Ja, ich dachte, das Lied, das wir gerade gesungen haben, passt gut zu dem Thema, mit dem ich mich in den letzten Tagen beschäftigt habe: Was ist Hingabe?
Eigentlich ist das ein Wort, das in unserem Sprachgebrauch kaum noch verwendet wird. Sich hinzugeben gilt als uncool und passt nicht mehr in unsere Zeit. Die Frage ist wirklich: Was meint die Bibel damit, wenn sie davon spricht, dass wir unser Leben hingeben sollen?
Ich habe als Unterüberschrift gewählt: Das durchstochene Ohr. Das klingt erst einmal wie eine komische Geschichte, oder? Aber wir werden gleich darauf zurückkommen.
In der Bibel gibt es tatsächlich eine Geschichte von einem durchstocherten Ohr. Die Frage ist, ob wir anhand dieses Beispiels vielleicht besser verstehen können, was Hingabe bedeutet.
Die Bedeutung von Hingabe und erste Gedanken
Ich möchte mit einer Frage beginnen: Stell dir vor, du sollst einen Arbeitsvertrag unterschreiben, auf dem der Chef noch nichts eingetragen hat. Du würdest sagen: So dumm bin ich nicht. Da kann einem ja alles passieren.
Stell dir vor, der zukünftige Chef legt dir einen Arbeitsvertrag hin, auf dem noch nichts steht, und sagt: „Bitte unterschreiben Sie.“ Du würdest antworten: „Das mache ich doch nicht blank. Ich will wissen, was auf mich zukommt. Ich muss abschätzen können, ob ich zu dem, was ich jetzt unterschreibe, auch Ja sagen kann.“
Die Frage ist immer: Wir leben heute, indem wir überlegen, was der Einsatz ist und was wir dafür bekommen.
Ich habe noch ein paar Fragen zu Beginn. Hast du dir schon einmal Gedanken über deine Hingabe an den Herrn Jesus gemacht? Ich weiß nicht, wie das damals war, als du dich bekehrt hast. Hast du dein ganzes Leben dem Herrn Jesus gegeben? So sagen wir das jedenfalls.
Ich muss sagen, ich war damals neun Jahre alt. Natürlich hat man da noch nicht überblickt, was es überhaupt bedeutet, zu sagen: „Herr Jesus, werde du der Herr meines Lebens.“ Zuerst hat man das natürlich getan, um in den Himmel zu kommen und Vergebung der Sünden zu erhalten.
Aber ich glaube, wir verkündigen heute das Evangelium zu kurz. Ich denke, es ist wichtig, den Menschen zu sagen: Wenn du zu Jesus kommst, damit er dir die Sünden vergibt, dann bedeutet das, dass du ab da nicht mehr dein eigenes Leben lebst. Dein Leben gehört nun einem anderen.
Hingabe als lebendiges Opfer und die Schwierigkeit, Versprechen zu halten
Was bedeutet es, wenn die Bibel in Römer 12,1 sagt, dass unser Leben ein lebendiges, gottwohlgefälliges Opfer sein soll? Dort steht nicht „Kollekte“, sondern „Opfer“. Was heißt es also, dass mein Leben ein Opfer für Gott ist?
Im Alten Testament wurden Opfer auf den Altar gelegt und verbrannt. Wie verhält es sich mit meinem Leben? Vielleicht stellt sich auch die Frage: Hast du Schwierigkeiten damit? Wenn du Gott etwas versprochen hast, hältst du es dann auch? Wie oft sagen wir zum Herrn Jesus: „Herr Jesus, wenn du mir daraus hilfst, dann ...“? Und die Frage ist: Hältst du dein Versprechen auch? Oft sind die guten Vorsätze, die am 31. Dezember gemacht werden, am 3. Januar schon vergessen.
Was bedeutet es, wenn wir in 2. Korinther 9,2 lesen, dass die Mazedonier – und damit sind die Philippa gemeint – sich selbst zuerst Gott gegeben haben? Sie haben nicht nur eine Spende gegeben, sondern sich selbst. Sie haben nicht nur ihr Portemonnaie gegeben, sondern sich selbst. Was heißt das, sich selbst Gott zu geben?
