Herr, wir verdrehen dein Evangelium so oft. Aus ihm machen wir ein Gefängnis und eine Last, einen Katalog von Pflichten. Dabei geht alles verloren, was du uns an Freude und Liebe schenken wolltest.
Herr, gib uns heute Abend einen Blick für dein wunderbares Evangelium. Amen.
Die Gefahr der Verfälschung des Evangeliums
Noch für diejenigen, die zum ersten Mal dabei sind oder die letzten Male nicht anwesend waren: Es ist eine ganz, ganz schlimme Not, dass Christen aller Generationen aus der Freude des Evangeliums Moral machen – eine Last, sicher aus guten Absichten.
In der Urchristengemeinde tobte ein furchtbarer Kampf, und Paulus kämpfte für die Freude des Evangeliums. Es ist kaum zu sagen, wie die Geschichte damals weitergegangen wäre, wenn Paulus nicht gesiegt hätte.
Warum? Weil gewisse fromme Leute meinten, man müsste das ganze jüdische Gesetz jedem, der zu Christus, zum Glauben an Christus aus den hellenistischen Völkern kommt, überstülpen. Das klingt doch gut: Warum keine Beschneidung? Das sei doch hygienisch oder aus anderen Gründen sinnvoll. Es gibt ja viele Gründe, wie Speisevorschriften. Juden würden weniger krank, weil sie die guten Speisevorschriften haben.
Doch Paulus’ Exerzitien haben mit dem Heil nichts zu tun. Wir haben gesagt, wie er selbst das Evangelium empfangen hat: Er hat Christus entdeckt. Ich werde es in den nächsten Gottesdiensten nochmals sagen. Ich war letzte Woche doch erschüttert, als im Radio Südwestrundfunk ein Pfarrer sagte, Jesus sei seit zweitausend Jahren tot.
Wenn das wahr wäre, könnten wir jeden Betrug erkennen. Dann wäre jede Mark, die heute noch abkassiert wird, der schlimmste Betrug. Und so ein Mann sollte seinen Beruf aufgeben und nicht weiter Leute in die Irre führen, indem er sagt, wir sollten Lehren von Toten folgen. Die Frage ist: Lebt Jesus heute als der Herr? Das ist die zentrale Frage des Evangeliums: Ist er heute der Herr?
Niemand muss Christ sein, weil er es aus Pflichtgefühl ist. Das Schlimmste ist, dass wir Kindern ein Zwangshemd überstreifen und sie in christliche Formen hineinpressen. Das hatten wir bereits besprochen.
Nun kommen wir zu dem, was Paulus zu diesem Thema sagt. Wir gehen jetzt zu Kapitel 2, Vers 11, wo wir heute weitermachen: die Auseinandersetzung des Paulus mit Petrus in Antiochia.
Die Bedeutung Antiochias und der Konflikt um das Evangelium
Ich muss noch einmal erklären, was Antiochia war. Die drittgrößte Stadt des Altertums lag oder liegt heute an der Grenze der Türkei zu Syrien, also dort, wo es zum Libanon hinuntergeht, in der Region Phönizien. Dort gab es eine große Stadt am Orontes. Dort waren die ersten Christen, die eigentlich aus Jerusalem geflohen waren, nachdem Stephanus gestorben war und eine Verfolgung eingesetzt hatte.
Diese Christen wurden dort zum ersten Mal „Christen“ genannt, weil sie überall von Christus erzählten. Ich habe das in meiner Predigt erwähnt. So entstand der Name Christen. Diese junge Gemeinde war eigentlich die erste Missionsgemeinde. Sie hatte jedoch niemanden, der ihr das Evangelium richtig erklärte.
Von Jerusalem wurde deshalb jemand zur Kontrolle geschickt. Das ist immer so, wenn man Angst hat, dass falsche Lehren entstehen könnten. Man schickte Barnabas, einen sehr verständigen Mann. Barnabas sagte, dass er die Aufgabe kaum meistern könne. Es war immer so: Gott schenkt das Wachstum, Menschen können keine Kirche oder Gemeinde bauen, das haben sie noch nie geschafft. Menschen können auch keine anderen zum Glauben bringen. Das geht nur, wenn Gott es selbst macht.
Der Herr offenbarte sich Paulus. Barnabas erinnerte sich daran, dass er einen guten Arbeiter brauchte. Da fiel ihm Saulus ein. Saulus war inzwischen ein Araber. Barnabas holte ihn nach Antiochia.
Diese antiochische Gemeinde hatte eine Begegnung mit Kephas. Kephas ist der Fels, also Petrus, der Apostel von Jerusalem. Er kam nach Antiochia, um zu sehen, was sich dort ohne menschliches Zutun entwickelt hatte.
Antiochia wurde später die große Mutter der Missionsreisen. Paulus und seine Begleiter haben viel für die Weltmission getan. Paulus wurde immer wieder von Antiochia aus ausgesandt.
Als Kephas nach Antiochia kam, widersprach Paulus ihm offen. Es gab Grund zur Klage gegen Kephas. Das soll man unter Christen aushalten, denn Streit um den Glauben gehört dazu. Es stimmt nicht, dass das Christentum eine friedliche Sache ist, weil viele aus dem Christentum etwas ganz anderes machen.
Paulus sagt sogar zu Kephas – und das ist wichtig, weil katholische Christen oft meinen, Petrus sei der Urapostel oder Urpapst – dass er ihm diese Würde nicht zugestand.
Der Grund zur Klage war folgender: Bevor einige von Jakobus kamen – Jakobus war der Bruder des Herrn und leitete die Gemeinde in Jerusalem – aß Kephas mit den Heiden. Das war den Juden verboten, mit Heiden zu essen. In Antiochia lebten viele Hellenisten, also Nichtjuden.
Als aber die Gesandten von Jakobus aus Jerusalem kamen, zog sich Petrus zurück und sonderte sich ab. Er fürchtete die Juden aus Jerusalem. Er hatte keine Bedenken, ohne Gesetz zu leben, als er allein mit den Heiden war. Aber als die anderen kamen, tat er so, als ob er wieder nach jüdischem Gesetz lebte, damit die Leute in Jerusalem nichts Negatives erzählten.
Kennen Sie dieses Verhalten? Mit ihm heuchelten auch die anderen Juden, so dass selbst Barnabas verführt wurde, mitzumachen. Barnabas war später der treueste Begleiter von Paulus auf seinen Missionsreisen.
Das zeigt, dass etwas sehr Schlimmes passiert war: Die Leute legten keine klaren Lebensregeln an den Tag.
Paulus sagt: „Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Kephas öffentlich: Wenn du, der du Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, indem du nämlich mit den Heiden isst, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben?“
Die zentrale Botschaft des Evangeliums: Gerechtigkeit durch Glauben
Wir sind von Geburt Juden und nicht Sünder aus den Heiden. Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen.
Damit werden wir gerecht durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes. Denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht, verändert oder erneuert. Das ist der Trugschluss aller menschlichen Erziehung und aller Moral: Man meint, man müsse den Leuten nur sagen, sie sollen lieb sein, und dann werden sie lieb. Das stimmt aber nicht – sie heucheln nur. Sie werden nicht anders. Der Mensch bleibt in sich mit seiner ganzen inneren Zerrissenheit allein.
Er wird erst durch den Glauben, durch das Vertrauen auf den lebendigen Christus, verändert. Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, auch selbst als Sünder befunden werden, ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne. Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, mache ich mich selbst zu einem Übertreter.
Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Was ich jetzt lebe, in meiner natürlichen Existenz im Fleisch, das lebe ich in der festen Glaubensgemeinschaft an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben hat.
