Einführung und Begrüßung des Gastredners
Unverändert Jesus, jetzt ist er also auch sichtbar da: Herr Gekle. Und der ist eine ganze Menge – er ist Pfarrer, Doktor, Professor und jetzt bei uns.
Er ist der Direktor des theologischen Seminars in Bad Liebenzell. Seit 2011 ist er Professor an der Internationalen Hochschule in Liebenzell und deren Rektor.
Heute kommt er, glaube ich, aus Ulm zu uns. Herr Goecke, Sie sind gleich dran.
Ja, herzliches Grüß Gott Ihnen in Oberschwaben. Ich komme tatsächlich aus Ulm. Dort hatte ich heute Morgen die erste Einheit. Danach habe ich meine Kiste flitzen lassen, damit ich halbwegs rechtzeitig hier bin.
Ich habe mir dann noch das Recht herausgenommen, kurz einen Ort aufzusuchen, an dem man nicht so viel Bewegungsfreiheit hat, um erleichtert hier vor ihm stehen zu können. Dort habe ich über Lautsprecher meine Begrüßung gehört.
Ich konnte in dem Moment nicht reagieren. Deshalb tut es mir leid, dass ich nicht winken konnte. Das war eine neue Erfahrung für mich: über Lautsprecher begrüßt zu werden und nicht zurückwinken zu können.
Die Frage nach dem Bleibenden in der Welt
Unverändert Jesus – das ist das Thema dieser letzten Einheit heute Morgen. Uns ist ein Wort gegeben aus dem Hebräerbrief, Hebräer 13, Verse 7 bis 9a.
Dort schreibt der uns unbekannte Autor des Hebräerbriefs: „Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, und betrachtet ihr Ende, um ihrem Glauben nachzufolgen. Jesus Christus ist gestern und heute derselbe und auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, was durch Gnade geschieht.“
In diesen Versen und in diesem Thema begegnen wir einer für uns alle eigentlich bedrängenden Frage. Es ist die Frage danach, was eigentlich bleibt in dieser Welt, was Bestand hat in dieser Welt.
Diese Frage stellen wir Menschen sehr individuell und zugleich sehr universell. Ich habe mit einer Frau gesprochen, die in der Hospizarbeit engagiert ist, also Menschen auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens begleitet – in den letzten Wochen und Tagen ihres Lebens – und sie auf das Sterben, auf den Tod vorbereitet.
Sie sagt, die eine ganz große Frage, die ihr immer wieder begegnet, ist die nach dem roten Faden im Leben. Was ist eigentlich die rote Linie, die rote Spur meines Lebens? Was ist das, was aus meinem Leben bleibenden Wert hat? Was ist das, was aus meinem Leben hinüberreichen wird über meinen Tod hinaus? Was bleibt?
Menschen fragen das ganz persönlich, und Menschen fragen das weltumspannend. Wir können in die Geschichte schauen, wo diese Fragen immer wieder Menschen und Völker umtreiben: Wie können wir bleiben in dieser Welt?
Es gibt viele Herrscher, die Bauwerke errichtet haben, und es gibt Religionen, die Bauwerke geschaffen haben. Als im Jahr 70 nach Christus die römischen Truppen des Titus den Jerusalemer Tempel in Schutt und Asche legten, war das eine Katastrophe für das jüdische Volk. Die ganze Identität dieses Volkes war mit diesem Tempel verbunden – und nun blieb nicht einmal der.
Wir lernen daraus, dass selbst die heiligsten Orte dieser Welt keine Bestandsgarantie haben.
Historische Beispiele des Vergänglichen
In diesen Tagen jähren sich verschiedene Großereignisse der Weltgeschichte. Vor zweihundert Jahren, im Jahr 1812, startete Kaiser Napoleon mit der damals größten Armee der Weltgeschichte seinen Russlandfeldzug.
Auch viele Schwabenkinder waren dabei. Junge Männer aus Schwaben wurden abkommandiert, ab nach Kassel, denn dort gab es historische Verträge. Mit Napoleon mussten sie sich in Kassel sammeln, um in seinem großen Heer mit nach Russland zu ziehen. Tatsächlich war es zunächst eine immense Erfolgsstory. Man gewann eine Schlacht nach der anderen, nahm sogar Moskau ein und plünderte die Stadt.
