Ein langer Weg voller Enttäuschungen und Gottes Geduld
Wir haben heute als Predigtthema nach der Ordnung 4. Mose 21. Wenn Sie in Ihrer Bibel mitlesen, finden Sie die Geschichte in 4. Mose 21,4-9.
Die Israeliten sind auf dem Weg ins gelobte Land. Sie erleben eine fast endlose Geschichte der Enttäuschung – von Menschen und von Gottes grenzenloser Gnade, Barmherzigkeit und Geduld.
Die Israeliten brachen vom Berg Horeb auf in Richtung Schilfmeer. Das war jedoch eine falsche Richtung, ein Rückweg, um das Land der Edomiter zu umgehen. Das Volk wurde unterwegs unzufrieden und redete erneut gegen Gott und Mose. Im früheren Luthertext steht dafür das schöne Wort „murren“. Sie murrten gegen Gott und gegen Mose: „Warum hast du uns aus Ägypten geführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und wir ekeln uns vor dieser mageren Speise.“
Daraufhin sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk, die viele Israeliten bissen, sodass viele starben. Die Menschen kamen zu Mose und sagten: „Wir haben gesündigt, weil wir gegen den Herrn und gegen dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nimmt!“ Mose betete für das Volk.
Da sprach der Herr zu Mose: „Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen wurde und sie ansieht, soll leben.“ Mose machte daraufhin eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Wenn jemand von einer Schlange gebissen wurde, sah er die eherne Schlange an und blieb am Leben.
Die Frage nach der heutigen Gottlosigkeit und der tiefe Frust der Menschen
Ich stelle mir heute oft die Frage, warum in unseren Tagen die Gottlosigkeit so keck und frech voranschreitet. Warum wenden sich eigentlich so viele Menschen von Gott ab?
Haben Sie eine Erklärung? Ich denke, Gott wandelt sich nicht. Deshalb kann der Grund sicherlich nicht bei Gott liegen, auch nicht im Evangelium. Das wandelt sich ja auch nicht. Liegt es wirklich an der Zeit oder an den Menschen? Wenn ich genau hinsehe, gibt es in unseren Tagen immer mehr Menschen, die tief verwundet von Gott sind.
Diese Menschen sind ärgerlich auf Gott, sie haben eine ganz schlechte Stimmung und sagen: „Von Gott will ich gar nichts mehr wissen, mit dem bin ich fertig. Der soll bloß mir wegbleiben.“ Also kein Wort mehr über ihn.
Mein erster Punkt: Der Frust sitzt tief. Ich denke an manche Menschen, mit denen ich schon reden wollte. Sobald man dann irgendwie ans Evangelium kommt oder von Gott oder Jesus redet, werden sie plötzlich hochrot, die Adern schwellen im Gesicht an. Man spürt richtig, dass sie Zorn empfinden. Ich will das nicht lächerlich machen.
Wenn ich genauer nachprüfe, sind es oft Menschen, die sehr viel Schweres erlebt haben. Sie sagen bitter: „Wo ist denn der Gott der Liebe, bitteschön? Den hätte ich mal gern erlebt, als es mir so schlecht ging. Ich war ganz allein gestellt und musste mit meinem Leben selbst fertig werden. Bleiben Sie bloß mit dem Gott weg!“
Verstehen Sie das gut? Die Zahl der Menschen, die so reden, wird immer größer. Manche sagen es vielleicht etwas netter: „Ich will nichts von Gott wissen, aber er soll mir bitte auch vom Hals bleiben. Ich habe kein Interesse und werde mit meinem Leben ganz alleine fertig.“
Die historische Perspektive auf den Glaubensfrust der Israeliten
Mich wundert, dass das schon vor 3.500 Jahren Menschen sagten. Es ist eigentlich keine moderne Einstellung, sondern eine, die auch damals Menschen äußerten, die eine bewusste Glaubensentscheidung für Gott getroffen hatten.
Diese Menschen folgten Gott, glaubten an ihn und vertrauten ihm. Viele von ihnen hatten sogar große Opfer für Gott gewagt. Doch dann kam der Moment, in dem sie mit Gott fertig waren. Sie konnten nicht mehr, wollten nichts mehr wissen und sagten: „Nein, Schluss jetzt, ich mache nicht mehr mit.“
Es war auch ein Desaster passiert. Eigentlich war alles gescheitert, was sie sich einst vorgenommen hatten. Sie wollten ja ins gelobte Land ziehen, doch das Unternehmen wurde immer schwieriger.
