Die Verantwortung gegenüber dem Nächsten erkennen
Und Jesus dreht die Frage einfach um und fragt dich, fragt uns, fragt mich, Jürgen: Wem bist du Nächster?
Der Gesetzesgelehrte, mit dem Jesus spricht, antwortet richtig (Lukas 10,37): „Er aber sprach, der die Barmherzigkeit an ihm übte.“ Jesus aber sprach zu ihm: „Geh hin und handle ebenso.“
Einer, der weise ist, wird die Menschen in seiner Umgebung erkennen, denen er Nächster werden kann. Er wird wissen, dass er eine Verantwortung hat, in dieser Welt, wenn es in der Macht seiner Hand steht, etwas zu tun.
Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass dieses Gebot Grenzen hat. Auch die Bibel sagt, dass dort, wo Arbeitsunwilligkeit vorliegt – also wenn jemand einfach nicht arbeiten gehen will –, die Bibel auch sagt, dann soll er auch nicht essen. Wenn jemand meint, auf Arbeit verzichten zu können, dann soll er auch auf Frühstück, Mittagessen oder Abendessen verzichten.
Genauso ist es, wenn jemand habsüchtig ist. Manchmal wollen Leute Dinge haben, aber nicht, weil sie sie wirklich brauchen, sondern nur, weil sie sie haben wollen. Das ist genauso falsch.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass wir, wenn wirklich Not vorliegt, auch helfen sollen. Das setzt voraus, dass wir ein echtes Interesse an Menschen haben. Denn dieses Gebot enthält kein Gutes vor, der darauf ein Anrecht hat.
Es geht davon aus, dass ich den anderen, den, der mir Nächster ist, so gut kenne, dass ich auch seine Not sehe. Dass ich auch weiß: „Aha, so geht es ihm wirklich.“ Und wenn es in der Macht deiner Hand steht, es zu tun – okay, manchmal haben wir selbst nicht viel. Wenn du selbst nichts hast, dann musst du dich auch nicht übernehmen. Dann bist du nicht derjenige, der jetzt gefragt ist.
Aber lasst uns an der Stelle wieder vorsichtig sein. Ich hatte euch gestern schon den Vers genannt, der mich als reichen Europäer immer wieder herausfordert: „Verkauft eure Habe und gebt Almosen.“
Ich glaube, wir leben in einer Tendenz in unserer Zeit, wo das, was wir meinen, unser Standard sein müsste, worauf wir ein Anrecht haben, nicht der andere ist, sondern wir selbst. Ich glaube, dass wir tendenziell eher dazu neigen, unser eigenes Niveau relativ hoch anzusetzen und dann zu sagen: „Ich habe ja nichts mehr“, obwohl da vielleicht doch noch das eine oder andere ist, was sich unproblematisch weggeben ließe.
Oder wenn ich ehrlich bin – wie in meinem Fall – habe ich wahrscheinlich einen ganzen Keller voll Zeugs, das ich unproblematisch weggeben könnte. Und in meiner Wohnung steht noch einiges herum, das ich unproblematisch weggeben könnte.
Dass ich das nicht denke, dass ich an dieser Stelle eigentlich eher so von der Idee herkomme: „Meins ist meins“ und nicht „Meins ist Gottes, mir nur anvertraut.“ Wenn er mir so einen Vers über den Weg schickt wie diesen hier, dann muss ich mir zuerst Gedanken machen: Wer ist mein Nächster? Und nicht: „Ich habe ja eigentlich gar nichts.“
Die Dringlichkeit des Helfens und die Haltung gegenüber dem Nächsten
Dann darf ich noch einen zweiten Blick darauf werfen. Und das geht noch ein Stückchen weiter, Vers 28: Sage nicht zu deinem Nächsten: „Geh hin und komm morgen wieder, und morgen will ich geben.“
Das ist auch so: Es geht nicht nur darum, irgendwann zu geben. Die Bibel betont, wie wichtig es ist, unverzüglich zu geben. Wenn ich von einer Not weiß und jemand sagt: „Hey, ich habe ein Problem“, dann sollte ich nicht sagen: „Komm morgen wieder, ich will erst mal darüber nachdenken“ oder „Jetzt habe ich keine Zeit“ oder „Jetzt geht es gerade nicht.“ Stattdessen sollte man, wenn man kann, sofort helfen.
Wenn du die Möglichkeit hast, hilf gleich. Und wenn du die Möglichkeit nicht hast, dann kannst du ehrlich sagen: „Ich kann das nicht.“ So weiß der andere Bescheid.
Im Mittelalter oder bis zum Mittelalter war ein römischer Autor sehr bekannt. Er hieß Publius Syrus und hat einen kurzen Satz geprägt. Lesen wir ihn mal im Original vor: „Bis dat qui cito dat“. Auf gut Deutsch heißt das: „Doppelt gibt, wer schnell gibt.“
Warum? Weil es doppelt Freude bereitet. Nicht nur, weil man überhaupt hilft, sondern weil man sofort hilft.
Man kann sich das gut vorstellen: Du hast eine Not. Ich habe öfter Nöte, glücklicherweise nicht finanzieller Art, sondern technischer Art. So etwas wie: Irgendwas läuft nicht, irgendwo ein Gerät, das eigentlich grüne Lämpchen haben sollte, zeigt ein rotes Lämpchen, und irgendwie geht gar nichts mehr.
Dann habe ich jemanden, der sich mit Technik auskennt. Den rufe ich an, und der sagt: „Jürgen, du musst den Knopf drücken.“ Und ich freue mich immer, wenn mir jemand das gleich sagt und nicht sagt: „Ich habe jetzt gerade keine Zeit.“
Manchmal geht derjenige gar nicht ans Telefon, weil er schon sieht: „Jürgen Fischer“ steht im Display. Er denkt sich vielleicht: „Mann, schon wieder so eine blöde technische Frage.“ Aber wenn jemand rangeht und fragt: „Was hast du denn für ein Problem?“ Und ich sage: „Ja, da ist ein rotes Lämpchen.“ Dann weiß er vielleicht auch nicht gleich weiter.
Es gab schon die urigsten Sachen, bei denen man wirklich nur einen Knopf drücken musste, und dann war alles wieder gut. Oder manchmal ist es die simple Sache für Techniker: „Zieh mal hinten den Stecker raus, steck ihn wieder rein, dann schauen wir mal.“
Und meistens, also oft schon, war dann alles wieder gut. Da freut man sich. Ja, da freut man sich als Nicht-Techniker: „Ah, so macht man das, schön.“
Und ich freue mich doppelt, wenn derjenige mir gleich eine Antwort gibt und nicht sagt: „Ah, das passt mir jetzt gerade nicht. Wenn du in vier Tagen noch mal anrufst, dann hätte ich vielleicht noch mal kurz Zeit.“
Nie warten lassen, immer gleich geben.
Die Gefahr des Bösen im vertrauten Umgang vermeiden
Und wo wir gerade dabei sind, dem anderen etwas Gutes zu tun:
Vers 29 sagt: Schmiede nichts Böses gegen deinen Nächsten, während er vertrauensvoll bei dir wohnt.
Das ist eine ganz fiese Sache. Es ist eine Sache, einem anderen etwas vorzuenthalten, wenn er Hilfe braucht. Aber es ist etwas ganz anderes, ihn erst aufzunehmen und dann im Schutz der Gastfreundschaft, wenn er sich sicher fühlt, wenn er vielleicht auch ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat und womöglich seine Schwächen offenbart hat, aus dieser Position heraus gegen ihn etwas Böses zu tun.
Das darf uns niemals passieren. Ganz einfach. Das geht einfach gar nicht. Wir sollen grundsätzlich nichts Böses gegen jemand anderen schmieden. Aber auf keinen Fall aus so einer Position der Stärke heraus.
Es tut so weh, wenn der, dem ich vertraut habe, der mich vielleicht besser kennt als alle anderen, der meine schwachen Stellen kennt, das, was er da weiß, gegen mich verwendet.
Und die Sprüche sagen: Mach das auf keinen Fall, also wirklich nie. Selbst wenn du auf jemanden stinkesauer bist und denkst, jetzt würge ich ihm eine rein. Und du weißt da ein paar Sachen, die nur du weißt, und du weißt, wenn du das machst, tut es ihm richtig weh. Lass die Finger davon. Bitte, nie, nie, niemals tun, okay?
Umgang mit Streit und das Prinzip der Vergebung
Vers 30: Hadere nicht mit einem Menschen ohne Ursache, wenn er dir nichts Böses angetan hat.
Die Bibel geht davon aus, dass Menschen ein Recht darauf haben, streitfrei leben zu dürfen. Es wird als selbstverständlich angesehen, dass wir nicht der Auslöser für Streit sein sollten. Das klingt einfach, oder? Wir wollen einfach keinen Streit anfangen.
Einer meiner Lieblingsverse dazu steht in Sprüche 20,3. Diesen Vers habe ich sehr früh auswendig gelernt. Es hat mich jedoch zehn Jahre gekostet, ihn in meinem Leben umzusetzen. Ich bin dankbar, dass er schließlich Wirklichkeit geworden ist.