Doch auf dem Rückweg schlug das kleinere russische Heer in der Kälte des russischen Winters diese riesige Armee Napoleons. Nichts blieb übrig. Das war der Anfang vom Ende dieses damals so mächtigen Weltherrschers.
Was bleibt? Die großen Armeen dieser Welt haben keine Bestandsgarantie. Keine ist geblieben. Im zwanzigsten Jahrhundert erlebten wir das Scheitern der großen Ideologien. Dieses Jahrhundert war geprägt von zwei Ideologien, die ebenfalls einen Ewigkeitsanspruch hatten.
Das tausendjährige Reich Adolf Hitlers hatte seinen Namen nicht, weil es nach tausend Jahren enden sollte, sondern weil es einen ewigen Charakter haben sollte. Betrachtet man die Architekturgeschichte des Dritten Reiches, so erkennt man, dass der Reichsarchitekt Albert Speer Ewigkeitsbauten errichtete.
Ich komme selbst aus Bad Cannstatt, und dort stehen bis heute am Neckar riesige Travertinsäulen, die für den Reichspalast in Linz gebaut wurden. Diese Säulen sind bis heute erhalten. Doch dieses tausendjährige Reich währte gerade mal zwölf Jahre. Kein Reich dieser Welt hat eine Bestandsgarantie.
Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts erlebten wir auch das Ende des kommunistischen Weltreiches mit seiner Ideologie, die eine klassenlose, ideale Gesellschaft hervorbringen wollte. Auch diese Ideologie hatte einen Anspruch auf Ewigkeit.
Es gibt keine Bestandsgarantien in dieser Welt – weder für große Bauwerke, noch für große Ideologien, noch für große Armeen.
Die Bestandsgarantie der Gemeinde Jesu
Nun sitzen wir heute Morgen als Gemeinde Jesu hier. Und als Gemeinde Jesu ist uns auch eine Bestandsgarantie gegeben. Jesus sagt seinen Jüngern: Die Pforten der Hölle sollen die Gemeinde, sollen meine Gemeinde nicht überwinden.
Was für ein Wort für die leitende Gemeinde, von der Manfred Müller erzählt hat: Die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwinden. Das ist ja eine Art Bestandsgarantie. Aber es gilt jetzt, hier ganz genau hinzuschauen: Für was gilt eigentlich diese Bestandsgarantie?
Sie gilt ganz offensichtlich nicht für jede einzelne Gemeinde fort und auch nicht für jede Kirche in einem Land. Man denke nur einmal an die großen Gemeinden, an die großen Kirchen in Kleinasien, an diese Gemeinden, an die die ersten Apostel ihre Briefe geschrieben haben: die Gemeinde in Ephesus, in Kolosse, in Laodizea, in Smyrna, wohin die Sendschreiben hingegangen sind usw. Dort, wo die erste Blüte des christlichen Glaubens war, regiert heute der Islam.
Man könnte das Gleiche für die großen nordafrikanischen Kirchen sagen, wo in den ersten fünf Jahrhunderten die Gemeinde geblüht hat, wo die großen Bischöfe Hieronymus und Augustinus ihre Schriften verfasst haben. Dort lebte der Pulsschlag der Christenheit in den ersten Jahrhunderten, und heute regiert dort der arabische Frühling.
Diese Kirchen hatten keine Bestandsgarantie. Es ist das eingetreten, was Jesus in den Sendschreiben immer wieder angemahnt hat: Ach, dass ihr doch heiß oder kalt werdet! Aber wenn ihr lauwarm werdet, dann muss ich euch ausspucken, dann finde ich euch – so steht es im griechischen Text übersetzt – zum Kotzen. Das ist die Botschaft des Auferstandenen an seine Gemeinde.
Es gibt keine Bestandsgarantien für Gemeinden und Kirchen, wenn sie sich von Jesus loslösen. Es gibt keine Bestandsgarantie für Frömmigkeitsformen. Wir haben in 2000 Jahren Christenheit so viele verschiedene Frömmigkeitsformen kommen und gehen sehen. Wir können nicht sagen, dass eine einzelne Frömmigkeitsform oder Lebensform eine Bestandsgarantie hätte.
