Einführung: Die Frage nach dem Menschen in einer unruhigen Welt
Da muss sie noch ein bisschen wachsen. Ja, einen schönen guten Morgen. Ich freue mich, dass ich – ich glaube, das ist schon zwei, drei, vier Jahre her – wieder bei euch sein darf und wir diesen Gottesdienst heute Morgen zusammen feiern können.
Was ist der Mensch? Das ist natürlich eine große Frage. Wenn wir uns umschauen, wenn wir die Nachrichten anschauen und sehen, was sich in dieser Welt tut – und wir brauchen ja gar nicht so weit wegzuschauen, wenn wir darauf achten, was sich in unserem Land tut –, dann möchte man sich manchmal an den Kopf fassen und sich die Haare raufen, falls man welche hat, und sich fragen: Was passiert da eigentlich?
Wir wollen heute Morgen nicht über Politik reden. Wir wollen heute Morgen auch nicht überlegen, wie wir die Dinge in dieser Welt ordnen können. Sondern es ist immer zuerst wichtig, wenn wir die Bibel lesen, dass wir verstehen, wo wir in diesem großen Bild unseren Platz haben.
Jetzt lese ich uns ein bisschen aus einem Text vor – oder besser gesagt, ich lese ihn lieber gar nicht vor, denn ihr kennt ihn ja alle. Es ist ein ganz bekannter Text: das erste Kapitel des ersten Buches Mose, also gleich am Anfang der Bibel. Ich will das Kapitel nicht lesen, aber ich würde euch bitten, wenn ihr heute noch eine Viertelstunde oder ein paar Minuten Zeit habt, dann lest das noch einmal – diesen Einstieg in das Buch des Lebens, in diesen Liebesbrief Gottes, wie alles, was ist, überhaupt begonnen hat.
Der ewige Gott – der ewige Gott, der von Anbeginn da war und vorher schon war. Wir können uns das ja gar nicht vorstellen, da wird einem schwindelig. Am Anfang war das Wort. Aber was war davor? Wie war das alles? Da fängt die Bibel an: mit diesem Anfang. Und da heißt es, da war Gott. Gott war immer da.
Gott hat alles geschaffen, was ist. Es gibt überhaupt nichts, was Gott nicht gemacht hat. Allein das ist für mich schon unheimlich beruhigend. All diese Welt mit all ihren Zusammenhängen – Umwelt, Klima, wie das ineinandergreift, die Völker, die Länder, der Kosmos, das Universum – hat Gott geschaffen.
Wenn man sich das mal vergegenwärtigt, wie viele Sterne es gibt, wie viele Galaxien es gibt, diese Unendlichkeit – Gott hat es gemacht. Und diesen Gott haben wir gerade gesungen: dürfen wir Vater nennen. Dieser Gott liebt uns. Dieser Gott will eine Beziehung mit uns haben.
Aber wenn wir uns diese Schöpfung vergegenwärtigen – wir wissen ja nicht mal, wie viele Sterne es gibt –, dann können wir staunen und sagen: Dieser Gott ist allmächtig. Auf alle Fälle ist dieser Gott allmächtig.
Darum ist es gar nicht falsch, in dem alten Gesangbuchlied zu singen: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn.“ Dieser Gott wird natürlich auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann. Dieser Gott, der alles geordnet hat, kann jetzt auch dein Leben und mein Leben ordnen.
Wenn wir diese Weltnöte sehen, diese Kriege, diesen Terror, wenn wir diese Nachrichten sehen, die uns so erschüttern – wer will das lösen? Na, wir nicht. Und wenn wir die richtigen Parteien wählen – und da haben wir ja jetzt schon dreißig verschiedene Meinungen, was denn die richtige Partei ist – und wenn wir die richtigen Wege gehen – da haben wir auch alle verschiedene Vorstellungen, was der richtige Weg ist –, dann sind wir doch immer schnell am Ende unserer Weisheit.
Selbst wenn wir eins würden und die richtigen Dinge wirklich anpacken würden, dann würden wir nicht weit kommen. Aber Gott hat die Fäden dieser Welt in der Hand. Der allmächtige Gott wird die Dinge dieser Welt einmal ordnen.
Das wäre die große Hoffnung, wenn wir jetzt vom Anfang der Bibel bis ans Ende der Bibel springen. Wir wollten ja heute einmal das erste Kapitel im ersten Buch Mose betrachten. Vielleicht lest ihr danach noch einmal Offenbarung, das letzte Kapitel, wie sich vor Gott alles einmal ordnet.
Und in dieser Spanne dazwischen spielt sich unser Leben ab.
Die Erschaffung des Menschen: Ein besonderer Höhepunkt der Schöpfung
Und was ist nun der Mensch, den dieser Gott in diese Welt hineingestellt hat? Der Schöpfungsbericht beginnt mit dem Anfang: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Dann kennen wir die Schöpfungstage, wie sie ablaufen. Gott sprach, und es wurde. Gott sprach, und er machte. Gott sprach und sagte, und es geschah. Und so ward aus Abend und Morgen der erste, zweite, dritte, vierte, fünfte und sechste Tag.
So läuft die Schöpfung, so läuft das schöpferische Handeln Gottes ab. Und dann, am sechsten Tag, ist es wirklich spannend, das mal zu lesen. Da unterbricht sich der Rhythmus dieses Berichtes plötzlich. Es gibt eine Zäsur in 1. Mose 1,26. Dort kommt der Blick auf die Erschaffung des Menschen. Das ist ja unsere Frage heute: Was ist der Mensch? Wir alle wissen, dass wir Menschen sind, aber was bedeutet es, Mensch zu sein?
Hier im ersten Buch Mose, Kapitel 1, Vers 26, gibt die Bibel uns die Antwort darauf, was es bedeutet, Mensch zu sein. Vers 26 lautet: Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich, die da herrschen über die Fische im Meer, über die Vögel unter dem Himmel, über das Vieh, über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf sie als Mann und Frau.
Das ist der Schlüsselvers hier, Vers 27: Gott schuf den Menschen. Also, was ist der Mensch? Wir können unser Sein, unser Menschsein gar nicht verstehen, ohne an Gott zu denken und ohne diese Beziehung zwischen Gott und Mensch, zwischen Gott und uns, zu berücksichtigen. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf sie als Mann und Frau.
Zusammen mit der ganzen Schöpfung – so ist es hier offensichtlich – sind wir als Menschen unterschieden von Gott. Gott schafft, und alles wird. So werden auch wir geschaffen. Wenn wir das lesen, und vielleicht tut ihr das ja heute, dann merken wir: Am sechsten Tag gibt es zunächst gar keine große Unterscheidung. Gott schafft all die Tiere am sechsten Tag und auch den Menschen. Wir sind am gleichen Tag erschaffen wie die Tiere.