Ich muss sagen, je mehr ich mich mit dem Thema Hingabe beschäftigt habe, desto mehr merke ich, dass ich selbst noch nicht so weit bin. Aber es liegt mir auf dem Herzen, uns das einmal weiterzugeben.
Zweifel und Ängste bei der Hingabe an Gott
Was hält dich zurück, dich ganz Gott zur Verfügung zu stellen und nicht nur etwas Zeit und etwas Geld zu geben? Hast du vielleicht Angst vor den Konsequenzen? Vielleicht fragst du dich: Was wird dann mit meiner Versorgung sein? Bekomme ich dann noch meine Rente? Werde ich Erfolg haben und glücklich sein? Werde ich vor Krankheit und Not bewahrt bleiben? Werden meine persönlichen Bedürfnisse gestillt? Gebe ich dabei nicht meine Persönlichkeit auf?
Wenn wir uns im Neuen Testament die Predigten und Reden des Herrn Jesus ansehen, dann ist das auf der einen Seite sehr erschreckend.
Schlagen wir einmal auf im Lukas-Evangelium, Kapitel 14, Verse 25-27: Es gingen aber große Volksmengen mit dem Herrn Jesus, und er wandte sich um und sprach zu ihnen: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein.“
In Vers 33 heißt es weiter: „So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein.“
Ich glaube, es ist schwer, über diese Verse zu predigen. Vielleicht sagen wir: Herr Jesus, du hast es doch sicher nicht so konsequent gemeint, und wir versuchen, das abzumildern.
Die Herausforderung des Reichen jungen Mannes und die Reaktion der Jünger
Oder denken wir an die Begebenheit in Markus 10. Schlagen wir vielleicht auch mal die uns sehr bekannte Geschichte von dem sogenannten reichen jungen Mann auf, heute würde man sagen, ein Dschumi.
Da sagte Herr Jesus zu ihm, in Vers 21: „Eins fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen. Dann wirst du einen Schatz im Himmel haben. Komm, folge mir nach.“
Die Reaktion ist wahrscheinlich so, wie wir auch reagieren würden, wenn der Herr Jesus uns so etwas sagen würde. Er aber ging entsetzt über das Wort traurig weg, denn er hatte viele Güter.
Jesus blickte umher und sprach zu seinen Jüngern: „Wie schwer werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes hineinkommen.“ Die Jünger aber erschraken über seine Worte.
Jesus antwortete wieder und sprach zu ihnen: „Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes hineinzukommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch das Öhr der Nadel geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.“
Sie gerieten ganz außer sich und sprachen zueinander: „Wer kann dann gerettet werden?“
Jesus aber sah sie an und sprach: „Bei Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich.“
Merken wir etwas an der Reaktion dieses jungen Mannes und der Reaktion der Jünger? Wie ungeheuerlich solch ein Anspruch des Herrn Jesus ist. Der Jesus erwartet im Grunde, dass ich alles, was ich für mein Eigentum halte, abgebe.
Und du sagst vielleicht: „Herr Jesus, es hat doch viele gegeben, die gläubig und reich waren und etwas hatten, das sie dann auch eingesetzt haben.“
Ja, sagt der Herr Jesus, „okay, aber woran hänge ich denn?“ Hingabe bedeutet doch, dass ich das, was ich habe, nehme und es hinlege.
Das Lied als Ausdruck der Hingabe und das Beispiel einer Dichterin
Was meint der Herr Jesus damit? Seht, wir singen solche Lieder, und können wir vielleicht hinterher zum Schluss singen: Ein Leben gegeben für den Herrn der Welt. Ich finde das ein ganz fantastisches Lied, aber ich traue mich kaum, es zu singen.
Ich habe von einer Dichterin gelesen, die ein bekanntes Lied geschrieben hat. Es steht in unserem Liederbuch unter Lied 220. Diese Frau ist nur 42 Jahre alt geworden. Ich muss mal eben nachgucken: Francis Ridley Havergill. Sie war eigentlich eine sehr begüterte junge Frau, ungeheuer begabt.
