Ich habe es gut und schön. In meinem Beruf erlebe ich so viel Schönes, und zu dem ganz besonders Schönen gehört der Konfirmandenunterricht.
Ich freue mich, dass wir heute in diesem Gottesdienst unsere neuen Konfirmanden begrüßen dürfen und ihnen die Bibel in die Hand geben.
Es gibt viele menschliche Meinungen über die Bibel. Diese sind interessant, aber noch interessanter ist, was Jesus vom Wort Gottes sagt und gehalten hat. Er hat einmal gesagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Oder beim Propheten Jeremia heißt es: Wer Träume hat, der erzähle Träume. Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen, spricht der Herr. Ist mein Wort nicht wie Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
Das wünschen wir unseren Konfirmanden. Aber das gilt ja auch für uns – dass wir immer wieder neu entdecken, wie verlässlich das Wort Gottes ist und wie man darauf bauen kann in einer Welt, in der alles wankt und unsicher geworden ist.
Dank und Gebet zu Beginn des Gottesdienstes
Wir wollen unserem Herrn danken, ihn rühmen und loben mit dem Lied „Lobe den Herrn, alle die ihn ehren“ (347), die Verse 1 bis 3 sowie 6 und 7.
Anschließend wollen wir mit Gott im Gebet reden.
Ewiger Gott, lieber himmlischer Vater, das Danken vergessen wir vor dir so oft. Deshalb wollen wir heute Morgen vor dir aussprechen, wofür wir dankbar sind. Wir danken dir, weil du uns so oft mit lauter Gutes überschüttet hast. Vieles nehmen wir als selbstverständlich hin – gerade das Leben selbst, den Frieden, das Essen und Trinken, das sichere Wohnen. Das ist so groß und keineswegs selbstverständlich.
Es bedrückt uns, dass in dieser Welt so viel gelitten wird. Deshalb bitten wir dich: Sei jetzt auch bei den Kranken, bei den Leidenden, bei den Bedrückten und Schwermütigen. Rede auch zu uns durch dein Wort, damit wir wieder festen Grund für unseren Glauben haben und nicht an Träumen oder eigenen Gedanken hängenbleiben.
Wir bitten dich außerdem, dass unsere Konfirmanden in diesem Jahr des Unterrichts, durch den sie gehen, einen festen Grund der Lehre bekommen und selbst gewiss werden in ihrem Glauben.
Herr, wir bitten dich auch, dass wir heute hier in diesem Gottesdienst deine Stimme hören. Nimm alles hinweg, was das Hören hindert.
Wir wollen in der Stille weiterbeten.
Du, Herr, bist nahe allen, die dich anrufen, allen, die dich ernstlich anrufen. Amen.
Einführung und Übergabe der Bibeln an die Konfirmanden
Jetzt wollen wir unsere Konfirmanden vorbitten, und zwar gerade in die Mitte unter den Chor hinein. So sind sie nicht so verlassen und einsam. Kommt nur, Mutige voran, die Zaghaften dürfen hinten bleiben. So, bitte, kommt hierher!
Ich möchte euch noch ein Wort sagen, bevor wir euch die Bibel überreichen. Wir waren einmal mit einer Gemeindegruppe im ägyptischen Sinai in der Wüste. Vom Hotel hatten wir sehr fürsorglich einen ganzen Packen Proviant mitbekommen. Darin war, was weiß ich, Fleischkäse und Brote, also eine große Menge.
Unser Führer sagte damals: „Das geben wir dort in einer solchen Raststätte ab.“ Dort gab es eine kleine Bar, und er meinte, er könne das ja noch seinen Gästen verkaufen. Alles war gut und sauber eingepackt. Aber unser Herz hat natürlich für die armen Kinderchen dort geschrien. Wir sagten: „Ach, da laufen doch so viele arme Beduinenkinder herum, geben wir doch denen das Brot!“
Gesagt, getan: Die Kinder strahlten und drängten sich, jeder wollte etwas haben. Sie nahmen einen Bissen von dem Brot und dem Fleisch. Dann spielten sie mit dem Fußball, weil ihnen das Essen fremd war und sie nichts damit anzufangen wussten. Das ist eine ganz erschütternde Erfahrung, die man heute überall in der Entwicklungshilfe macht: Was jemand nicht kennt, das mag er nicht.
