese Geschichte zeigt den Reichtum von Gottes Gnade an kaputten, problematischen Menschen.
Meine Hoffnung und mein Gebet ist, dass diese Stelle euch ermutigt – und uns alle ermutigt –, unsere Probleme nicht zu verstecken oder zu versuchen, sie aus eigener Kraft zu lösen, sondern sie zu Gott zu bringen. Er hat reiche Gnade für alle, die auf ihn hoffen.
Die tiefe Seelennot von Lea und Rahel
Lasst uns in die Geschichte einsteigen. Im ersten Teil, Kapitel 29, Vers 31 bis Kapitel 30, Vers 2, sehen wir eine tiefe Seelennot – die tiefe Seelennot von Rahel und von Lea.
Lea und die Sehnsucht nach Liebe
Lea zuerst: Lea und die Sehnsucht nach Liebe. Man muss Lea, glaube ich, wirklich bemitleiden. Sie war tatsächlich Mittäterin im Listenspiel ihres Vaters. Deshalb müssen wir sie nicht bemitleiden, aber überlegt euch, in welcher Situation sie sich befand.
Sie hat wahrscheinlich schon sehr lange im Schatten ihrer kleinen Schwester gelebt. Rahel war schön. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Männer sich gedrängelt haben, mit ihr zu reden. Wahrscheinlich musste Laban sehr viele Heiratsanträge für Rahel abweisen, weil Lea noch nicht verheiratet war. Die arme Lea – keiner interessiert sich für sie.
Aber dann kommt Jakob, und dann kommt diese Geschichte mit der List, von der wir letzte Woche gehört haben. Jetzt ist Jakob ihre Hoffnung. Endlich heiratet sie, endlich hat sie einen Mann, endlich bekommt sie Liebe von einem Mann. Aber nein, ihr Mann heiratet auch noch ihre kleine Schwester. Und es wird ganz, ganz schnell eindeutig: Er liebt sie mehr.
Lea, lesen wir, ist ungeliebt (Vers 31). Das Wort dort ist ziemlich stark. Es bedeutet eigentlich, dass sie gehasst wird. Natürlich glaube ich nicht, dass Jakob Hass im eigentlichen Sinne empfand. Aber im Vergleich zu Rahel ist es, als würde er sie hassen. Jakob wollte sie nie wirklich haben. Er sieht in ihr nur das Ergebnis eines Betrugs.
Vielleicht interessiert er sich noch ein bisschen für ihren Körper – ja, sie schlafen immerhin gelegentlich miteinander – aber für sie als Person interessiert er sich eigentlich nicht. Und das bekommt sie zu spüren. Sie empfindet sehr deutlich, dass sie ungeliebt ist.
Schaut euch an, wie es in ihrer Seele aussieht, durch die Namen der ersten drei Söhne, die sie Jakob gebiert. In Vers 32 wird Ruben geboren. Ruben bedeutet „Siehe, ein Sohn“. Sie gibt die Erklärung: „Der Herr hat mich gesehen und hat mir einen Sohn gegeben.“ Jakob mag gegenüber ihrem Elend blind gewesen sein, aber der Herr hat ihr Elend gesehen. Und da spürt man ein bisschen Hoffnung. Vielleicht wird jetzt alles ein bisschen anders.
Doch sie ist enttäuscht. Da kommt der zweite Sohn (Vers 33). Sie wurde abermals schwanger und gebar einen Sohn, den sie Simeon nennt. Das bedeutet „Der Herr hat gehört, dass ich ungeliebt bin“. Dann kommt der dritte Sohn (Vers 34). Es ist immer noch nicht besser. Sie nennt ihn Levi. Levi bedeutet „anhängen, anschließen, anhängen“. Sie überlegt sich: Spätestens jetzt muss mich mein Mann anhängen.