Sprüche 20,3: "Ehre ist es dem Mann, vom Streit abzulassen, jeder Narr aber fängt Streit an."
Ein schöner, einfacher Vers. Wenn du mal wieder unüberlegt oder dumm reagieren möchtest – egal ob Mann oder Frau –, hier ein Tipp: Fang Streit an. Mach es einfach. Und dann schau in den Spiegel und sag dir: „Du Narr, Sprüche 20,3 – jeder Narr fängt Streit an!“
Und noch einmal Vers 30: "Hadere nicht mit einem Menschen ohne Ursache!"
Jetzt muss ich Folgendes sagen: Es gibt Situationen, in denen man gegen etwas vorgehen muss. Es gibt durchaus Böses, das bekämpft werden muss.
Ein Beispiel: Wenn nachts um halb drei jemand schwarz vermummt in deiner Wohnung steht und in deinen Sachen wühlt, den du nicht kennst, musst du ihm nicht freundlich das Licht anmachen und sagen: „Hallo, ich bin Christ, ich zeige Ihnen, wo meine wertvollen Sachen sind.“
Wir sollen nicht nur die andere Wange hinhalten, sondern auch die erste. Aber wenn jemand in deine Wohnung eindringt, ist es völlig unvernünftig, ihn einzuladen, auch noch die Nachbarwohnung zu öffnen. Das merkt ihr auch. Manche denken so, aber es gibt Böses, gegen das wir sehr wohl hadern, streiten und vorgehen dürfen. In solchen Fällen ist es zum Beispiel richtig, die Polizei zu rufen und sich zu verteidigen.
Doch es gibt viele Formen von Bösem, bei denen wir uns gut überlegen sollten, ob es sich lohnt, dagegen anzukämpfen. Wenn Jesus in der Bergpredigt davon spricht, dass nicht jedes falsche Verhalten eine Revanche verdient, meint er genau das.
Wenn jemand dir die rechte Wange schlägt – und es ist tatsächlich die rechte Wange – dann ist das kein Angriff aufs Leben. Es ist eher eine Provokation, so wie im Mittelalter, wenn man jemandem einen Fehdehandschuh zuwirft. Es ist ein leichter Backenstreich, eine Provokation bis aufs Messer. Sonst wäre es die andere Wange.
Wenn jemand dich provoziert, denk an die zweite Meile. Ein römischer Soldat durfte verlangen, dass du seine Sachen eine Meile weit trägst. Du kannst aber freiwillig noch eine zweite Meile gehen, weil du dich nicht provozieren lässt.
Es gibt Böses in der Welt, bei dem wir formal das Recht hätten, zu hadern, zu streiten und dagegen vorzugehen. Trotzdem sagt Jesus: Wenn es irgendwie möglich ist, sollen wir so leben wie unser Vater im Himmel.
Wie lebt unser Vater im Himmel? Er lässt die Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte. Das heißt, er sieht, was die Menschen tun, aber er versucht trotzdem, ihnen so viel Gutes wie möglich zu geben. Genau so sollen wir auch leben.
Wir haben in der Bibel ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und darauf, dass unser Ansehen bewahrt bleibt. Gleichzeitig dürfen wir ein Stopp für das Böse sein.
Das Böse kommt in diese Welt, trifft uns, und wir schlagen nicht zurück. Ich lasse es einfach sein. Wenn mich jemand beleidigt, vergelte ich nicht Böses mit Bösem. Ich lasse das Böse ins Leere laufen. Ich werde für das Böse wie eine Gummizelle: Das Böse nimmt Anlauf, springt gegen mich und prallt ab.
Das ist die Idee hinter der Bergpredigt: Soweit es möglich ist, sollen wir dem Bösen Paroli bieten, indem wir nicht Böses mit Bösem vergelten, sondern das Böse mit Gutem kontern.
Im Römer 12 wird Paulus dann richtig deutlich und nimmt Bezug auf die Sprüche:
"Wenn nun dein Feind hungert, so speise ihn; wenn er durstet, gib ihm zu trinken. Denn wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten."
Das ist das Ziel.
Der Vers geht also einen kleinen Schritt über das hinaus, was hier steht. "Hadere nicht mit einem Menschen ohne Ursache, wenn er dir nichts Böses getan hat." Ja, das ist völlig richtig.
Wir kommen vom Neuen Testament, und Jesus hat das noch etwas genauer ausgelegt. Selbst wenn etwas Böses passiert, sollen wir gut, sicher und klar überlegen, ob es sich lohnt, dagegen vorzugehen.
Vielleicht ist das Beste, was wir für unsere Gesellschaft, unsere innere Gesundheit und alle Menschen tun können, einfach nichts zu tun. Wenn wir sagen: "Nö, ich lasse mich nicht vom Bösen überwinden, ich kontere es mit Gutem."
Ein Beispiel aus der Bergpredigt: Wenn dein Feind vor der Tür steht und sagt, er hätte gern etwas geliehen, weil er zu wenig hat, dann sagst du nicht: „Haha, jetzt kann ich dir mal eine reinwürgen, jetzt bin ich der Stärkere.“
Stattdessen sagst du: „Klar, ich helfe dir. Wie kann ich dir helfen? Was kann ich dir Gutes tun? Wo kann ich für dich da sein?“ Denn du wünschst dir, ihm „feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln.“
Das ist ein Bild. Der Kopf fackelt nicht wirklich ab, aber es wird ihm unangenehm warm. Niemand mag das.
Wenn du schon jemanden, dem du selbst Böses getan hast, um Hilfe bitten musst, und der dir mit größter Freundlichkeit antwortet: „Na klar, logisch“, dann ist das unangenehm. Aber dazu sind wir berufen.
Und das gelingt wahrscheinlich nur, wenn wir ganz konsequent anders leben. Dieses konsequent andere Leben – nicht streiten, kein Böses tun, nicht die Schwachstellen anderer ausnutzen, wie wir eben gelesen haben – setzt wahrscheinlich einen Punkt voraus.
Die innere Haltung gegenüber Gewalt und Neid
In meiner persönlichen Identität als Christ muss ich sehr stabil sein. Ich muss wissen, dass das, was ich lebe, absolut richtig ist. Ich muss absolut davon überzeugt sein. Das wird nur gelingen, wenn Vers 31 in meinem Leben eine Realität ist: „Beneide nicht den gewalttätigen Mann und wähle keinen von seinen Wegen.“
Das ist eine große Gefahr, wenn du sagst: „Ich möchte mit Gott leben und ich möchte so ein guter Mensch sein, einer, der sanftmütig und geduldig ist.“ Dann muss ich erleben, wie sich einer verhält, nämlich hier der gewalttätige Mann. Es gibt einen, der nimmt sich einfach, was er haben will. Er ist rücksichtslos, und es sieht auch noch so leicht aus, wie er das macht. Er schnappt sich das einfach und denkt, es muss doch mal jemand etwas sagen. Aber es sagt keiner etwas. Er kommt einfach mit seinem Ding durch, und du stehst daneben und denkst dir: Mann, das kann doch einfach nicht sein.
Es kann sein, dass er körperliche Gewalt einsetzt. Es kann sein, dass er andere beschuldigt, etwas getan zu haben, was sie gar nicht getan haben. Vielleicht verletzt er mit Worten oder hat einfach schlechte Freunde, die ihn unterstützen. Auf alle Fälle macht er eine ganz fiese, miese Tour, und er kommt damit durch. Du stehst daneben und denkst dir: Na super, und ich halte mich hier an das, was Gott sagt, und ich ziehe mal wieder den Kürzeren. So etwas Doofes!
Die Gefahr ist, in solchen Momenten, wenn wir das erleben – und das gilt für Schüler in der Schule genauso wie für Menschen am Arbeitsplatz –, dass wir für einen kurzen Moment überlegen: Wäre es nicht total toll, wenn ich es mal genauso machen würde? Einfach mal dieses Verhalten von diesem brutalen Typen für einen Moment imitieren. Einfach nur mal in so einer Situation, die förmlich nach Rache schreit, auch mal die Ellenbogen ausfahren und sagen: „So, Freund, das kann ich auch.“
Ich weiß, ich habe in der Schule relativ viel einstecken müssen, immer wieder verbal. Irgendwann habe ich dem dann einfach ein Ende bereitet – nicht verbal. Genau, mit 14 war ich klein und dick, und mit 16 war ich groß und stark. Das war ein Vorteil. Aber es war nicht richtig. Irgendwann denkst du: „So, Freund, letztes Jahr war ich noch fünf Zentimeter kleiner als du, jetzt bin ich auf Augenhöhe.“ „Nee, Freund, das machen wir nicht so.“ Und dann schnappst du dir den Kerl und zeigst ihm einfach, wo das Stoppschild in deinem Leben steht.
Aber das ist nicht das, was hier steht. Nicht dieses „Ich schlage jetzt mit gleicher Münze zurück, ich, ich, ja.“ Sondern: Nein, wir fangen gar nicht erst an, den anderen zu beneiden. Diese Versuchung, das eigene Recht mit Härte und Gewalt durchzusetzen – dieser Versuchung müssen wir widerstehen.