Aber obwohl wir am gleichen Tag erschaffen wurden wie die Tiere, gibt es doch einen großen Unterschied. In dem, wie wir gemacht wurden, ist der Unterschied minimal. Gott hat gesagt, dass die Erde die Tiere hervorgehen lassen soll. Und aus dem zweiten Kapitel, Vers 7, wissen wir, dass Gott dann ein Stück Erde nahm und daraus den Menschen machte.
Also, wie die Tiere sind auch wir Menschen als Erdklumpen entstanden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staube – so sagen wir es auf dem Friedhof bei der Beerdigung. Und doch, wenn man das Kapitel 1. Mose 1 liest, merkt man sofort: Die ganze Schöpfung, wie sie dargestellt wird, kommt jetzt in eine ganz andere Dynamik herein. Jetzt passiert etwas Besonderes.
Der Mensch ist eben nicht einfach nur noch irgendetwas anderes, was Gott schaffen wird. Der Autor des ersten Buches Mose unterbricht seinen Stil, und jetzt treibt es auf den Höhepunkt zu. Ja, wir sind Geschöpfe wie die Tiere, und doch sind wir völlig unterschiedlich von ihnen.
Gott fasst jetzt einen Entschluss und sagt: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei. Das hat Gott zu keinem Tier gesagt. Bei keinem Tier, weder bei der Giraffe noch beim schönen Elefanten oder einem anderen, hat er gesagt: Ein Bild, das uns gleich sei. Aber jetzt, beim Menschen, kommt das.
In diesem Bericht ist das ganz, ganz wichtig. Damit es uns nicht irgendwie durch die Lappen geht, wird genau der gleiche Gedanke in Vers 27 noch zweimal wiederholt: Zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes – ein Bild, das uns gleich sei, zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes. In zwei Versen wird das dreimal betont.
Das macht uns Menschen aus: dass wir Bild Gottes sind. Jetzt können wir natürlich das Verhalten der Tiere studieren, und da können wir viel lernen. Aber wenn wir das Verhalten der Tiere studieren, werden wir nicht viel über das lernen, was wir Menschen sind.
Wir sind eben nicht Menschenaffen, die zufällig ein Haus bauen können und in Wohnungen wohnen. Nein, wir sind etwas ganz Besonderes. Wir sind zum Bilde Gottes gemacht.
Und wenn wir uns heute fragen: Was ist der Mensch?, dann liegt genau hier der Schlüssel zum Menschsein. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Wir sind zum Bilde Gottes geschaffen.
Die Beziehung des Menschen zu Gott: Grundlage des Menschseins
Ich möchte heute Morgen einige Gedanken unterstreichen.
Das Erste: Der Mensch steht in Beziehung zu Gott, er ist in Beziehung zu Gott. In Vers 28 heißt es: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch.“ Hier wird der Schöpfungsbericht noch einmal unterbrochen. Gott spricht, Gott handelt, Gott sieht – und es ward Abend und es ward Morgen. Das ist der übliche Rhythmus.
Aber an dieser Stelle, wo Gott sich dem Menschen zuwendet, geschieht etwas ganz Neues: Gott spricht mit den Menschen, die er geschaffen hat. Gott segnet sie. Dieses Handeln Gottes zieht sich bis heute durch. Hoffentlich hört ihr das Sprechen Gottes immer wieder in seinem Wort und in eurem Leben. Hoffentlich erlebt ihr, wie Gott euch segnen möchte und wie er euch zum Segen setzt.
Das unterscheidet uns von den Tieren: Dass Gott mit uns spricht und uns segnet.
Dann erklärt Gott den Menschen in Vers 28 ihre Aufgabe: „Seid fruchtbar, mehret euch und herrschet über die Schöpfung.“ Das ist unsere Berufung, unser Auftrag von Anfang an. Wir sollen in dieser Welt an Gottes Stelle für Ordnung sorgen.
Der Mensch bleibt aber abhängig von Gott. Er bleibt angewiesen auf die Gemeinschaft mit Gott. Das ist jetzt ganz wichtig: Was wir gerade besprechen, geschieht alles vor dem Sündenfall und ist dort auch beschrieben. Wir Menschen brauchen Gott nicht nur, weil wir Sünder geworden sind – darum brauchen wir ihn auch –, sondern wir brauchen Gott, weil wir Menschen sind.
Am Anfang der Schöpfungsordnung gab es keine Sünde, keine Schlange, keine Unruhe, gar nichts. Der Mensch lebt in Beziehung zu Gott, das ist seine Bestimmung. Er ist auf Gott angewiesen, weil er Mensch ist, geschaffen für die Gemeinschaft mit Gott.
Wir brauchen Gott, um Mensch zu sein – so heißt, glaube ich, ein Buchtitel.
Und das ist jetzt ganz wichtig: Wenn wir die Ereignisse in der Welt betrachten, wenn wir uns fragen, was da eigentlich passiert – zum Beispiel in Nordnigeria –, wie kann es sein, dass dort so viel Gewalt und Hass tobt? In Syrien, im Irak – was ist das eigentlich, was dort geschieht? Das kann man kaum in Kategorien fassen.
In Nordnigeria wurden Anfang dieses Jahres an einem Tag ein christliches Dorf und 200 Menschen ausgelöscht. Boko Haram sagt, westliche Bildung sei Sünde. Als Hilfswerk haben wir in den Jahren 2011 und 2012 immer wieder gesagt: Betet für Nordnigeria, dort sterben jedes Jahr Tausende Christen.
Und jetzt, im Jahr 2015, kommen an einem einzigen Tag so viele Christen ums Leben, dass man kaum verstehen kann, was Menschsein bedeutet. Oder wenn wir uns vergegenwärtigen, was in Paris passiert ist – und wir brauchen gar nicht so weit zu schauen – was in Deutschland alles den Bach runtergeht: Was ist der Mensch? Woher kommt der Terror? Woher kommt der Hass?
Die Bibel sagt uns: Wenn der Mensch die Beziehung zu Gott verloren hat, ist alles möglich. Und da sind wir ja gar nicht anders. Wir brauchen gar nicht mit dem Finger auf den IS oder Boko Haram zu zeigen. Jesus sagt: In eurem Herzen sind böse Gedanken, Hass, Neid, Missgunst, Akribie, Mord und so weiter. Und wir tun das nur alles nicht – das meiste nicht.