Vielleicht ging es eine Weile besser, denn bei Judah (Vers 35) – dieser Name bedeutet „preisen“ – sagt sie: „Ich will dem Herrn danken.“ Vielleicht ging es zu dieser Zeit ein bisschen besser in ihrer Beziehung. Wir werden aber später sehen, dass das eigentlich nicht der Fall war. Es war höchstens nur eine kurze Zeit.
Was wir hier aber sehen, glaube ich, in diesen ersten Versen: Wir spüren die Traurigkeit und die Sehnsucht von Lea. Sie sehnt sich nach ihrem Mann. Wir spüren diese Bitterkeit in ihrer Seele. Es ist ein Schreien nach Liebe, doch sie bekommt sie nicht. Sie fühlt sich unsichtbar, ungehört und ignoriert.
Ich überlege, wie oft sie sich nachts allein in ihrem Zelt in den Schlaf weinen musste, während ihr Ehemann im Zelt nebenan mit einer anderen Frau war – wohlgemerkt, mit ihrer Schwester. Wie demütigend, wie einsam! Sie sucht nach der Liebe und Anerkennung ihres Mannes – aber vergeblich.
Nun, das ist ja ein dramatischer Fall, ein bisschen krass. Aber ihr Grundbedürfnis ist uns eigentlich nicht fremd: Liebe und Anerkennung wollen wir alle. Und wie viele von uns können sagen, dass sie noch nie mit Einsamkeit zu tun hatten? Oder nie das Gefühl hatten, unsichtbar oder ignoriert zu sein? Das Gefühl, dass keiner mich vermisst, wenn ich nicht da bin?
Ich glaube, das kennen wir alle. Keiner braucht mich wirklich. Ich glaube, das betrifft uns alle – mehr oder weniger.
Mutter Teresa hat einmal gesagt: Einsamkeit und das Gefühl, unerwünscht zu sein, sind die schlimmste Armut. Sie sagt weiter: Die größte Krankheit im Westen heute ist nicht mehr Tuberkulose oder Lepra, sondern die Erfahrung, unerwünscht, ungeliebt und vernachlässigt zu sein.
Es gibt viele Menschen auf der Welt, die für ein Stück Brot sterben. Aber es gibt noch viel mehr, die für ein bisschen Liebe sterben. Wir alle sehnen uns nach Liebe und Anerkennung, nach dem Wunsch, gesehen und gehört zu werden, nach Nähe und Intimität. Diese Bedürftigkeit ist gut und natürlich. Gott hat uns damit geschaffen.
Doch weil wir in einer gefallenen Welt leben, ist das nicht immer selbstverständlich. Oft finden wir diese Liebe bei Familien und Freunden – und das ist wunderschön und ein großer Segen. Aber immer wieder müssen wir auch mit Entfremdung und Einsamkeit kämpfen. Früher oder später, manchmal akuter, manchmal weniger, aber es kommt immer wieder.
Wie gehen wir damit um in solchen Situationen? Ich glaube, gerade deshalb sind soziale Medien heute so beliebt. Sie geben uns den Eindruck, zumindest für ein paar Sekunden: Ich werde gesehen, ich werde gehört, ich bin jemand.
Eine Randbemerkung – eigentlich ein wichtiger Punkt: Lasst uns bewusst sein, dass es solche Menschen auch mitten unter uns gibt. Ich habe diese Woche mit jemandem gesprochen, der sich so fühlt. Und ich war ziemlich überrascht, denn es war eine sehr fröhliche und offene Person. Es gibt solche Menschen unter uns.
Ich freue mich wirklich über viele Geschichten, die ich höre, von neuen Leuten, die sagen: „Voll die krasse Gemeinschaft hier!“ Das ist super, und ich bin Gott sehr dankbar dafür. Lasst uns wirklich darauf bedacht sein, dass wir das so bewahren und dass wir immer unsere Augen und Ohren offenhalten für die Leas unter uns – denn die gibt es, die gibt es.
Rahel und der Schmerz der Unfruchtbarkeit
So, das war Leas Seelennot. Rahel hat ebenfalls einen tiefen Schmerz. Sie trägt einen Schandfleck. In Kapitel 30, Verse 1 und 2 lesen wir davon: Rahel ist attraktiv und schön. In ihrem Ort war sie bestimmt sehr bekannt und beliebt, während Lea bemitleidet wurde.