Ich weiß, dass dieser Gedanke ganz verlockend sein kann: Böses mit Bösem zu vergelten. Und die Sprüche sagen: „Lass es sein, lass es einfach sein. Du bist dann am Ende kein Stück besser als der, den du da beneidet hast.“ Wir dürfen eines nicht vergessen: Wenn wir uns auf diesen Weg machen, den der andere schon lange betreten hat, wenn wir den Weg des Bösen selbst betreten, dann wird Gott uns auch als Ungerechte einstufen. Dann wird Gott gegen uns sein.
Deswegen geht das nicht. Wir sind für das Gute. Wir helfen Menschen. Wir nutzen sie nicht aus. Wir beneiden nicht die Bösen.
Die Konsequenzen der Verkehrtheit und der Umgang mit Sünde
Vers 32: Denn der Verkehrte ist dem Herrn ein Gräuel. Bitte vergiss das nie. Dort, wo wir denken, das Böse sei eine Alternative, muss uns dieser Vers vor Augen stehen: Der Verkehrte ist dem Herrn ein Gräuel.
Gräuel ist wirklich so etwas wie das Gefühl, das du vielleicht hast, wenn du an einem warmen Sommertag eine Biotonne öffnest. Du machst sie auf und schließt sie lieber gleich wieder. Es ist ein Gräuel, weil es stinkt, modert und gärt. Du siehst kleine weiße Maden darin und denkst dir: „Bloß schnell wieder zu, ich will da gar nicht reinschauen.“ So etwas ist ganz widerlich.
Ich erkläre das so, weil Gräuel nicht einfach bedeutet: „Ach, den mag ich gerade nicht so.“ Sondern Gräuel heißt: Ich will nichts mit dem zu tun haben, ich will nicht darüber nachdenken müssen. Und Gott hat, wenn er an den Verkehrten denkt, genau dieses Gefühl.
Ich weiß, dass wir das manchmal nicht zusammenkriegen. Wir tun uns schwer, wenn wir an Gott denken und gleichzeitig seine Heiligkeit und seine Liebe wahrnehmen. Der Gott, der alles investiert hat, weil er gerade den Sünder und den Verkehrten liebt und für ihn gestorben ist, ist der gleiche Gott, der den Verkehrten, weil er verkehrt ist, wie ein Gräuel ansieht.
Es ist beides bei Gott. Wenn Gott das Sündhafte des Sünders sieht, dann ist es ihm ein Gräuel. Und wenn er seine Verlorenheit sieht, dann springt er mit seiner Liebe an seine Seite und sagt: „Lass dich retten!“ Aber beides ist eine Realität.
Wenn wir, wie es hier heißt: „Denn der Verkehrte ist dem Herrn ein Gräuel, aber sein vertrauter Umgang ist mit den Aufrichtigen“, wenn wir mit Gott vertraut sein wollen, wenn du sagst: „Ich möchte von ganzem Herzen mit Gott leben, ich möchte ganz nah bei ihm sein“, dann müssen wir uns vor Augen halten, dass ein Christ, der sündigt und bewusst den Weg des Bösen geht, in diesem Moment Gott auch ein Gräuel ist.
Wir stehen dann kein Stück besser da. Wir können nicht sagen: „Na ja, Jesus ist ja für unsere Sünde gestorben, dann spielt Sünde für uns gar keine Rolle mehr.“ Ich gebe zu, dass Sünde für uns nicht die Rolle spielt, wie für den, der verloren geht. Sünde ist nicht mehr das, was mich in Ewigkeit von Gott trennt, weil die Schuld meiner Sünde ein für allemal bezahlt ist.
Aber in dem Moment, in dem ich mich auf Sünde einlasse, in dem Moment, in dem ich vielleicht denke: „Na ja, meine Schuld ist eh am Kreuz bezahlt, da kann ich mir doch sicherlich ein bisschen mehr erlauben als der andere“, dann ist das ein falscher Gedanke.
Kennt ihr diesen Gedanken? So etwas wie: „Eigentlich ist doch alles gut, so schlimm ist Sünde für mich gar nicht mehr. Ich bin doch jetzt schon so halb im Himmel, da kann ich doch ein bisschen leben, wie ich will.“ Dieser Gedanke ist total falsch.
Sünde ist mehr als eine böse Tat. Sünde ist wie eine Einladung an den Teufel, sein Zerstörungswerk in meinem Leben zu vollbringen – und jetzt passt auf – im Leben derer, die mir nahestehen.
Manchmal denke ich, vielleicht seid ihr viel heiliger, aber ich denke manchmal, wenn eine Versuchung kommt, dann sehe ich ganz isoliert die eine Sünde, die ich tun möchte. Und ich denke mir: „Jürgen, sie bringt dich nicht in die Hölle, und du hast es bestimmt im Griff, was danach passiert.“ Ja, es wird vielleicht eine Strafe geben, Gott wird nicht so richtig dafür sein, aber das kannst du dir jetzt mal erlauben.
Gerade wenn du vorher eine Weile sehr heilig gelebt hast, wenn es gut läuft, du in der Bibel gelesen und gebetet hast und ein paar Sachen geschafft hast, dann kommt diese Versuchung und du denkst: „Jetzt kannst du dir auch mal was gönnen.“ Dann entsteht diese Sünde.
Und es ist nie nur diese eine Sünde, die du tust, diese eine Tat, sondern es ist immer ein Geflecht. Es ist immer so, dass meine Sünde meine Familie beeinflusst.
Ob uns das passt oder nicht, die Bibel spricht davon, dass Sünde bis ins dritte und vierte Glied bestraft wird. Das heißt, wenn Gott meine Sünde richtet, dann trifft es auch meine Familie. Das mögen wir nicht gerne hören, aber ich will euch ehrlich sagen, dass es ein Gedanke ist, der nicht nur in der Bibel steht, sondern auch mich persönlich anzickt, wenn ich darüber nachdenke zu sündigen.
Denn ich denke manchmal: Es ist meine Sünde. Und Gott sagt: „Nein, Freund, es ist nicht nur deine Sünde.“ Sünde hat immer eine kollektive Dimension. Sie betrifft immer auch die Leute, die mit dir zu tun haben, von dir abhängig sind oder für die du Verantwortung trägst.
Deshalb dieses ganz deutliche Wort hier: „Der Verkehrte ist dem Herrn ein Gräuel.“ Lasst uns bei Sünde bitte aufpassen. Lasst uns niemals damit spielen. Lasst uns immer diesen vertrauten Umgang mit Gott suchen.
Gott ist nie nur ein außenstehender Betrachter. Er ist immer auf sehr persönliche, emotionale Weise von deiner Sünde berührt.
Und es geht noch weiter: Vers 33: „Der Fluch des Herrn ist im Haus des Gesetzlosen.“ Dort, wo Gesetzlosigkeit gelebt wird, da ist Gottes Fluch. Und Fluch ist das Schlimmste, was einem passieren kann.
Der Fluch des Herrn ist das Gegenstück zum Segen. Das heißt, man übergibt eine Person dem Untergang. Wenn jemand sich bewusst auf den Weg des Bösen begibt und sagt: „Das will ich leben“, dann sagt Gott: „Okay, aber die Konsequenz ist mein Fluch.“ Das ist das, was ich dir hinterherschicke. Das ist quasi die Rahmenbedingung, in der du dich dann bewegst.
Lasst uns bitte ganz vorsichtig sein. Lasst uns das nicht einfach lesen und denken: „Na ja, das ist vielleicht nicht so dolle, wie es ihm dann geht.“ Das ist etwas ganz, ganz Schlimmes, was hier steht.
Der Fluch des Herrn ist im Haus des Gesetzlosen, nicht nur in seiner Person. Sein Haus, seine ganze Familie ist davon betroffen.
Und ich hoffe, dass ihr mit mir zusammen erschreckt, wenn ihr die Geschichte von Achan lest: Einer stiehlt, und die ganze Familie wird ausgelöscht.
Das heißt nicht, dass die Kinder von Achan an dieser Stelle nicht in den Himmel kommen können, okay? Nicht, dass wir das durcheinanderbringen. Jede Seele ist selbstverantwortlich für ihre Schuld (vgl. Hesekiel 18,20).
Aber wenn es darum geht, dass ich als Vater sündige und Gottes Fluch mein Leben trifft, dann trifft es nicht nur genau Jürgen, sondern auch meine Familie. Denn so funktioniert Sünde.
Wir können uns dreimal dagegen auflehnen. Wir haben die freie Wahl als Eltern: Entweder sind wir mit unserem Leben der größte Schutz und das Allerbeste, was unseren Kindern jemals passiert ist – und das sage ich gerne den Müttern, die sich so ins Zeug legen. Das ist so der liebste Satz, den ich Müttern sage: „Du bist mit deinem geistlichen Leben das Beste, was deinen Kindern jemals passieren konnte.“
Das finde ich total wichtig, dass wir das verstehen. Wir mögen nicht alles richtig machen, aber weil wir uns ins Zeug legen, weil wir mit Gott leben wollen, da, wo ich es wirklich will – hier, wie heißt es da? – „Aber er segnet die Wohnung der Gerechten.“ Da, wo Eltern gerecht leben, wo sie sagen: „Ich bemühe mich“, da liegt Segen Gottes auf meiner ganzen Familie. Das gilt auch für Väter.