Wir lügen auch. Und wahrscheinlich sind einige hier, die auch schon gestohlen haben. Wenn wir die Bergpredigt ernst nehmen, und Jesus sagt, wer nur begehrt oder in seinem Herzen eine andere Frau begehrt – da gehören wir alle dazu.
Es ist reine Gnade – jedenfalls kann ich das in meinem Leben sagen. Wenn ich manchmal merke, dass mich jemand auf die Palme bringt, und ich frage mich: Was hält mich da noch zurück? Es ist Gottes Gnade. Gottes Gnade bewahrt uns davor, dass uns die schlimmsten Dinge widerfahren.
Aber wo der Mensch die Beziehung zu Gott verliert, ist alles möglich. Ein Blick in unser eigenes Herz zeigt uns das. So verstehen wir, was in Nordnigeria, im Irak, in Syrien und in Paris passiert ist: das ist der Mensch, losgelöst von Gott, in seiner ganzen schrecklichen, unerlösten, hasserfüllten, sündigen und gefallenen Existenz.
Teilweise spiegeln wir das alles in unserem eigenen Herzen wider. Natürlich wünschen wir uns als Gemeinde, dass dieser oder jener Gott kennenlernen möge, um endlich aus Sünde und Not herauszufinden. Aber das greift eigentlich noch nicht tief genug. Wir müssen noch viel tiefer schauen.
Wir wollen, dass Menschen Gott kennenlernen, weil sie erst in der Tiefe, in der Gemeinschaft mit Gott, ihr Menschsein erleben. Es ist wichtig, dass wir das verstehen: Wir müssen Christ werden, um Mensch zu werden.
Wenn wir heute oft von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen – was soll das eigentlich bedeuten? Was ist Menschlichkeit? Habt ihr euch das schon einmal gefragt? Was ist Menschlichkeit?
Menschlichkeit ist gar nichts, sagt die Bibel. Der Mensch ist schrecklich, und Menschlichkeit gibt es gar nicht. Die Menschlichkeit, wie sie heute verstanden wird, ist in sich schon wieder ein christlicher Begriff.
Menschlichkeit, so wie sie dargestellt wird – Verbrechen gegen die Menschlichkeit –, was ist das? Liebe, Hilfsbereitschaft, Sanftmut, sich um Schwache kümmern, um Asylsuchende und so weiter. Diese Art von Menschlichkeit kommt aus der Anlage dessen, was Gott in uns hineingelegt hat.
Wenn wir Menschlichkeit leben wollen, wenn wir Menschlichkeit in unser Land zurückbringen wollen, wenn wir dazu beitragen wollen, dass dieses Land wieder auf eine gute Art und Weise auf die Füße kommt, dann müssen wir bei uns selbst anfangen.
Dann brauchen wir wieder, dass Gott unsere Menschlichkeit durch Jesus Christus in uns zum Strahlen bringt – diese Menschlichkeit, die er in uns von Anfang an hineingelegt hat und bis heute bewahrt.
So verändert sich die Welt nicht durch politische Ansätze oder noch mehr Aktionismus, sondern indem ein Herz nach dem anderen sich Gott hingibt und sagt: „Jetzt darfst du mich gebrauchen in dieser Welt, da, wo ich es kann.“
So können wir Akzente setzen von Liebe, von Annahme und von Freundschaft. Ohne Gott bleiben wir unendlich weit hinter unserer Bestimmung zurück.
Darum sagt Paulus zum Beispiel in Athen, als er auf dem Areopag zu den Philosophen seiner Zeit spricht – das könnte eine Rede aus heutigen Tagen sein –: „Wir alle sind göttlichen Ursprungs.“ Das wussten auch die Philosophen. Da war so ein Funke. Das sagt heute vielleicht sogar noch der Humanismus, selbst der Säkularismus – so ein Funke vom Logos oder von irgendetwas.
Paulus sagt: Das nützt nichts. Wir müssen wissen, wer Gott ist, wer dieser Gott ist, dem wir unser Leben verdanken. Das weiß die Welt nicht. Aber wir in der Gemeinde sind berufen, diesen Gott zu bezeugen.
Märtyrer sind wir alle, Zeugen. In Apostelgeschichte 1,8 steht: „Ihr werdet Zeugen sein, ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und ihr werdet meine Zeugen sein.“
Dann wollen wir dieser Welt sagen, wer dieser Gott ist.
Es ist doch furchtbar, wenn Kinder ihre eigenen Eltern nicht kennen. Die Bibel sagt, wir Menschen sind Kinder, Kinder Gottes. Aber wir kennen Gott nicht. Oder wir drehen das um, und Feuerbach sagt: „Gott ist letztlich unser Kind.“ Das ist Religionskritik – Gott sei nur eine Projektion unserer Wünsche.
So schrecklich ist das: Wir, Kinder Gottes, sagen, Gott gibt es gar nicht. Aber das, was wir für Gott halten, haben wir selbst erfunden. Das sind unsere Gedanken.
Nein, wenn wir wirklich Mensch sein wollen, dann brauchen wir diese Beziehung zu Gott.
Darum ist Mission so wichtig, darum ist Evangelisation so wichtig, damit wir Menschen helfen, Menschen zu werden.
Wir wollen niemanden bequatschen oder in unsere Mennonitengemeinde hineinzwängen. Sondern wir wollen Menschen helfen, zum Leben zu finden.
Darum machen wir Mission, darum evangelisieren wir, und darum laden wir natürlich auch in unsere Gemeinde ein.
Es geht darum, Menschen zu helfen, Menschen zu werden.
Die Beziehung des Menschen zur Welt: Verantwortung als Bild Gottes
Zweiter Gedanke: Der Mensch lebt in Beziehung zur Welt.
Vers 26b: „Und er setzte sie und sagte: Ihr sollt herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.“
Vers 28: „Füllet die Erde, macht sie euch untertan, herrscht über die Fische und so weiter.“
Gott ist der Herr und der König, aber der Mensch ist Stellvertreter Gottes. Wir sind in seinem Bilde geschaffen und berufen, zu herrschen. Dabei sind wir nicht berufen, uns als Macho aufzuspielen und andere zu unterdrücken. Es geht hier um das Bild Gottes.
Wie Gott herrscht, sehen wir am Kreuz auf Golgatha. Das ist der Weg des Sich-selbst-Hingebens. So wirkt Gott.
Wir als Gemeinde Jesu, als Gemeinde Gottes, als die, die zu diesem Gott gehören, sind berufen, in dieser Welt Verantwortung zu übernehmen. Das meint herrschen. Wir stehen der Schöpfung gegenüber, letztlich wie Gott. Obwohl auch wir geschaffen sind, ist das unsere besondere Berufung.