Als sie geheiratet hatte, hätte alles besser sein können – ihr Mann liebt sie. Doch dann kommt etwas heraus: Sie ist unfruchtbar, sie kann keine Kinder gebären. Das haben wir schon in Kapitel 29, Vers 31 gelesen. Rahel aber war unfruchtbar. Und in Vers 1, als Rahel sah, dass sie Jakob kein Kind gebar, beneidet sie ihre Schwester.
Unfruchtbarkeit ist eine große Sache, auch heute noch. Ich kenne Leute, die wirklich damit kämpfen, weil sie unfruchtbar sind. Es ist keine lustige Sache, sondern sehr schmerzhaft – damals noch viel mehr. Damals stand viel auf dem Spiel. Es war nicht nur die Tatsache, keine Kinder gebären zu können. Es war auch eine Schande in der Kultur.
Rahel sagt später viel dazu. Wir werden diese Verse noch einmal anschauen am Ende. Sie spricht von Schmach. Es ist eine Schmach für sie, es ist, als würde sie entblößt werden, weil sie keine Kinder gebären kann.
Diese Frau, die sich bisher in ihrer Schönheit gesandt hat, findet heraus, dass sie einen riesigen Makel hat, der sie schandbar macht. Sie wird eifersüchtig. In Vers 1 haben wir gelesen, dass sie ihre Schwester beneidet – ihre ungeliebte Schwester. Das zeigt ein bisschen, dass Liebe nicht alles ist, was man braucht – die menschliche Liebe meine ich. Die Liebe von Jakob reicht ihr anscheinend nicht.
Rahel wird so verzweifelt, dass sie anfängt, unvernünftig zu reden. In Vers 1 sagt sie zu Jakob: „Gib mir Kinder“, als hätte sie ein Recht auf Kinder. Auf der einen Seite, auf der anderen Seite, als wäre das Problem bei Jakob, nicht bei ihr. Jakob wird zornig. In Vers 2 sagt er: „Bin ich derjenige, der dich unfruchtbar macht?“ Er weiß, dass es auf Gott ankommt.
Letztlich hat Jakob Recht: Ja, es ist Gott, der Kinder gibt oder enthält. Aber ich glaube, Jakob ist in dieser Situation ein bisschen unsensibel. Er ist kein Vorbild. Es klingt fast wie ein Tadel gegenüber Gott. Gott ist derjenige, der das macht. Auf alle Fälle betet Jakob nicht für Rahel.
Wie wir zum Beispiel bei Isaak gesehen haben, in Kapitel 25: Als Rebekka unfruchtbar war, hat Isaak zu Gott gebetet, und Gott hat ihm einen Sohn geschenkt – oder sogar zwei Söhne. Aber hier lesen wir nichts davon, dass Jakob betet. Er beschuldigt Gott, und das war es.
Zurück zu Rahel: Es ist nachvollziehbar, warum sie so reagiert. Warum sie sozusagen die Schuld auf jemand anderen schieben will. Sie sieht ein großes Defizit in sich selbst, das unschön ist. Sie ist machtlos dagegen, und diese Wahrheit ist für sie unerträglich.
Deshalb lenkt sie lieber ab und sucht das Problem bei jemand anderem. Denn diesen Mangel kann sie nicht konfrontieren. Reagieren wir nicht manchmal auch so? Wenn wir Mackel und Flecken in uns selbst sehen oder etwas Falsches getan haben, versuchen wir schnell, Ausreden zu finden oder einen Sündenbock zu suchen. Wenn wir Schwächen in uns selbst oder Charakterfehler entdecken, wollen wir sie am liebsten vertuschen oder ablenken.