Ich werfe die Gnade Gottes nicht weg. Denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben. Ich weiß nicht, ob ich Sie heute Abend hinbringen kann, aber es sind plötzlich lauter Streiflichter, mit denen ich versuche, dieses ganz große Wort Ihnen zu verdeutlichen.
Herr Paulus hat immer wieder bei den Galatern daran erinnert. Er hat gesagt: Wisst ihr noch, was Evangelium ist? Was ist ein Evangelium? Ah, es ist die Lehre von Jesus? Nein, nein, nein, es ist etwas ganz anderes. Evangelium ist, wenn ein Mensch plötzlich einen Sachverhalt entdeckt, der sein Leben auf den Kopf stellt.
Ich bin überzeugt, dass die meisten Deutschen in unserem Land, die den Namen Christ tragen, das Evangelium überhaupt noch nie begriffen haben. Sie meinen, Christsein heißt, nach den zehn Geboten zu leben. Nein, Paulus sagt: Das Evangelium ist, dass einer merkt und sagt: Dieser Christus, dieser Gottessohn, der lebt, ist heute da, lebt in mir, und meine eigene Existenz besteht gar nicht mehr.
Seitdem ich Christus kenne, ist er in meinem Leben der Antrieb, die Energie, die Kraft, die mich erfüllt. Ich kann an diesen Punkt nur kommen, indem ich dieses Geschenk annehme, so wie Paulus das getan hat – in einer plötzlichen Entdeckung. Er glaubt, er vertraut diesem gegenwärtigen Christus, der sein Leben erfüllt.
Jetzt weiß ich, wie natürlich unzählige Menschen um uns herum sagen: „Jetzt seid ihr dann verrückt geworden, was ist denn da? Kenn dich doch mit deiner Art, und du bist doch der gleiche unausstehliche Mensch.“
Sehen Sie, dieses Evangelium, nur dieses eine Evangelium vom wirklichen Christus, vom auferstandenen Christus in Menschen, hat nicht nur Europa und das alte Germanien revolutioniert, sondern die ganze Welt.
Und was in dieser Welt an Liebeswerken und an Güte kam – in einer Welt des Leids, des Hasses und der Bitterkeit – es ist nur durch den lebendigen Christus geschehen.
Überlegen Sie mal: Heute müsste ich Ihnen einfach Geschichten erzählen von irgendwelchen Menschen. Wir werden zum letzten Mal daran erinnert, dass die Kraft der Reformation Martin Luthers nicht, wie manche sagen, die Freiheit war, die er gepredigt hat. Sondern da war ein Mann, zufällig Mönch, ein unbedeutender, unbekannter kleiner Mönch in Wittenberg, der Bibelvorlesungen hielt und dort im Kloster in seiner Mönchszelle in der Bibel forschte und immer wieder nach dem Geheimnis des Evangeliums suchte.
Er litt darunter, dass er mit seiner eigenen Kraft und mit seinem frommen Eifer nicht weiterkam. „Hilf, Sankt Anna, Muttergottes, ich will ein Mönch werden“, dachte er. Er meinte, dadurch könnte er Gott wohlgefälliger werden. Doch er merkte in großer Ehrlichkeit, dass das alles nicht stimmt. Ich kann nicht Gott näherkommen.
In anderen Religionen sagt man dann eben: Buddhismus, Hinduismus, wir kommen ein Stück vorwärts. Aber es ist doch nicht wahr. Je älter Sie werden, auch als Christ, sehen Sie in die grauenhaften Abgründe Ihrer eigenen Lieblosigkeit und Ichsucht.
Und wir als Christen sollten immer wieder offen sagen, was wirklich die Not der Sünde in unserem Leben ist. Wir leiden nicht an den Verhältnissen, sondern wir sind schuld, dass die Verhältnisse in unseren Familien, unserer Umgebung und unserer Welt so sind, wie sie sind – weil wir so leben.
Wie werde ich dann bei Gott gerecht? Das war Luthers Entdeckung: Ich kann nur aus der Gnade leben, beschenkt werden, vergeben, ausgelöscht sein von Schuld. Und wie Martin Luther diese Entdeckung am nächsten Sonntag auf der Kanzel predigte, da gab es auf einmal einen Nachhall.
Wenn Sie wissen wollen: Unser heutiges Volk sehnt sich nach dem Evangelium vom auferstandenen Jesus und hat den Kanal gestrichen voll von aller frommen Kirchlichkeit. Es will doch nichts mehr wissen, das kennen wir doch. Es will wissen: Ist das wirklich wahr, dass Jesus lebt? Kann er mein Leben ändern? Kann er mir eine gewisse Hoffnung geben?
Für mich ist das immer wieder bestürzend. Ich habe es vorhin der Mutter gesagt, wo die Söhne auf der Freizeit dabei waren: Es gibt das gar nicht. Wenn ich solche jungen Kerle sehe, die das Geheimnis entdeckt haben, ja, Jesus lebt, und deren ganze Leidenschaft und Freude ist: Ich gebe mich dieser Kraft hin, die mein Leben erfüllt. Ich will mich treiben lassen von dem lebendigen Christus – nicht anders.
Ich bin überzeugt, dass heute in unserer Stadt nichts anderes mehr die Menschen interessiert.
Ich habe mich geschämt, letzte Woche, als von einem Beauftragten unserer Kirche ein Interview kam, in dem gefragt wurde, was die Aufgabe der Kirche sei. Dass man noch ein paar politische Kommunalversammlungen in kirchlichen Räumen veranstalte und die Menschen dann ja vielleicht ein bisschen anders aus den kirchlichen Räumen herausgingen, als sie hineingingen. Was für ein Quatsch!
Sie brauchen heute Abend nicht im kirchlichen Raum abzusitzen, sondern Sie müssen verstehen: Wenn Sie Christus nicht finden, ist alles heute Abend umsonst. Es geht nicht um mich, es geht nicht um die Menschen um Sie herum, sondern darum, ob Jesus Christus sich Ihnen offenbart und ob das wahr ist.
Dann sagte Stopplos von den Pfarren, er dachte gerade gar nicht, dass das gepredigt wird. Paulus hatte schon Mühe, dass das Evangelium in den ersten Christen-Gemeinden nicht zu einem Leistungsweg wurde.
Als Christ müsse man so lange Haare tragen, so lange Rücken, so viel beten, so und so leben, und der Gottesdienst müsse so gefeiert werden. Es seien lauter Pflichten. Ich habe mich gewundert, warum ich letztes Mal so erbittert war.
Ich habe in den zurückliegenden sieben Tagen seit unserer letzten Bibelstunde erst gemerkt, wie tief das in unseren Köpfen verankert ist: was alles sein muss. Es muss überhaupt nichts sein.
Vor Jahrzehnten hat mich meine Frau bewahrt, dass ich den Talar ausgezogen habe. Aber ich will ja auch kein Bilderstürmer sein. Es kommt gar nicht auf irgendwelche Formen an. Es ist auch gar nicht nötig. Was wir an Ordnungen haben, haben wir der Liebe wegen. Wir haben den ältesten Kreis, der darüber entscheidet. Der Pfarrer soll es nicht von sich aus allein machen.
Letztlich haben wir auch noch einmal in der Reformation und in den Bekenntnissen von Augsburg gelesen, dass es gar keine verpflichtenden Ordnungen gibt, außer Jesus Christus. Jesus Christus ist der Herr von Menschen und die Mitte der Einheit.
Wenn Jesus Christus uns treibt und erfüllt, dann sind wir über alle Individualität verbunden in dem lebendigen, auferstandenen Christus. Wir brauchen gar keine großen Ordnungen. Wir brauchen sein Wort sicher, wir brauchen das Gebet. Man muss einkaufen, das Abendmahl ist gut – aber das ist genug zur Währung.