Einer aus der Führungsclique, Aaron, war gestorben. Jetzt fehlte auch noch der König von Arad, dessen Burg und die alte Stadt man im Südland, im Negev, ausgegraben hatte. Dieser König griff sie an. Zusätzlich versperrten die Edomiter ihnen den Durchzug.
Was sollten sie jetzt tun? Sie mussten den ganzen Weg zurück zum Schilfmeer gehen.
Die Menschen konnten nicht mehr. Sie waren körperlich am Ende, aber auch seelisch erschöpft. Sie wussten, wie es ist, wenn man seelisch keine Kraft mehr hat und einfach sagt: „Das ist zu viel. Was zu viel ist, ist zu viel. Ich kann das nicht mehr tragen.“
Zweifel und Klage als Teil des Glaubenslebens
Es gibt immer wieder Leute, die sagen, in der Hofhagenkirche werde nie über den Zweifel gesprochen. Dabei müssen wir genau hinhören: Wir reden dauernd über den Zweifel. Wichtig ist, welche Antwort wir darauf geben.
Auch gläubige Menschen, die für Gott große Opfer bringen, geraten manchmal in Zweifel. Sie werden mutlos, verzagen, verlieren die Hoffnung, wollen aufgeben und sagen: „Es hat doch gar keinen Wert.“ Dann klagen sie Gott an, murren. Wir Schwaben haben dafür ein anderes Wort: bruddeln. Wir schimpfen. Dabei halten wir Gott Fehler vor. Wir fragen: „Wo war denn Gott zu uns lieb?“
Das war lange Zeit eine Mode, die alte Geschichte von Wolfgang Borchert draußen vor der Tür zu zitieren: „Lieber Gott, wo warst du denn?“ So wie in Stalingrad. Oft haben wir das nachgebetet, dass man heute nicht mehr an Gott glauben könne, weil so viel Schlimmes in unserer Welt passiert. Und dann halten wir Gott all das vor und sagen: „Uns geht’s ja so schlecht.“
Wir klagen: „Wir haben kein Brot und kein Wasser.“ Doch ist das überhaupt wahr, was wir sagen? Die Menschen hatten täglich Manna. Ja, manche ekelten sich vor dieser mageren Speise.
Schon ein paar Kapitel weiter vorne, im Kapitel 11, haben sie ganz ähnlich gerufen. Da wollten sie etwas anderes haben und sehnten sich zurück nach Ägypten. Dort sei es noch besser gewesen, im Gefangenenlager. Woran träumten sie denn? Ich darf sie zitieren: Vielleicht waren es auch feine Schmankerln wie Zwiebeln, Lauch, Knoblauch – das hatten sie wenigstens in Ägypten. Und das wollten sie jetzt wieder in der Wüste haben. „Jetzt geht’s uns so schlecht“, sagten sie. Und dann sehnten sie sich zurück.
Die Bedeutung der biblischen Geschichten als Spiegel unserer eigenen Erfahrungen
Ich bin so froh, dass die Bibel Geschichten erzählt. An diesen Geschichten kann man viel besser beobachten, wie wir selbst uns verhalten. Sie sind Spiegelbilder von uns.
In den Stunden der seelischen Depression sehen wir die Dinge völlig falsch. Und was wir dann oft reden, ist unwahr. Darum ist es so gefährlich. Solche Stunden gibt es bei uns allen. Sie sind so gefährlich, dass wir uns an Gott versündigen.
Die Geschichten malen ein Bild, als wollte Gott sie zu Narren machen. So, als wollte Gott sie bloß durch die Wüste ziehen, um sie dort irgendwo scheitern zu lassen. Und so klagen sie, so schimpfen sie drauflos.
Warum steht das denn in der Bibel? Paulus sagt einmal gerade über die Wüstenwanderung: Das ist uns zur Warnung geschrieben. Wir sollten uns ein bisschen besser kennenlernen. Das, was wir hier sehen, sind die Launen unseres Herzens.