Aber Vorsicht: Wo wir uns erlauben, gegen Gottes Gebote zu sündigen, da werden wir statt ein Kanal unglaublichen Segens zu sein, zum Fluch für unsere Kinder.
„Der Fluch des Herrn ist im Haus des Gesetzlosen, aber er segnet die Wohnung der Gerechten.“ Es ist wirklich so, dass Leben und Tod vor unseren Augen stehen. Wir müssen uns immer wieder entscheiden.
Und ich glaube, wir wissen, wofür wir uns entscheiden wollen, oder? Für ein Leben, in dem wir zum Segen werden. Und Segen ist immer an Gehorsam gebunden. Wir leben das Richtige, und Gott freut sich und segnet.
Oder wir gehen den Weg des Bösen. Und Gott sagt: „Entschuldigung, damit habe ich gar nichts zu tun.“ Er zieht sich zurück, und wir müssen ausbaden, was wir uns eingebrockt haben.
Ihr merkt: Im Neuen Testament gibt es oft eine starke Betonung auf „Bekehr dich, dann kommst du in den Himmel.“ Die Sprüche zeigen uns die andere Seite auf: Wenn du wirklich bekehrt bist, dann will dein Herz, dann willst du mit allem, was du bist, Gott gefallen. Und dann wirst du anders leben.
Jetzt verstehen wir die Spannung besser zwischen Jakobus, der sagt: „Glaube ohne Werke ist tot“, und Paulus, der sagt: „Werke können dich nicht retten.“ Werke können uns nicht retten, das ist richtig, das muss der Glaube tun. Aber echter Glaube ist immer ein Glaube, der sich im Leben zeigt. Und er zeigt sich an ganz banalen Stellen.
Er zeigt sich zum Beispiel darin, ob ich mich um die Not anderer kümmere, ob ich die Not anderer ausnutze, ob ich andere beneide oder ob ich mich ab und zu dazu hinreißen lasse, ganz bewusst zu sündigen.
Ich wünsche euch, dass ihr das nicht tut. Und ich möchte euch bekennen, dass ich es nicht immer schaffe. Nicht, dass ihr denkt, hier steht einer, der euch da irgendwo etwas voraus hat. Das stimmt überhaupt nicht.
Mit schöner, blöder Regelmäßigkeit tappe ich in diese Falle, dass eine Sünde da ist, bei der ich denke: „Die tust du jetzt mal.“ Und dann gibt es bei mir auch diesen Heiligen Geist-Impuls, der sagt: „Achtung!“ Und dann mache ich es trotzdem.
Irgendwann habe ich angefangen, mir bei bestimmten Sünden aufzuschreiben, was sie mich wirklich kosten, was ich vorher dachte, dass sie mich kosten, und was sie mich nachher wirklich gekostet haben.
Ich habe festgestellt: Sünde X – ich denke mir, ich mache das einfach mal, ja, wird schon nicht so schlimm sein. Und dann merke ich plötzlich, ich habe gesündigt. Und dann ist in der Woche danach meine Beziehung zu Gott komisch. Dann gelingen plötzlich bestimmte Dinge nicht, die sonst immer gelungen sind.
Ich kann eine direkte Verbindung zwischen Sünde und Streit mit meiner Frau ziehen. Ich weiß nicht warum, aber es ist so: Ich tue etwas, und meine Beziehung zu meiner Frau wird schlechter, ebenso die Beziehung zu den Kindern.
Wenn man das mal aufschreibt, was wirklich nach so einer Sünde passiert, dann ist das erschreckend. Es ist nicht so, dass ich sündige und Gott mir nur einen kleinen Tritt gibt und dann ist alles wieder gut. Das stimmt nicht. Da werden Beziehungen kaputtgemacht.
Weisheit und Torheit: Ehre und Schande
Vers 35: Die Weisen erben Ehre, aber die Toren erhöhen die Schande. Das bedeutet, für die einen bleibt die Ehre bestehen, während für die anderen – und hier möchte ich „die Toren erhöhen die Schande“ etwas leichter übersetzen – das Einzige, was Toren vorweisen können, ihre Schande ist.
Im Neuen Testament wird dieser Gedanke in Philipper 3,18-19 für Menschen beschrieben, deren Gott der Bauch ist und deren Ehre in ihrer Schande liegt. Das heißt: Alles, was diese Menschen besitzen, ist letztlich Schande.
Ich bleibe bei denen, deren Gott der Bauch ist, wie es in Philipper 3,18-19 steht. Wenn jemand sagt: „Mein Gott ist mein Bauch“, dann meint er damit jemanden, der leidenschaftlich gern isst, alle Feinschmecker-Restaurants kennt und wahrscheinlich eine Kochbuch-Sammlung zu Hause hat, die so umfangreich ist wie meine theologischen Bücher.
Wenn du so jemandem begegnest, worin besteht seine Ehre? Nun, darin, dass er alles über Essen weiß. Doch eigentlich ist das seine Schande. Es ist die größte Dummheit seines Lebens. Eigentlich müsste er sich an den Kopf fassen und sagen: Wie kann es sein, dass ich alles über Essen weiß und nichts über Gott?
So verhält es sich bei den Toren: Das, was sie erhöht, ist genau das, was ihnen die größte Schande bereiten müsste.
Bei den Weisen ist es genau umgekehrt: Das, was sie erhöht, ist das, was wirklich etwas wert ist – nämlich Weisheit.
Lasst uns nun gemeinsam Kapitel 4 durchgehen. Das würde ich nämlich jetzt gerne machen. Kapitel 4 hat 27 Verse, und wir wollen das in etwa 45 Minuten schaffen. Das heißt, wir werden uns für jeden Vers ungefähr eineinhalb bis zwei Minuten Zeit nehmen.
Dabei sind einige wirklich schöne Verse enthalten. Also nicht abschalten, wenn die Geschwindigkeit zunimmt, sondern schön dranbleiben.
Göttliche Weisheit als zentraler Bestandteil familiärer Belehrung
Sprüche 4, Verse 1 bis 9, überschrieben mit „Göttliche Weisheit als zentraler Bestandteil familiärer Belehrung“.
Vergebt mir solche Überschriften, okay? Es ist einfach so: Man studiert und studiert und irgendwann findet man irgendeine Überschrift. Dann ist man so froh, dass man eine Überschrift hat, dass man nicht mehr länger darüber nachdenkt. Wenn man sie dann von vorne vorliest, denkt man auch: Wer hat sich das denn ausgedacht? Das muss doch irgendwie kürzer und prägnanter gehen. Bestimmt. Vielleicht mache ich das auch mal heute nicht.
Also: Göttliche Weisheit als zentraler Bestandteil familiärer Belehrung.
Vers 1: „Hört, Söhne, die Unterweisung des Vaters, und merkt auf, um Verstand zu erkennen.“ Den Gedanken kennen wir schon, dass der Vater hier jetzt nicht nur einem Sohn, sondern mehreren Kindern etwas sagt. Im Fokus steht der Gedanke, dass Eltern ihre Kinder belehren. Ihr werdet das gleich sehen.
Wir haben einen ganz starken Fokus auf der Idee, dass göttliche Weisheit von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Der Großvater belehrt den Vater, der Vater schnappt sich den Sohn, und der Sohn soll fähig sein, mit dem, was er gelernt hat, wieder die nächste Generation mit der Weisheit Gottes zu erreichen. Dieser Gedanke wird ganz stark in Sprüche 4 kommuniziert.
Warum kann der Vater – und noch einmal: Es gilt auch für die Mutter – sich hinstellen und so autoritativ sagen: „Hört zu!“?
Vers 2: „Denn gute Lehre gebe ich euch, also verlasst meine Belehrung nicht.“ Ich finde es fantastisch, wie der Vater hier auftritt und sagt: „Weißt du was, Kleiner, das, was ich dir sage, ist gut. Das ist nicht nur eine Meinung unter vielen. Ich weiß, dass das, was ich zu sagen habe, Qualität enthält.“ Und weil es Qualität ist, hörst du mir jetzt einfach mal zu.
Vers 3: Wo kommt diese Qualität her? Jetzt merken wir diesen Rückbezug, dass der Vater sich an die Dinge erinnert, die er selbst erlebt hat. „Denn ein Sohn bin ich meinem Vater gewesen.“ Damit ist nicht gemeint, dass er nur biologisch Sohn war, sondern ein guter Sohn. Ich bin ein Sohn im Sinne von einem nicht rebellischen Sohn gewesen. Anders ausgedrückt: Ich habe zugehört, und deswegen hörst du mir jetzt auch zu.