Wir konzentrieren uns lieber auf das, was der andere falsch macht. Ich glaube, diese Reaktion von Rahel kennen wir gut. Sie ist nicht ungewöhnlich. Die Wahrheit ist manchmal zu unangenehm. Sie ist unerträglich und beschämend – der Gedanke, dass ich tatsächlich ein Problem habe, das ich nicht lösen kann. Kennst du das?
Unzulängliche Lösungsversuche von Lea und Rahel
Ich kenne das. Und was die beiden Frauen tun, ist der nächste Teil dieser Stelle: unzulängliche Lösungen, unzulängliche Lösungen.
Was machen Rahel und Lea angesichts ihrer jeweiligen Seelennöte? Was die meisten von uns wahrscheinlich tun würden: Sie gehen nicht zu Gott, sondern versuchen, ihre Probleme selbst zu lösen.
Rahels Lösung lesen wir in den Versen 3 bis 8. Rahel reagiert zuerst und sagt zu ihrem Mann: „Da ist meine Magd Bilha, geh zu ihr, damit sie auf meinem Schoß gebärt und ich durch sie Kinder bekomme.“ Sie versucht, ihre Schande selbst zu verdecken. Sie sieht, dass sie keine Kinder gebären kann, und hat deshalb eine scheinbar brillante Idee.
Was wir übrigens schon bei Abraham und Sarah gehört haben, ist hier das Gleiche. Wenn wir es lesen, klingt es für uns sehr befremdlich, was sie vorschlägt. Ihr könnt es euch bildlich vorstellen: Wenn ihre Magd auf ihrem Knie sitzt, während sie Kinder gebärt, sieht es so aus, als kämen die Kinder von ihr. Natürlich wissen alle, dass das nicht wirklich so ist. Aber es ist eine sehr bildhafte Beschreibung, wie das Kind zu ihr gehört.
Heute gibt es prinzipiell das Gleiche, es ist ein bisschen wie eine Leihmutterschaft. Das gibt es auch heute, mit künstlicher Befruchtung und so. Das war damals in gewisser Weise die Leihmutterschaft. Sie wird dieses Kind durch Bilha zur Welt bringen.
Dabei ist anzumerken, dass nur weil die Bibel diese Dinge beschreibt, nicht heißt, dass dieses Verhalten gebilligt wird. Es wird einfach beschrieben. Wir wissen von anderen Stellen, dass dieses Verhalten nach Gottes Maßstab sündhaft ist.
In vieler Hinsicht wird die Magd Bilha ausgebeutet und ausgenutzt. Sie wird nur als Sexobjekt und Gebärmaschine gesehen, hat keine Wahl in dieser ganzen Geschichte. Das entspricht auch nicht Gottes Bild von Ehe, die eine exklusive Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist.
Jakob ist hier schon gescheitert durch seine Polygamie, und hier wird es noch schlimmer. Jakob selbst ist in dieser Sache kein vorbildlicher Mann. Statt sich querzustellen, lässt er alles über sich ergehen, zeigt keinen Widerstand und ist sehr passiv.
Letztlich ist diese ganze Idee ein Ausdruck des Unglaubens. Wie bei Abraham, Hagar und Sarah vor einigen Jahren. Anstatt auf Gott zu vertrauen, anstatt zu Gott zu gehen und zu sagen: „Gott, gib mir ein Kind“, nimmt Rahel die Sache selbst in die Hand und bastelt sich eine Lösung. Und nicht nur einmal, sondern zweimal.
Das lesen wir in den Versen danach: Dan und Naftali sind die zwei Söhne, die daraus geboren werden. Interessant ist, wenn wir in Vers 5 und 6 sowie in Vers 7 und 8 schauen, dass Rahel glaubt, was sie tut, sei völlig legitim. Sie glaubt, Gott bestätigt sie.
Der Name Dan bedeutet: „Gott hat mich gerichtet“, im Sinne von „Gott hat mich rechtfertigt gegenüber meiner Schwester“. Bei Naftali redet sie von Kämpfen: „Ich habe große Kämpfe mit meiner Schwester gekämpft und habe gesiegt.“ Es ist, als wären Leas Kinder illegitim und diese Kinder legitim. Die Situation wird quasi umgedreht.