Wenn wir nur in Christus eins sind, hat Jesus das so gelehrt im Johannesevangelium.
Jetzt war damals – wir hatten es jetzt ein paarmal, schon von Doktor Laubach neulich – die große Versuchung: Ja, aber das jüdische Gesetz ist doch so gut. Für uns ist das jüdische Gesetz sicher gar nicht mehr die Versuchung.
Ich habe immer wieder den Eindruck, dass viele Leute sagen, es wäre doch sicher eine Hilfe, wenn man heute den Menschen konkretere Regeln geben würde, wie sie leben müssen. Nein. Und ich bin hier den Kirchengemeinderäten dankbar, dass wir in der Hofer Gemeinde diese große Freiheit leben konnten.
Die einen haben sich in Hauskreisen organisiert, die einen waren so, die anderen anders. Wir hatten eine Mitte: Christus und sein Wort. Und das hat uns verbunden und zusammengeführt.
Es muss gar keiner ins Bibeltraining kommen. Morgen haben die jungen Leute im Jugendbibelkreis ihren eigenen Kreis. Das ist gar nicht wichtig. Es gibt nur eine Grenze: Dort, wo die Liebe verletzt wird.
Die Grenze ist da, wo mein Tun, so sagt die Bibel, zur Sünde führt – ganz klar. Wo ich den Nächsten an den Rand drücke, wo ich meine Begierden auslebe auf Kosten des Anderen, wo ich die Unwahrheit spreche. Es gibt solche Grenzen des Gebots.
Aber die herrliche Freiheit – ich bin so froh, dass ich im Elternhaus und auch von meiner Großmutter her von frühester Kindheit an gehört habe: Der Weg mit Jesus ist nichts als Freude.
Ich habe das erst später gemerkt, als Leute gesagt haben, am Karfreitag darf man kein Fleisch essen und so. Das habe ich nie gekannt, ich habe überhaupt nicht gewusst, dass es so etwas gibt. Ich habe nur gewusst, dass alles, was der Herr uns schenkt, eine große Freude ist.
Aber es gibt eine Grenze, wenn ich vom lebendigen Christus abfalle oder wieder gegen ihn sündige. Meine Großmutter hat uns alles erlaubt. Wenn wir ihre ganze Wohnung demoliert haben, da waren ja nur ein paar erschrocken, wie sie die Geschichte gehört haben, wie mein Bruder Gärtnerei gespielt hat mit dem grünen Sofa und mit der ganzen Gießkanne den schönen Salonsofa unter Wasser gesetzt hat.
Die Oma hat das so schön kommentiert: „Wie ihr spielt.“ Aber sie hat uns oft an sich gezogen, jene alte Frau, die fast vierzig Jahre Witwe war, und gesagt: „Merkt euch für euer Leben, dass ihr nie etwas gegen Jesus tut.“ Alles andere sei ganz egal.
Es war nicht einmal eine Pflicht, in die Stund mitzugehen. Man hat nur gespürt, es würde der Oma wehtun, wenn man nicht gehen würde. Aber es war nie der Gedanke, das müsse man alles absitzen, damit man Christ ist.
Jetzt, was ist das Evangelium? Christus lebt in mir. Es ist die neue Geburt, wie Jesus im Johannesevangelium sagt: Wer neu geboren ist, hat ein neues Leben, Christus lebt in mir.
Jetzt kann ich mit Bildern das Evangelium sagen: Ich bin eingepfropft in den Weinstock Jesus, ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Es ist ja immer sehr lieb, wenn jemand sagt, dass der oder jener Christ ihm etwas bedeutet hat oder ihm etwas gegeben hat. Es war immer das Geheimnis Jesu Christi.
Sie wissen, dass jeder von uns ein ganz notvoller Mensch bleibt in seiner fleischlichen Art. Deshalb sagt Paulus: Was ich noch lebe in diesem Fleisch, meint er gar nicht abwertend. Das ist auch meine Vernunft, mein Wille, mein Gefühl und meine Seele in diesem irdischen Dasein.
Das lebe ich im Vertrauen und im Aufblick auf Jesus Christus.
Es ist ganz merkwürdig: Wir können diese Kraft oder Vollmacht gar nie garantiert haben. Mir hat es in meinem Leben immer sehr geholfen, im schönsten Fall im Schulunterricht. Wenn man da mal ganz erhoben war oder jetzt in Konfirmandenstunden und sagt: „Das war ehrlich, die haben zugehört, man konnte eine Stecknadel fallen lassen, man konnte wirklich zeigen, wer Christus ist und was Bekenntnis heißt.“
Und das nächste Mal können sie gar nichts vermitteln. Bis sie immer mehr merken: Ohne Glauben, sagt der Vater – das heißt ohne Beten, ohne sich an Christus zu hängen – können sie gar nichts. Es gelingt nicht.
Sie können keine Kinder erziehen, Sie können keinem anderen eine Hilfe sein, Sie können keine Liebe weitergeben, wenn nicht die Kraft Jesu Christi in Ihrem Leben wirkt.
Und das ist jetzt nicht irgendetwas Spirituelles, wie sich die Leute vorstellen. Was ist das? Christus lebt, ist auferstanden und will in meinem Innersten, in meinem Ich herrschen und regieren.
Wenn Sie einmal das Gesangbuch durchblättern, dann spüren Sie noch etwas auf uns wirken.
Bei meiner Frau habe ich eine ganz wunderbare Entdeckung gemacht. Wir haben es selbst nicht so geahnt, als wir uns die Arbeit gemacht haben, an den Liederdichtern entlangzugehen.
Und dann bricht es dort heraus, dieser Jubel: „Nun freut euch, liebe Christen-gemeinde.“ So ganz schwierige, holprige Sprache – und lasst uns fröhlich springen.
Was haben die denn entdeckt? Ich muss nicht irgendeiner Rangfolge von Verordnungen in meinem Leben folgen, sondern ich darf mich heute Abend, wenn ich ins Bett gehe, in die Huld und Gnade Jesu befehlen.
Und was ist das für ein triumphaler Sieg über das dunkle Sterben unseres Lebens:
„Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tot, wo sind nun deine Schrecken? Er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken. Doch nicht, dass ich da hinunter sinke und verwese. Lebt Christus, was bin ich betrübt, ich weiß, dass er mich herzlich liebt, wenn mir gleich alle Welt stirbt ab.“
Und dass man da auf einmal Menschen entdeckt, die durch diese ganze Not gehen und sagen: „Das ist mir so groß geworden in diesem Heil-Christus!“
Ich kann es immer wieder sagen, wie es dieser Theologieprofessor Beck von Basel im letzten Jahrhundert gesagt hat, nach dem Tod von zwei Kindern und seiner Frau: „Ich habe so viel Größeres jetzt durch das Leid Christus entdeckt. Wenn ich nur mal tauschen könnte und meine Lieben zurückbekommen würde, wüsste ich nicht, was ich wählen sollte, weil ich die Größe und Kraft Jesu erst im Leid entdeckt habe.“
Weil ich weg war von diesen irdischen Wünschen, sondern vielmehr entdeckt habe: Das geht ja bloß auf die neue Welt zu.
Jetzt müssen Sie also mal sehen, warum die Liederdichter das so gesungen hatten. Nikolaus Hermann, der so krank war von seiner Gicht, dass er nicht mehr in einem Bett liegen konnte, der so von den Schmerzen geplagt war, und dann singt er sein Lied: „Lebt Christus, was bin ich betrübt, ich weiß, dass er mich herzlich liebt.“
Und lasst doch meinen Körper sterben – er lebt, er lebt, er lebt.