Es gilt auch nicht für Gottesdienstformen. All diese Fragen, über die wir uns heute manchmal leidenschaftlich streiten – ob man Psalmen singen oder beten soll, ob man alte Choräle oder neue Lobpreislieder singt, ob wir das Abendmahl in dieser oder in jener Form feiern –, wo sich Gemeinden leidenschaftlich in die Haare kommen können: Das sind nicht die Fragen, die einer Gemeinde den Bestand garantieren.
Es ist auch nicht die Kirchenform. Ob wir in hundert Jahren noch Landeskirchen haben, das wissen wir nicht. Ob es noch eine Kirchensteuer gibt, das wissen wir nicht. Es sind nicht diese Dinge, die den Bestand der Gemeinde Jesu garantieren.
Wir wissen auch nicht, ob es noch eine Christusbewegung, lebendige Gemeinde geben wird. Das haben wir nicht in der Hand. Ob es noch Gemeinschaften wie CVM, ECS und was auch immer gibt, ob es noch Missionen geben wird – wir wissen das alles nicht. Die Organisationsform der Gemeinde Jesu hat keine Bestandsgarantie.
Das Bleibende: Jesus Christus als Fundament
Was ist dann aber das Bleibende an der Gemeinde Jesu? Was ist das Bleibende? Der Hebräerbrief gibt auf diese Frage eine sehr klare und eindeutige Antwort. Das Einzige, was bleibt, ist Jesus und die, die mit ihm sind, die an ihm sind und in denen er ist. Das ist das Bleibende.
Nur Jesus ist der, der gestern, heute und in Ewigkeit bleibt. Wer an ihm bleibt, der bleibt mit ihm. Das ist die Botschaft dieser Verse.
Es ist schon einige Jahrzehnte her, da hatte der Zephaut im Westbund irgendein Jubiläum. Sie suchten sich einen sehr pfiffigen Spruch für dieses Jubiläum aus. Dieser Spruch bildet das Geheimnis des Bleibenden: Das Gute daran, also am CVdM, ist Jesus drin.
Das Gute daran ist Jesus drin. Und das Gute an Jesus ist, dass Jesus drin ist. Das gilt für die Gemeinde weltweit. Das Gute daran ist Jesus drin, sonst könnten wir nicht auf viel zeigen, was da gut wäre. Das Gute daran ist Jesus drin, und das heißt ja auch: Das Bleibende daran ist Jesus drin, der in ihr wohnt.
Wo er drin ist und wer an ihm dranbleibt, der hat Bestand. Das hat Jesus selbst auf den Punkt gebracht in Johannes 15: Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt.
Das ist das Geheimnis der Kirchengeschichte. Wenn Gemeinden und Kirchen an Jesus bleiben, dann entsteht Frucht, auch in schwierigen und bedrängenden Umständen. Manfred Müller hat uns das eindrücklich vor Augen geführt. Wenn Menschen an Jesus bleiben, entsteht Frucht, selbst wenn der Druck übermenschlich groß wird.
Wenn Christen, Gemeinden und Kirchen nicht an Jesus bleiben, dann hat Gottes Souveränität sie auch zur Seite zu legen. Auch darum weiß der Hebräerbrief Bescheid. Und auch das gesamte Neue Testament weiß das.
Die Bedeutung der Lehre für das Bleiben an Jesus
Die spannende Frage ist nun, wovon es abhängt, ob Gemeinden, Christen und Kirchen an Jesus bleiben und er in ihnen bleibt. Die Antwort des Hebräerbriefs ist für moderne Ohren eigentlich sehr verblüffend. Es ist die in rechte Leere gekleidete Wahrheit des Evangeliums.
Es ist die in rechte Leere gekleidete Wahrheit des Evangeliums, das Evangelium von Jesus Christus, das entscheidet, ob Jesus in unserer Gemeinde, in unserem Leben und in unserer Kirche der bleibt, der gestern, heute und in Ewigkeit wahr und sein wird. Was Menschen trägt und hält, ist diese Wahrheit des Glaubens, die uns im Evangelium geschenkt ist. Es ist die uralte Erfahrung der Mission und der Evangelisation.
Menschen kommen zu Jesus Christus, weil sie bestimmte Nöte haben und Hilfe für die Sorgen ihres Lebens suchen. Sie bringen alles mit, was sie umtreibt: ihre Beziehungsprobleme, ihre Finanzprobleme, ihre Gesundheitsprobleme. Sie haben gehört, dass Jesus Christus helfen kann, dass er retten kann.