„Denn ein Sohn bin ich meinem Vater gewesen, ein zarter und einziger von meiner Mutter.“ Man merkt schon, der Vater hat sich gedacht: Freund, jetzt machen wir mal eine erste Belehrung. Jetzt fangen wir mal an, über die Bibel zu reden. Und Mami dachte sich vielleicht: Das ist noch der Kleine, Zarte, der kann das nur noch nicht machen, er ist noch ein bisschen jung. Und Papa sagt: Zu jung? Nein, jetzt geht es los.
In der damaligen Zeit hat man die Kinder ungefähr bis zu drei Jahren gestillt. Das heißt, wenn hier davon ausgegangen wird, dass kein weiteres Kind da ist, ein Zarter, ein Einziger, dann war der Kleine ungefähr drei, vier Jahre alt, als der Vater ihn nimmt und sagt: „Hör her, man kann nicht früh genug anfangen, dich auf ein paar Dinge hinzuweisen.“
Interessanterweise erinnert sich Salomo an diese erste Lektion. Vielleicht war er auch fünf, ich will das jetzt nicht streiten, aber er war nicht fünfzehn, sondern sehr jung. Ich stelle es mir so vor, dass er auf dem Schoß seines Vaters sitzt, und der Papa sagt: „Hör her, Freund, es gibt da ein paar Dinge, die müssen wir miteinander besprechen.“
„Denn ein Sohn bin ich meinem Vater gewesen, ein zarter und einziger vor meiner Mutter, und er lehrte mich und sprach zu mir.“ Das hat sich ganz tief in die Erinnerung dieses jungen Mannes eingeprägt.
Ich glaube, viele von euch haben das erlebt, dass das, was man ganz früh mitbekommen hat, zutiefst drin bleibt. Über die Funktionsweise einer eisernen Jungfrau wisst ihr, was das ist? So ein Metallkasten, in den man von außen Nägel reinpiekst, jemanden reinstellt und dann zumacht.
Ich wurde irgendwann auf einer Busfahrt in die Schule damit belehrt. Und warum auch immer, ich erinnere mich bis heute daran. Ich habe wirklich viel vergessen. Wenn du mich jetzt spontan nach den binomischen Formeln fragen würdest – sagt das bitte nicht meiner Frau – ich würde sie nicht alle können. Es gibt, glaube ich, drei Stück. Die habe ich nicht mehr drauf, das kam viel später.
Aber das Ding mit der eisernen Jungfrau hat sich tief eingebrannt. Das heißt: Was ich früh mit meinem Kind mache, das behält es sich auch. Darum geht es hier. Warte nicht zu lange – das wäre die Lektion aus diesem Vers.
Was sagt denn der Vater? „Dein Herz halte meine Worte fest, beobachte meine Gebote und Liebe.“ Merkt ihr diesen Fluss? „Dein Herz halte meine Worte fest, beobachte meine Gebote, ja, hör zu, schau, wie ich Dinge mache, Liebe.“
Und das, was hier für den Sohn formuliert ist, gilt in gleicher Weise für die Töchter, okay? Ich sage es nur immer wieder, weil wir auch solche dabei haben, die das erste Mal da sind: Wo „Vater“ steht, kannst du „Mutter“ einsetzen. Wo „Sohn“ steht, kannst du „Tochter“ einsetzen.
Die Idee dahinter ist: Wir nehmen uns die Kleinen und reden mit ihnen über Gottes Wort.
Die Bedeutung von Weisheit und Verstand im Leben
Was ist das Erste, was der Kleine verstehen muss?
Verse fünf und sechs:
Erwirb Weisheit, erwirb Verstand, vergiss nicht und weiche nicht ab von den Reden meines Mundes, verlass sie nicht. Und sie wird dich behüten, liebe sie, und sie wird dich bewahren.
Die erste und wichtigste Lektion ist diese: Es gibt etwas, das du nicht hast. Du bist hilfsbedürftig, und das, was du brauchst, ist Weisheit. Ich finde es interessant, dass der Vater hier überhaupt nicht fragt: „Kleiner, hast du Lust auf Weisheit? Möchtest du ein bisschen Erkenntnis? Steht dir gerade der Sinn nach Verstand?“ Überhaupt nicht. Stattdessen setzt er sich hin und sagt: „Freunde, hört her, du hast ein Problem. Du brauchst Weisheit, und das musst du ganz, ganz früh verstehen.“
Was ist der erste Schritt auf dem Weg der Weisheit, der allererste Schritt? Vers 7: „Der Weisheitanfang ist, erwirb Weisheit.“ Manchmal ist es wirklich zu simpel, oder? Aber trotzdem ist das der allererste Schritt auf diesem langen Weg der Weisheit.
Ihr habt das noch aus Sprüche 2 im Ohr – Diana Jones, wie ein Dschungelkämpfer mit der Machete, Schritt für Schritt durcharbeiten. Zu wissen, dass da allein in den Sprüchen neunhundert Verse vor einem liegen, und die sind manchmal gar nicht so einfach. Man muss sie durchdenken, und dann ist das Leben immer noch ein Stück komplizierter. Manchmal hat man auch nicht gleich Antworten auf die Fragen, manchmal sind die Antworten zu kompliziert.
Am Anfang steht eine Entscheidung. Die Entscheidung lautet: Erwirb Weisheit. Sei jemand, der diese Entscheidung trifft: „Ich will Weisheit erwerben.“ Und zwar unter Einsatz deines ganzen Besitzes – erwirb Verstand.
Mir ist klar, dass man nicht einfach weise wird, indem man nur darauf wartet. Der Vater sagt: „Kleiner, hör her, du hast ein Problem im Leben. Ein Problem, das, wenn du es löst, den Rest deiner Probleme auch löst. Aber dieses eine Problem musst du angehen: Du bist dumm. Du hast vom Leben nicht wirklich Ahnung.“
Du kannst jetzt entweder auf das hören, was ich dir zu sagen habe, dann wirst du Weisheit finden. Denn es sind nicht die Schlauen, die die Weisheit finden. Kennt ihr Donald Duck, diesen Gustav Gantz? Gustav Gantz ist immer der, dem immer alles gelingt. Das Wort „glückliches Händchen“ ist eine zarte Untertreibung. Er ist einfach der Überglücksflieger, der immer richtig liegt. Er kann den größten Blödsinn machen, und es kommt etwas Gutes daraus.
Selbst die Gustav Gantz-Typen sind nicht die, die Weisheit finden. Weisheit finden allein die, die sie finden wollen, die diese Entscheidung getroffen haben: „Ich will, mir ist kein Einsatz zu hoch, ich bin bereit, das zu investieren, was nötig ist.“
Und warum? Weil du genau ein Leben hast. Habt ihr manchmal diese Gedanken, dass ihr zurückdenkt und sagt: „Boah, schade, dass ich das damals nicht wusste, als ich zwanzig war. Ich hätte das ein oder andere einfach anders gemacht.“ Ich habe solche Gedanken. Ich denke dann: „Mann, warum habe ich das damals so gedacht? Warum habe ich mein Leben so eingerichtet? So ein Blödsinn.“
Ich kann es nicht wiederholen. Bestimmte Fehler sind passiert und lassen sich einfach nicht wiedergutmachen. Und das muss der Kleine verstehen. Er muss begreifen, dass er ein Leben hat, das er nur einmal leben kann, und dass er so viel Weisheit wie möglich braucht, um so wenig Fehler wie möglich zu machen.
Das ist die erste Lektion, und ich hoffe, dass wir alle diese Lektion durch diese Bibelwoche lernen. Dass wir mindestens sagen: „Das möchte ich auch. Ich möchte jemand sein, der Weisheit schätzt.“
Verse acht und neun:
Halte sie hoch, und sie wird dich erhöhen, sie wird dich zu Ehren bringen, wenn du sie umarmst.
Das Umarmen ist schön. Ihr werdet das Umarmen noch morgen kennenlernen, in Sprüche 5. Dort umarmt der Ehemann seine Ehefrau – das hat etwas mit Erotik zu tun. Deshalb ist hier ein Bild von Leidenschaft und Intimität geprägt: Weisheit umarmen, ihr ganz nahekommen, sie zu einem geliebten Bestandteil meines Lebens machen.
Sie wird deinem Haupt einen anmutigen Kranz verleihen, wird dir eine prächtige Krone geben. Kranz und Krone stehen für Schönheit und für Autorität. Ein Mensch mit Weisheit hat eine Ausstrahlung, er verdient Respekt.
Ich finde es spannend, wie die Sprüche, wenn ich mir das heute anschaue, mit dem vergleichen, was heute populär ist. Was wollen Leute heute sein? Sie wollen vielleicht bei „Deutschland sucht den Superstar“ am Ende oben auf der Bühne stehen oder bei „Germany’s Next Topmodel“ am Ende das Next Topmodel sein – irgendwie reich, populär, sich selbst verwirklichen.
Und die Sprüche gehen ganz anders hin. Sie sagen: Wenn du wirklich etwas erreichen möchtest, dann brauchst du einen Charakter, der Gott gefällt. Das ist das A und O.
Das muss der Kleine verstehen, denn er wird in eine Welt hineingeworfen, in der man ihm genau das Gegenteil sagen wird.