Und ich zögere, ob wir euch eine Bibel geben sollen. Vielleicht sagt der eine: „Ich fange damit nichts an“ und stellt sie nur in den Bücherschrank. Die Bibel ist ein Lebensmittel. Dabei geht es nicht darum, die Seiten zu zerfetzen, sondern das Wort ins Leben umzusetzen.
Der Chor hat gerade gesungen, dass die Liebe Gottes in unserem Leben wieder strahlt und dass sich die Freude darin widerspiegelt. Ihr könnt die Bibel nur richtig verstehen, wenn ihr sie in euer Leben hineinnehmt. Ihr müsst damit umgehen. Ihr müsst sie hineinsetzen in eure Traurigkeiten, in eure Enttäuschungen, in eure Wünsche, in eure Sehnsüchte, in eure Pannen und Fehler, in eure Minderwertigkeitsgefühle – dort, wo sie hingehören.
Wir haben alle entdeckt, dass dieses Wort Gottes eine solche Erquickung bedeutet. Immer wieder reden wir davon, wie dieses Wort uns aufrichtet. Wir sagen: Was Menschen sagen, ist gar nicht so wichtig, sondern was Gott uns sagt, das stellt alles in den Schatten.
So wünschen wir euch, dass ihr das entdeckt: Die Bibel als Lebensmittel, als das Wort, das euch aufrichtet und stärkt.
Erne Kleinknecht, Philipp Hinger, Yvonne Stolzsteimer, Einar Müller-Trimbusch, Friedrich Michael Eiche, Katja Volkmann, Daniel Hagen, Ilja Pfister.
So, jetzt hören wir noch einmal den Chor, dann dürfte ich wieder zurück. Wir wollen uns anstecken lassen und singen auch eines der neueren Lieder aus dem roten Liedheft: „Du gibst das Leben“, Nummer 78. Das passt gut zu diesem Tag.
Gott kennt keine Lügen – Gott kennt keine Lügen, Nummer 78.
Wir grüßen auch die Eltern drüben in den beiden Sälen mit den Kleinkindern. Es freut uns immer wieder, dass die Familien es möglich machen, sich am frühen Sonntagmorgen unter Gottes Wort zu versammeln.
Lesung des Predigttextes: Die Geschichte vom verlorenen Sohn
Wir wollen heute Morgen den Predigttext nach der Ordnung unserer Kirche lesen. Es ist eine ganz gewaltige Liebesgeschichte aus Lukas 15. Wir lesen nur die Hälfte, und daran haben wir schon genug.
Die Verse 11 bis 24 lauten:
Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: „Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht.“ Der Vater teilte Hab und Gut unter sie.
Nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er all sein Vermögen verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben.
Er ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes. Dieser schickte ihn auf seinen Acker, um die Säue zu hüten. Das war in Israel das Letzte, was man tun konnte. Er begehrte, seinen Bauch mit den Schoten zu füllen, die die Säue fraßen, doch niemand gab sie ihm.
Da ging er in sich und sprach: „Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“
Er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater. Es jammerte ihn, er lief zu ihm, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sprach zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.“
Doch der Vater sprach zu seinen Knechten: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an. Gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße. Bringt das gemästete Kalb und schlachtet es. Lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist gefunden worden.“
Sie fingen an, fröhlich zu sein.
Die Bibel als modernes Buch und Spiegel unserer Sehnsüchte
An so einem Tag könnte man viel über die Bibel sagen. Heute will ich jedoch nur eines herausgreifen: Am Anfang der Predigt stelle ich fest, dass die Bibel ein modernes Buch ist. Natürlich weiß ich, dass die Bibel eines der ältesten Bücher ist. Aber sie ist heute wichtig, weil sie von vielen Menschen unter allen Nationen, Völkern und Sprachen gelesen wird. Viele sagen: "Das ist mir wichtiger als alles andere. Ihr könnt mir viel wegnehmen, aber ohne das Wort Gottes kann ich nicht leben."
Für mich ist dieses alte Buch heute ein Wegweiser, ein Licht, eine Hilfe und Ermutigung. Die Bibel ist ein modernes Buch, ein Buch für heute. Das will ich Ihnen an diesem Textwort erklären.