Neulich war ich mit meiner Familie in der Wilhelma. Das ist ganz toll. Ich wusste gar nicht, dass es dort zwei Plexiglasscheiben mit Widerständen dazwischen gibt. Dort gibt es Futter, das oben drin ist. Wenn der Affe geschickt ist, kann er mit einem Stöckchen das Futter so bugsieren – man muss richtig nachdenken –, dass es wie bei einem kleinen Spiel irgendwann unten herausfällt und der Affe erst dann essen kann.
Na, das kriegen die Affen hin. Es macht Spaß, ihnen dabei zuzuschauen. Aber wir Menschen können noch ein bisschen mehr. Da ist doch noch einmal etwas ganz anderes in unserem Leben.
Affen können so klug sein, wie sie wollen, aber die Berufung zu herrschen haben wir Menschen und nicht die Tiere. Hier geht es nicht um Ausbeutung der Schöpfung. Es geht auch nicht um die Frage nach Fracking und all diesen Dingen.
Hier geht es darum, dass wir als Bild Gottes in dieser Welt Verantwortung übernehmen – verantwortliches Herrschen. Menschsein bedeutet, verantwortlich zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Menschsein bedeutet, in dieser Welt eine Spur zu hinterlassen.
Das zeigt sich bis in das Politische hinein. Vielleicht habt ihr euch schon mal gefragt: Wir sind ja schon lange kein christliches Land mehr. Und wenn man für das christliche Abendland demonstriert, dann gibt es das schon lange nicht mehr. Wer geht denn heute noch in die Kirche?
Ich würde mal denken, in ganz Deutschland sind heute drei, vier, fünf Prozent in den Kirchen. Vielleicht sind es auch sechs, ich habe keine genaue Ahnung. Aber das sind relativ wenige im Vergleich zu den 90 oder 94 Prozent, die gar nicht in die Kirche gehen.
Aber immerhin haben wir noch so eine Spur.
Habt ihr euch schon mal gefragt, wie das kommt, dass die sogenannten christlichen Länder die Menschenrechte und die Freiheitsrechte haben? Dass diese Länder von der Würde des Menschen sprechen, während andere Länder, zum Beispiel islamische Länder, die Scharia haben – ein Gesetz, das Menschen unterdrückt und sie in allen Bereichen des Lebens einengt?
Daran spiegelt sich noch etwas von der Verantwortung wider, die einmal die Gesetzgeber vor Gott übernommen haben. Sie versuchten, trotz aller Schwächen, diese Wertschätzung des Menschseins verantwortungsvoll abzubilden – in Regeln bis hinein in das Politische für das Miteinander.
Die Beziehung des Menschen zu sich selbst: Wert und Sinn aus Gottes Perspektive
Dritter Gedanke
Der Mensch lebt in Beziehung zu sich selbst. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, und ihr Lieben – das gibt unserem Leben Bedeutung und Sinn. Aber Sinn und Bedeutung kommen von Gott her, nicht aus mir selbst heraus.
Man kann sich aufs Bett setzen und stundenlang meditieren oder im Wald die Erleuchtung suchen – das ist nicht der richtige Weg. Unser Sinn, unser Wert, kommt von Gott her. Und das wirkt sich hoffentlich auch praktisch bei uns aus.
Wer bestimmt über mich? Wer hat das letzte Sagen, wie ich mein Geld investiere? Woher kommen meine Werte? Wie gehe ich mit meinem Körper und meiner Familie um? Durch diese Beziehung zu Gott bestimmt sich mein ganzes Leben. Gott hat uns erschaffen.
Psalm 139,14 sagt: „Ich danke dir, Herr, dass du mich wunderbar gemacht hast.“ Wir sind gewollt. Die Kinder singen: „Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu, du bist du, du bist der Clou.“ Das ist Gottes Gedanke. Daraus kommt unser Wert.
Manche von uns kämpfen immer wieder mit dunklen Gedanken: Bin ich überhaupt etwas wert? Hat man mich lieb? Habe ich meine Aufgabe, meinen Platz? Gott hat dich gewollt. Mindestens das ist das Evangelium heute Morgen für dich: Gott hat dich gewollt. Du bist ein genialer Gedanke Gottes.
Gott hat Großes mit uns vor. Niemand von uns ist wie der andere. Wir haben alle unsere ganz besondere Berufung von Gott her. Wer bin ich, Gott? Das kannst du auch mal im Gebet fragen: Was ist jetzt mein Auftrag in dieser Welt? Wo willst du mich haben? Was darf ich an der Stelle, wo du mich hingestellt hast, im Blick auf dich jetzt Großes wagen?
So können wir auch unsere Minderwertigkeitskomplexe von Gott her in die Schranken weisen. Wir sind ein Ratschluss Gottes, ein Gedanke Gottes – oder wie Luther es sagt: „Ich glaube, dass Gott mich erschaffen hat.“ Weißt du das? Glaubst du das?
Gott liebt dich, Gott sieht dich, Gott will dich. Du darfst ein Licht sein in dieser Welt, weil Gott durch dich Segen wirken will. Keiner von uns ist überflüssig, keiner von uns ist nur auch noch dabei.
Wenn wir unsere Bestimmung von Gott her finden, dann darfst du erwarten, dass Gott Großes mit dir vorhat – in dieser Gemeinde, in Messkirchen, in der Mission, durch dein Gebet, durch deine Gaben. Was es auch ist: für die Enkelkinder da zu sein, für jemanden zu beten, Seelsorge zu tun – du bist ein Clou, du bist gewollt.
Die Beziehung des Menschen zu anderen: Gemeinschaft und Verantwortung
Und ein letzter Gedanke: Der Mensch lebt in Beziehung zu anderen. Gott schuf ihn als Mann und Frau. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, und auch darüber könnte man lange sprechen. Doch von Anfang an ist das so angelegt.
Die Bibel hätte auch ein anderes Wort verwenden können, aber es sind zwei: Mann und Frau. Gott fasst einen Entschluss: Lasst uns Menschen schaffen, ein Bild, das uns gleich sei. Dabei spricht Gott im Plural. Das Bild, das er schafft, sind zwei – Mann und Frau. Auch hier zeigt sich die Ebenbildlichkeit Gottes, die sich in beiden gemeinsam ausdrückt.
So sind Mann und Frau Bild Gottes. Alles, was wir bisher gesagt haben, gilt für beide. Mann und Frau leben in Beziehung zu Gott. Sie übernehmen Verantwortung in der Welt und leben in Beziehung zu sich selbst und zu anderen. Darin sind wir alle gleich.