Der Weg der Gerechten und der Weg der Gesetzlosen
Halte dich fern vom Weg der Bösen. Das kommt euch bekannt vor, das hatten wir schon so sinngemäß. Dieses Thema taucht immer wieder auf: Achtung, da gibt es einen falschen Weg, geh bitte den richtigen Weg. Die Frage ist, warum muss das immer wiederkommen? Vielleicht die einfache Erklärung: Weil wir vergesslich sind. Gerade wenn es um Kindererziehung geht, werden grundsätzliche Lektionen immer und immer wieder vermittelt.
Vers 10: Höre, mein Sohn, und nimm meine Reden an, so werden deine Lebensjahre sich mehren. Ich unterweise dich im Weg der Weisheit und leite dich auf geraden Bahnen. Das Wort „leite“ setzt das Bild voraus, dass der Vater den Kleinen bei der Hand nimmt und sagt: Komm, wir gehen diesen Weg gemeinsam. Es geht mehr darum, nicht nur zu sagen, was zu tun ist, sondern Jüngerschaft zu leben, es vorzuleben und den Sohn mitzunehmen auf das eigene Leben.
Eigentlich geht es darum, dass ich mein Leben in meinen Sohn hineinfließen lasse – mein geistliches Leben, die Erfahrungen mit Gott. Achtung, ich sage nicht, was ich mit Gott gemacht habe, sondern was ich mit Gott mache – das Lebendige meiner Gottesbeziehung, das Echte, das Gehorsame. Plus die Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Das lasse ich in mein Kind hineinlaufen und sage: Hey, lass uns gemeinsam diesem Gott folgen. Ich nehme dich bei der Hand. Manches mag für dich komisch sein, aber ich bringe es dir bei, ich zeige dir, wie das geht.
Vers 12: Wenn du gehst, wird dein Schritt nicht beengt werden. Der Vater schaut über den Moment der Erziehung hinaus und sagt dem Sohn: Hör her, das, was wir jetzt hier machen, ist fürs Leben. Nicht nur für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Das ist hier an dieser Stelle auf jeden Fall so. Du lernst nicht, um mir einen Gefallen zu tun, sondern weil das, was du hier lernst, später wichtig wird.
Dieses „beengt sein“ könnte man auch mit „behindert sein“ übersetzen. Mein Weg ist schwierig. Ich lebe mein Leben und merke, es geht irgendwie nicht weiter. Ich falle ständig auf die Nase, ich weiß eigentlich gar nicht, wie man richtig leben soll. Ich habe Träume, aber ich komme ihnen keinen Millimeter näher. Vielleicht habe ich eine Berufung, aber ich werde kein bisschen brauchbarer. Ich habe Begabungen, aber ich weiß nicht, wie ich sie umsetzen soll. Ich habe Beziehungen, die ständig zerbrechen. Ich habe einen Job, den ich ständig verliere oder wo es nicht weitergeht. Ich stecke in einem Leben fest, in dem ich total unzufrieden bin, weil es weder vorwärts noch rückwärts geht. Ich stehe auf der Stelle, und das ist einfach nur blöd.
Der Vater sagt: Wenn du das nicht möchtest, wenn du ein Leben führen möchtest, das wirklich geradeaus läuft, dann gelingt es dir. Wenn du gehst, wird dein Schritt nicht beengt werden. Du kannst richtig große Schritte tun, du gehst einfach weiter, wie ich jetzt aus dem Bild gehe, und ich kann kaum hinterherkommen. Du gehst einfach immer weiter, und da ist nichts, was dich aufhalten kann.
Im Psalm 1 wird das mit einem anderen Bild beschrieben: Der Gerechte, der über das Wort Gottes nachsinnt, ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen. Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und sein Laub verwelkt nicht. Alles, was er tut, gelingt ihm. Willst du so ein Leben haben, in dem du die richtigen Dinge anpackst und es klappt? Wenn du läufst, wirst du nicht straucheln wie ein Läufer, der stolpert und von anderen überholt wird, weil er liegt. Das wird dir nicht passieren.
Und was muss er tun?
Vers 13: Halte fest an der Unterweisung, lass sie nicht los, behüte sie, denn sie ist dein Leben. Da sind wir wieder bei dem Gedanken, etwas zu bewahren. Der Vater sagt: Ich gebe dir etwas mit, und wenn du klug bist, wenn du selbst schon Vater bist und Erfolg haben willst, dann kommen hier verschiedene Gebote. Er sagt erst mal drei Dinge, die du tun sollst: Halte sie fest, lass sie nicht los, behüte sie!
Ich wollte euch eigentlich Bibelverskärtchen mitbringen, aber ich habe es vergessen. Das ist mir vorhin aufgefallen. Deswegen kann ich euch jetzt nicht über Bibelverse etwas Gutes sagen. Aber es wäre eine Möglichkeit, um Dinge festzuhalten. Es ist wie bei einem Athleten, der sich auf seinen Lauf vorbereitet und weiß, dass etwas auf ihn zukommt. Das Leben wird nicht leicht.
So ist es auch hier: Der Vater sagt dem Sohn, dieses Leben hat seine Tücken, und ich rate dir, einfach an dem festzuhalten, was ich dir sage, an der Unterweisung. Halte daran fest, lass sie nicht los, behüte sie, sie ist dein Leben. Das Wort Gottes und das, was ich davon verstanden habe, ist mein Leben.
Und du bist vielleicht die größte Gefahr dafür, dass Weisheit in deinem Leben nicht zum Tragen kommt. Das sagt der Vater dem Sohn. Er sieht die Tendenz, dass man Dinge lernt, versteht, bejaht und für eine Weile tut, aber dann kommt etwas anderes ins Leben, und man vergisst oder lässt sich verführen.
Ist dir klar, dass Gottes Weisheit in deinem Leben ständig unter Beschuss steht? Es gibt drei Dinge, die es darauf anlegen, dir das, was du verstanden hast, wieder wegzunehmen: Zum einen die Welt, in der du lebst, zum zweiten die Lust, die in dir lebt, und zum dritten den Teufel selbst. Er setzt alles daran, dass du den guten Weg nicht zu Ende gehst. Selbst wenn er dich nicht mehr vor Gott wegreißen kann, will er dich so unbrauchbar machen, wie nur möglich.
Im 2. Timotheusbrief, Kapitel 2, Verse 25 und 26, schreibt Paulus an Timotheus, wie er sich im Umgang mit Christen verhalten soll, die in den Fallstrick des Teufels geraten sind. Ich kenne Christen, denen das passiert ist, die ihr gutes Gewissen über Bord geworfen haben und sich auf Dinge eingelassen haben, die nicht richtig waren. Sie wussten das auch, ignorierten ihr schlechtes Gewissen und warfen irgendwann ihre Glaubensüberzeugungen über Bord. Sie gingen Wege, bei denen ich dachte: Wenn du mir das vorher gesagt hättest, hätte ich es nicht geglaubt.
Ich habe erlebt, dass hingebungsvolle, fleißige, treue Mitarbeiter im Glauben so sehr gestolpert sind, dass ich mich heute frage, wie viel Glauben da überhaupt noch übrig ist. Wenn du zehn, zwanzig, dreißig Jahre dabei bist, hast du vielleicht Leute vor Augen, mit denen du zusammen in der Jugendgruppe warst oder die dir ein großes Vorbild waren – und sie haben es nicht festgehalten.
Man tut erst Dinge gegen sein Gewissen, mit schlechtem Gewissen, und dann wirft man seine Glaubensüberzeugung weg. Dann hat der Teufel einen. Das Einzige, was einen dann rettet, ist echte Buße. Ich bete für viele, dass sie wieder Buße tun dürfen, um aus diesem Fallstrick herauszukommen.
Wir sind vielleicht die größte Gefahr dafür, dass Weisheit in unserem Leben nicht zur Entfaltung kommt. Deswegen gilt uns das, und deswegen sagt der Vater: Wenn ich dir einen Tipp für den Rest deines Lebens geben darf, dann sorge dafür, dass du Weisheit festhältst, sie nicht loslässt und sie behütest.
Ab Vers 14: Komm nicht auf den Weg oder Pfad der Gesetzlosen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dann ist es diese: Nicht einen Schritt auf dem Weg der Gesetzlosigkeit! Halte dich fern, schreite nicht einher auf dem Weg der Bösen. Wenn du merkst, dass du auf einem falschen Weg bist, dass das, was du tust, falsch ist, dass es nicht das ist, was Gott von dir möchte, dann hör sofort damit auf. Nicht einen Schritt weiter!
Schon schlimm genug, wie weit du gegangen bist, aber Schluss damit!
Vers 15: Lass ihn fahren! Dieses „lass ihn fahren“ bedeutet mehr als ein passives Davonziehenlassen. Es steckt der Gedanke der aktiven Rebellion dahinter. Ich habe einen Weg des Bösen, und ich will ihn nicht nur fahren lassen, sondern ich will dagegen arbeiten. Ich will damit nichts zu tun haben.