Dort erzählt Jesus zuerst von einer Sehnsucht, die uns alle antreibt, aber oft enttäuscht. Der junge Mann tritt zu seinem Vater und sagt: "Vater, gib mir!" Immer wieder, wenn diese Geschichte ausgelegt wird, reagieren viele empört und sagen: "Das ist aber frech! Wie kann einer so forsch auftreten und so fordern? So geht man doch nicht mit armen Vätern um, oder? Sei doch mal ein bisschen nett! Die brauchen ein bisschen Liebe."
Aber die jungen Leute sind realistisch, auch heute. Sie sagen: "Was soll ich warten, bis mein Vater tot ist? Ich will mein Erbe heute haben! Der soll mal geben, wozu hat er sein Geld? Schließlich bin ich sein Sohn, und nun her mit dem Zaster! Ich will ja auch leben." Das ist uns eigen und wahrscheinlich auch ein Stück unseres Wesens heute. Wir fordern unseren Teil und wollen heute leben.
Die Sehnsucht nach Freiheit meinen wir manchmal, sei nur in unseren Jahren so. Wahrscheinlich aber zieht sie sich durch die ganze Menschheitsgeschichte. Es ist der uralte Traum, einmal frei zu sein und selbst zu bestimmen, was wir machen wollen.
Ich wundere mich nicht, dass junge Leute Laternenpfosten verbiegen, Paragraphen außer Kraft setzen und sagen: "Wir wollen selbst bestimmen über unser Leben. Wir brauchen keine Autoritäten. Wir wollen selbst sagen, was gut und recht ist für uns. Ich weiß es doch selbst."
Und ich, so wie ich empfinde, wer von uns denkt nicht so? Wir haben doch alle so gedacht. Das ist doch unser Lebensgefühl, und das ist schön. Darum gibt es in unserer Welt Bewegung, darum wird Neues gestaltet. Junge Menschen versuchen noch einmal, das Leben ganz anders anzugehen. Sie verlassen ihre Eltern und gehen nirgendwo hin.
Ich will darüber nicht viele Worte verlieren. Aber diese Geschichte ist modern, sie passt in unsere Zeit.
Der junge Mann zog in die Ferne. Dort brachte er sein Gut um mit Brassen. Ich bin nicht der Meinung mancher Ausleger – vielleicht hören Sie das schon im Ohr –, die immer gleich moralisch mit dem Zeigefinger winken und sagen: "Na ja, der Sohn hat ganz wüste Dinge gemacht. Er hat getrunken, gespielt und gehurt." Wissen Sie, das lesen Sie mit Ihrer schmutzigen Fantasie hinein. Der junge Mann kann auch ganz bürgerlich anständig gewesen sein, hat alle seine Pflichten erfüllt, seine Steuern pünktlich bezahlt und war ein braver Mann. Er hat sein Wahlrecht ausgeübt und alles getan, was nötig war.
Aber all das, was er tut, ist doch nur ein Zehren von seinem Kapital. Was haben wir eigentlich im Leben? Wir spüren, dass alles irgendwann ausgeht, immer weniger wird. Wir leben von einem Kapital, das sich nicht beliebig vermehren lässt.
Das Gleichnis, das Jesus erzählt, hat seine Bedeutung, wenn wir es auf unser Leben anwenden. Als dann die große Krise kommt – eine Hungersnot –, das gab es schon, bevor es Umweltgifte gab, bevor Autofahren bekannt war. Es gab schon bei Joseph in Ägypten Hungerjahre. Die Hungersnot kommt. Das gibt es in der Welt, das ist ganz natürlich, so wie eine Teuerung kommt und das Geld seinen Wert verliert.
Plötzlich merkt der junge Mann: Ich habe gar nichts mehr. Der Traum der Freiheit ist dahin. Die Geschichte, die Jesus erzählt, ist für uns ganz bedeutsam, weil so viele Menschen eine ähnliche Erfahrung machen. Sie haben alle, wie ihr und wir, das Beste gewollt, gesucht und probiert. Und dann meldet sich doch wieder der Hunger. Man will leben, und weiß gar nicht mehr, wie man überleben soll.
Man wird immer einfacher mit seinen Ansprüchen, je älter man wird. Man sagt: "Wenn es nur einigermaßen so bleibt wie es war." Der junge Mann hängt sich an einen Bürger des Landes und sagt: "Wenn ich nur einen Job habe – was ist es völlig egal –, wenn ich nur ein bisschen was habe, wo ich wenigstens satt werde." Aber er merkt, er findet gar nichts mehr, was seinen Hunger stillen kann.