Passen Sie bloß auf Ihre Gefühle auf. Hängen Sie sich nie an Ihre Gefühle. Heute können Sie ganz begeistert für Gott sein und alle Lieder singen, morgen schon wieder im Keller sein. Der Glaube baut nicht auf Stimmungen. Wir müssen unabhängig werden von unseren Gefühlen. Unser Glaube muss sich auf das Wort gründen.
Nur dann, wenn er auf die Zusagen Gottes wirklich baut, haben wir Gewissheit. Und das haben sie völlig vergessen: Dass Gott mitgezogen war, auch auf dieser Wüstentour. Dass er doch da war. Bei Nacht war die Feuersäule ihnen vorangegangen, bei Tag die Wolkensäule. Und diese gab auch wieder den Kurs vor.
Menschlich sah es wirklich verwirrend aus. Jetzt sollten sie wieder zurück.
Ich möchte Sie ganz herzlich bitten, sich in Ihrem Leben nicht von Ihren Gefühlen leiten zu lassen, auch nicht in Ihrem Glaubensleben. Es gibt Augenblicke, wo Sie wirklich sagen: Ich weiß nicht mehr, was jetzt los ist, warum das alles bei mir so dunkel, so unheimlich und so rätselhaft ist.
Aber da könnten Sie doch das Lied anstimmen:
"In dir ist Freude in allem Leide,
wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden
Teufel, Welt, Sünde oder Tod.
Du hast uns in Händen, kannst alles wenden."
Nein.
Warnung vor dem gefährlichen Frust im Glaubensleben
Wenn wir wieder Gott murren, wenn wir im zweiten Schritt sind, können wir Gott gar nicht mehr loben. Der Himmel scheint verschlossen zu sein, und das ist gefährlich. Solche Stunden sind wirklich sehr gefährlich.
Der Frust sitzt tief, auch bei gläubigen Menschen. Besonders in unserer Zeit ist dieser Frust spürbar. Er ist nicht nur bei den Spöttern und denen, die über Gott lästern, zu finden, sondern auch in der Gemeinde Jesu. Der Frust sitzt tief, und ich möchte Sie warnen: Geben Sie dieser Stimme Ihres Herzens nicht zu viel Raum.
Gehen Sie nicht nach Ihren Gefühlen oder nach Ihren augenblicklichen Eindrücken. Vielleicht sind Sie heute Morgen aufgestanden und haben gedacht: „Es fällt wie eine Last auf mich, ich will gar nicht mehr leben.“ Passen Sie darauf auf! Nehmen Sie Ihre Bibel in die Hand, halten Sie sich die großen Gotteszusagen vor Augen, singen Sie die Lieder und wissen Sie: Ich bin auf dem Weg, wo der Herr mein Hirte ist. Mir wird nichts mangeln, und selbst wenn ich durchs finstere Tal wandere, geht er doch mit mir.
Die Pilgerreise als Bild für den Glaubenskampf
Vor bald 400 Jahren lebte in England der Kesselflieger John Bunyan. Er schrieb ein Buch, das nach der Bibel das verbreitetste Buch wurde: Die Pilgerreise zur ewigen Seligkeit. Wenn man dieses Buch noch einmal zur Hand nimmt, fällt auf, wie großartig es beginnt. Das Leben des Christen wird dargestellt als eine mühselige Wanderung.
Gleich zu Beginn hat der Pilger noch einen Begleiter bei sich. Die beiden Wanderer, die zur Ewigkeit wollen, geraten in einen Sumpf der Verzagtheit. Sie waten in diesem Sumpf, strampeln und versuchen, sich über der Dreckbrühe zu halten. Nur mit großer Mühe kann der Pilger, der sich Christ nennt, durch diesen Sumpf hindurchquälen. Sein Begleiter kehrt bald um und sagt: „Da geh ich gar nicht weiter.“
John Bunyan, der Kesselflicker, schrieb dieses Buch im Gefängnis. Er war damals in Haft, weil er eine Gemeinde gegründet hatte, die sich von der englischen Staatskirche lossagte. Das galt damals als das schlimmste Verbrechen. Für viele Leute war das Unsinn. Bunyan beschrieb die Situation so: Man muss durch diesen Sumpf hindurch.