Es geht nicht darum, an der Grenze zum Bösen zu leben und gerade noch nicht den falschen Weg zu betreten. Das ist Quatsch. Gott will, dass wir einen großen Schritt weggehen und sagen: Das ist der Weg des Bösen, aber ich bleibe auf dem Weg des Guten.
Lass den Weg des Bösen fahren, geh nicht darauf. Benutze ihn nicht, selbst wenn er scheinbar leichter ist oder dir Vorteile bringt. Tu es einfach nicht!
Ihr werdet alle in Situationen kommen, wo eine kleine Lüge scheinbar der schnellste und beste Weg ist. Tu es nicht! Wende dich ab, wenn du dich verlaufen hast. Wenn du auf dem Weg bist, dann komm runter von dem Weg, egal was es dich kostet. Mach einen Schnitt!
Wenn es deinen Job kostet, dann kostet es deinen Job. Wenn es Geld kostet, kostet es Geld. Wenn es Freunde kostet, kostet es Freunde. Aber mach den Schnitt! Du hast nur dieses eine Leben.
Wenn du falsch unterwegs bist und merkst, dass du in Dinge verstrickt bist, die Gott nicht will, dann entscheide dich jetzt in diesem Moment, damit zu brechen. Geh vorbei!
Die Sünde lockt, du siehst die Versuchung, aber du gehst einfach daran vorbei. Sie schreit und lockt, aber du gehst weiter. Sie versucht, dich zu verführen und dir einzureden, dass der leichte Weg von Vorteil ist und dir nur Gutes will. Das stimmt nicht. Du gehst einfach vorbei.
Du gehst vorbei, weil du Gott vertraust, weil du ein Gläubiger bist. Du bist einer, der sagt: Ich ehre mit meinem Leben nur einen Gott, und ich habe nur einen Herrn – nicht die Sünde, sondern den Herrn Jesus. Er hat so viel für mich getan, dass ich an keiner Stelle meines Lebens Sünde dulden will. Ich will ihm zeigen, wie sehr ich ihn liebe.
Vers 16: Denn sie schlafen nicht, wenn sie nichts Böses getan haben, und ihr Schlaf wird ihnen geraubt, wenn sie nicht jemanden zu Fall gebracht haben, sagt Salomo über die Bösen, über die Übeltäter. Sie sind quasi Tag und Nacht mit Gedanken beschäftigt, wie sie anderen schaden können, wie sie böse tun können und wie sie darin noch besser werden.
Vers 17: Denn sie essen das Brot der Gesetzlosigkeit und trinken den Wein der Gewalttaten. Ihr tägliches Brot sind Gesetzlosigkeit und Gewalttaten. Das ist, womit sie sich stärken, was ihnen gut tut, was sie genießen und was ihnen Kraft gibt.
Jetzt kommt das große Aber, ein herrliches großes Aber:
Vers 18: Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das immer heller leuchtet bis zur vollen Tageszeit. Ich mag diesen Vers, weil er mir so viel Mut gibt.
Stellt euch vor, ihr hättet Urlaub, wir wären in der Karibik, an einem Sandstrand, es ist morgens kurz vor Sonnenaufgang. Hinter dir rauscht der Wind in den Palmen, vor dir das Meer. Du siehst, wie ein Glühen am Horizont erscheint, dann die ersten Schimmer der Sonne. Langsam steigt eine Sonnenscheibe aus dem Meer, Stück für Stück höher.
Du hast Zeit, bleibst stehen und siehst, wie die Sonne immer höher steigt. Plötzlich ist sie ganz da, und es wird hell. Der Morgen hat begonnen. Du lässt dir Zeit, picknickst unter den Palmen, irgendwann ist Mittag, knallehell und knalleheiß.
Salomo sagt genau das. Dieses Bild steht für das Leben eines Gerechten. Wir starten nicht als die, die alles wissen. Licht steht in der Bibel oft für Durchblick, dafür, dass das Leben gelingt. Jesus sagt: Ich bin das Licht der Welt. Wir haben noch nicht alles verstanden, wir starten wie ein Schimmer. Dann wird es ein bisschen heller in unserem Leben, wie wir mit Gott leben, seine Gebote verstehen und leben. Es wird immer heller, bis es richtig hell ist.
Mir gefällt dieses Bild, weil die Idee darin steckt: Ich muss nicht von Anfang an alles wissen. Ich darf mir überlegen, wo ich stehe. Das Einzige, was ich tun muss, ist, dafür zu sorgen, dass dieses Licht zunimmt und nicht abnimmt. Das ist unsere Berufung.
Egal, wo du stehst, auch wenn du sagst: Das ist jetzt doof, Weisheit war vorher gar nicht mein Thema, völlig egal. Selbst wenn es nur ein Anfangsglimmen ist, spielt das keine Rolle. Sorge einfach dafür, dass das, was da glimmt, heller wird, dass es mehr wird.
Der Pfad der Gerechten – unser Leben wird immer mehr davon bestimmt, dass wir das Richtige tun. Es wird immer mehr Durchblick, mehr Klarheit und mehr Vorbild darin sein.
Vers 19: Der Weg der Gesetzlosen ist dem Dunkel gleich. Das Gegenteil. Sie erkennen nicht, worüber sie straucheln.
Das ist wie, wenn du in den Keller gehst und jemand sagt: Hol mal schnell eine Flasche Bier. Du machst das Licht an, aber die Birne ist durchgebrannt. Du tastest dich vorsichtig vor, kennst dich halbwegs aus, weißt, wo der Rechen an der Wand steht, und versuchst, den Weg zu finden, bis du das Bier hast.
Was du nicht weißt, ist, dass dein Enkel sein Bobbycar mitten in den Weg gestellt hat. Genau das meint der Text mit dem Weg der Gesetzlosen.
Da wird es nicht heller, sie bekommen keine Klarheit mehr, verstehen nicht, wie Leben funktioniert. Sie wissen nicht, was sie säen müssen, um das gute Leben zu ernten. Sie erkennen nicht, worüber sie straucheln.
Sie merken, dass sie straucheln, dass ihr Leben nicht funktioniert, ihre Ideale zerbröseln, sie haben etwas, aber kein wirkliches Leben. Sie wissen nicht, wie es dazu gekommen ist. Sie stehen vor dem Rätsel Leben, merken, wie ihnen das Leben durch die Hände rinnt.
Gott wünscht sich für uns, dass uns das nicht passiert. Ich wünsche mir das auch für Christen, denn ich kenne zu viele, bei denen das eher wie in Vers 19 ist: Ihr Leben gleicht dem Dunkel, und sie wissen nicht, worüber sie straucheln.
Ich sehe ihr Leben, sehe, dass es nicht gelingt, sehe, dass ihre Ehen nicht gelingen, ihre Kindererziehung nicht gelingt, sie beruflich Murks machen, ethisch kindisch handeln, manchmal Sünden begehen, bei denen man denkt: Da muss man nur fünf Minuten Christ sein, um zu wissen, dass das nicht geht.
Sie tappen herum und wissen nicht, wie sie leben sollen. Als jemand, der viel predigt, frage ich mich: Woran liegt das?
Ich habe den Eindruck, es liegt unter anderem daran, dass wir wichtige Lektionen, wie sie uns die Sprüche geben wollen, nicht mehr beherzigen oder nicht mehr wissen. Gerade Christen sind oft hochmütig und glauben, alles zu wissen, leben aber Dummheit.
Ich meine das ganz allgemein, nicht auf jemanden persönlich bezogen. Weil ich mit vielen Gemeinden zu tun habe, merke ich immer wieder, dass es Situationen im Seelsorgegespräch gibt, wo ich denke: Wenn du zwanzig wärst, hätte ich die Frage verstanden. Aber du bist fünfundsechzig. Was ist da zwischen zwanzig und fünfundsechzig passiert? Was hast du gelesen? Worüber nachgedacht? Was hat dein Verhalten geprägt? Wie sind Gewohnheiten entstanden?
Ich bin kein begabter Seelsorger, also fragt mich bei Seelsorgefragen erst, wenn ihr nicht mehr weiterwisst. Ich stehe oft vor Fällen und denke: Mach es doch so, wie es im Vers steht. Was soll ich sonst sagen? Wenn jemand schreibt, wir müssen uns unbedingt treffen, denke ich: Ja, können wir machen, aber ich kann dir genau das Gleiche sagen wie das letzte und vorletzte Mal.
Es gibt einen Bibelvers, der sagt: Mach das, was zu deinem Problem passt. Ihr merkt, mir fehlt das diplomatische Geschick, das Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, es so zu sagen, dass sich der andere ermutigt, gesorgt und gehirtet fühlt.
Aber eigentlich frage ich mich, warum wir heute deutschlandweit über Gemeinden und Bünde hinweg eine Christenheit haben, die eher in Vers 19 als in Vers 18 lebt. Wo sind die Leute, die zwanzig, dreißig Jahre gläubig sind, aber kein Leuchten im Leben haben?
Wo sind die Leute, die ich anrufen kann und sagen kann: Ich brauche für meine OBS gute Mitarbeiter, erfahrene, erwachsene, wissende Christen? Ihr müsst keine Überflieger sein, ihr bekommt ein Lösungsheft zu den Fragen. Aber wo seid ihr?
