Keiner wie Jesus!
Regierungsantritt bedeutet Jubel, liebe Gemeinde. Machtübernahme heißt Freude. Amtseinführung ist ein Fest. Das war im alten Rom so. Die Ränge der Arenen flössen über, wenn der neue Kaiser seine Spiele gab. Das war in Frankfurt so. Aus den Rohren des Römerbrunnens sprudelte der klare Wein, wenn ein Herrscher den Thron bestieg. Das war in Bonn so. Rote Läufer wurden ausgerollt und rote Rosen überreicht, wenn die neuen Herren kamen. Und das ist in der christlichen Gemeinde nicht anders. Himmelfahrt bedeutet Jubel. Himmelfahrt heißt Freude. Himmelfahrt ist ein Fest, weil Jesus an diesem Tag in alle Macht eingesetzt wird. Himmelfahrt ist doch keine Abschiedsfete für einen pensionsreifen Herrn, der sich mit Orden übersät und mit Ehrungen überhäuft auf seinen himmlischen Ruhesitz zurückzieht. Einen Eißler a.D mag es geben. Eißler ade haben sie vor 3 Jahren gerufen, und sie haben recht gehabt. Oldies, Grufties, Sarkophagies muss man in die Wüste bzw. auf die Alb schicken. Einen Eißler a.D. mag es geben, einen Christus a.D. aber gibt es nicht. Himmelfahrt ist Regierungsantritt für einen aktiven Christus, der mit höchster Erlaubnis die Schalthebel der Macht in die Hand bekommt. Was müsste bei uns abgehen, wenn Christus die schwierige Mission auf Erden erfüllt hat? Was müsste bei uns vorgehen, wenn Christus das bittere Ende von Karfreitag zum triumphalen Anfang von Ostern gemacht hat? Was müsste bei uns losgehen, wenn Christus, weil er gehorsam war bis zum Tode, erhöht und ihm einen Namen gegeben wird, der über alle Namen ist? Festlich ist’s, feierlich, bewegend und gewaltig zugleich, wenn Christus eingesetzt wird - aber wie traurig sieht es bei uns aus? Der Festtag ist zu einem Ausschlaftag geworden. Der Feiertag ist zu einem Ausruhtag verkommen. Der Himmelfahrtstag ist zu einem Vatertag heruntergewirtschaftet, an dem sie mit Kreissäge auf dem Kopf und Bierflasche in der Hand durch die Greens stolpern. Wilhelm Löhe, der geistvolle Prediger aus Bayern konnte noch sagen: "Seit die Morgensterne den Herrn der Schöpfung lobten, war kein Tag gewesen wie der Himmelfahrtstag. Das ist das größte Fest, ja mit diesem Festtag begann im Himmel das immerwährende Fest, dessen Lobgesänge bis heute nicht verstummt sind, ewig nicht verstummen werden." Wir haben keine Ahnung mehr vom Glanz dieses Tages. Wir haben keinen Begriff mehr vom Jubel dieses Festes. Wir haben keinen blauen Dunst mehr vom Lobpreis des Himmelfahrtfestes. Warum? Darum! Die Einführung ist uns aus dem Blick gekommen. Die Einsetzung ist uns aus dem Sinn gekommen. Die Himmelfahrt als Investitur Jesu in alle Macht ist weithin unbekannt. Deshalb müssen wir wieder dorthin schauen, genau wie die Jünger am ersten Himmelfahrtstag. Bei ihnen können wir abgucken, wie man richtig guckt.