Er, der ausgezogen war, um seine Sehnsucht zu befriedigen, hat am Ende einen Hunger, den niemand stillt.
Mir ist es heute so wichtig für unsere Konfirmanden, dass wir das einmal so sehen: Die Bibel ist ein modernes Buch. Kann man das Lebensgefühl heute anders beschreiben, als dass so viele ausgebrannt, leer und enttäuscht sind, voller Sehnsüchte, aber ohne Befriedigung?
Das ist ja durch die ganzen zwanzig Jahre Rolling Stones geblieben: "I can get no satisfaction" – ich kriege keine Befriedigung, ich werde nicht satt. Und das, was ich nehme, und da, wo ich hineingestellt bin, das sind alles nur Bindungen, die mich einengen. Man wollte sich auflehnen und alles zerbrechen. Man wird doch gar nichts gewinnen.
Nicht, dass ich es jedem wünschen würde. Doch, aber wo liegt denn die Freiheit? Nein, im Leben muss man sich anfassen, da muss man mitschwimmen, sagen die Alten. "Ach, ihr werdet es auch noch merken, ihr Jungen werdet auch noch eure Hörner abstoßen. Wartet nur mal!"
Eine Sehnsucht, die enttäuscht.
Die innere Umkehr als Wendepunkt
Und jetzt möchte ich das Zweite von diesem Beispiel zeigen, einen Weg, der jedem offensteht. An dieser Stelle geht die Geschichte ganz anders weiter, als sie in unseren Tagen normalerweise abläuft.
Wie läuft das heute ab? Wenn ich mal von mir rede, wenn Sie mein Temperament kennen: Ich hätte die Faust geballt und gesagt, in was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Wo ist denn das viel gepriesene soziale Netz? Mich treibt es unter die Räder. Wo ist das Sozialamt, wo ist die Regierung in Bonn, wo sind die Gesetze? Und mein Vater, jener fromme Heuchler, der könnte mir mal ein Paket schicken und Schwarzwälder Schinken reinpacken, ich darbe hier. Und der macht ja sein frommes Christentum und denkt nicht an mich. Der könnte ja wissen, wie es um mich steht.
Wir sind alle tagtäglich davon erfüllt, uns aufzulehnen gegen die schrecklichen Verhältnisse, in denen wir leben. Nicht, dass ich die Verhältnisse schönfärben wollte – die sind grausig. Aber welche Lösung gibt es denn? Normalerweise schlagen wir um uns. Wir sagen: „Hey, wo sind denn die Gewerkschaftsführer? Die sollten sich mal, so wie Steinkühler, hierher begeben und sehen, was hier abläuft.“ Nicht? Wie ich da Arbeitsbedingungen habe an dieser Stelle und die anderen, die können alle mal kommen, dann werden wir alle anklagen. Wir.
Nein, Jesus erzählt die Geschichte ganz anders weiter. Er schlug in sich und sagt: „Ich habe einen Riesenfehler gemacht.“ Und wenn wir uns hier in diesem Raum versammeln, ihr lieben Konfirmanten, dann wollen wir immer von unseren Fehlern reden und nie über die anderen. Über andere sollen wir nie richten, sondern wir wollen sehen, was wir falsch gemacht haben.
„Er schlug in sich“, steht da. Er stand auf, er machte sich auf. Es ist ein ganz großer Moment, wenn ein Mensch in seinem Leben plötzlich merkt, wie schlimm auch die Verhältnisse sind, in denen er lebt. Und noch mal: Wir wollen gar nichts beschönigen, gar nichts verniedlichen. Es ist ein ganz großer Moment, wenn einer plötzlich aufsteht und merkt: Halt mal, ich stehe falsch und muss jetzt eine entscheidende Wendung machen.