In seiner Darstellung kommt ein Ausleger, der Evangelist, und erklärt dem Pilger die Gefahr. Er sagt: „In diesem Sumpf sind schon viele ertrunken. Das ist ganz gefährlich.“ Der König hat bereits 20.000 Karren Steine hineinwerfen lassen, um einen festen Pfad zu schaffen. Doch es gibt keinen festen Pfad, der Sumpf ist endlos.
Der Evangelist will sagen: Wer in diesen Sumpf der Verzagtheit gerät, wird umkommen, wird ertrinken, wenn nicht... Doch dann sagt er: Es gibt nur einen Pfad. Dort sind die Fußstapfen der Verheißung, die Fußstapfen der Verheißung Gottes. Auf diesem Pfad kann man sicher durch den Sumpf gehen.
Das ist der Trost, wenn man so leben kann, dass man diesen Pfad durchgehen kann.
Die Schwierigkeit, die eigene Lage zu erkennen
Ein zweiter Punkt, den ich kurz erklären möchte, ist, warum ich immer Punkte setze. Vor ein paar Tagen hat mir wieder jemand das erklärt – ein Ingenieur, der viel mit Kunden zu tun hat. Er hat an einem Seminar mit Kommunikationstechnikern teilgenommen. Dort wurde ihm erklärt, dass moderne Menschen nur etwa acht Minuten am Stück zuhören können. Nach acht Minuten ist die Aufmerksamkeit weg.
Er erzählte, dass er in der Hofacker Kirche saß und nach ungefähr acht Minuten schon abgelenkt war. Die Frau neben ihm trug einen schönen Hut, das Holzwerk oben an der Decke war interessant, und seine Gedanken schweiften ab. Nach acht Minuten musste er also wieder neu einsteigen, um den Faden nicht zu verlieren.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir uns oft nicht klar machen, wie unsere Lage wirklich ist. Bleiben wir noch einmal kurz in der Wüste. Dort beklagen sich die Menschen und sagen, Gott habe sie in diese missliche Lage gebracht. Dann meinen sie, sie müssten es jetzt selbst in die Hand nehmen, so wie der moderne, mündige Mensch.
Sie sagen: „Ich brauche keinen Gott. Ich nehme mein Leben selbst in die Hand. Ich kann das alleine schaffen.“ So wollen sie von Gott nichts mehr wissen. „Ich brauche nichts von Gott, ich lasse ihn in Ruhe. Ich will ja auch nicht gegen ihn schimpfen, aber lass mich bitte in Ruhe.“
Doch was passiert dann? Gott straft sein Volk. Wenn man heute dieses Thema anspricht, gibt es große Unruhe unter Christen. Ich erinnere mich an eine leidenschaftliche Diskussion vor einigen Jahren. Es ging darum, ob man sagen dürfe, dass die große Aids-Epidemie auch eine Art Strafe Gottes ist.
Ich kann Ihnen das erklären: Gott richtet unsere Sünden heute noch nicht. Am Jüngsten Tag wird er richten, wenn die Sünden bis dahin nicht vergeben sind. Wir müssen Rechenschaft geben über jedes unnütze Wort. Aber Gott richtet nicht alles, was wir Böses tun.
Es gibt jedoch Situationen, in denen Gott seinen Schutz nur teilweise wegnimmt. Das ist eine Form seines Gerichts. Die Giftschlangen waren zum Beispiel in der Wüste Sinai. Sie sind überall zu finden. Letztes Jahr war ich im Südsudan. Dort übernachtete ich mit einem Amerikaner auf dem Fußboden. Er lag auf einer Luftmatratze. Am nächsten Morgen war seine Luftmatratze weg, und ein giftiger Skorpion sprang hervor.
Wir sagten: „Herr, wie stark ist deine Hand, die uns in dieser Nacht bewahrt hat!“ Wir hätten im Schlaf nichts gegen so ein gefährliches, tückisches Tier tun können. So war es mit den Giftschlangen in der Wüste Sinai. Gott hielt sie zurück, sodass die Menschen sie nicht sahen. Sie lagen unter Steinen oder auf Felsen. Doch Gott nimmt seinen Schutz weg.