Rahels Verhalten ist menschlich. Wenn uns etwas fehlt, beneiden wir Menschen, die es haben. Wenn wir nicht vorsichtig sind, verbittern wir uns und machen aus Menschen Feinde. Anstatt Dinge aus Gottes Hand zu nehmen und auf seinen Segen zu hoffen, versuchen wir, Dinge an uns zu reißen.
Jakobus spricht in Kapitel 4, Verse 1 und 2, davon: „Woher kommen Streit und Krieg unter euch? Kommt es nicht daher aus euren Gelüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr neidet und gewinnt nichts, weil ihr nicht bittet.“
Auf alle Fälle ist Rahels Lösungsversuch bei Weitem nicht zufriedenstellend. Bald ist sie wieder da, wo sie begann: verzweifelt nach einer Lösung für ihre Unfruchtbarkeit suchend. Das lesen wir in den Versen 14 und 15.
Ja, Ruben ging während der Weizenernte hinaus und fand Liebesäpfel – das sind Mandragora, eine Art Raunpflanze. Ich kenne mich nicht gut mit Pflanzen aus, aber irgendetwas in der Art – und brachte sie seiner Mutter Lea.
Da sprach Rahel zu Lea: „Gib mir von den Liebesäpfeln deines Sohnes.“ Sie will noch einen Weg finden, ihre Unfruchtbarkeit zu lösen. Sie nimmt diese Pflanzen, die damals als aphrodisierend galten und helfen sollten bei Unfruchtbarkeitsproblemen.
Es ist interessant, dass Rahel sogar bereit ist, Jakob für eine Nacht wegzugeben, um diese Früchte zu bekommen. So groß ist ihre Verzweiflung. Ich glaube auch nicht, dass es für Rahel einfach war, wenn andere Frauen mit ihrem Mann schliefen. Das ist eine weitere Aussage hier.
Aber ihre Mühen bleiben umsonst. Wir lesen in den folgenden Versen, dass lange Zeit vergeht und immer noch keine Kinder kommen. Sie hat diese Liebesäpfel von Lea bekommen, aber dennoch keine Kinder. Unzulängliche Lösung.
Leas Lösung ist ähnlich, aber aus einem anderen Grund. Sie will mehr Kinder, weil sie in Kindern ihre Identität und ihren Wert sieht. Sie denkt: „Vielleicht ist meine einzige Hoffnung in diesen Kindern. Vielleicht hängt die Liebe meines Mannes von Kindern ab. Ich brauche mehr Kinder.“
Wir lesen in Vers 35 von Kapitel 29, dass sie nach dem vierten Kind aufhört zu gebären. Dann lesen wir in Vers 9: Als Lea sah, dass sie aufgehört hatte zu gebären, dachte sie: „Ich brauche mehr Kinder, ich brauche mehr Kinder. Okay, dann mache ich, was Rahel gemacht hat: Ich nehme meine Magd und gebe sie meinem Mann.“
Das passiert, weil Lea ihren Wert und ihre Identität mit ihren Kindern verknüpft hat. Sie sieht Kinder als ihre Chance, bei ihrem Mann Anerkennung zu finden. Ich glaube, oft verbinden auch wir unseren Wert und unsere Identität mit bestimmten Dingen und versuchen, dadurch Anerkennung bei anderen zu erlangen.
Das kann Geld sein, Status, ein guter Job oder auch unser Körper. Aber was passiert, wenn diese Dinge nicht ausreichen? Was ist, wenn die Menschen, deren Anerkennung wir suchen, unsere Qualitäten ausnutzen und dann mit uns fertig sind? Das tut wirklich weh.
Lea muss das feststellen. Solange sie Kinder hat, schläft Jakob noch mit ihr. Aber nicht lange. Der Plan scheint erst einmal zu funktionieren. Sie spricht von Glück und Glücklichsein in den Versen 11 bis 13 – das ist die Bedeutung der Namen Gad und Asser.