Sie begann mit vier Jahren, die Bibel zu lesen. Sie lernte also Lesen schon mit drei Jahren, las dann die Bibel mit vier, und mit sieben Jahren fing sie an, Lieder zu schreiben. Ihre Mutter starb, als sie elf Jahre alt war. Als sie vierzehn Jahre alt war, konnte sie bereits sechs Sprachen sprechen. Dann bekehrte sie sich zum Herrn Jesus.
Von da an hat sie Sonntagsschule gemacht. Mit vierzehn Jahren hat sie Sonntagsschule gegeben und Kinder unterrichtet. Von ihrem Vater lernte sie noch Griechisch dazu. Sie hätte mit ihren Liedern und Gedichten Geld verdienen können, aber alles, was dadurch verdient wurde, hat sie abgegeben.
Sie schrieb dieses Lied, das wir in Lied 220 in unserem Liederbuch stehen haben. Vielleicht können wir das jetzt mal miteinander singen. Vielleicht geht es euch auch so wie mir: Auch das Lied traue ich mich kaum zu singen, obwohl es ein altes Lied ist und sehr bekannt.
Nimm mein Leben, Jesus, dir übergebe ich's für und für.
Ich denke, dieses Lied ist ähnlich faszinierend wie heute Morgen, als Karsten die Geschichte erzählt hat von dem, der da übers Meer gefahren war. Wir haben in der dritten Strophe gesungen: „Nimm die Stimme, lehre mich reden, singen nur für dich.“
Diese Komponistin und Dichterin hatte eine gute Stimme und eine Ausbildung erhalten. Sie hatte die Karriere vor sich, Sängerin zu werden. Doch sie merkte, dass das sie vom Herrn Jesus wegbringen würde. Wenn sie jetzt Sängerin werde und berühmt, dann würde sie sich vom Herrn Jesus entfernen.
Sie hat gebetet, und der Herr Jesus hat ihr die Stimme weggenommen.
„Nimm die Stimme!“
Das bewegt mich schon. Wir würden wahrscheinlich beten, und ich würde beten: Herr Jesus, hilf mir, das in ausgewogenem Maß zu machen. Und sie sagt: Nimm meine Stimme.
Die Metapher von Nadel und Faden als Bild der Hingabe
Was ist Hingabe?
Ich muss sagen, das sind Dinge, die mir sehr ans Herz gehen, weil ich merke: So weit bin ich noch nicht.
Ich habe ein Gebet eines Christen aus dem Kongo gelesen. Er sagt: „Geliebter Herr, du sollst die Nadel sein und ich der Faden.“ Die Schwestern verstehen wahrscheinlich besser, was damit gemeint ist.
Du gehst voran, und ich werde dir folgen, wohin du mich auch führst. Das ist logisch, oder? Die Nadel bestimmt, wohin der Faden geht.
Wenn jemand sagt: „Herr, sei du die Nadel und ich der Faden“, dann kann der Faden nicht selbst bestimmen, wohin er geht.
Eigentlich kann nur der Herr Jesus vollkommen sagen: „Ich komme, Vater, um deinen Willen zu tun.“
Aber es gibt ab und zu Menschen, von denen wir merken, dass sie innerlich bereit sind, so etwas zu tun.
Das Beispiel von Eric Liddell: Hingabe trotz Karrierechancen
Wer kennt Eric Liddell? Das sind vor allem die Sportler. Doch wer war Eric Liddell wirklich? Er war Olympiasieger im Jahr 1924 und später Missionar. Aus seinem Leben wurde später der Film „Stunde des Siegers“ gemacht.
Eric Liddell war der Sohn eines Chinamissionars. Seine Eltern schickten ihn nach London auf ein Internat. Dort zeigte er große sportliche Fähigkeiten und qualifizierte sich an dieser Schule für die Olympischen Spiele 1924.
Ursprünglich war er auf den Hundertmeterlauf spezialisiert. Doch bei der Olympiade weigerte er sich, den Hundertmeterlauf zu laufen, weil dieser an einem Sonntag stattfand. Man könnte sagen, er folgte strikt seinem Glauben und weigerte sich deshalb, am Sonntag zu laufen. Stattdessen ging er an diesem Tag in eine Kirche und predigte dort.