Gott macht Mann und Frau, er macht sie und segnet sie. Dann spricht er zu ihnen: Seid fruchtbar, mehret euch, füllet die Erde und herrschet! Natürlich weiß die Bibel, dass es Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Die Bibel kennt diese Unterschiede sehr genau, auch wenn heute oft nicht mehr erkannt wird, dass es solche gibt. Stattdessen werden viele Zwischenstufen kreiert.
Darüber müssen wir nicht nachdenken. Wer die Bibel liest, hat immer einen klaren Kurs in dieser Welt. Der Verstand kann uns vernebeln, und wir können uns in Diskussionen verlieren. In dieser Welt scheint ein Geist der Lüge zu regieren, und selbst die selbstverständlichsten Dinge werden in Frage gestellt. Doch Christen hatten immer den Durchblick. Nicht, weil sie klüger sind, sondern weil sie das Licht haben.
Psalm 119,105 sagt: Dein Wort ist ein Licht auf meinem Weg. So finden wir unseren Weg auch in der verlogenen Dunkelheit unserer Tage. Die Bibel kennt Mann und Frau und gebraucht darum zwei Worte. Sie zeigt aber auch, was wir gemeinsam haben: die Berufung, in Gemeinschaft mit Gott zu leben, Verantwortung in der Welt zu übernehmen, uns selbst anzunehmen und dem anderen zu dienen.
Die Verantwortung für andere zeigt sich beispielsweise darin, dass wir uns um Benachteiligte kümmern. Im Alten und im Neuen Testament ist davon die Rede, dass das Volk auch die Fremdlinge nicht unterdrücken soll. Dahinter steht ein großer theologischer Gedanke: Die Fremdlinge gehören für Gott alle zur Schöpfung.
Die Bibel sieht immer das ganze Bild. Wir sind Teil dieser Familie, dieser Menschen, die Gott geschaffen hat. Viele Menschen wissen davon aber nichts. Deshalb kommt im Neuen Testament der Missionsauftrag: Wir sollen den Menschen zeigen, woher sie kommen und wohin sie gehen.
Wir alle sind geschaffen im Bilde Gottes. Die Bibel weiß aber auch, dass dieses Bild verschmutzt ist, dass die Herrlichkeit, dieser Glanz, verloren gegangen ist und von der Ebenbildlichkeit nicht mehr viel übrig ist. Darum handelt die Bibel von der großen Erlösungshandlung Gottes, von der Heilsgeschichte, wie Gott diese verlorene Welt wieder in Ordnung bringt.
Interessant ist, dass die Bibel theologisch betrachtet nicht mit dem Thema Erlösung beginnt. Das erste Thema ist nicht die Trennung, für die wir Erlösung brauchen. Das erste Thema ist die Einheit. Deshalb beginnt sie mit der Schöpfung. So war es einst, so waren wir in Gemeinschaft mit Gott, und dahin wollen wir zurück.
Als Gemeinde wissen wir, dass wir in dieser Gemeinschaft mit Gott leben. Natürlich ist das bei uns durch Brüchigkeit hindurch, und wir fallen immer wieder in Sünde. Die Welt um uns herum weiß das nicht. Sie sucht, was sie nicht findet, in allem Möglichen und kehrt belastet und unbefriedigt zurück.
Das ist unsere Aufgabe: der Welt von der Erlösung zu erzählen, damit sie zur Einheit mit Gott findet. Menschsein heißt auch, den Wert anderer Menschen anzuerkennen.
Und dann noch einmal: Wie kann so etwas Schreckliches wie in Syrien oder im Irak passieren? Weil die Beziehung zu Gott fehlt. Dann wird Menschlichkeit zu Unmenschlichkeit.
Wenn wir diese Beziehung wieder leben, verstehen wir, dass die Einladung an alle Menschen gerichtet ist. Darum akzeptieren Christen alle Menschen und wollen sie durch den Dienst der Liebe erreichen. Das ist Mission durch den Dienst der Liebe. Wir machen keine Mission mit dem Schwert – das tun andere.
Zum Thema Herrschen noch einmal: Das ist natürlich ein Kampf. Wenn man hört, dass wir in dieser Welt herrschen und Verantwortung übernehmen sollen, bleibt die Bibel für uns Christen immer nüchtern. Wir können ja nicht einmal über uns selbst herrschen. Wir haben nicht einmal unser eigenes Leben im Griff.
Darum scheint hier schon etwas durch von einem, der einmal kommen muss. Einem, der das in uns hineinlegen muss: Jesus Christus. In den Gleichnissen heißt es, dass viele Menschen nicht wollen, dass dieser über sie herrscht. Aber wir, die wir zu Jesus gehören, wollen es hoffentlich.
Wenn Jesus über uns herrscht und in unserem Leben herrscht, dann erst werden wir Männer und Frauen, die in dieser Welt Verantwortung übernehmen können.
Jesus Christus als das vollkommene Bild des Menschen
Was es bedeutet, Mensch zu sein, sehen wir letztlich in Jesus Christus. Er ist der Mensch par excellence. So hat Gott es sich gedacht: ein Mensch ohne Fehler, der die anderen sieht und gekommen ist, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Diesen Heilsaspekt können wir natürlich nicht vollständig nachleben. Aber diese Liebe und diese Sendung hat Jesus uns mitgegeben. Er sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Wir sollen Ebenbilder, Hinweisschilder und Liebeszeichen Gottes in dieser Welt sein.
Das Neue Testament beschreibt diese Welt als sinnverblendet. Sie kann den Vater, den Schöpfer, nicht erkennen. Wir sollen durch Gottes Gnade helfen, dass die Augen aufgehen. Jesus möchte den Glanz in unser Leben zurückbringen und möglichst viele Menschen in seinen Herrschaftsbereich hineinholen. Er will den Schmutz abwaschen und die Ehre sowie die Würde der Menschen wiederherstellen.
Darum steht im Hebräerbrief: Weil wir das alles wissen, lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.
Nun dürfen wir alles ablegen, was uns hindert, was uns verstrickt und den Weg schwer macht. Das können wir heute Morgen auch in Gedanken tun. Jeder weiß selbst, was das ist, wo Gott den Finger in unser Leben legt und wir merken: Das ist nicht in Ordnung. Das legen wir ab.
Dann blicken wir auf Jesus und laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist. Vor Jesus dürfen wir alles ablegen. Hast du deine Not und deine Sorgen vor Jesus abgelegt? Nur so kannst du als Mensch in der Beziehung zu Gott leben.