In der Begegnung mit Jesus Christus kommt es auch heute noch bis auf diesen Tag zu Scheidungen. Warum? Weil Menschen ihre Nöte und Sorgen mitbringen und in der Begegnung mit Jesus entdecken, dass Jesus nicht der Problemlöser dieser Welt ist. Es ist nicht garantiert, dass ich all meine Beziehungsprobleme, meine Finanzprobleme, meine Gesundheitsprobleme und alle anderen Probleme bei Jesus loswerde.
Dann passiert das, was immer passiert: Ein Teil wendet sich enttäuscht ab, weil er sagt, wir dachten, er löst alle unsere Probleme, aber das tut er nicht. Ein anderer Teil bleibt jedoch, weil er erkennt, dass Jesus die Wahrheit ist. Jesus ist nicht der Problemlöser, sondern der Erlöser dieser Welt.
Es geschieht immer das Gleiche wie damals, als viele Jünger sich von Jesus abwandten. Jesus steht dann vor seinen Jüngern und fragt sie: „Und ihr, was ist mit euch? Wollt ihr auch gehen? Seid ihr auch enttäuscht, weil ich nicht der Jesus und nicht der Messias bin, wie ihr euch das gedacht, gewünscht oder vorgestellt habt? Weil ich eure Erwartungen enttäusche?“
Dann antwortet Petrus stellvertretend für die bleibenden Jünger. Er spricht auch für Millionen und Abermillionen von Menschen, die mit ihren Problemen zu Jesus kommen, aber etwas ganz anderes entdecken. Er sagt: „Herr, wohin sollten wir denn gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben erkannt, dass du der Heilige Gottes bist. Wir haben erkannt, dass du die Wahrheit bist. Wir können gar nicht mehr gehen.“
Wir haben uns manches anders vorgestellt, als wir zu dir gekommen sind. Wir mussten manche Träume auf dem Weg mit dir abschminken. Aber wir haben entdeckt: Du bist die Wahrheit. Und das ist auch unsere Erfahrung.
Wir haben Jesus nicht unser Herz gegeben, weil er eine gute Idee ist, die uns in einem genialen Gedankenblitz aufgegangen wäre. Wir haben Jesus nicht unser Herz gegeben, weil er uns ein gutes Gefühl gibt, das wir nicht mehr verlieren wollen. Auch nicht, weil er uns in einem ekstatischen Rausch überwältigt hätte. Wir haben Jesus nicht unser Herz gegeben, weil er uns eine brauchbare Ethik bietet, mit der man halbwegs unfallfrei zusammenleben kann.
Nein, wir haben Jesus unser Herz gegeben, weil wir nicht mehr vor seiner Wahrheit davonlaufen können. Wir haben gemerkt, dass Jesus die Wahrheit ist und Worte ewigen Lebens hat. Da kann man nicht mehr andere Wege gehen, da kann man nicht mehr anderen Botschaften glauben. Da bleibt man, und er bleibt in uns.
Es ist dieses Wort der Wahrheit, das schärfer ist als ein zweischneidiges Schwert, mit dem das Leben unseres Glaubens, das Leben unserer Gemeinden und das Leben unserer Kirche steht und fällt.
Die zentrale Rolle der Lehre im Glauben
Das hat niemand besser verstanden und begriffen als Martin Luther. Er schrieb einmal: „Es ist mir alles, um die Lehre zu tun. Wo die Lehre recht ist, da ist alles recht – Glaube, Werke, Leben, Leiden und so weiter. Wo die Lehre nicht recht ist, da ist alles umsonst, alles verloren und alles gänzlich verdammt.“
Aus biblischer und reformatorischer Sicht entscheidet sich an der Lehre und am rechten Evangelium schlichtweg alles. Die Lehre ist wie die Ruderanlage eines Schiffes. Sie bestimmt den Kurs und die Richtung des Schiffes, das sich Gemeinde nennt.
Wenn die Ruderanlage eines Schiffes funktioniert und das Schiff auf dem richtigen Kurs bleibt, dann ist alles andere zweitrangig. Es ist dann zweitrangig, ob mir der Musikstil der Bordkapelle gefällt oder nicht. Ebenso ist es zweitrangig, ob ich das Animationsprogramm mag oder nicht, ob es meinem Geschmack entspricht.