Was geschieht mit uns, wenn Gott seinen Schutz wegnimmt? Bitte sagen Sie nie in Ihrem Leben: „Ich möchte mein Leben selbst führen.“ Das wäre das Schlimmste. Wenn Gott uns sich selbst überließe, gäbe er uns einfach in diese gnadenlose Welt. Menschen wären preisgegeben all dem, was dort geschieht: Unglücksfällen und Krankheiten.
Es gibt heute eine harmlose, naive Weltanschauung, die gerade in unserer modernen Welt verbreitet ist: „Ich kann ganz gut ohne Gott leben, ich will mein Leben selbst leben.“ Doch das schaffen wir gar nicht. Wenn Krankheiten kommen, wenn Verzweiflung da ist, wenn man in die tiefen Abgründe seiner Seele blickt und keinen Mut mehr hat, wenn Ängste einen umzingeln – was ist der Mensch, dass er sich so viel anmaßt?
Kennen Sie Ihre Lage? Ohne Gott sind wir verlorene Menschen. Er allein kann uns Leben geben.
Die Bedeutung der ehernen Schlange als Symbol für den Glaubenskampf
Ich muss jetzt noch erklären, warum uns diese Geschichte von den Giftschlangen besonders wichtig ist.
In meiner Jugend habe ich mir als Lebensziel gesetzt, ein guter Mensch zu werden. Ich wollte ein richtiger Christ sein, nicht so ein schlechter Christ wie viele andere. Ich wollte der erste richtige Christ sein, der so gut lebt, dass er nie versagt.
Ich wollte, dass die Eltern morgens sagen: „So wie du möchten wir auch sein.“ Und die gottlosen Kameraden meiner Klasse sollten sagen: „Wenn wir dich ansehen, dann glauben wir, dass Gott mit dir ist.“ So fromm habe ich damals gedacht.
Als ich den Kampf begann, merkte ich, dass das, was die Israeliten mit den Schlangen erlebten, mit der Schlange des Bösen in meinem Herzen genauso tückisch ist. Je mehr man mit ihr kämpft, desto stärker wird sie.
Seit diesen Jugendtagen weiß ich, wie das in meinem Leben ist. Ich kann es ja gar nicht. Da ist mein Temperament, da ist meine Lebensgier, da sind die Süchte, das sind die Gedanken, die mich beherrschen. Da wohnt in mir etwas, sagt selbst der Apostel Paulus, das will sich einfach nicht in die Ordnung Gottes fügen.
Wir sind dem Tod verfallen, und das, was mit der Schlange passiert ist, ist gleichzeitig auch ein Bild für den Kampf, den jeder durchstehen muss. Man möchte das Leben retten, kann es aber doch gar nicht.
Dann kommen diese giftigen Schlangen. Schon im Sündenfall wurde bewusst die Schlange als Bild für Versuchung und Verführung gewählt. Und das sind tödliche Bisse.
Wenn Sie meinen, Sie könnten Ihr Leben retten, können Sie es gar nicht. Dann haben Sie schon viele Bisse und sind verloren.
Gottes Macht als Hilfe für Frustrierte
Jetzt noch mein letzter Punkt: Frustrierte erleben Gottes Macht. Wenn wir darüber reden, merken wir, dass der Fuß tief steckt. Dann sind wir uns über unsere Lage im Klaren: Ohne Gott kein Leben. Frustrierte erhalten Hilfe, frustrierte erhalten Hilfe.
Wenn wir uns hier im Gottesdienst versammeln, soll das immer so sein. Menschen, die keinen Mut mehr haben, die verzagt sind und an sich selbst verzweifeln, die keinen Mut mehr haben.
Im Vatikanmuseum sah ich die schöne Darstellung der Laokoongruppe. Diese griechische Darstellung geht auf eine ganz andere Geschichte zurück. Ich habe mir eine Postkarte davon gekauft. Ich fand sie wieder an meinem Schreibtisch. Ich hätte sie gern mitgebracht, aber sie wäre zu klein gewesen. Doch Sie haben das Bild vor Augen: Der Vater mit den zwei Söhnen, und da sind die Schlangen. Die eine windet sich schon um den Hals und drückt ihn ab. Der andere versucht, sich die Schlange wegzuhalten, aber diese hat schon den Kopf und die Zunge herausgestreckt und will ihm gerade in die Lenden beißen.