Gott belohnte ihn dafür: Er trat beim 400-Meter-Lauf an, obwohl das nicht seine Hauptdisziplin war, weil dieses Rennen an einem Werktag stattfand. In diesem Lauf stellte er einen neuen Weltrekord auf.
Trotz seines sportlichen Erfolgs setzte er seine Karriere als Sportler nicht fort. Stattdessen ging er als Missionar nach China. Man fragt sich: Was sind das für Lebenswege? Ein Mann, der sicher ein Champion geworden wäre, verzichtet auf seine Karriere und geht als Missionar nach China.
Die Frage bleibt immer wieder: Warum fällt es uns so schwer, ein Leben der Hingabe an den Herrn Jesus zu führen?
Unterschied zwischen Hingabe und Dienstverpflichtung
Ich habe ein Buch gelesen von einem rumänischen Prediger, Doktor Joseph Sohn, der noch lebt. Er wurde in Rumänien während des Kommunismus verfolgt und musste in die USA emigrieren. Nach der Wende kehrte er jedoch wieder nach Rumänien zurück. Dort hat er zahlreiche Bücher geschrieben und ist in den Gemeinden sehr bekannt. Auch unsere rumänischen Geschwister hier in Deutschland kennen ihn sehr gut.
Er schrieb etwas, das mich sehr bewegt hat. Er spricht von der veränderten Einstellung der Christen in der westlichen Welt. Seiner Ansicht nach geben sich die Christen heute nicht mehr hin, sondern verpflichten sich höchstens zum Dienst für ihren Herrn. Vielleicht fragt man sich: Was ist da der Unterschied? Ist es nicht großartig, sich zu verpflichten, dem Herrn zu dienen? Was unterscheidet Hingabe von einer Dienstverpflichtung?
Darüber musste ich nachdenken. Joseph Sohn beschreibt es so: Er macht einen klaren Unterschied. Hingabe bedeutet, dass ich meine Hände zu Gott erhebe. Das heißt, ich ergebe mich ihm. Mein Leben gehört ihm, er übernimmt die Leitung und verfügt über mich.
Dienstverpflichtung hingegen bedeutet, dass ich als Diener oder Knecht selbständig und unabhängig bleibe. Ich verpflichte mich aus freien Stücken, etwas für Gott zu tun, bleibe aber mein eigener Herr.
Ich muss sagen: Das ist wirklich so. Ein Sklave hat keinen eigenen Willen, ein Knecht oder Diener schon. Die Bibel verwendet für Sklave im Griechischen das Wort Doulos. Ein Sklave ist Eigentum eines anderen und dessen Willen absolut unterworfen. Ein Diener oder Knecht ist dagegen eine eigenständige Person, die beauftragt wird, Dienste für andere zu leisten.
Ich glaube, das ist ein großer Unterschied. Die Bibel verwendet beide Ausdrücke, doch in unseren Übersetzungen findet man kaum noch das Wort „Sklave“. Meistens wird es mit „Knecht“ übersetzt – und das ist ein Unterschied. In unserem heutigen Verständnis ist ein Knecht eine Person, die selbständig ist, aber für andere arbeitet. Sklaven gibt es nicht mehr. Deshalb wird das Wort meistens nicht mehr so übersetzt.
Das alttestamentliche Gesetz zum durchstochenden Ohr als Bild der Hingabe
Ich möchte euch nun eine Begebenheit vorstellen, die im Alten Testament von Sklaven berichtet wird, und zwar in 2. Mose 21. Es ist eigentümlich, dass diese Begebenheit direkt nach den Zehn Geboten in 2. Mose 20 steht. Dort wird etwas von Gott angeordnet.
In Vers 2 heißt es: „Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre dienen. Im siebten Jahr aber soll er umsonst frei ausgehen.“ Falls er allein gekommen ist, soll er auch allein ausziehen. War er Ehemann einer Frau, soll seine Frau mit ihm ausziehen. Hat ihm sein Herr eine Frau gegeben, die ihm Söhne oder Töchter geboren hat, sollen die Frau und die Kinder ihrem Herrn gehören. Der Sklave soll dann allein ausziehen.