Entscheidend ist, dass die Richtung stimmt und dass ich am Zielhafen ankomme – dort, wo ich hin soll. Wenn die Ruderanlage nicht funktioniert und das Schiff auf einen falschen Kurs gelenkt wird, kann an Bord die beste Stimmung herrschen. Es kann eine voll ausgebuchte Kreuzfahrt sein, finanziell ein großer Erfolg, alles vom Feinsten und die Stimmung ganz prächtig.
Doch wenn die Richtung nicht stimmt, wird die Sache lebensgefährlich. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen.
Deshalb heißt es im Hebräerbrief: „Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben!“ (Hebräer 13,9). Darin steckt eine tiefe Weisheit. Wo keine rechte Lehre ist, da ziehen automatisch die falschen Lehren ein. Wo keine rechte Lehre ist, ziehen automatisch die falschen Lehren ein.
Die Herausforderung der christlichen Lehre in der heutigen Welt
Die Lehre des Evangeliums von Jesus Christus hat heute weltweit keinen guten Ruf. Wahrscheinlich hatte sie noch nie einen guten Ruf. Im Gegenteil, oft wird scharfe Kritik an der christlichen Lehre geübt.
Hat nicht gerade dieser christliche Glaube unendlich viel Leid und viele Kriege über die Welt gebracht? Ist nicht dieser Glaube an den einen Gott, dieser monotheistische Glaube, schuld an den ganzen Religionskriegen in der Welt? Und müsste man diesen Glauben nicht abschaffen, damit endlich Frieden auf der Welt herrscht?
Wir sollten uns jedoch davor hüten, der Illusion zu verfallen, dass dort, wo die christliche Lehre verstummt, plötzlich spontane Liebe bleibt und dass dort, wo die Gemeinde verschwindet, das Weltfriedensreich beginnt.
Dort, wo die biblische Lehre verbannt wird, entsteht kein lehrfreier Raum. Vielmehr ist unsere Welt voll von Lehren. Wo Menschen sind, sind Lehren. Wir Menschen sind immer Lehrer, jeder Mensch ist ein Lehrer. Dort, wo die christliche Lehre zum Schweigen gebracht wird, entstehen schnell ganz andere Lehren.
Es ist eine Erkenntnis der Kommunikationsforschung, dass wir Menschen niemals nicht kommunizieren. Wir kommunizieren immer, wir senden immer Botschaften aus – jeder Mensch, zu jeder Zeit, an jedem Ort. Selbst wenn wir schweigen, kommunizieren wir und drücken damit etwas aus. Wenn wir uns zurückziehen, drücken wir auch damit etwas aus. Wir senden immer Botschaften.
Wir können niemals nicht kommunizieren und deshalb auch niemals nicht lehren. Wenn wir unsere Kinder nicht im Glauben an Jesus Christus unterweisen, dann unterweisen wir sie automatisch im Unglauben. Wenn wir unseren Konfirmanden nicht den Katechismus lehren, überlassen wir sie automatisch den Katechismen dieser Welt: dem Katechismus der Musikcharts, dem Katechismus von MTV, dem Katechismus der Filmindustrie, des Internets, der Computerspiele oder der Straße.
Diese Welt ist voll von Katechismen, von Lehren, von Glaubensgrundsätzen. Manche wollen, dass ihre Kinder selbst entscheiden können und verzichten deshalb auf jede Glaubens- und Werteerziehung. Dann stellen sie überrascht fest, wenn der Sprössling dreizehn Jahre alt ist, dass er schon längst eine Fülle ganz anderer Katechismen aufgenommen hat. Der Jugendliche ist nicht leer von Lehren, sondern voll von ganz anderen Lehren.
Wenn wir nicht an Jesus Christus glauben, der unveränderlich derselbe bleibt, dann glauben wir automatisch an etwas anderes. Wir Menschen können niemals nicht glauben. Die Alternative zum Glauben ist nicht der Nichtglaube – den gibt es nicht. Die Alternative zum Glauben ist immer der Aberglaube. Nur diese beiden Alternativen gibt es; etwas Drittes gibt es nicht.
Wir lehren und wir werden gelehrt – und zwar immer und überall: auf dem Schulhof, am Arbeitsplatz, in der Kantine, am Stammtisch. Überall werden Lehren vermittelt. Wenn ich die Zeitung lese oder fernsehe, werde ich gelehrt.