„Dumm und töricht, dass ich von meinem Vater weggelaufen bin.“ Nicht, dass sich damit alle Probleme lösen würden, aber dann wäre alles noch ganz anders. Jetzt beim Vater sein, auch in der Teuerung, auch in der Not, auch mit all dem Einsamsein. Nein, dann wäre es doch ganz anders. „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“
Es ist ein ganz großes Wunder, wenn einer plötzlich diese Erkenntnis hat und das merkt. Wie kann man das erkennen? Indem ich mein Leben im Licht Gottes sehe, und da muss mir Gott eine Erleuchtung durch seinen Geist geben. Das Schlimmste in meinem Leben sind nicht die Verhältnisse – die sind schlimm –, das Allerschlimmste ist, dass ich hoffnungslos bin und meinen Vater verloren habe und mein Kindesrecht verspielt habe.
Und dann erinnert er sich, was das heißt: „Ich habe ja einen Vater. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Man kann im Leben messerscharf kritisieren und richten – ich tue das auch mit Leidenschaft –, aber es ist falsch. Wir müssen uns immer zuerst wieder packen und sagen: Halt mal, was ist in meinem Leben verkehrt gelaufen? Was ist da falsch gelaufen?
Und ich muss ganz neu beginnen. Ich muss zurück dorthin, wo ich einmal war. Dort war mein Leben im Frieden, dort hatte ich den Segen, dort war es gefüllt, dort war ich nicht einsam, dort hatte ich alles, was ich brauchte, in Fülle. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.
Die unermessliche Liebe des Vaters als Gottesbild
Aber jetzt noch das Letzte: Ich sagte, wir haben heute eine Liebesgeschichte, und ich muss auch über die Liebe sprechen.
Manche tun sich schwer damit, wenn man über den Vater redet und Gott mit dem Wort Vater vergleicht. Ach, denken Sie bitte nicht an die Väter, die Sie kennengelernt haben. Ich weiß, das waren alles Karikaturen. Ich bin ja auch so ein Vater, und es tut einem immer leid, was man mit seinem Leben alles versäumt hat. Wir sind gar nicht vergleichbar mit dem Bild, um das es hier geht.
Der ewige Gott und Herr, der die Welt geschaffen hat, offenbart sich Ihnen – vielleicht wissen Sie das noch gar nicht – in einer ganz anderen Größe und Macht. In dem unvergleichlichen Vateramt Gottes, das mit gar keinem Menschen verglichen werden kann. Es ist viel, viel größer als alles, was Sie kennen und je in der Literatur beschrieben wurde. Und Sie können das nur ausprobieren mit Ihrem Leben.
Da kann man nicht theoretisch darüber reden, denn über Liebe kann man nicht reden, Liebe muss man erfüllen. Selbst der Sohn hat gemeint, er erkenne seinen Vater. Ach, bei uns irdischen Vätern ist das ja so: Selbst wenn wir unseren Kindern vergeben, bleibt ja immer noch ein bitterer Rest der Verwundung. Und dann halten wir ihnen das vor und sagen: „Ja, damals hast du schon mal mit mir gemacht. Du musst jetzt zuerst mal beweisen, dass du anders bist.“ Und dann kommen wir mit allen Forderungen – das ist keine Liebe.
Wenn Sie Liebe lernen wollen, müssen Sie die Bibel lesen und nicht nur diese Geschichte. Das war das Thema Jesu, und darum heißt die Bibel Evangelium, eine Botschaft, die zum Leben befreit. Oder wie der Chor gesungen hat: die Freude widerhallt, dass Menschen völlig verwandelt sind und selbst über den Schmerz, über das Leid, über das Unrecht ihres Lebens die Melodie der Freude, des Dankes und des Lobes anstimmen können. Sie sagen: „Ich will mein Leben verströmen in Liebe.“ Sie bleiben nicht an dem Unrecht hängen, das ihnen von anderen zugefügt wurde, sondern sie wollen die Liebe, die sie von Gott geschenkt bekommen haben, weitergeben.
Das erlebt dieser Sohn erst, als er nach Hause kommt. Man kann das nie ganz verstehen. Und wenn Sie sagen, Sie kennen Gott und seien schon Jahre im Glauben, nehme ich es Ihnen nicht ab, dass Sie Gott wirklich kennen. Da können Sie immer nur davor stehen. Und es kann sein, dass Sie das ganz tief bewegt, dass Gott da steht wie dieser Vater auf dem Dach seines Hauses und Tag für Tag nur in die ferne Stadt blickt: „Wann kommt er denn endlich zurück?“
Hat denn der Vater gar nichts anderes mehr zu tun, als immer nur nach dem Verlorenen zu schauen? So ist Gott. Er geht jedem Menschen auf dieser Welt nach. Und wir schütteln die Achsen und sagen: „Interessiert mich nicht,“ und lassen es liegen, weil wir kein Interesse haben.