Interessant ist nebenbei, dass bei diesen beiden Söhnen Gott nicht erwähnt wird, anders als bei den ersten vier Kindern. Es scheint, dass sie Gott zu dieser Zeit nicht so präsent hat.
Aber wie bei Rahel ist dieses Glück sehr kurzlebig. Bald fehlt ihr wieder die Nähe ihres Mannes. So schlimm ist es, dass sie in Vers 16 die Geschichte mit den Liebesäpfeln erzählt. Sie muss diese Liebesäpfel weggeben, um eine Nacht mit ihrem Mann zu haben. Sie muss also sozusagen seine Liebe kaufen.
Anscheinend hat sie zu diesem Zeitpunkt gar keinen Zugang mehr zu ihrem Mann. Wie schrecklich! Egal, was sie versucht, sie bekommt keine Zuneigung, keine Anerkennung.
Noch zwei Söhne werden ihr geboren: Issachar und Sebulon. Und eine Tochter bekommt sie auch noch, in den Versen 17 bis 21. Also hat sie sechs Kinder und eine Tochter.
Im Vers 20 sagt sie dennoch: „Gott hat mich reich beschenkt, nun wird mein Mann bei mir bleiben, denn ich habe ihm sechs Söhne geboren.“ Sie hat immer noch die Hoffnung, endlich Anerkennung bei ihm zu finden.
Wie bei Rahel scheitern auch Leas Lösungsversuche. Sie bemüht sich weiter um die Liebe und Anerkennung ihres Mannes, leider ohne Erfolg. Ihre vielen Kinder reichen nicht.
Zwei leidende Frauen, zwei gescheiterte Lösungsversuche. Liebe und Anerkennung scheinen für Lea ein unerreichbares Ziel zu sein, und die Schmach von Rahel scheint von Dauer.
Gottes Erbarmen und seine verborgene Wirksamkeit
Aber Gott erbarmt sich – das ist der letzte Punkt. Gott erbarmt sich. Es gibt jemanden, der die innere Not dieser beiden Frauen kennt. Und nicht nur kennt er sie, sondern er unternimmt auch etwas dagegen. Er tut etwas, um diese Situation zu wenden.
Diese Wirkung geschieht oft unbemerkt, im Hintergrund, aber sie ist mächtig. Mitten im ganzen Trubel und der chaotischen Lage dieser Frauen, mitten in ihrer Verzweiflung, wirkt Gott für sie.
Schauen wir uns zuerst drei Verse an: Kapitel 29, Vers 31 – „Der Herr sah“, Kapitel 30, Vers 17 – „Der Herr hörte“ und Kapitel 30, Vers 22 – „Gott gedachte“. Diese drei bedeutungsvollen Worte kommen in der Schrift oft vor, wenn Gott aktiv wird und eine Wende in einer Geschichte herbeiführt – oft vor einer Gnadentat.
Bei Noah, als er in der Asche war, steht in Kapitel 8, Vers 1: „Gott gedachte an Noah und seine Familie“ und schickte einen Wind, der das Wasser zurückgehen ließ. Als Hagar in der Wüste war, nachdem Sarah sie wegschickte, sagt die Bibel: „Gott sah sie“. Hagar sagt: „Gott hat mich gesehen, Gott hat meine Stimme gehört“, und deshalb nannte sie ihren Sohn Ismael, was „Gott hört“ bedeutet.
Ganz beeindruckend ist auch die Stelle in 2. Mose 2,24-25. Als die Israeliten unter der ägyptischen Unterdrückung litten, lesen wir die wunderbaren Worte: „Gott erhörte ihr Wehklagen, Gott gedachte an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob, und Gott sah auf die Israeliten und nahm sich ihrer an.“
Diese Worte sind sehr wichtig: Gott sah, Gott erhörte, Gott gedachte. Gott zeigt Lea und Rahel hier seine Gnade. Und das ist wirklich wunderschön.