Wir haben letzte Woche gedacht: Das darf nicht mehr passieren. Solange ich hier noch reden kann, wie Sie sagen, es gibt nur einen Kern des Evangeliums.
Lasst doch die anderen im Radio schwärmen: Jesus lebt seit zweitausend Jahren. Er lebt, er lebt, und das gibt es sonst nirgendwo. Davon kommen wir her, und das dürfen Sie entdecken.
Lesen Sie sein Wort, beten Sie, Sie werden es entdecken: Er ist doch da. Wir sind doch blind, wenn wir das nicht wissen: Er lebt, er lebt.
Und dann ist die größte Entdeckung, die Paulus gemacht hat: die Liebe Jesu.
Jetzt muss ich es doch noch einmal so sagen: Viele Leute stoßen sich daran und sagen: „Wo ist denn die Liebe Gottes? Wo ist die Liebe Jesu?“
Sagen Sie: In Kosovo wird geschossen, in Osttimor wird geschossen, hier wird Haschisch geraucht und andere besaufen sich. Was hat das mit Christus zu tun? Wo kann ich die Liebe Christi merken?
Ich kann die Liebe Christi nicht einmal in meinem eigenen Leben entdecken, weil ich blind bin.
Wenn Sie wüssten, was Gott an Ihnen getan hat, als Sie im Mutterleib gebildet wurden, dass Sie kein Krüppel sind, was Gott an Ihnen getan hat.
Ich bin in den schlimmsten Kriegsjahren aufgewachsen. Mein Bruder hat immer noch die Splitter von Jabo-Bombern, wenige Zentimeter neben ihm eingeschossen, als er vierzehn war.
Was wir alles in unserem Leben erleben – Sie können Geschichte erzählen – aber Sie werden die Liebe Jesu erst da merken können, wenn Sie begreifen, dass es wahr ist.
Damals haben die ersten Evangelisten weitererzählt: Jesus starb am Kreuz nicht, weil er gescheitert war. Warum sollte er gescheitert sein? Weil das, was Jesus gesagt hat, stimmt: Er hat sein Leben gegeben zu einem Sühnopfer für viele.
Ich kann nie vor Gott treten. Selbst wenn Sie Ihren Leib opfern für Gott, selbst wenn Sie all Ihr Geld den Armen geben – Sie können Ihr Leben nicht vor Gott angenehm und heilig machen. Sie können gar nichts machen.
Und selbst im besten Leben sind Sie vor Gott verloren. Sie bleiben ein Schuldner, weil wir Gott die Ehre versagen. Das ist die große Not der Menschheit.
Wir sind gestaltet nach dem Bild Gottes. Aber das Bild Gottes ist verdreht.
Wir haben da auf der Freizeit die Geschichte in unserer letzten Bibelbesinnung erzählt, wie das Kindlein starb, das damals David mit Batseba gezeugt hat. Eine kleine Erinnerung daran, dass meine Schuld nicht einfach vergeht, dass da nicht Gras drüber wächst.
Und das arme, unschuldige Kindlein starb dafür, obwohl doch der Vater und Batseba die ganze Schuld haben.
Es war der Punkt, wo ich neulich mal so eine Predigt formuliert habe: Alle Menschen, die in den letzten zweitausend Jahren zum lebendigen Glauben in Christus kamen, haben es alle nur entdeckt über das unschuldige Kreuz des Todes Jesu.
„Gott ist für mich.“ Woher weiß ich denn, dass Gott für mich ist? Woher denn, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für mich dahingegeben hat?
Das Evangelium ist für mich, so wie ich bin, gemeint.
Und was war das in meinem Leben befreiend, dass ich meine Last unter das Kreuz Jesu legen kann und er sie, die Schuld, wegnimmt.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das Leben haben, das er sich selbst für mich dahingegeben hat.
Hat er nicht einmal gesagt: „Wo der in Fell war“ – wenn mein Schwiegersohn sagte: „Warum müssen sie immer vom Kreuz reden?“ – weil das das herrlichste Evangelium ist.
Sonst lässt man die Menschen allein mit ihrer ganzen frommen Qual.
Man hat immer so getan, als ob das nur eine Sache wäre bei der Reformation und der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche.
Dabei zieht sich doch die ganze Kirchengeschichte bei den Waldensern, bei den Hugenotten, bei Johannes Hus und Wycliff, in der Erweckungsbewegung in Württemberg, wo plötzlich die Kirchen auf den Plan kamen und sagten: „Das gibt es gar nicht, dass da Leute ihre eigenen Bibelstunden machen. Wer hat eigentlich der Kirche das Recht gegeben, die geistlichen Regungen zu kontrollieren? Was ist das für eine Arroganz?“
Wo es in der Freiheit des Evangeliums geschieht, ja.
Und wir müssen so aufpassen. Gestern riefen wir eine Frau an, die in einem Ort Württembergs ihren Sohn in einem anderen Bezirk konfirmiert hat. Das betrifft uns gar nicht.
Und dann wurden ihr plötzlich bürokratische Vorschriften gemacht: „Das hat es jetzt nicht mehr in der DDR gegeben. Die muss dorthin, die muss da hin, die muss da hin.“
Entschuldigung, freut sie sich nicht? Da gibt es eine Beziehung, und das ist ein geistlicher Grund. So gläubige Frau, wir haben einen Haufen Vorschriften, die man Menschen auferlegt, die mit dem Heil überhaupt nichts zu tun haben.
Wir müssen aufpassen. Wir wollen nicht andere Menschen verletzen. Wir wollen niemanden betrüben. Aber es muss doch möglich sein, dass die Freiheit des Evangeliums gepredigt wird.
Ich habe letztes Mal von Johann Jakob Schütz erzählt, der in Frankfurt Reichsrat war und der mit William Penn zusammentraf. Er hat diese Freiheit, die Glaubensfreiheit, so angesprochen.
Die Kirchenleitung damals setzte durch, dass er nur bei Nacht und Nebel beerdigt werden durfte und kein Gebet in seinem Saal gesprochen werden durfte. Er ist nie aus der Kirche ausgetreten, nur weil er ein bisschen freiheitliche Vorstellungen hatte.
Christus ist das Bindeglied, der lebendige Christus, der herrscht. Deshalb freut es mich, wenn es Baptisten und Methodisten und Heilsarmeeangehörige gibt.
Aber es geht darum, dass wir rechte Christen sind. Wir sind noch eine Gemeinde mit Christus, und das ist evangelische Lehre. Das ist sogar im Bekenntnis von Augsburg festgehalten.
Und es gab auch im Dritten Reich wackere Kämpfer. Dazu gehörte Paul Schempp, der sich natürlich mit allen kirchlichen Ordnungen angelegt hat, weil es ihm so wichtig war, als eine ganze kirchliche Bürokratie sich an diesen schrecklichen Ungeist verbunden hatte und die Volkskirche in ein schreckliches Gefängnis verwandelte.
Er hat gerufen: Es hilft nur die evangelische Freiheit, dass die Gemeinden auf den Plan treten und sagen: „Nur noch die freie Evangeliumsverkündigung!“
Und es gibt gar nichts mehr. Ich brauche keine Zentralgewalt und nichts mehr, denn durch die Zentralgewalt wird man von oben bloß beherrscht mit reiner fremder Ideologie.
Paulus hat es hier so verfochten: Evangelium leben, die Freude des Evangeliums. Machen Sie das den Kindern groß!