Gott weiß, wie wir drinstecken, wie wir uns verrannt haben, und er lädt ein. Er zwingt sich niemandem auf, er schickt auch keine Pakete in die Ferne. Er sagt: „Komm.“ Das ist seine Einladung, so wie Jesus die Einladung unaufdringlich weitergegeben hat. Mir ist immer peinlich, wenn Christen so fanatisch die Einladung weitergeben. Sie soll nie aufdringlich sein. Ihre freie Entscheidung darf bleiben – in der Ferne, in der Einsamkeit, dort, wo man ohne Hoffnung und mutlos bleibt.
Aber das ist wahr, und das haben wir alle entdeckt. Und das macht unser Leben so reich, dass wir gemerkt haben: Der Vater wartet auf uns, und er sucht uns.
Als der Sohn dann vor dem Vater niederkniet, denken Sie nicht, dass das eine Entwürdigung ihrer mündigen Persönlichkeit ist. Vor Menschen knien? Das soll man nie machen. Sie sollen sich niemals vor Menschen ducken. Und ich will es den Konfirmanden einbläuen: Nie vor Menschen ducken!
Aber das können nur die, die sich vor Gott tief beugen und wissen, dass die segnende Hand Gottes auf ihrem Leben liegt. Die können auch vor Menschen stehen – mit Rückgrat. Und da kniet dieser Sohn vor dem Vater. Das ist die Armut meines Lebens: „Es war verkehrt, dass ich dich verloren habe.“
Wenn Sie es wissen wollen: Das zieht sich durch unser aller Leben hindurch, dass wir ihn vergessen, ihn hinausgeschoben haben, ihm davongelaufen sind. Unsere Leute singen immer wieder das Lied Freiheit, denn ohne den Vater ist Freiheit nur eine Illusion. Da gibt es gar keine Freiheit. Ohne den Vater werden wir nur Sklaven unserer Sehnsüchte und Triebe. Da werden wir erst frech von den Menschen und von den Verhältnissen gegängelt. Da werden wir von der Angst gejagt. Da sind wir gar nicht frei, da sind wir hineingeschnürt in diese Welt.
„Vater, ich will doch zu dir.“ Und er spricht aus: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ Wir wollen dieses Wort so aussprechen. An dem liegt es. Es war nicht bloß ein Fehler, es war nicht bloß ein Missverständnis, sondern es war meine Übertretung. Und das ist der Gipfel der Sünde: dass ich Gott verlassen habe und ihm davongelaufen bin, das Leben woanders gesucht habe.
In dem Augenblick, wenn man das ausspricht, ist das gar nicht bedrückend. Im Gegenteil, das ist voller Freude. Der Vater nimmt ein neues Kleid und hängt es dem Sohn über, steckt ihm den Ring an den Finger und sagt: „Du bist doch mein Sohn, mein Sohn, in vollen Ehren aufgenommen.“
Kann es denn für ein Menschenleben etwas Größeres geben, als dass wir Todeskandidaten, sterbliche Menschen, Söhne und Töchter Gottes heißen dürfen? Bevollmächtigte von ihm, dass wir ihm gehören im Leben und im Sterben, dass wir seine Liebe widerspiegeln, seine Vergebung, seine Geduld, seine Barmherzigkeit, seine Freude, seine Versöhnung?
Wer das erlebt hat, der bleibt immer wieder an dem stehen. Ich will doch nicht anderes reden als von dem Wunder, dass sie Gott begegnen dürfen, seine Liebe entdecken dürfen, indem sie so ihm gegenübertreten und sagen: „Vater, ich will zu dir, und ich lege mein Leben, wie es auch ist – mit den Sorgen, mit den Ängsten, mit den Nöten und den Krankheiten – ich lege es einfach in deine Hand.“
Und das war so typisch: Wir sind ja auch so bescheiden, dass wir sagen: „Mach mich nur zu einem deiner Tagelöhner, ich möchte ja nur so ein Moorblümchen Gottes sein.“ Ach, will er doch nicht. Gott sucht Söhne und Töchter. Er will unserem Leben eine Würde, eine Schönheit geben.