Lea will gesehen werden – Gott sieht dich. Lea will gehört werden – Gott erhört dich. Lea will geliebt werden – weißt du nicht, Gott liebt dich? Vielleicht merkt Lea das nicht, weil sie so sehr darauf fokussiert ist, die Liebe und Anerkennung ihres Mannes zu bekommen. Aber die Liebe und Anerkennung Gottes ist viel größer als das, was Jakob ihr geben kann, wenn Lea es doch nur wüsste.
Ihr letzter ausgesprochener Wunsch in diesem Kapitel steht in Vers 20: Sie möchte als die vollgültige und geehrte Frau Jakobs angesehen werden, in der Begräbnisstätte der Erzväter. In der Höhle von Machpela lagen die Erzväter und ihre Frauen: Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und nicht Rahel, sondern Lea. Rahel lag woanders, das könnt ihr später in Kapitel 49 nachlesen.
Auch diese Ehre, die sie hat, ist klein im Vergleich zu noch viel Größerem. Aus Lea soll das Priestertum Israels kommen durch ihren Sohn Levi. Aus Lea soll das Königtum Israels kommen durch ihren Sohn Juda. Und aus Lea kam der Messias, Jesus Christus. Durch den Samen dieser Frau kam der Retter der Welt.
Was für eine Ehre! Sie sucht Ehre, und was für eine Ehre! Lea bemüht sich um die Liebe ihres Mannes, und es wäre schön, wenn sie sie bekommen hätte. Aber ist das nicht zu klein im Vergleich zu diesem Vermächtnis, das sie erhält? Im Vergleich zu der Liebe und Anerkennung Gottes?
Wenn Lea sich dessen nur bewusst wäre – vielleicht hätte sie mit ihrem Schmerz, und das ist ein realer Schmerz, den man nicht kleinreden darf – besser umgehen können.
Ich möchte auch ermutigen: Wenn ihr nach Liebe sucht, ist das gut. Von Menschen geliebt zu werden, ist eine schöne Sache. Wir sollen Beziehungen aufbauen und schützen. Aber ich glaube, ich muss euch nicht sagen, dass Menschen enttäuschen können – auch du.
Die Liebe, die wir geben können, wird immer unvollkommen sein. Wenn wir also unsere Identität oder Würde an die Anerkennung anderer Menschen knüpfen, werden wir früher oder später enttäuscht werden.
Nicht aber bei Gott. Bei ihm allein ist die vollkommene Liebe. Als wir noch seine Feinde waren, zeigte er seine Liebe, indem er das größte Geschenk gab. Besser als sechs Söhne gab er seinen eigenen Sohn Jesus, der geboren wurde, starb für unsere Errettung und auferstand, damit wir ewiges Leben haben können.
Wie kann Gott noch ein größeres Zeichen seiner Liebe zeigen? Das kann er nicht. Diese Liebe gilt für jeden, der sie annehmen will.
In dieser Liebe Gottes ist unsere Würde und Anerkennung – nicht weil wir so großartig sind, sondern weil Gott uns liebt, trotz unserer vielen Probleme. Darin liegt unsere Würde, darin liegt deine Würde, wenn du ein Kind Gottes bist.
Wenn Menschen dich verwerfen, ablehnen oder ignorieren, ist das schmerzhaft. Aber erinnere dich an die größere, vollkommenere Liebe Gottes. Um diese Liebe brauchst du nicht zu kämpfen – sie wird dir geschenkt.
Lass dich davon trösten: Ihr seid geliebt, ihr seid angenommen, ihr seid anerkannt von Gott. Das lernen wir vom Fall Lea. Baue dein Leben nicht auf die Liebe und Anerkennung von Menschen, sondern erkenne Gottes größere Liebe.
Rahels Segen und die Hoffnung auf Gottes Hilfe
Und zum Schluss Rahel: Sie erfährt Gottes Segen auf wunderbare Weise. Gott denkt an sie, erhört sie und öffnet ihren Mutterleib, wie wir in Vers 22 lesen.