Stehst du in dieser Beziehung zu Gott, prägt das dein Leben. Und als Christ, der in dieser Beziehung lebt, trägst du Verantwortung in dieser Welt. Hast du deinen Platz schon gefunden? Wenn nicht, dann frage Gott doch, was deine Berufung, dein Auftrag für ihn ist.
Für uns, die wir Jesus nachfolgen, kommt auch unsere Beziehung zu uns selbst in Ordnung. Kannst du für dein Leben so danken wie der Psalmist: „Ich danke dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin“? Oder gibt es Anfechtung, Schwermut, Traurigkeit und Minderwertigkeit in deinem Leben?
Dann darfst du dich auf die Bibel berufen. Du kannst sagen: „Herr, ich packe dich bei deinem Wort und will die Lügen des Feindes in meinem Herzen nicht glauben.“ Du darfst in bereinigter Beziehung zu dir selbst leben.
Und du lebst in Beziehung zu anderen. Gott hat uns zur Gemeinschaft geschaffen – Gemeinschaft in der Gemeinde und eine Gemeinschaft, die offen ist für die, die dazukommen.
Die Herausforderung und Ermutigung für die Gemeinde in einer feindlichen Welt
Was ist der Mensch? Was bin ich als Mensch? Wer bin ich?
Dietrich Bonhoeffer hat dieses Gedicht mit dem Titel „Wer bin ich?“ im Konzentrationslager geschrieben. Am Anfang beschreibt er, wie er auf andere wirkt: Sie sagen, er trete aus seiner Zelle gelassen, heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss. Doch dann fragt er sich, ob er wirklich so ist, wie andere ihn sehen, oder ob er nur das ist, was er selbst von sich weiß.
Er fühlt sich unruhig, krank, wie ein Vogel im Käfig, voller Angst. Am Ende seines Gedichts kommt er zu der Erkenntnis: Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich, oh Gott. Das ist unsere Berufung: Unser Menschsein kommt von Gott her. Jesus kennt uns, und bei ihm sind wir geborgen. Dieser Schöpfungsprozess geht weiter.
Im Neuen Testament lesen wir, dass Paulus über Jesus sagt: Wer zu ihm gehört, der ist eine neue Kreatur. Keine Perversion, keine Sünde, egal wie Schreckliches in unserem Leben geschehen sein mag, ist eine Sackgasse oder Endstation. Jesus will unser Leben von Grund auf erneuern. Was auch immer geschehen ist, wir dürfen in diese herrliche Beziehung als Kinder Gottes zurückkehren – alles wird neu.
Lasst uns kurz beten:
Lieber Herr Jesus, wir danken dir für dein Wort und dass wir in Beziehung zum Vater leben dürfen durch das, was du am Kreuz auf Golgatha für uns getan hast. Uns fallen immer wieder Dinge ein, die wir bekennen wollen – Schuld und Schmutz in unserem Leben. Ach Herr Jesus, wir wollen all das bei dir ablegen. Ich bitte dich, befreie uns aus diesen Verstrickungen.
Wir bitten dich, Herr, zeige uns, wo wir an unserem Platz Verantwortung in deinem Namen übernehmen dürfen. Wir bitten dich, Herr, dass du die Anfechtungen und schwermütigen Minderwertigkeitsgefühle aus unserem Leben bannst, damit wir uns freuen dürfen auf das, was wir einmal sein werden in deinem Reich – und das schon jetzt im Glauben ergreifen können.
Du hast uns wunderbar gemacht. Danke, Herr, dass du uns beauftragst, in Beziehung zu anderen Menschen zu leben und sie einladen zu dürfen in die Gemeinschaft mit dir. Danke, Herr, dass wir wissen dürfen: Unser Leben, unser Sein und Sinn finden ihre Bestimmung von dir her.
So bitten wir dich, Herr, segne uns und setze uns für andere Menschen zum Segen. Amen.
Beispiel aus Afrika: Glaubensmut unter Verfolgung
Jetzt möchte ich euch kurz mitnehmen auf einen kleinen Ausflug nach Afrika, um an einem Beispiel zu zeigen, was es in dieser Zeit und Welt bedeutet, wo dem Evangelium feindlich begegnet wird, ein Hinweis auf Gott zu sein.
Das erste Bild, muss man das schließen? Die Kinder dort – ich war im Sudan – haben eine Weltkarte gemalt. Mal schauen, ob das hier... Ah ja, genau. Das ist eine Kinderweltkarte. Ihr kennt ja die Weltkarte. Dieser Bereich hier sind komischerweise auf allen Kontinenten die Gebiete, in denen Christen bedrängt und verfolgt werden.
Auf dem amerikanischen Kontinent sind das Mexiko, Kolumbien und Kuba. Dann der ganze nordafrikanische Bereich wegen des Islam, die arabische Halbinsel, große Teile von Asien, wo Christen zum Beispiel durch den Hinduismus, Islam oder auch durch den Kommunismus bedroht werden. China, Nordkorea, Vietnam, Laos und andere Gebiete.
Entschuldigung, wir stellen das immer mal wieder um. Ich war letztes Jahr im Sudan, und vielleicht erinnert ihr euch noch an Mariam Ibrahim. Das ist ihr Mann Daniel. Diese Frau im Sudan war zum Tode verurteilt worden – angeblich wegen Ehebruchs. Sie war ja verheiratet, aber nicht nach muslimischem Ritus, deswegen galt sie als unverheiratet und als Abgefallene vom Islam.
Wegen Ehebruchs wurde sie zu hundert Schlägen verurteilt, und wegen Abfalls vom Islam zur Todesstrafe. Sie war aber nie vom Islam abgefallen. Sie wurde als Christin orthodox erzogen, aber ihr Vater war Muslim. Er verließ die Familie, als sie sechs Jahre alt war. So galt sie nach Meinung einiger als Muslim und wurde deshalb zum Tode verurteilt.
Sie kam dann durch weltweiten Protest und viele andere Dinge frei, reiste über Italien, wo sie vom Papst empfangen wurde, nach Amerika. Ich war im Sudan genau in der Zeit, als Mariam Ibrahim hochschwanger, im achten Monat, im Gefängnis war. Sie hat ihr Kind im Frauengefängnis von Khartum bekommen.
Das ist das Frauengefängnis in Khartum. Khartum ist ein Staat, halb Sahara, halb Sahelzone – sehr heiß. Und dann mitten in dieser Stadt, in so einem Frauengefängnis – das ist unerträglich. Dort nicht nur gefangen zu sein und angekettet zu sein, sondern auch hochschwanger auf die Entbindung zu warten – das war ihre Situation.