Noch nie hat in dieser Welt je jemand größer von diesem Leben geredet als der ewige Gott im Evangelium. Wie dieses Leben neu werden kann, wie das Alte vergessen ist. Rede doch nimmer von dem Alten! Da wird doch nichts schlecht gemacht, das ist doch nicht das Sündenthema. Im Gegenteil, das Alte ist vergangen, es ist alles neu geworden.
Aber ich muss mich aufmachen. Ich muss mich jetzt aufmachen und zum Vater gehen. Ich darf Sie einladen, dass Sie das alle erleben und mit unseren Konfirmanden zusammen. Ich will über den Worten Jesu das entdecken, was unsere moderne Welt oft nicht mehr entdeckt.
Es gibt in dieser Welt verausgebrannte, leere, enttäuschte und hoffnungslose Menschen. Eine Freude, eine Lebensfülle, eine Befriedigung, die nie reut. Komm, Amen!
Gemeinsames Singen und Beichte
Und nun singen wir aus dem Loblied „Oh, dass ich tausend Zungen hätte“ den vierten Vers. Es gibt drei weitere Verse, die nur noch im württembergischen Gesangbuch enthalten sind. Deshalb heißen sie A, B und C. Wir singen die Verse vier A, B und C vom Lied 238.
Wir wollen beten: Ach Herr, wir wollen jetzt mit all der Not, dem Verkehrten und all der Schuld unseres Lebens vor dir innehalten und das offen aussprechen. Wir sind nicht besser als die anderen, sondern schlimmer als die anderen.
Wir haben dein Wort oft gebrochen und waren dir untreu. Oft haben wir im Leben nur uns selbst gesucht und von den großen Schätzen genommen, die du uns gegeben hast. Dabei wurden wir enttäuscht, leer und ohne Hoffnung.
Aber wir danken dir, dass du jetzt den Mantel um uns herum legst und uns den Finger zeigst. Dass es Vergebung gibt, eine völlige Vergebung. Dass das, was uns immer wieder niederdrückt, abgelegt werden kann und dass du es in die Tiefe des Meeres wirfst, wo es niemand mehr hervorholen kann.
Vielen Dank für das Wunder deiner Vergebung und dass wir das ganz neu hören dürfen. Dass das uns gilt, wir von dir angenommen sind und gesandt auch in die Aufgaben dieser Welt. Wir dürfen wirken in deinem Auftrag, und du bevollmächtigst uns.
Mit allen Fehlern und Mängeln, die wir an uns tragen, steht doch deine Liebe über uns. Wir wissen, dass du uns nicht loslässt.
Ach Herr, wir bitten jetzt auch, dass unsere Konfirmanden dein Wort verstehen. Dass wir nicht nur theoretisch darüber reden, sondern es selbst in unserer Lebenssituation begreifen als deine Ermutigung, deinen Trost und deine Freude.
Wir wünschen uns, dass überall in der Welt Menschen dein Wort hören, zum Glauben an dich kommen und das erfüllte Leben bei dir ergreifen.
Ach, gib auch in unserer Gemeinde ein neues Hören und Aufmerken auf dein Wort. Segne alle Dienste, die wir tun, und alle Veranstaltungen unserer Gemeinde.
Wir bitten jetzt ganz besonders für die Angefochtenen, Leidenden und Kranken, die nicht unter uns sein können. Erreiche du sie, sprich zu ihnen durch dein Wort und schenke ihnen den Frieden, der höher ist als alle Vernunft.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Bekanntgaben und Einladung zum Vortrag über Bibelübersetzung
Darf ich Sie bitten, noch einmal Platz zu nehmen? Ich möchte noch ein paar Dinge bekanntgeben. Unsere Freunde vom Begrüßungsdienst dürfen am Ausgang noch einmal die Notizzettel verteilen. Diese gelten für die gesamte Ferienzeit und auch danach, damit Sie über unsere Veranstaltungen informiert sind.
Nehmen Sie bitte den weißen Notizzettel mit, falls Sie ihn noch nicht haben. Drüben sind die Kassetten von der Hofacker-Konferenz erhältlich.