Dann sagen die Leute: „Aber es ist doch gefährlich, dass da Missbrauch entsteht.“
Glauben Sie, dass das gefährlich sein kann? Wenn Christus uns treibt, kann gar nichts gefährlich sein.
Vermitteln Sie den Kindern die große Freude! Nichts kann unser Leben auch moralisch so prägen wie Christus.
Wer ist denn sonst der auferstandene, lebendige Christus?
Jetzt noch kurz zur Sache: Was war denn mit Petrus?
Petrus hat sich immer sehr dafür eingesetzt, dass die judenchristliche Gemeinde auch ganz in den Ordnungen des Judentums blieb. Offenbar haben auch die falschen Lehrer, die in Galatien eingedrungen waren – also im Gebiet der heutigen Türkei – die Gemeinden überfallen und gesagt: „Der bessere Weg ist natürlich das.“
Das kommt immer als der bessere Weg: der bessere Weg, wenn man so betet oder die Form macht und die Praxis ändert.
Paulus hat ihm widerstanden. Er hat gesagt: „Bis hier und keinen Schritt weiter!“ Und sagt, da hat Petrus auch versagt, weil er geheuchelt hat und nach außen hin so getan hat, als ob man in gewissen Situationen der Meute nachgeben müsse.
Christus allein besteht nun in der Freiheit, zu der euch Christus befreit hat.
Da werden wir noch im ganzen Galaterbrief daraufkommen, was das bedeutet: Christus treibt uns.
Die herrliche Erfahrung, die die Menschen gemacht haben, denke ich immer wieder an Leute, die aus ganz großen Verirrungen kamen, Leute, die aus der Suche der Philosophie kamen und plötzlich das Evangelium entdeckten.
So ein Blaise Pascal, das ist enorm in seiner großen Krankheit. Und dann entdeckt er das Evangelium.
Ich denke immer wieder, wie machen das unsere Zeitgenossen, dass da eine Liederhalle mit zweitausend Leuten voll ist, die eine Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach lauschen und nicht begreifen, was Bach sagen will.
Da stand neulich bei so einem Schütz-Konzert im Führer drin: Wir können die religiösen Floskeln oder was eines Schütz nicht mehr versinnen. Können wir sie nicht mehr verstehen, dann sind wir zum Untergang geweiht.
Das ist doch alles, was ein Schütz singt – dessen Frau so früh weggerissen wurde und die ein halbes Jahr lang nur noch Psalmen vertonte. Wort Gottes leben war der Trost des Evangeliums in einer schweren Zeit.
Nicht die Töne haben Schütz erfüllt und Bach, sondern die Worte, die sie vertont haben.
Und Sie können es überall ansehen, wo das war und wo das heute geschieht.
Es gibt ja Leute wie Gerd von Paczenski, einen Fernsehmoderator, der so hässliche Bücher über die Missionsbewegung geschrieben hat.
Ich kann es Ihnen an der Seite zeigen, wo er im Ernst sagt, es sei ein Unrecht der Missionare, dass sie in Kenia gegen die Frauenbeschneidung aufgetreten sind.
Man solle doch die schönen kulturellen Bräuche erhalten.
Wer weiß, was das ist, wie viele da verblutet sind, wie Menschen für ihr Leben zerstört sind.
Mission war doch immer, dass Christus verkündigt wurde und Menschen plötzlich die Augen geöffnet bekommen, weil nur Christus die Decke wegtun kann.
Mission ist offenbar auch von Christus hergekommen.
Ich kann es nicht machen, ich kann es heute Abend nicht machen, aber Sie dürfen schreien: „Herr, öffne mir die Augen, dass ich sehe!“
Und Paulus sagt: Bitte, passt euch nie der Meute an.
Im 1. Korinther 9 hat Paulus geschrieben: Wir sollten allen Menschen alles werden.
Und das wird dann immer so blöd zitiert: „Den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche.“
Aber eben nicht! Paulus hat sich den Juden so weit wie möglich angepasst, aber nicht, wenn es um den Heilsweg ging.
Ich kann auf Menschen Rücksicht nehmen, ich kann auf katholische Christen Rücksicht nehmen, ich kann auf viele Rücksicht nehmen und sagen: Ich will sie nicht verletzen mit ihren Gefühlen.
Ich kann auf Hindus Rücksicht nehmen und alles tun.
Aber wenn es um den Weg geht – was ist der Heilsweg, wie komme ich zum Heil? – Sie können ihn nur sofort gratis aus Glauben empfangen, nicht anders.
Sie können Christus nur in Ihr Leben aufnehmen, so steht es im Neuen Testament – nicht pietistisch, sondern vom Evangelium.
So wie Paulus es vor Damaskus entdeckt hat: Christus lebt!
Dann sehen wir plötzlich diesen Mann, getrieben von der Kraft und erfüllt vom Geist.
Er sagt das im Vers 16: Der Mensch wird nicht gerecht durch Werke des Gesetzes.
Im Römerbrief noch einmal: Ich meine ja, das ist so die Kernlehre, durch die man mal durch muss.
Im Römerbrief heißt es: Der Mensch wird heil in seinem Leben, indem er dies und das tut und lässt.
„Ich bin doch ein braver Mensch, ich liebe meine Frau so, und meine Kinder habe ich recht erzogen, ich habe nie gestohlen.“
Man wird vielleicht verdruckt, aber kein Christ.
So ein Christ ist ein Mensch, der in der ganzen Schwachheit, wie der sterbende Ludwig Hofacker, bloß eins bezeugen kann: Er lebt, und er hat sein Leben für mich gelassen.
Das hat die Stuttgarter einmal getrieben zu Tausenden und Abertausenden, bevor man den Hofacker nach Rielingshausen getan hat.
Aber ich bin überzeugt, dass der Hunger nach diesem Evangelium so groß ist.
Und Sie sind Botschafter des Evangeliums.
Unser Leben soll nichts bestimmen als dieses Evangelium, das wir erlebt haben, und der, der sein Leben für mich gelassen hat, sich selbst für mich dahingegeben hat.
Und alles, was ich lebe, lebe ich mit Christus.
Was kann mich jetzt noch scheiden von der Liebe Gottes?
Das macht mich frei von allen Dingen, das macht mich fröhlich, das erfüllt mich mit Hoffnung.
Das ist das herrlichste Zeugnis, das wir vor der Welt haben.
Jede Generation muss das neue Erkämpfensevangelium ganz neu erleben.
Man kann es sich auch nicht anerziehen lassen, man kann es auch nicht im Konfirmandenunterricht lernen, man kann es auch nicht auswendig lernen im Religionsunterricht.
Man muss es ganz neu erkämpfen.
Es ist eine eigene Entscheidung.
Ich will Sie heute Abend, wenn Sie es noch nicht getan haben, bitten, dass Sie Christus suchen und die herrlichste Entdeckung machen, die es gibt: dass Sie ihn wirklich wahr erleben als den Herrn, als den Sieger über den Tod.
Die Versuchung der Gesetzlichkeit und die Freiheit im Evangelium
Dann sagte Stopplos von den Pfarren, er habe gar nicht daran gedacht, dass das gar nicht gepredigt wird. Paulus hatte schon zu seiner Zeit große Mühe damit, dass in den ersten Jahren der ersten Gemeindegründung das Evangelium sofort in einen Leistungsweg verwandelt wurde.
Als Christ müsse man die Haare lang tragen, den Rücken gerade halten, viel beten, bestimmte Dinge tun, nicht lachen und sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Der Gottesdienst müsse so gefeiert werden – es seien lauter Pflichten. Ich habe mich gewundert, warum ich beim letzten Mal so erbittert war. Erst in den zurückliegenden sieben Tagen seit unserer letzten Bibelstunde habe ich gemerkt, wie sehr diese Vorstellungen in unseren Köpfen verankert sind. Dabei muss gar nichts davon sein.