Und was für ein Wunder! Sie ist überglücklich, denn sie sagt: „Gott hat meine Schmach von mir weggenommen.“ Gott hat sie sozusagen verdeckt. Diese Nacktheit, die sie empfunden hat, ist jetzt verschwunden. Gott hat sie verdeckt.
Ihre Versuche waren alle umsonst, aber Gott konnte ihr helfen. Er konnte diese Not wegnehmen und ihren Makel heilen.
Ich weiß nicht, ob ich zu viel hineinlese, aber es scheint für mich, dass Rahel auch eine kleine Entwicklung gemacht hat. Die Frau, die alles versucht hat, um ihre Schande selbst zu beseitigen – durch ihren Markt gebären, durch Liebesäpfel schwanger zu werden – sieht jetzt, dass ihre Hoffnung letztlich in Gott liegt. Er ist derjenige, der ihr dieses Kind geschenkt hat.
Und schau, was sie ganz am Ende sagt: Sie nennt das Kind Joseph, weil sie im Glauben sagt: „Er wird noch hinzufügen.“ Und das passiert tatsächlich in Kapitel 35. Er will ihr noch ein Kind geben.
Nun, ich sage damit nicht, dass Rahels Glaube vollkommen ist – überhaupt nicht. Nächste Woche werden wir sehen, dass sie noch ein Götzendiener ist. Aber sie scheint etwas begriffen zu haben: Kein eigener Versuch wird es tun. Gott ist es, bei dem ich Heilung und Segen erfahre.
Ich hoffe, dass jeder von uns zu dieser Schlussfolgerung kommt, wenn wir Not oder Makel in uns merken. Dass wir mit unseren Schwächen nicht versuchen, alles selbst zu lösen und dass unsere Schwäche uns nicht von Gott fernhält.
Oft ist es so, wenn wir eine Schwäche in uns merken, denken wir: Ich muss zuerst perfekt sein, ich muss erst vollkommen sein, bevor ich in die Gemeinde gehen kann. Oder ich muss perfekt sein, bevor ich zu Gott reden kann. Oder ich muss es wirklich meinen, dass ich mich ändern will, und alles auf die Reihe kriegen, bevor ich zu Gott beten kann.
Nein! Unsere Schwäche soll uns zu Gott treiben. Unsere Schwäche und Mackel sollen uns sagen: Du brauchst Gott. Vertraue ihm! Er hat durch Jesus Christus, seinen Sohn, für unsere größte Not und Schande gesorgt.
Die Bibel sagt: Jesus trug unsere Krankheiten, Jesus trug unsere Schmerzen. Wirf deine übrigen Lasten auf ihn. Auch wenn unsere Probleme für eine längere Zeit andauern, verspricht Gott, dass er uns vollkommen heilen wird.
Er wird all deine Schmach wegnehmen, wenn du dein Vertrauen auf ihn setzt. Vielleicht schon in diesem Leben, aber spätestens, wenn er dich nach Hause holt. Dort erwartet dich die endgültige Erfüllung aller Seelennöte, sei es die Suche nach Liebe oder die Bedeckung eines Makels in dir.
Schlussgebet und Einladung zum Lobpreis
Lass uns beten!
Wir danken dir, Herr, für deine große, große, große Gnade, die du uns in Jesus Christus zeigst. Wir sind so dankbar, dass wir uns nicht um Liebe bemühen müssen. Wir müssen nicht auf unsere eigenen Versuche vertrauen oder sie überhaupt ausprobieren, denn die Lösung ist uns schon geschenkt.
Du hast deinen Sohn gegeben, der uns einerseits zeigt, wie sehr du uns liebst, und andererseits beweist, dass unsere Probleme wirklich in Jesus Christus gelöst werden können und werden, wenn wir auf ihn vertrauen.
Herr, bitte hilf uns, unser Vertrauen immer auf dich zu setzen.
In Jesu Namen, Amen.
Lasst uns aufstehen und das Lied 428 singen: "Befiehl du deine Wege".