Außerdem lade ich Sie herzlich ein: Am Dienstagabend um 19 Uhr findet unser großer Sommerabend statt. Wir freuen uns, dass bis dahin das Wetter hoffentlich wieder besser wird. Einen schönen Abend wünschen wir der ganzen Gemeinde, Jung und Alt, zuerst im großen Saal und danach an den kalten Buffets. Dort können Sie gerne mitwirken. Wir freuen uns, wenn Sie auch etwas mitbringen. Das wird so organisiert, dass Sie Ihre Beiträge vorher in der Küche abgeben können. Natürlich sind Sie auch ohne etwas mitzubringen herzlich eingeladen, teilzunehmen, Menschen zu begegnen und Gemeinschaft zu erleben. Dienstag, 19 Uhr.
Wir haben außerdem eine Reihe Post, die in die Schweiz geschickt werden soll und bereits frankiert ist. Falls jemand diese mitnehmen kann, wäre das sehr hilfreich. Im Lädchen gibt es vielleicht eine Karte mit der bereits frankierten Post, die in den nächsten Tagen in die Schweiz gelangt.
Wir freuen uns, dass Herr Gutt heute unter uns ist. Darf ich Sie bitten, noch etwas zu fragen? Herr Gutt wird gleich im Anschluss im kleinen Saal im Obergeschoss des Gemeindehauses von seiner Arbeit in Äthiopien berichten.
Wie lange sind Sie nun als Wycliffe-Bibelübersetzer in Äthiopien tätig? Seit 1974.
Was ist eigentlich die Arbeit der Wycliffe-Bibelübersetzer? In wie vielen Sprachen übersetzen Sie gerade die Bibel? Zurzeit sind wir weltweit in etwa 860 Sprachen tätig.
Mich interessiert besonders, was Sie in Äthiopien machen und wie die Lage dort aktuell ist. Nach dem Umsturz ist es an der Oberfläche ruhig. Für uns ist vor allem sehr wichtig, dass die Türen weit geöffnet sind. Wir können jetzt neue Projekte starten. Wir hoffen, dass wir in den nächsten fünf Jahren – das haben wir uns gerade auf unserer Jahreskonferenz vorgenommen – die Anzahl unserer Projekte verdoppeln können.
Wir freuen uns, dass Sie im Anschluss noch etwa drei Viertel bis eine Stunde erzählen, wahrscheinlich auch mit Bildern und Dias. Herr Gutt war während der schweren Zeit des Terrorregimes in Äthiopien vor Ort und kennt Land und Leute sehr gut.
Schieben Sie Ihr Mittagessen ruhig etwas zurück. Ihre Ente läuft Ihnen nicht weg, sie liegt wohl noch in der Pfanne. Kommen Sie einfach rüber. Heute gibt es zwar kein Essen, aber so können Sie den ganzen Bericht mitnehmen, ohne eine zusätzliche Anfahrt zu haben.
Wenn wir heute unser Opfer für die Wycliffe-Arbeit in Äthiopien geben, was ist das Wichtigste? Für die einheimischen Übersetzer oder wofür benötigen Sie die Mittel? Die einheimischen Übersetzer sind sehr erfahren. Einige haben bereits das Neue Testament übersetzt. Die Gemeinden möchten aber nicht nur aus dem Neuen Testament predigen, sondern auch vom Alten Testament hören. Deshalb bilden wir diese Leute weiter aus.
Das ist eine ganz wichtige Aufgabe, denn dadurch wird die Arbeit deutlich beschleunigt. Je mehr Leute mitmachen, desto besser läuft es. Dafür brauchen wir wirklich Mittel.
Noch eine Frage: Nur die Kenner wissen, dass es in Äthiopien Sprachen wie Amharisch oder Oromo gibt – früher Gallas genannt. Wie viele Sprachen und Völker gibt es dort? Ganz genau wissen wir es noch nicht, wir sind dabei, das herauszufinden. Sicher ist aber, dass es über hundert sind. Und das sind keine Dialekte, sondern echte Sprachen.
Ich hoffe, Sie nutzen die Gelegenheit und gehen gleich rüber. Um Viertel vor elf beginnt der Vortrag.
Ganz herzlichen Dank! Wir wollen das Opfer im Anschluss für diese Bibelübersetzungsarbeit geben, die von einheimischen Äthiopiern geleistet wird. Sie tun einen ganz großen Dienst, indem sie in diesen Sprachen übersetzen.
Schlusssegen
Und nun wollen wir um den Segen Gottes bitten.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