Es gilt das alte antike Sprichwort der Römer: Es bleibt immer etwas hängen. Wir befinden uns überall in Lehrsälen. Deshalb schreibt der Hebräerbrief: „Lasst euch nicht durch mancherlei Lehren umtreiben, sondern haltet fest an der Lehre von dem einen Jesus Christus, der derselbe bleibt gestern, heute und in Ewigkeit.“
Wir Menschen haben immer nur diese beiden Alternativen: die heilsame Lehre des Evangeliums oder die vielerlei Lehren dieser Welt.
Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum wir das Lehren nicht einfach lassen können. Warum wir nicht auf Gottesdienste verzichten können, warum wir nicht auf Bibelstunden verzichten können, warum wir nicht auf wechselseitige Gemeinschaft mit Bibellesen verzichten können und warum wir nicht auf einen Christustag verzichten können – weil wir das brauchen.
Wenn keine Lehre geschieht, entsteht kein Vakuum, wir bleiben nicht leer. Dort, wo keine rechte Lehre einzieht, zieht automatisch falsche Lehre ein. Dort ziehen Irrlehre und Aberglaube ein. Sie machen sich automatisch breit in unserem Leben, in unseren Jugendkreisen, Hauskreisen, Seniorenkreisen, in unseren Gemeinden und Kirchen.
Das Gleichnis vom Garten als Bild für die Gemeinde
Meine Familie und ich sind vor sechs Jahren in ein Haus gezogen, dessen Vorbewohnerin lange Jahre krank war. Aufgrund dieser Krankheit war sie über einen langen Zeitraum nicht mehr in der Lage, den Garten des Hauses zu pflegen.
Da wurde meiner Frau und mir etwas klar. Wenn man einen Garten nicht bewirtschaftet oder pflegt, wächst dort nicht einfach nichts. Ein Garten, der nicht bearbeitet wird, bleibt überraschenderweise nicht leer. Der Garten war sehr grün.
Wenn man in einem Garten nichts tut, bleibt nicht etwa der nackte Boden zurück. Stattdessen wächst Unkraut, und zwar schneller, als man schauen kann. Es wächst dynamisch und sehr stark.
Für mich ist das zu einem Bild, zu einem Gleichnis geworden. In der Gemeinde Jesu Christi, in der Kirche Jesu Christi, ist es nicht anders. Wenn nicht gelehrt wird, bleibt die Gemeinde nicht einfach leer. Es wächst immer etwas.
Wir haben nicht die Wahl, ob wir lehren und biblische Wahrheit in unser Leben, in unsere Gemeinde und in unsere Kirchen pflanzen oder ob wir alles leer lassen. Die einzige Alternative ist, ob wir das Evangelium von Jesus Christus lehren oder ob wir den Raum unseres Lebens, den Raum unserer Gemeinde und den Raum unserer Kirche den vielen Lehren dieser Welt, dem Aberglauben und dem Irrglauben überlassen. Das ist die Alternative.
Die Kraft der Gnade und die Möglichkeit der Veränderung
Und ein drittes und letztes: Wo das Herz fest wird, können wir uns verändern. Es ist ein köstliches Ding, dass das Herz fest werde. Dies geschieht durch Gnade, durch die Botschaft von Jesus Christus, durch das eine Evangelium, neben dem es kein anderes geben kann. So wie Jesus Christus bleibt, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit.
Wo diese Botschaft ein Leben ergreift, da erstarrt dieses Leben nicht – ganz im Gegenteil. Wenn ein Mensch erstarrt, wenn ein Christ erstarrt, wenn eine Gemeinde erstarrt oder eine Kirche erstarrt, ist das immer ein Zeichen dafür, dass falsche Lehren eingedrungen sind.
Das Evangelium von Jesus Christus eröffnet uns immer und immer wieder, Tag für Tag, die Freiheit zur Veränderung. Es schenkt uns die Freiheit, auf diesem Weg weiterzukommen. Wir sind Menschen, die auf einem Weg sind. Wir sind ein wandelndes Gottesvolk, eine Pilgergemeinde auf dem Weg zum ewigen Ziel. Das heißt, wir sind ständig im Wandel begriffen; wir wandeln.