Es ist ein göttlicher Kampf. Der Laokoon starb daran, so ist die griechische Sage. Er konnte sich nicht wehren und schaut hilflos hinauf. Mancher hat sich davon inspirieren lassen und gefragt, ob da ein Stück griechische Hoffnung war. Doch im Griechentum gab es keine Hoffnung, nur den olympischen Götterhimmel, und dort gab es keine Hilfe.
Man fragt sich: Was war das für eine komische Sache, dass Mose eine Schlange aufgestellt hat? Und wer an diese Schlange hinblickt, wird gerettet. War das vielleicht ein magischer Zaubertrick? In unserer Zeit glaubt man wieder solche Blödsinnigkeiten. Bestimmt nicht! Das war kein magischer Zaubertrick.
Spätere Generationen in Israel haben das wieder hervorgeholt und verehrt. Aber das sollte man nicht tun. Denn vieles im Alten Testament ist nur als vorweisende Prophetie auf Jesus hin geschrieben. Und wenn Jesus das nicht erwähnt hätte, wüssten wir es ja gar nicht – wie im Gespräch mit Nikodemus.
Es steht in Johannes 3,14: „Wie Mose die Schlange erhöht hat, so wird der Menschensohn erhöht werden.“ Jesus sprach damit von seinem Sterben am Kreuz. Und genauso wie damals wird es wieder sein: Man blickt nur auf diese Schlange oder auf den erhöhten, zerschlagenen Körper Jesu am Kreuz. Und tatsächlich, in dem Moment, in dem man hinschaut, verliert das Gift seine Wirkung.
Es ist nicht magisch, sondern wunderbare Heilkraft Gottes, die Todeskandidaten frei machen kann.
Die wahre Bedeutung des Lebens und Gottes Zusage
Was für eine Erfahrung das in der Wüste war, ist nicht einfach zu beschreiben. Ich kann mir mein Leben nicht selbst retten, sondern ich lebe aus der Vergebung Gottes. Ich bin so froh, dass das ganz, ganz deutlich wurde. Das gibt uns allen Zuversicht, Hoffnung und Freude.
Wenn ich jetzt am Ende der Predigt zusammenfasse, was ich Ihnen sagen möchte, dann ist es eine herzliche Warnung: Lassen Sie alle festen Bilder los. Wir haben alle so viele Erwartungen daran, was Gott uns im Leben geben muss. Aber Gott muss uns gar nichts geben – weder Gesundheit noch Glück, noch wirtschaftlichen Wohlstand.
Es ist sehr erschütternd, wenn wir heute einen Bruder unter uns haben, der aus einem der ärmsten Länder kommt, und der in dem reichsten Land der Welt lebt – mit dem größten sozialen Netz, der besten Versorgung und den besten materiellen Gütern – und dennoch über Frust spricht. Wenn Sie jetzt noch nicht merken, dass materielle Dinge Ihr Herz nicht erfüllen, dann verstehen Sie das Leben nicht.
Und selbst wenn Sie alle Güter dieser Welt besitzen, ist das nicht das Leben. Und selbst wenn Sie noch mehr haben oder 140 Jahre alt werden, ist das nicht das Leben. Es ist nicht die Länge des Alters oder der Ruhestand, oder was Sie sich erträumen und an Wünschen haben – wo ist das Leben?
Das Leben ist auch mitten in der Wüste, im langen Krankenlager oder unter Sorgen und Schwierigkeiten in einer schwierigen Umgebung. Es ist, dass der bei Ihnen ist, der sagt: „Ich bin gekommen, damit Menschen das Leben in Fülle haben.“ Der Mann vom Kreuz sagt: „Ich bin für dich gestorben. Ich lasse dich nicht los. Lass dir dein Bild von mir nicht verdrehen. Ich liebe dich, ich trage dich, ich bin bei dir, ich helfe dir.“ Dieses Leben sollen Sie ergreifen.
Die Israeliten haben das Leben nur unter Schmerzen gespürt. Hoffentlich erkennen Sie früher, was Leben ist. Amen.