Falls der Sklave jedoch sagt: „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht als Freier ausziehen“, so soll ihn sein Herr vor Gott bringen. Er soll ihn an die Tür oder an den Türpfosten stellen, und sein Herr soll ihm das Ohr mit einem Frieben durchbohren. Dann soll er ihm für ewig dienen.
Das ist eine ungewöhnliche Angewohnheit, ein eigenartiges Gesetz. Man würde sagen: Das gibt es doch gar nicht! Gott gibt also die Anordnung, dass ein Sklave freikommen kann. Wenn aber sein Herr ihm eine Frau gegeben hat, die ihm Kinder geboren hat, hat er die Möglichkeit, alleine wegzugehen und Frau und Kinder beim Herrn zu lassen. Oder er kann sagen: „Ich bin freiwillig und für immer Sklave, aus Liebe zu meinem Herrn, zu meiner Frau und zu meinen Kindern.“
Gott hat schon eigentümliche Gesetze, oder? Ich frage mich: Würdest du, wenn du so ein Sklave wärst, so etwas tun? Vielleicht würdest du sagen: „Ich liebe meine Frau und meine Kinder.“ Aber welcher Sklave liebt seinen Herrn, dem er bedingungslos gehorchen muss und dafür kein Gehalt bekommt?
Ich glaube, die Bibel benutzt dieses Beispiel, um uns deutlich zu machen, was Hingabe ist. Dieser Sklave hätte die Möglichkeit, sich ein neues Leben aufzubauen. Er könnte sagen: „Jetzt fange ich ganz neu an. Das alte Leben ist vorbei, und jetzt kann ich leben, wie ich möchte.“ Doch Gott gibt ihm die Möglichkeit, zu sagen: „Nein, ich will weiter freiwillig Sklave sein.“
Ich habe von einem Gefangenen in Kenia gehört. Damals war unser Timo mit der Gefährtin Höfe Scheidewichter unterwegs, und sie haben Besuche in Gefängnissen gemacht. Dort war ein Mann, der gläubig geworden war. Er lehnte es ab, frei zu werden. Er sagte: „Ich will weiter im Gefängnis sein. Ich will als Gläubiger in diesem Gefängnis leben, um anderen das Evangelium zu sagen.“ Das ist Hingabe.
Gott gibt dieses Gesetz im Alten Testament, und ich frage mich: Hat es jemals einen Menschen gegeben, der das getan hat? Ich finde es interessant: In der Bibel steht nirgendwo, dass irgendein Sklave dieses Gesetz erfüllt hätte. Nirgendwo steht, dass ein Sklave gesagt hätte: „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, und ich bleibe für ewig bei meinem Herrn.“ So blöd ist keiner, oder? Das hat nie jemand getan.
Dann frage ich mich: Warum steht solch ein Gesetz in der Bibel? Ähnlich ist es mit dem Gesetz des Aussatzes im Alten Testament. Es gibt ein ganzes Kapitel darüber, was einer tun muss, wenn er geheilt wird. Aber du findest nirgendwo in der Bibel einen Israeliten, der geheilt worden ist und bei dem das Gesetz angewendet wurde. Es gab Menschen, die geheilt wurden, aber sie waren keine Israeliten und brauchten das Gesetz nicht zu erfüllen.
Warum steht so etwas in der Bibel? Warum steht das Gesetz, dass ein Sklave sich das Ohr durchbohren lassen sollte? Ich glaube, dass mit diesem Gesetz – genauso wie mit dem Gesetz des Aussatzes – unser Herr Jesus dargestellt werden soll.
Ich glaube nicht, dass Jesus ein Loch im Ohr hatte. Aber sein Leben war wirklich ein Leben in völliger Hingabe an seinen Gott und Vater. Von ihm wird gesagt, er nahm Knechtsgestalt an – eigentlich steht dort Sklavengestalt – (Philipper 2,7). Das haben wir heute Morgen noch gelesen.
Von ihm wird gesagt, er gehorchte dem Willen seines Vaters. Er ging im Grunde ans Kreuz, selbst in den Tod, aus Liebe zu seinem Herrn, aus Liebe zu seiner Braut, sprich der Gemeinde, und aus Liebe zu den Kindern, die Gott ihm gegeben hat – also aus Liebe zu dir und zu mir.