In diesem Begriff steckt die Dynamik der Veränderung. Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig. Das bedeutet: Es ist ein Wort, das Veränderung bewirkt, ein Wort, das zur Erneuerung ruft. Durch die Erneuerung unseres Sinnes sind wir in der Lage, eine Metamorphose zu vollziehen. Paulus sagt in Römer 12, Vers 2: Stellt euch nicht dieser Welt gleich, nicht dem Schema dieser Welt, sondern vollzieht eine Metamorphose, verändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes.
Das ist ein lebenslanger Auftrag für uns. Wo die Botschaft von dem unveränderlichen Jesus und seinem unveränderlichen Evangelium unser Leben berührt, unsere Gemeinden berührt, unsere Kreise berührt, unsere Kirche berührt, da werden wir veränderungsfähig. Es ist die Unveränderlichkeit Jesu und seines Evangeliums, die uns veränderungsfähig macht.
Für uns Menschen ist Unveränderlichkeit keine Ehre – das gilt nur für Jesus. Es wäre schlimm, wenn es keine Entwicklung gäbe. Es wäre schlimm, wenn es keine Reifung mehr in unserem Leben gäbe.
Dass wir uns aber getrost verändern können, hängt mit dieser Verlässlichkeit Jesu zusammen. Weil er derselbe bleibt, weil er der Anker in der Zeit ist, weil er dieses feste Fundament ist, dieser feste Grund, auf den ich bauen, auf dem ich bauen, mit dem ich leben kann, kann ich mich verändern in den vielerlei Herausforderungen, die unserem Leben immer wieder auferlegt werden.
Wenn dieser Jesus, der verheißen hat, bei uns zu sein und bei uns zu bleiben bis ans Ende der Welt, derselbe bleibt, dann müssen wir es nicht bleiben. Dann können wir weiterkommen, dann können wir reifen.
Herausforderungen und Chancen der Veränderung
Viele von Ihnen haben in den letzten Jahren – und werden auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten – mit großen Herausforderungen zu tun haben. Diese Herausforderungen betreffen vor allem den Arbeitsplatz. Es ist heute nicht mehr so, dass man an einem einzigen Arbeitsplatz von der Lehre bis zum Ruhestand bleibt.
Viele Menschen müssen sich im Laufe ihres Lebens immer wieder auf verschiedene Berufsfelder und Arbeitsplätze einstellen. Wir sind zu einer mobilen Gesellschaft geworden. Viele werden im Leben umziehen müssen, möglicherweise auch weit weg. Zudem werden wir uns ständig auf neue technische Herausforderungen einstellen müssen.
Das Leben ist zu einer einzigen großen Veränderung geworden. Das macht uns Mühe, es ist anstrengend und kann uns stressen. Manchmal reagiert man darauf allergisch und denkt: „Ich will mich nicht mehr verändern.“ Doch das wäre der Anfang des Todes, denn Jesus bleibt unveränderlich. Weil Jesus unveränderlich ist und bleibt – gestern, heute und in Ewigkeit – können wir anders werden.
Wir können uns den Herausforderungen unseres Lebens stellen und die Probleme angehen, die auch damit zusammenhängen, dass wir uns nicht verändern wollen. Auch Gemeinden können anders werden, Kirchen können sich verändern und erneuern.
Weil Jesus unveränderlich ist, können wir unsere Gemeinden und Kirchen mutig reformieren und erneuern. Wenn das Gute an Jesus in ihnen steckt, dann können sich Frömmigkeitsformen ändern, Gottesdienstformen können sich wandeln, und auch Gemeinde- und Kirchenformen können sich verändern.
Treue durch Wandel bewahren
Ein weiser und frommer Mensch hat einmal gesagt: Wenn wir den Vätern und Müttern treu bleiben wollen, dann müssen wir anders sein als sie.
Was einer Kirche und einer Gemeinde, was einem Christenmenschen die Identität gibt, das sind nicht Formen, sondern Jesus und sein Wort.
Für Christen gibt es eigentlich nur sehr wenig, das sich nicht ändern kann. Eigentlich ist das nur der Glaube an Jesus und der Glaube an dieses eine unveränderliche Evangelium, das wir zu hören haben. Diese bleiben.
Und weil sie bleiben, kann ich anders werden. So kann ich an Jesus glauben, und er kann in mir bleiben.
Ich danke Ihnen für das geduldige Zuhören. Amen.