Ich bin in das Land gereist. Wir konnten sie nicht besuchen, das wäre für sie und die Familie zu gefährlich gewesen. Wir sind dann aber um das Gefängnis herumgegangen und haben für sie gebetet. Man fühlt sich immer so ohnmächtig. Selten habe ich mich ohnmächtiger gefühlt als dort.
Man weiß, die Schwester ist da. Man kann nicht hin. Es sind vielleicht nur noch 30 Meter bis zu dem Ort, wo sie ist, und alles, was man tun kann, ist beten. Und dann kam sie doch frei. So ist es, dass Gott unsere Gebete hört. Wir können das nicht erklären. Sicherlich war es nicht nur mein Gebet, sondern so viele Menschen haben gebetet, und Gott hört Gebet.
Das hat mich sehr bewegt. Ich habe dort im Sudan die Gemeinde besucht. Da hat es mich einfach interessiert: Wie erlebt die Gemeinde Jesu diese Anfechtung? Da können wir uns ja mal fragen.
Ihr würdet hören, in der Gemeinde in Owing haben sie den Prediger verhaftet. Das macht ja etwas mit euch, oder? Da fragt man sich: Sind wir jetzt die Nächsten? Wie geht man damit um, wenn so etwas passiert?
Das habe ich die Christen dort gefragt. Wir waren da, als Mariam Ibrahim auf ihre Hinrichtung wartete – das war das Urteil. Der Richter sagte: Du kannst auch gehen, du brauchst nur das muslimische Glaubensbekenntnis zu sprechen.
Sie sagte: Ach, ist das euer Gesetz? Wenn ich das tue, darf ich gehen? Ja, das ist unser Gesetz. Dann sagte sie: Wenn das euer Gesetz ist, dann müsst ihr mich töten, weil ich Christin bin.
Ich habe diese jungen Leute dort gefragt: Wofür kann ich beten? Wie geht es euch jetzt? Ein junger Mann sagte: Bete um Mut. Ist das Mut? Ja, sagte er, Mut, dass ich meinen Mitlandsleuten von Jesus erzählen kann.
Wen meinst du damit? Die Muslime. Bei ihm war die Situation sogar anders als bei Mariam Ibrahim. Er war Muslim. Das heißt, diese Todesstrafe nach islamischem Gesetz hätte er wirklich verdient, denn er ist vom Islam zum Christentum übergetreten.
Das, was Mariam Ibrahim an dem Tag, an dem ich mit ihm sprach, im Gefängnis erlebte, ist das Schicksal, das ihm auch droht. Ich fragte ihn: Was können wir für dich tun? Er sagte nicht: Hol mich hier raus, ich will nach Deutschland, bete um meine Sicherheit oder so etwas.
Er sagte: Bete, dass ich mutig bin. Das hat mich tief angerührt. Bete, dass ich mutig bin. Dann fragte ich weiter, und er sagte: Ich möchte in diesem Land Menschen zu Jesus führen. Ich möchte ihnen von Jesus erzählen. Betet dafür, dass Gott mir Kraft, Mut und Weisheit gibt, das zu tun.
Dann sagte ich: Bete du mal auch für uns in Deutschland. Ihr dürft für diesen jungen Mann beten und viele andere Christen im Sudan, die noch schwerer bedrängt werden. Dort wurden Kirchen zerstört, Leute von der Polizei verprügelt – das ist der Sudan, 99,9 Prozent Islam.
Betet für ihn. Von solchen Christen können wir viel lernen. Ich möchte das für mich immer wieder beten: Herr, mach mich mutig. Bei uns ist es Menschenfurcht, Genierlichkeit, Ängstlichkeit – ich weiß nicht, was es bei euch ist. Herr, nimm mir das doch.
Jetzt lass mich dort, wo du mich hingestellt hast, mutig, fröhlich und freimütig von dir erzählen. Die Gemeinde im Sudan wird auf ganz unterschiedliche Weise bedrängt und bedroht.
Das ist der Kompa. Wie sagt man auf Deutsch das Anwesen einer Bibelschule? Schaut mal, da im Hintergrund ist eine Moschee. Das machen sie ganz oft: Wo eine Kirche ist, wo eine Bibelschule oder eine christliche Schule ist, wird direkt daneben eine große Moschee gebaut.
Man denkt, na ja, das ist doch eigentlich nicht so schlimm. Aber das wird schlimm, wenn nach dem Freitagsgebet zu irgendwelchen Aktionen aufgerufen wird. Das geschieht immer wieder. Dann wird zum Beispiel das Gelände gestürmt, Dinge werden in Brand gesetzt und so weiter.
Man versucht, die Mauern zu überwinden, die Tore einzuschlagen, weil das der Hass gegen die Gegenwart der Christen dort im Sudan ist. Da fragt man sich: Was ist denn überhaupt das Problem, wenn 99,9 Prozent sowieso Muslime sind? Was sollen dann die paar Christen? Was soll das stören?
Aber das ist der Hass dieser Welt gegen die Gemeinde Jesu. Ich habe dort einen Christen kennengelernt, nicht aus dem Sudan, sondern aus Eritrea. Dieser Mann hat mir erklärt, was im Militär in Eritrea passiert, wenn man in der Bibel liest.
Die Christen im Militär in Eritrea dürfen nicht beten, nicht singen und nicht in der Bibel lesen. Aber wir Christen kennen ja das Lied: "Lies die Bibel jeden Tag." Christen wollen singen, beten und in der Bibel lesen.
Er sagte, wenn ich im Militär erwischt wurde, dass ich in der Bibel gelesen habe, musste ich mich auf den Bauch legen, die Hände nach hinten, die Füße nach hinten, und so wurde ich zusammengebunden und mehrere Tage liegen gelassen. Das ist jetzt gestellt.
Ich fragte ihn: War das schlimm? Er sagte: Das ist mir nicht nur einmal passiert, das ist mir dauernd passiert, jedes Mal, wenn sie mich erwischt haben. Und ich erzähle dir nicht das Schlimmste, was sie mit uns gemacht haben.
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich habe euch jetzt gebeten, heute mal das erste Kapitel, 1. Mose 1, zu lesen. Aber wir haben ja gar keine Angst, in der Bibel zu lesen. Es passiert ja nichts. Wir sind nur manchmal müde oder haben keine Zeit oder finden es gerade langweilig.
Gott schenke uns doch den Hunger nach seinem Wort auch wieder hier in Deutschland. Das ist mein Gebet. Bei mir sage ich: Herr, ich danke dir, dass ich dein Wort lesen darf. Lass dein Wort in meinem Leben Wurzeln schlagen und Frucht tragen.