Das durchstochene Ohr als Symbol für Jesu Hingabe
Ich bin über einen Vers gestolpert, den die Bibel prophetisch vom Herrn Jesus sagt. Schauen wir dazu in Psalm 40. Dieser Psalm wird oft so verstanden, dass er praktisch vom Herrn Jesus spricht.
In Vers 7 heißt es: „An Schlacht- und Speisopfern hattest du kein Gefallen, Ohren hast du mir gemacht.“ Was genau steht dort? Viele übersetzen es mit „hast du mir gemacht“, doch hier steht „gegraben“ – du hast mir sozusagen ein Loch gegraben.
Ich glaube, dass damit durchaus ein Hinweis auf den Herrn Jesus gegeben wird. Jesus war dieser Knecht, der sich für ewig verpflichtet hat, Gott zu dienen. Seine Hingabe tat er aus Liebe zu seinem Vater, zu seinem Herrn, aus Liebe zu seiner Braut und aus Liebe zu uns, seinen Kindern.
Jesus ist wirklich der Knecht. Und ich glaube, dass deswegen solch ein Gesetz in der Bibel steht.
Sklaverei als Bild für die Beziehung zu Jesus im Neuen Testament
Im Neuen Testament finden wir an manchen Stellen, dass sich Menschen selbst als Sklaven bezeichnen. Paulus nennt sich an vielen Stellen Sklave Jesu Christi. Auch Maria sagt: „Ich bin die Sklavin meines Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast.“
Die meisten Übersetzungen verwenden hier den Begriff „Magd des Herrn“. In den Anmerkungen steht jedoch wörtlich „Sklavin“. Ihr Verhalten macht deutlich, dass sie sich wirklich völlig dem Willen Gottes untergeordnet hat und getan hat, was er wollte.
Für mich persönlich stellt sich die Frage – und vielleicht auch für andere: Kann ich wirklich sagen, ich bin ein Sklave Jesu? Kann ich beten: „Herr, mach mich zu deinem Sklaven“? Mit einem Loch im Ohrläppchen? Ich möchte als Sklave Jesu erkennbar sein.
Natürlich tun wir das nicht. Natürlich machen wir uns kein Loch ins Ohrläppchen nur als Schmuck, aber auch nicht als Zeichen. Damit wird jedoch deutlich gemacht: Ich habe kein Recht auf mein Privatleben. Ich stehe dem Herrn Jesus zur Verfügung, wie ein Sklave, 24 Stunden am Tag, auf Abruf.
„Hingerbe“ bedeutet im Grunde: Ich setze meine Unterschrift auf das leere Blatt meines Lebens, und Gott füllt aus, was ich unterschrieben habe. Ich glaube, dass das schwer ist. Und ich sage mir, ich muss es auch noch lernen.
Freundschaft mit Jesus als höhere Form der Beziehung
Ich habe darüber nachgedacht und frage mich, ob unser Leben dadurch nicht bedrückend wäre. Doch ich glaube, es gibt noch eine Steigerung.
Es geht nicht nur darum, Sklave des Herrn Jesus zu sein. Jesus sagt zu seinen Jüngern in Johannes 15,15: „Ich nenne euch nicht mehr Sklaven, denn der Sklave weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt.“
Ich glaube, das ist noch größer. Der Begriff „Sklave“ hat immer einen negativen Beigeschmack, während „Freund“ etwas anderes ausdrückt.
Der Herr Jesus sagt seinen Jüngern, und zwar schon vorher in Vers 14: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“ Ein Freund hat keine Narrenfreiheit.
Dass ich vom Herrn Jesus Freund genannt werde, bedeutet im Grunde, dass ich tue, was er möchte. Aber das finde ich gewaltig: Der Herr Jesus stellt uns nicht nur als Sklaven ein und erwartet nicht nur, „Gib mir deinen Willen ganz, nimm mein Leben, Jesus, dir übergebe ich es für und für“, sondern er sagt auch, dass er eine persönliche Beziehung zu uns haben möchte.
„Ihr seid Freunde“, und Freunde tun etwas aus Liebe.
Vielleicht könnten wir zum Schluss noch gemeinsam das Lied „Ein Leben gegeben für den Herrn der Welt“ (Lied 756) singen.