Vor Jahrzehnten hat mich meine Frau davor bewahrt, den Talar auszuziehen. Aber ich will auch kein Bilderstürmer sein. Es kommt gar nicht auf irgendwelche Formen an. Es ist auch gar nicht nötig. Was wir an Ordnungen haben, haben wir aus Liebe. Wir haben einen Ältestenkreis, der darüber entscheidet. Ein Pfarrer soll es nicht von sich aus allein machen. Letztlich haben wir auch noch einmal in der Reformation in den Bekenntnissen von Augsburg gelesen, dass es gar keine verpflichtenden Ordnungen gibt außer Jesus Christus.
Jesus Christus ist der Herr über die Menschen, er ist die Mitte der Einheit. Wenn Jesus Christus uns treibt und erfüllt, dann sind wir über alle Individualität hinweg verbunden in dem lebendigen, auferstandenen Christus. Wir brauchen gar keine großen Ordnungen. Wir brauchen sein Wort, sicher, wir brauchen das Gebet. Man muss das Abendmahl feiern, das ist gut, aber das ist genug zur Wahrung der Einheit, wenn wir nur in Christus eins sind.
Das hat Jesus so im Johannesevangelium gelehrt. Wir hatten es jetzt ein paarmal schon von Doktor Laubach: Die große Versuchung sei, das jüdische Gesetz sei doch so gut. Für uns ist das jüdische Gesetz sicher keine Versuchung mehr.
Ich habe immer wieder den Eindruck, dass viele Leute denken, es wäre eine Hilfe, wenn man heute den Menschen konkretere Regeln geben würde, wie sie leben müssen. Nein. Ich bin auch hier den Kirchengemeinderäten dankbar, dass wir in der Hofer Gemeinde diese große Freiheit leben konnten. Die einen haben sich in Hauskreisen organisiert, die anderen waren anders. Wir hatten eine Mitte: Christus und sein Wort. Das hat uns verbunden und zusammengeführt.
Es muss gar keiner ins Bibeltraining kommen. Morgen haben die jungen Leute im Jugendbibelkreis ihren eigenen Kreis. Das ist gar nicht wichtig. Es gibt nur eine Grenze: dort, wo die Liebe verletzt wird. Die Grenze ist da, wo mein Tun laut Bibel zur Sünde führt. Ganz klar, wo ich den Nächsten an den Rand dränge, wo ich meine Begierden auf Kosten des Anderen auslebe, wo ich Unwahrheit spreche. Es gibt solche Grenzen der Gebote.
Aber die herrliche Freiheit! Ich bin so froh, dass ich im Elternhaus und auch von meiner Großmutter her von frühester Kindheit an gehört habe: Der Weg mit Jesus ist nichts als Freude. Ich habe das erst später gemerkt, als Leute sagten, am Karfreitag dürfe man kein Fleisch essen. So etwas habe ich nie gekannt und überhaupt nicht gewusst, dass es so etwas gibt.
Ich habe nur gewusst, dass alles, was der Herr uns schenkt, eine große Freude ist. Aber es gibt eine Grenze, wenn ich vom lebendigen Christus abfalle oder gegen ihn sündige.
Meine Großmutter hat uns alles erlaubt. Wenn wir ihre ganze Wohnung demoliert haben, waren nur ein paar Leute erschrocken, als sie die Geschichte hörten, wie mein Bruder Gärtnerei spielte und mit der ganzen Gießkanne das grüne Sofa im Salon unter Wasser setzte. Die Oma sagte nur: „Spielt schön!“
Aber sie hat uns oft an sich gezogen, jene alte Frau, die fast vierzig Jahre Witwe war, und gesagt: „Merkt euch fürs Leben, tut nie etwas gegen Jesus.“ Alles andere war ganz egal.
Es war nicht einmal Pflicht, in die Stund zu gehen. Man spürte nur, es würde der Oma wehtun, wenn man nicht ginge. Aber es war nie der Gedanke, das alles absitzen zu müssen, um ein Christ zu sein.
Das Evangelium als neues Leben in Christus
Was ist nun das Evangelium? Christus lebt in mir. Es ist die neue Geburt, wie Jesus im Johannes-Evangelium sagt. Wer neu geboren ist, hat ein neues Leben; Christus lebt in ihm.
Nun möchte ich das Evangelium mit Bildern erklären: Ich bin eingepfropft in den Weinstock Jesus. Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Es ist immer sehr schön, wenn Menschen erzählen, dass ein bestimmter Christ ihnen viel bedeutet hat oder ihnen etwas gegeben hat. Doch dahinter steht immer das Geheimnis Jesu Christi.
Jeder von uns bleibt ein Mensch mit seinen Schwächen, besonders in seinem fleischlichen Wesen. Deshalb sagt Paulus: „Was ich noch lebe im Fleisch“ – damit meint er nicht abwertend das Fleisch, sondern auch seine Vernunft, seinen Willen, seine Gefühle und seine Seele in diesem irdischen Leben. Dieses Leben lebt er im Vertrauen und im Aufblick auf Jesus Christus.
Es ist merkwürdig: Wir können diese Kraft oder Vollmacht nie garantiert haben. Mir hat es in meinem Leben oft geholfen, zum Beispiel im Schulunterricht. Wenn man dort einmal ganz aufmerksam war – oder jetzt bei den Konfirmandenstunden – und ehrlich zugehört hat, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Man konnte wirklich zeigen, wer Christus ist und was Bekenntnis bedeutet. Doch beim nächsten Mal gelingt es oft nicht, etwas zu vermitteln.
Man merkt immer mehr: Ohne Glauben, das heißt ohne Beten und ohne sich an Christus zu hängen, gelingt nichts. Sie können keine Kinder erziehen, niemandem helfen und keine Liebe weitergeben, wenn nicht die Kraft Jesu Christi in ihrem Leben wirkt.
Und das ist kein beliebiges Spirituelles, vor dem sich viele Menschen fürchten. Was ist das? Christus lebt, ist auferstanden und will in meinem Innersten, in meinem Ich, herrschen und regieren.
Die Freude und der Jubel des Glaubens
Wenn man einmal das Gesangbuch durchblättert, spürt man etwas, das uns wachrüttelt. Bei meiner Frau habe ich eine ganz wunderbare Entdeckung gemacht. Wir hatten uns selbst nicht so recht vorgestellt, wie sehr wir uns die Mühe machen würden, den Liederdichtern nachzugehen. Und dann bricht dort dieser Jubel hervor!
„Nun freut euch, liebe Christgemeinde“ – trotz der manchmal schwierigen und holprigen Sprache. Lasst uns fröhlich sein und springen! Was haben die denn entdeckt?
Ich muss nicht irgendeine Rangfolge von Verordnungen in meinem Leben befolgen, sondern ich darf mich heute Abend, wenn ich ins Bett gehe, in die Huld und Gnade Jesu befehlen. Und was ist das für ein triumphaler Sieg über das dunkle Sterben unseres Lebens!
„Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tot, wo sind nun deine Schrecken? Er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken. Doch nicht, dass ich da hinunter sinke und verwese. Lebt Christus, was bin ich betrübt! Ich weiß, dass er mich herzlich liebt, wenn mir gleich alle Welt stirbt.“
Und dann entdeckt man plötzlich Menschen, die durch all diese Not hindurchgehen und sagen: „Das ist mir so groß geworden in diesem Heil-Christus!“ Ich kann es immer wieder sagen, so wie es der Theologieprofessor Beck aus Basel im letzten Jahrhundert gesagt hat, nach dem Tod von zwei Kindern und seiner Frau: „Ich habe Christus so viel größer jetzt durch das Leid entdeckt. Wenn ich nur tauschen könnte und meine Lieben zurückbekäme, wüsste ich nicht, was ich wählen sollte. Denn ich habe die Größe und Kraft Jesu erst im Leid entdeckt.“
Weil ich weg war von diesen irdischen Wünschen, habe ich vielmehr entdeckt: Das geht ja bloß auf die neue Welt zu.