1. Sie sehen auf die Allmacht ihres Herrn ...
... obwohl sie zuerst etwas ganz anderes gesehen haben. Mit hängenden Köpfen schlichen die Elf wie geschlagene Hunde nach Galiläa. Von dort waren sie aufgebrochen, um mit ihrem Meister das große Licht nach Jerusalem zu tragen. Die alte Verheißung musste wahr werden: "Das Volk, das im Finstern sitzt, sieht ein großes Licht." Und dann gingen alle Lichter aus. Die Todessstunde auf der Schädelstätte löste einen Blackout aus, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte. Das Volk Israel hockte in rabenschwarzer Finsternis. Und jetzt ziehen sie Elf wieder von Judäa nach Galiläa, von der Erwartung in die Enttäuschung, von der Hoffnung in die Resignation. Wenn sie zurücksehen, sehen sie die Staatsmacht eines Pilatus, der Unschuldige seinen Henkern ausliefert und Barrabasse frei laufen lässt. Gerechtigkeit und Macht scheinen sich bis heute auszuschließen. Wenn sie hinuntersehen, sehen sie die Ohnmacht ihrer eigenen Hände. Als sie einmal den starken Mann spielen wollten und Petrus zuschlug, da wurde Jesus wütend: "Steck dein Schwert in die Scheide". Gewalt löst nur Gegengewalt aus. Wenn sie nach vorne sehen, sehen sie die Großmacht römischer Gottkaiser, die zur Hexenjagd gegen die Christen rufen: "Christianes ad leonem." Passio passiva, leiden müssen ist die Normalsituation seiner Leute. Alles andere ist Ausnahme von der Regel. Viele Mitarbeiter von CFI können ein Liedchen davon singen. Nun aber sehen die Jünger hinauf und sehen in dieser österlichen Lichtgestalt das "eikon", das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Dieses "eikon" lässt sich mit einer Einrichtung vergleichen, die wir noch früher an alten Häusern wie in der Alexanderstraße bewundern konnten, den sogenannten Spion. Dieser kleine Spiegel wurde vor das Fenster geschraubt, damit jeder in der Stube aus sehen konnte, wer vor der Haustüre steht. Das war überaus praktisch. Wenn es läutete und die Schwiegermutter vor dem Haus stand, verhielt man sich mucksmäuschenstill und war eben nicht da. Der Spiegel zeigte, wer vor der Haustür steht. Jesus zeigt, wer auf uns wartet. Kein fatum, kein fremder Gott, keine erste Ursache, sondern der Sohn des unsichtbaren Gottes, der schon damals vor der Besatzungsmacht keine Furcht zeigte und dem Statthalter auf den Kopf zusagte: "Du hättest keine Macht über mich, wenn dies nicht von oben gegeben wäre." Sie sehen jenen Mann, der schon damals auf der tobenden See im Schiff gestanden und den Naturmächten sein "Schweig und verstumme" entgegengeschleudert hat. Sie sehen jenen Mann, der schon damals auf dem Berg der Versuchungsmacht widerstanden und dem Teufel den Laufpass gegeben. Die Jünger sehen über den Staatsmächten, Naturmächten und Ohnmächten die Allmacht ihres Herrn. Keiner ist wie Jesus. Er präsentiert sich in diesem Augenblick als der Mandatsträger unumschränkter Machtfülle. Die Machtfrage ist seit der Himmelfahrt Jesu geklärt.
Warum sehen Sie immer wieder zurück und bangen vor den Mächtigen dieser Erde? Warum sehen Sie immer wieder hinunter und verzagen an der Ohnmacht Ihrer Hände? Warum sehen Sie immer wieder nach vorne und zittern vor kommenden Ereignissen? Jesus ist der Machthaber. Er sagt es denen, die meinen, mit Atomsprengköpfen und Öllachen unter der Erdrinde sei die Macht verteilt. Er sagt es denen, die meinen, gegen Krankheitsmächte sei kein Kraut gewachsen. Er sagt es denen, die meinen, der Tod sei die Großmacht schlechthin. Mir ist alle Macht gegeben. Sie sehen auf die Allmacht ihres Herrn.
2. Sie sehen auf die Vollmacht ihres Herrn ...
... der von Gott zum Haupt der Gemeinde eingesetzt worden ist. Manche denken, er sei nur der Fuß, auf dem die Gemeinde steht. Es gebe einen christlichen Grund und Boden, einen abendländischen Humus, auf dem alles mögliche und unmögliche ins Kraut schießt oder gar wunderlich blüht. Jesus aber ist nicht der Fuß, sondern das Haupt der Gemeinde. Manche denken, er sei nur die Hand, die gebende und helfende Hand, die die Gemeinde bieten müsste. Alles erschöpfe sich in der Nächstenliebe und mehr als einen Diakonieverein sei ohnehin nicht nötig. Jesus aber ist nicht nur die Hand, sondern das Haupt der Gemeinde. Manche denken, er sei nur der Mund, den die Gemeinde aufreißen müsse. In Jesu Namen gegen Reiche und Ausbeuter und Umweltzerstörer lauthals protestieren sei dran. Gemeinde als Vormund der Entrechteten und Ausgebeuteten. Jesus aber ist nicht nur der Mund, sondern das Haupt der Gemeinde. Manche denken, er sei nur ein Teil der Gemeinde. In andern Religionen sei er auch stückweise zu finden. Deshalb könne es gar keine Mission geben, sondern nur den Dialog der Religionen, in der der kosmische Christus wie ein Puzzle zusammengesetzt wird. Aber Jesus ist nicht nur ein Teil, er ist das Haupt der Gemeinde. Ohne Jesus als alleiniges Haupt ist die Gemeinde kopflos und rennt hierhin und dorthin. Ohne Jesus als alleiniges Haupt ist die Gemeinde enthauptet und damit als Leichnam reif für den Abdecker. Ohne Jesus als alleiniges Haupt ist die Gemeinde tot.