Ich weiß es nicht. Ich wünsche mir, dass ein Ruck durch die Gemeinden geht, dass wir Gottes Wort neu studieren und dass mindestens alle, die jetzt unter 25 oder unter 27 sind, also noch in einem prägbaren Alter, es anders machen.
Ich wünsche mir, dass ihr es anders macht. Aber das wisst ihr schon, das habe ich euch schon ein paarmal gesagt.
Der Punkt ist: Wir müssen uns mit Gottes Wort beschäftigen, damit wir nicht im Dunkeln tappen, sondern dass es in unserem Leben heller wird. Dass wir in zehn Jahren mehr Ahnung, mehr Weisheit, mehr Liebe und mehr Ähnlichkeit mit Jesus haben.
Du musst heute nicht strahlen wie am hellen Mittag, du musst nicht durch alles durchkommen. Aber wenn du in zehn Jahren nicht mehr Licht hast als heute, hast du einen Fehler gemacht.
Vers 20-27 – kurz zusammengefasst:
Mein Sohn, merke auf meine Worte, neige dein Ohr zu meinem Reden, lass sie nicht von deinen Augen weichen, bewahre sie im Innern deines Herzens, streng dich an! Alle Sinne – hören, lesen, denken – knie dich rein, denn sie geben Leben denen, die sie finden, und Gesundheit für ihren ganzen Körper. Das kennen wir schon, ist eine Wiederholung.
Vers 23 ist ein Vers zum Auswendiglernen: Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist, denn daraus entspringt die Quelle des Lebens. Herz bedeutet hier das, was oben im Kopf passiert – die graue Masse zwischen den Ohren. Solange da etwas passiert, müssen wir aufpassen.
Behüte dein Herz mehr als alles andere. Wenn du vor der Wahl stehst, ob du deinen rechten Arm oder dein Denken behütest, entscheide dich fürs Denken. Hoffentlich kommst du nie in diese Situation, aber wenn, dann entscheide dich fürs Denken.
Das wichtigste Organ in unserem Leben ist unser Denken. Wenn sich hier eine Lüge oder ein falscher Gedanke einnistet, wird daraus eine falsche Tat, daraus eine falsche Gewohnheit und daraus ein böses Schicksal.
Bitte nehmt diesen Vers ernst.
Philipper 4,8 spricht davon, dass wir nicht über alles nachdenken sollen. Nicht jeder Gedanke, der aus dir herauskommt, ist gut, edel und rein. Viele Gedanken sind falsch, sündig, vom Teufel.
Dann müssen wir sagen: Stopp, ich denke diesen Gedanken nicht weiter. Wie Paulus im 2. Korintherbrief 10 sagt, sollen wir jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi.
Wenn du merkst, dass ein Gedanke Quatsch ist oder nicht rein, ehrbar, wahr, gerecht, liebenswert oder wohllautend, dann hör damit auf. Schau um alles in der Welt, dass in deinem Denken Wahrheit ist.
Wie du das machst, weiß ich nicht. Wann du am meisten angefochten bist, weiß ich nicht. Aber wenn du etwas glaubst, was falsch ist, zum Beispiel „Ich habe ein Recht auf ...“, dann stimmt das nicht. Entweder hast du einen Herrn oder ein Recht. Du musst dich entscheiden.
Oder wenn du über dich selbst denkst: „Ich bin nichts wert“, obwohl du ein geliebtes, begabtes, berufenes, gerechtfertigtes Kind Gottes bist, dann ist das eine Lüge.
Oder wenn du glaubst, dass eine Sünde nicht so schlimm ist – egal welche Lüge sich festsetzt, ich verspreche dir: Sie wird zu einer Tat, zu einer Gewohnheit und sie wird das Schicksal deines Lebens und deiner Familie bestimmen.
Deshalb: Mehr als alles, was es zu bewahren gilt, behüte dein Herz. Aus ihm entspringen die Quellen des Lebens. Alles, was aus dir herauskommt, beginnt mit einem Gedanken.
Wenn du heute deine Frau fragst: „Wollen wir ein Eis essen gehen?“, dann war zuerst der Gedanke da, bevor ihr losgefahren seid, um dann doch nicht hinzugehen. So sind wir halt.
Pass an dieser Stelle auf.
Ein Tipp: Denk öfter darüber nach, was du denkst. Stell dir Fragen oder lass deinen besten Freund dir Fragen stellen, die dich zum Nachdenken bringen. Fragen wie: Was ist die größte Sünde, an der du hängst, die du vielleicht am seltensten bekennst? Was glaubst du, was du wert bist? Woran machst du deinen Wert fest? Wo fällt es dir schwer, Gott zu vertrauen? Wem misstraust du in der Gemeinde am meisten und warum?
Solche Fragen bringen dein Denken durcheinander und helfen dir zu erkennen, was da alles drinsteckt. Gönn dir, dein Denken kritisch zu hinterfragen.
Denkt an Sprüche 3,5-6, das hatten wir gestern.
Wie behüte ich mein Herz? Es fängt an mit Vers 24-26 und auch Vers 27 mit drei Dingen:
Du musst bestimmte Dinge wegtun: Tue von dir die Verkehrtheit des Mundes und die Verdrehtheit der Lippen weg! Auf gut Deutsch: Wir lügen nicht, betrügen nicht, übertreiben nicht, stellen nichts falsch dar und verletzen nicht mit unseren Worten.
Wenn du das wegtust, wirst du merken, dass Gedanken in deinem Kopf auftauchen wie: Warum tue ich das? Was war der Gedanke, der mich zur Lüge angestachelt hat? Was hat mich motiviert, jemanden mit Worten zu verletzen?
Wenn du diesen Gedanken hast, denk darüber nach, warum du ihn hattest und was ihn in deinem Leben legitimiert hat.
Nächster Punkt: Lass deine Augen geradeaus blicken und deine Pupillen starr vor dich hin. Das ist merkwürdig, aber die Augen spielen in der Bibel eine große Rolle. Was du anschaust, dringt in dich ein.
Wie wir Dinge anschauen – ob wir neidisch blicken, andere mit unseren Augen auffressen oder Frauen aus der Perspektive eines Mannes quasi ausziehen – das, was wir sehen, prägt unser Leben.
Die Sprüche sagen hier: Schau geradeaus. Gemeint ist: Schau auf deinen Weg, nicht nach links oder rechts. Schau das an, was richtig ist.
Wenn wir das nicht tun und alles Mögliche anschauen, gerade im Zeitalter des Internets, wo wir einfach nur schauen, schauen, schauen, werden unsere Augen nie satt. Wo kommt das her? Was passiert da in dir? Was sind das für Gedanken, die dich motivieren, das alles anzuschauen und dich davon prägen zu lassen?
Letzter Punkt, Vers 26-27: Gib Acht auf die Bahn deines Fußes, und alle deine Wege seien gerade. Wiege nicht ab zur Rechten noch zur Linken, wende deinen Fuß weg vom Bösen.
Betrachte deinen Lebensweg. Wenn du dein Herz bewahren willst, musst du genau schauen, was du lebst. Jede Form von Selbsttäuschung muss aufhören.
Frag dich: Wie war meine letzte Woche wirklich? Nicht nur: Kann ich sie vor Gott verantworten? Sondern: War sie gut auf meinem Weg mit Gott? Oder war sie nur gut in meinen Augen?
Bin ich da, wo ich geistlich schwach bin, weitergekommen? Bin ich in meiner Beziehung zu Gott gereift? Habe ich, wo ich gesündigt habe, Buße getan? Habe ich schwierige Beziehungen angepackt? Bin ich zu einem Friedensstifter geworden? Habe ich, wo nötig, weggeschaut und die Klappe gehalten?
War die letzte Woche nur für mich gut oder objektiv für einen Gerechten? War es eine Woche, die in der Ewigkeit Bedeutung haben wird?
Hattest du überhaupt den Blick, eine Woche zu leben, die in der Ewigkeit Bedeutung hat? Oder wolltest du nur dein Leben leben, dir von niemandem reinreden lassen und das, was Gott will, ignorieren? Wolltest du nach außen hin nicht als grober Sünder dastehen?
Ich kenne euch zu wenig, um das zu beurteilen. Bitte versteht: Ich will niemanden mit so einer Predigt angreifen. Ich benutze die Kanzel nicht als Waffe, darum geht es mir nicht.
Aber der Text ist so deutlich: Das, was wir hier haben, wird unser Leben prägen. Unsere Berufung ist es, festzuhalten, was Gott uns gibt, und ein Leben zu führen, das sich wie die Sonne von einem leichten Glimmen zu einem strahlenden Mittagslicht entwickelt.
Ein Licht, das so hell strahlt, dass Menschen um uns herum quasi die Augen schließen und sagen: Sag mal, wie kriegst du das hin? Das hätte ich auch gerne.
Das wünscht Gott sich für dich und mich. Ich glaube, es wäre ein schönes Ziel, wenn wir durch die Sprüche motiviert würden, da ein Stückchen hinzukommen.
Amen.