Jetzt müssen Sie also einmal sehen, warum die Liederdichter das so gesungen haben. Nikolaus Hermann, der so krank war von seiner Gicht, dass er nicht mehr in einem Bett liegen konnte, der so von den Schmerzen geplagt war, singt sein Lied: „Lebt Christus, was bin ich betrübt, ich weiß, dass er mich herzlich liebt. Und lasst doch meinen Körper sterben, er lebt, er lebt, er lebt!“
Wir haben letzte Woche gedacht: Das darf nicht mehr passieren. Solange ich hier noch reden kann, so wie Sie sagen, gibt es nur einen Kern des Evangeliums. Lasst doch die anderen im Radio. Schwarzen Jesus seit zweitausend Jahren: „Er lebt, er lebt!“ Und das gibt es sonst nirgendwo. Davon kommen wir her, und das dürfen Sie entdecken. Lesen Sie sein Wort, beten Sie – Sie werden es entdecken: Er ist doch da! Wir sind doch blind, wenn wir das nicht wissen. Er lebt, er lebt!
Die Liebe Jesu als zentrale Kraft des Glaubens
Und dann ist die größte Entdeckung, die Paulus gemacht hat, die Liebe Jesu. Jetzt muss ich es doch noch einmal sagen: Viele Leute stoßen sich daran und fragen: Wo ist denn die Liebe Gottes und wo ist die Liebe Jesu? Sie sagen: Im Kosovo wird geschossen, in Osttimor wird geschossen, und hier wird Haschisch geraucht, und andere betrinken sich. Was hat das mit Christus zu tun? Wo kann ich die Liebe Christi spüren? Ich kann die Liebe Christi nicht einmal in meinem eigenen Leben entdecken, weil ich blind bin.
Wenn sie wüssten, was Gott an ihnen getan hat, als sie im Mutterleib gebildet wurden, dass sie kein Krüppel sind, was Gott an ihnen getan hat! Ich bin in den schlimmsten Kriegsjahren aufgewachsen. Mein Bruder hat immer noch die Splitter von Jabo-Bombern in sich, die wenige Zentimeter neben ihm eingeschlagen haben, als er erst vierzehn Jahre alt war. Was wir alles in unserem Leben erlebt haben – Sie können Geschichten erzählen –, aber die Liebe Jesu werden Sie erst dann merken, wenn Sie begreifen, dass das wahr ist.
Damals haben die ersten Evangelisten weiter erzählt: Jesus starb am Kreuz nicht, weil er gescheitert war. Warum sollte er gescheitert sein? Denn das, was Jesus gesagt hat, war, dass er sein Leben gebe als Sühnopfer für viele. Ich kann nie vor Gott treten. Und selbst wenn Sie Ihren Leib für Gott opfern und all Ihr Geld den Armen geben, können Sie Ihr Leben nicht vor Gott angenehm und heilig machen. Sie können gar nichts tun. Selbst im besten Leben sind Sie vor Gott verloren. Sie bleiben ein Schuldner, weil wir Gott die Ehre versagen – das ist die große Not der Menschheit.
Wir sind nach dem Bild Gottes gestaltet, aber das Bild Gottes ist verdreht. Wir haben auf der Freizeit in unserer letzten Bibelbesinnung die Geschichte gehört, wie das Kindlein starb, das David mit Batseba gezeugt hat. Eine kleine Erinnerung daran, dass meine Schuld nicht einfach vergeht, dass nicht einfach Gras darüber wächst, und dass das arme, unschuldige Kindlein dafür stirbt, obwohl doch der Vater und Batseba die ganze Schuld tragen.
Das war der Punkt, an dem ich neulich eine Predigt formuliert habe: Alle Menschen, die in den letzten zweitausend Jahren zum lebendigen Glauben an Christus kamen, haben es nur über das unschuldige Kreuz des Todes Jesu entdeckt. „Gott ist für mich!“ Woher weiß ich denn, dass Gott für mich ist? Woher denn, wenn er seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für mich dahingegeben hat? Das Evangelium gilt für mich, so wie ich bin.
Und was war das in meinem Leben befreiend, dass ich meine Last unter das Kreuz Jesu legen kann und er mir die Schuld wegnimmt! So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das Leben haben. Das Leben, das er sich selbst für mich dahingegeben hat.
Hat er nicht einmal gesagt, als er in Not war – wenn mein Schwiegersohn fragte: „Warum müssen Sie immer vom Kreuz reden?“ – weil das das herrlichste Evangelium ist. Sonst lässt man die Menschen allein mit ihrer ganzen frommen Qual.
Die Geschichte der Evangeliumsverkündigung und die Freiheit des Glaubens
Jetzt hat man immer so getan, als ob es nur eine einzige Sache wäre – die Reformation und die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Dabei zieht sich doch die ganze Kirchengeschichte hindurch: bei den Waldensern, bei den Hugenotten, bei Johannes Husch und Woismach, in der Erweckungsbewegung in Württemberg.
Plötzlich sind die Kirchen auf den Plan getreten und haben gesagt, dass es gar nicht sein darf, dass Leute ihre eigenen Bibelstunden abhalten. Wer hat eigentlich der Kirche das Recht gegeben, die geistlichen Regungen zu kontrollieren? Was ist das für eine Arroganz, wo doch alles in der Freiheit des Evangeliums geschieht?
Wir müssen sehr aufpassen. Gestern riefen wir eine Frau an, die in einem Ort in Württemberg ihren Sohn in einem anderen Bezirk konfirmiert hat. Das betrifft uns eigentlich gar nicht. Doch dann wurden ihr plötzlich bürokratische Vorschriften gemacht. So etwas gab es nicht einmal mehr in der DDR. Sie muss dorthin, sie muss dorthin und dorthin – Entschuldigung, aber freut sie sich nicht? Es gibt eine Beziehung, und das ist ein geistlicher Grund. So eine gläubige Frau!
Wir haben einen Haufen Vorschriften, die Menschen auferlegt werden, obwohl diese Vorschriften mit dem Heil überhaupt nichts zu tun haben. Wir müssen aufpassen, denn wir wollen nicht andere Menschen verletzen oder betrüben. Aber es muss doch möglich sein, dass die Freiheit des Evangeliums gepredigt wird.
Ich habe beim letzten Mal von Johann Jakob Schütz erzählt, der in Frankfurt Reichsrat war und William Penn traf. Er hat die Glaubensfreiheit so angesprochen, dass die Kirchenleitung damals durchsetzte: Er darf nur bei Nacht und Nebel beerdigt werden, und in seinem Saal darf kein Gebet gesprochen werden. Trotzdem ist er nie aus der Kirche ausgetreten, nur weil er ein bisschen freiheitliche Vorstellungen hatte.
Christus ist das Bindeglied, der lebendige Christus, der herrscht. Deshalb freut es mich, wenn es Baptisten, Methodisten und Heilsarmee-Angehörige gibt. Aber es geht darum, dass wir rechte Christen sind. Wir sind eine Gemeinde mit Christus, und das ist evangelische Lehre. Das ist sogar im Bekenntnis von Augsburg festgehalten.