Nun aber ist und bleibt er das Haupt der Gemeinde, der in Vollmacht seine Jünger bevollmächtigt: "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker." Allen Menschen muss gesagt werden, wer in der Welt das Sagen hat. Jeder hat ein Recht darauf, das Rechte zu wissen und daraus recht zu handeln. Glaube ist doch keine Geschmacksache, die dem einen das Leben versüßt und dem andern die Suppe versalzt. Glaube ist doch keine Ansichtssache, die der Intellektuelle mit seinem scharfen Verstand anders sieht als der einfach Gewickelte mit seinem frommen Gemüt. Glaube ist doch keine Privatsache, die man mit seinem Herzen abmacht und niemand etwas angeht. Glaube ist Eilsache, weil sie mit der Wahrheit zu tun hat und Wahrheit nicht unterschlagen werden darf. Deshalb gehet hin. Missionsbefehl ist Marschbefehl. Lassen Sie sich nicht verunsichern. Als Herr der Welt bevollmächtigt er seine Leute auf Straßen und Gassen zu gehen, an Hecken und Zäune als die Vorausboten seines Kommens. Sie sollen nicht deshalb missionieren, damit Jesu Herrschaft möglichst auf alle Welt ausgedehnt wird, sondern sie sollen missionieren, weil seine Herrschaft weltweit ist. Jünger stehen weniger unter einem inneren Druck als vielmehr unter einem äußeren Sog: Der Raum, der schon Jesus gehört, will von ihnen vorwärtsgehend ausgefüllt werden.
Jünger stehen weniger unter einem inneren Druck als vielmehr unter einem äußeren Sog: Der Raum, der schon Jesus gehört, will von ihnen vorwärtsgehend ausgefüllt werden.
Menschen warten doch auf dies Wort, das ihnen die Angst nimmt: "Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst." Menschen sehnen sich nach Anerkennung und Liebe, eben auf jenes Wort: "Weil du so wert bist vor meinen Augen, so musst du auch herrlich sein und ich habe dich lieb." Menschen hungern nach Vergebung, die in dem Wort steckt: "Wenn eure Sünde blutrot wäre, so soll sie doch schneeweiß werden." Zeugen können dies Wort sagen. Mission ist Beauftragung. Zeugen müssen dies Wort sagen. Mission ist Bringschuld. Zeugen sehen auf die Vollmacht ihres Herrn.
3. Sie sehen auf die Schutzmacht ihres Herrn ...
... weil er zugesagt hat: "Ich bin bei euch alle Tage." Es ist noch keiner im Namen Jesu ausgezogen, ohne dass sein Herr mitgegangen wäre, unsichtbar, aber wirklich und wirksam. Nur einer im Geschäft, der beim Lügen und Mobben nicht mitzieht, aber er dabei. Nur zwei oder drei im Schülerkreis, der sich in der Pause trifft, aber er dabei. Nur 40 oder 50 im Gottesdienst, aber er dabei. Nur 80 oder 100 im Missionsdienst, aber er dabei. Immer ist es einer mehr als man Köpfe zählt. Es gibt keinen Tag, an dem seine Leute auf sich selber gestellt wären, denn er ist bei uns alle Tage. Es gibt keinen Quadratmeter Erde, der außerhalb seines Machtbereichs läge, denn er ist bei uns bis an das Ende der Erde. Überall ist sein Herrschaftsbereich.
In einem Buch las ich folgende Begebenheit. Sie passierte während des Frankreichfeldzuges im Jahre 1940. Zwei deutsche Landser schleppten einen gefallenen Kameraden zum nahe gelegenen Friedhof, um ihn dort zu bestatten. Aber bevor sie ein Grab ausheben konnten, erschien der Abbe in schwarzer Sutane und belehrte sie höflich, dass dies ein gemeindeeigener Gottesacker sei und keinen Platz für Fremde habe. So schaufelten sie außerhalb der Umzäunung und legten dort ihren Toten zur letzten Ruhe. Am nächsten Morgen, bevor die Kompanie weiterzog, gingen die beiden Landser noch einmal zurück zum Grab, um zum Abschied noch ein paar frische Blumen neben den Stahlhelm zu legen. Aber seltsamerweise konnten sie das Soldatengrab nicht mehr finden. Als sie kopfschüttelnd davongingen, tauchte der alte Priester noch einmal auf. "Pardon", sagte er und erklärte in gebrochenem Deutsch: "Ich konnte keine Ruhe finden. Deshalb bin ich aufgestanden und hier hergekommen. Mitten in der Nacht habe ich den Zaun versetzt. Jetzt liegt er in unserem Bereich."
Liebe Freunde, unser Herr hat Ähnliches getan. Er konnte auch keine Ruhe finden. Bis hierher zu uns ist er gekommen. Mitten in der Nacht von Karfreitag hat er den Grenzpfahl des Kreuzes ganz weit hinausgesetzt. So hat er Frieden gemacht durch sein Blut am Kreuz. So sind wir von ihm ganz umfriedet. So leben wir in seinem Friedensbereich.
Liebe Gemeinde, wer wegsieht von all unserer Ohnmacht und hinsieht auf die Allmacht, Vollmacht und Schutzmacht unseres Herrn, sieht es ein: Keiner wie Jesus, keiner. Jesus bringt's. Amen.
[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]