Jetzt habe ich ein Bild ausgelassen. Ich dachte, das kann ich euch nicht zeigen. Aber ihr habt die Bilder in Paris gesehen, und es gibt viele andere Beispiele. Wir merken, dass dieser Hass, dieser Hass von fanatischen Muslimen, nicht nur im Sudan oder in Pakistan stattfindet, sondern immer näher kommt – London, Paris.
Dann frage ich mich manchmal: Sind wir als Gemeinde überhaupt vorbereitet? Der Gründer unseres Hilfswerks, Richard Wurmbrand, hat immer wieder davon gesprochen, dass wir uns auf die Untergrundkirche vorbereiten sollen.
Wir wollen keine Angst machen, es geht auch nicht um große Geheimnisse. Wie bereiten sich Christen vor? Indem wir aus der Bibel leben, im Gebet leben und in der Gemeinschaft leben. Hoffentlich nutzen wir alle drei. Das ist ein Geschenk, das wir einander haben.
Schaut mal: In Nordkorea wünschen sich Christen nur einen Bruder, nur eine Schwester, mit der sie Austausch haben können. Und wir werden uns manchmal gegenseitig zur Last, undankbar.
Da haben wir Grund, Gott zu danken, Grund zur Buße zu tun und diese Gemeinschaft zu leben. Sprecht über eure Sorgen, Ängste und Fragen, betet füreinander, achtet aufeinander, ermutigt euch, wachst miteinander im Glauben, in der Schrift und im Gebet.
Das ist ein Pastor aus Bremen, St. Martini. Ich komme aus Norddeutschland. Das ist eine Innenstadtkirche in Bremen. Er hat letzten Sonntag darüber gepredigt, dass Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.
Er hat nicht das Wort aus dem Neuen Testament genommen, sondern die Geschichte von Gideon aus dem Buch der Richter. Er sagte, das bedeutet, dass wir Christen keine Amulette tragen. Das bedeutet, dass wir keine Buddha-Statuen, weil sie nett aussehen, ins Bücherregal stellen.
Das bedeutet auch, dass wir bei gemeinsamen Gebetsveranstaltungen der sogenannten abrahamitischen Religionen nicht mitmachen können. Dieser Pastor Olaf Latzel wird jetzt – das ist fast Realsatire – von der Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung ermittelt.
Ich habe das noch mal meinen Vater gefragt. Mein Großvater war Pastor während des Zweiten Weltkrieges in Norddeutschland. Er erzählte, dass in seinen Predigten mitgeschrieben wurde. Das war die Gestapo, die ihn überwachte.
Theolehmann und andere haben das erlebt. Theolehmann in Chemnitz hat immer wieder gesagt: "Ich begrüße euch alle schön, auch die, die beruflich hier sind, herzlich willkommen." Das waren dann die Spitze.
Aber mal ganz ernst: Hätte irgendjemand von euch mir geglaubt, wenn ich gesagt hätte, 1999 hättet ihr mich eingeladen, und ich hätte gesagt, in 15 Jahren kann es sein, dass die Staatsanwaltschaft Predigten abhört und überlegt, ob da etwas Verfassungsfeindliches drin sein könnte?
Wir merken, der Wind in Deutschland wird schärfer. Betet für Olaf Latzel. Jetzt rücken alle Evangelikalen von ihm ab, vielleicht auch einige von uns. Man sagt dann immer, weil man es besser weiß – ich weiß es auch besser als ihr –, er hätte es netter sagen können, er hätte es am nächsten Tag sagen können, man hätte es immer anders machen können.
Aber letztlich ist es egal, wie wir es machen: Das Zeugnis von Jesus und der eindeutige Ruf Jesu "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" wird widersprochen, egal wie schön wir es formulieren.
Olaf Latzel, Bremen, letzte Woche. Jetzt steht dieser Mann – die Zeit, die taz, die Nachrichten, Radio Bremen, die Staatsanwaltschaft, seine Kirche, die evangelische Allianz in Bremen – alle rücken von ihm ab, und er steht alleine, Olaf Latzel.
Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir noch in Deutschland haben. Ich will euch nicht traurig machen, im Gegenteil, ich will euch Mut machen. Wir sollen wirken, solange es Licht ist und wir Zeit haben.
Jetzt haben wir noch Zeit. Wollen wir die Zeit nutzen und Gottes Reich bauen. In dieser Zerstörungssituation im Sudan – ich habe erzählt, wie die Moschee daneben steht und das Grundstück der Bibelschule überfallen hat – haben sie die ganze Bibliothek verbrannt.
Das Einzige, was man noch sehen konnte, war Asche, Rauch und Ruß. Bücher alle weg. An der Wand war ein Schriftzug zu sehen, vielleicht sogar besser als vorher mit dem Ruß. Dort stand: "Betet ohne Unterlass."
Da habe ich gedacht: Gott hat Humor. Alles kaputt, aber wir hängen ja nicht an den Gebäuden, wir hängen nicht an den Büchern, wir hängen an diesem Vater im Himmel. Zu dem dürfen wir kommen und ihm unsere Not sagen, wie auch immer sie gerade aussieht.
Betet ohne Unterlass. Das möchte ich euch mitgeben. Betet für die verfolgte Gemeinde, betet für unser Land, dass Gott noch einmal Gnade schenkt in Deutschland, in Europa, dass er uns ein Herz für sein Wort schenkt.
Betet für uns, dass der Herr uns stark, mutig und freimütig macht. Wir wissen vielleicht nicht, wie viel Zeit wir noch haben, aber die Zeit, die wir haben, wollen wir auskaufen und im Namen Jesu Großes wagen, weil er uns segnen und zum Segen setzen will.
Das wollen wir jetzt tun: eine Zeit des Gebets haben. Ihr seid das gewohnt, und ich denke, wir können eine offene Zeit haben.
Ihr kennt die Berichte, ihr wisst um mindestens 64 Länder – kommunistische, hinduistische, islamische Länder – ihr wisst um Nordnigeria, die Probleme in China, Nordkorea, und dass wir diese Not laut oder leise dem Herrn sagen.
Syrien, Irak, die Flüchtlinge, auch die Christen, die in Deutschland verfolgt werden. Sabbatina James kennen vielleicht einige – diese pakistanische Christin, die Frauen betreut, die zum Islam konvertiert sind, die weglaufen mussten, die zwangsverheiratet werden sollen.
Das passiert mitten in unserem Land. Wir haben viel zu beten.
Ich möchte diese Zeit abschließen: Lieber Herr, wir danken dir, dass wir ohne Unterlass beten dürfen, dass wir zu dir kommen dürfen. Auch jetzt wollen wir zu dir kommen, weil wir wissen, dass du uns hörst.