Auch im Dritten Reich gab es wackere Kämpfer. Dazu gehörte Paul Schempp, der sich mit allen kirchlichen Ordnungen anlegte, weil er sah, wie eine ganze kirchliche Bürokratie sich an diesen schrecklichen Ungeist gebunden hatte. Die Volkskirche war in einem schrecklichen Gefängnis.
Er rief: Es hilft nur die evangelische Freiheit, dass die Gemeinden auf den Plan treten und sagen: „Nur noch die freie Evangeliumsverkündigung!“ Es gibt nichts mehr, keine Zentralgewalt, denn durch die Zentralgewalt wird man von oben nur beherrscht – mit reiner fremder Ideologie.
Paulus hat das so verfochten: das Evangelium leben, die Freude des Evangeliums. Machen Sie das den Kindern groß! Dann sagen die Leute: „Aber es ist doch gefährlich, dass da Missbrauch entsteht.“ Glauben Sie, das kann gefährlich sein? Wenn Christus uns treibt, kann gar nichts gefährlich sein.
Vermitteln Sie den Kindern die große Freude! Nichts kann unser Leben – auch moralisch – so prägen wie Christus. Wer ist denn sonst der auferstandene, lebendige Christus?
Der Konflikt mit Petrus und die Freiheit in Christus
Jetzt noch kurz zu der Sache: Was war denn mit Petrus? Petrus hat sich immer sehr dafür eingesetzt, dass die judenchristliche Gemeinde ganz in den Ordnungen des Judentums lebt. Offenbar haben auch diese falschen Lehrer, die in Galatien eingedrungen waren – also im Gebiet der heutigen Türkei –, die Gemeinden überfallen und gesagt, der bessere Weg sei natürlich das. Das kommt immer als der bessere Weg daher, wenn man so betet, die Form einhält, die Praxis befolgt oder Ähnliches macht.
Paulus hat ihm widerstanden. Er sagte: Bis hier und keinen Schritt weiter! Dabei hat Petrus auch versagt, weil er geheuchelt hat. Nach außen hin tat er so, als müsse man in gewissen Situationen der Meute nachgeben. Christus allein besteht nun in der Freiheit, zu der euch Christus befreit hat. Darauf werden wir im ganzen Galaterbrief noch eingehen und verstehen, was das bedeutet. Christus treibt uns.
Die herrliche Erfahrung, die die Menschen gemacht haben, denke ich immer wieder, betrifft Leute, die aus großen Verirrungen kamen – Menschen, die aus der Suche der Philosophie kamen und plötzlich das Evangelium entdeckten. So wie Blaise Pascal, der in seiner großen Krankheit das Evangelium entdeckte. Ich frage mich oft, wie unsere Zeitgenossen das machen, dass eine Liederhalle mit zweitausend Leuten voll sitzt, um eine Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach zu hören, aber nicht begreift, was Bach sagen will.
Neulich stand bei so einem Schützkonzert im Programmheft, dass wir die religiösen Floskeln oder das, was Schütz singt, nicht mehr versinnbildlichen können. Können wir sie nicht mehr verstehen, dann sind wir zum Untergang geweiht. Das ist doch alles, was Schütz singt – er, dessen Frau so früh gestorben ist und der ein halbes Jahr lang nur noch Psalmen vertonte. Das Wort Gottes zu leben war der Trost des Evangeliums. Nicht die Töne allein haben Schütz und Bach erfüllt, sondern die Worte, die sie vertont haben.
Man kann es überall sehen, wo das war und wo es heute geschieht. Es gibt Leute wie Gerd von Paczenski, den Fernsehmoderator, der hässliche Bücher über die Missionsbewegung geschrieben hat. Ich kann Ihnen die Stelle zeigen, wo er im Ernst sagt, es sei ein Unrecht der Missionare gewesen, dass sie in Kenia gegen die Frauenbeschneidung aufgetreten sind. Man solle doch die schönen kulturellen Bräuche erhalten.
Wer weiß, was das bedeutet, wie viele dabei verblutet sind und wie viele Menschen dadurch ihr Leben zerstört haben? Mission war doch immer, dass Christus verkündigt wurde und Menschen plötzlich die Augen geöffnet bekommen, weil nur Christus die Decke wegnehmen kann. Offenbar ist das auch von Christus hergekommen.
Ich kann es heute Abend nicht machen, aber Sie dürfen schreien: Herr, öffne mir die Augen, dass ich sehe! Und Paulus sagt: Bitte, passt euch niemals der Meute an!
Die Anpassung an Menschen ohne Verzicht auf das Evangelium
Im ersten Korintherbrief Kapitel neun schreibt Paulus, dass wir allen Menschen alles werden sollen. Dieser Satz wird oft falsch zitiert: „Den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche“ – eben nicht einfach so. Paulus hat sich den Juden so weit wie möglich angepasst, aber nicht, wenn es um den Heilsweg ging.
Ich kann auf Menschen Rücksicht nehmen – auf katholische Christen, auf viele verschiedene Menschen – und sagen, ich will ihre Gefühle nicht verletzen. Ich kann auch auf Hindus Rücksicht nehmen und vieles tun. Aber wenn es um den Weg geht, um den Heilsweg, wie komme ich zum Heil, dann gibt es nur eine Antwort: Man kann das Heil nur sofort und gratis aus Glauben empfangen. Nicht anders. Man kann Christus nur in sein Leben aufnehmen, so steht es im Neuen Testament – nicht pietistisch, sondern im Evangelium.
So hat Paulus es vor Damaskus entdeckt: Christus lebt. Plötzlich sehen wir diesen Mann, getrieben von der Kraft und erfüllt vom Geist. Das sagt er im Vers sechzehn: „Der Mensch wird nicht gerecht durch Werke des Gesetzes.“ Das wird im Römerbrief noch einmal betont. Das ist die Kernlehre, durch die man hindurchmuss: Der Mensch wird nicht heil in seinem Leben, indem er dies oder das tut oder lässt. Man kann ein braver Mensch sein, die Familie lieben und die Kinder gut erziehen, aber wenn man nie stiehlt, wird man trotzdem kein Christ.
Man kann vielleicht gedruckt werden, aber nicht Christ sein. Ein Christ ist ein Mensch, der in seiner ganzen Schwachheit – wie der sterbende Ludwig Hofacker – nur eins bezeugen kann: Er lebt, weil Christus sein Leben für ihn gegeben hat. Das hat in Stuttgart Tausende bewegt, bevor man Hofacker nach Rielingshausen gebracht hat.
Ich bin überzeugt, dass der Hunger nach diesem Evangelium so groß ist. Wir sind Botschafter des Evangeliums, und unser Leben wird von diesem Evangelium bestimmt. Es ist die Erfahrung, dass Christus sein Leben für mich gelassen hat. Er hat sich selbst für mich hingegeben. Alles, was ich lebe, lebe ich mit Christus.
Was kann mich jetzt noch von der Liebe Gottes scheiden? Das macht mich frei von allen Dingen, das macht mich fröhlich und erfüllt mich mit Hoffnung. Das ist das herrlichste Zeugnis, das wir vor der Welt haben.
Jede Generation muss dieses Evangelium ganz neu erkämpfen. Man kann es sich nicht anerziehen lassen, nicht im Konfirmandenunterricht lernen und auch nicht auswendig im Religionsunterricht büffeln. Man muss es ganz neu erkämpfen. Es ist eine eigene Entscheidung.
Ich möchte heute Abend dazu ermutigen, Christus zu suchen, falls Sie das noch nicht getan haben. Machen Sie die herrlichste Entdeckung, die es gibt: Erleben Sie ihn wirklich als den Herrn, als den Sieger über den Tod.
