Einführung in das Hirtenamt und seine Bedeutung
Wir hören auf Gottes Wort, 1. Petrus 5,1-4: „Der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll, weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist. Achtet auf sie nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um schändlichen Gewinnswillen, sondern von Herzensgrund. Nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“
Herr, mach uns dein Hirtenamt groß!
Im Kreis von ein paar Freunden standen wir einmal zusammen und unterhielten uns darüber, was wohl die größte Versuchung für Menschen sein könnte. Wir dachten an Christen, die mutig und entschlossen ihren Glaubensweg gingen, und dann plötzlich eine Krise erlebten. Was war das wohl?
Die einen sagten: „Wir glauben, das ist heute das Geld.“ Das Geld werde zur Hauptversuchung im Leben. Andere meinten, es sei eine typische Männerrunde, und sagten: „Wir glauben, es sind die Frauen.“ So viele hätten in ihrem Glauben Schiffbruch erlitten wegen einer ungeheiligten Beziehung.
Da stand ein Oberkirchenrat dabei und sagte: „Nein, noch viel gefährlicher ist für einen Christen die Macht.“ Es war interessant, dass ein Mann in einem hohen kirchlichen Leitungsamt so viel Erfahrung und geistliche Kritikkraft hatte, dass er spürte, wie vielen die Macht zum Verhängnis wurde. Die Möglichkeit zu bestimmen, zu leiden zu bringen und plötzlich unter der Hand alles zu kontrollieren, lasse sie nicht mehr vor Gott prüfen. Stattdessen seien sie selbst die, die man die Herrgöttle nennt, die da oben sitzen.
Dass das zur Versuchung werden kann, liest man in der Geschichte der Kirchen. Man ist entsetzt, zu welchen furchtbaren Ausprägungen die Ämter geführt haben.
Darf man das heute an einem Ordinationstag überhaupt erwähnen? Wir wissen es, wenn wir nur an die Worte Hierarchie, den Anspruch, den Pomp und die Feierlichkeit denken, mit der Leute angetreten sind. Es war eine hohle Autorität; Gott war von seiner Kirche gewichen.
Wir erinnern uns plötzlich, wie eindrücklich Jesus allen seinen Nachfolgern nicht das Amt, die Würde und die Ehre gemacht hat, sondern das Dienen. Jesus konnte sagen: „In der Welt herrschen sie alle, so soll es unter euch nicht sein. Wenn einer unter euch groß sein will, dann sei er der, der allen die Füße wäscht, der den untersten Weg geht, der der Putzfänger ist, der Putzlumpen für die anderen.“
Und das darf bei euch überhaupt keine Rolle spielen.
Die Vorbildfunktion des Hirtenamtes
In diesem Zusammenhang hat Jesus, aber nicht nur er, sondern auch im Alten Testament bei den Propheten, also Gott selbst, deutlich gemacht, dass das Hirtenamt für uns eine Vorbildfunktion für unseren Dienst hat. Dabei geht es nicht nur um einzelne Personen wie Immanuel Reiser.
Das Wort, das wir gelesen haben, ist an die Kirchengemeinderäte gerichtet. Es enthält zudem eine besondere Mahnung an die Ältesten und die gesamte Gemeinde. Jeder Christ, sobald er zum Glauben kommt und bewusst seinen Weg mit Jesus geht, trägt Hirtenverantwortung – sei es im kleinen Kreis für seine Patenkinder, für die Nachbarschaft oder für Bekannte. Von jedem wird Hirtentreue verlangt.
Wer ein Amt übernimmt oder im Gemeindedienst mitarbeitet, hat eine Hirtenaufgabe gegenüber demjenigen, der heute neben ihm in der Kirche sitzt. Ebenso gilt das, wenn man mit Menschen zusammenkommt. Dieses Hirtenamt macht uns groß, so hat es Jesus vorgelebt. Deshalb möchte ich heute darüber sprechen.
Zunächst ist festzuhalten, dass es eine verbindliche Verpflichtung ist. Wenn wir heute Aufgaben übernehmen, fragen wir oft: Haben wir Lust dazu? Macht es uns Spaß? Haben wir Laune? Doch beim Hirtenamt heißt es: Euch ist es anbefohlen. Das Hirtenamt ist uns anbefohlen.
Es ist bedauerlich, dass wir diese Verpflichtung meist nur bei den Wortverkündigern im Predigtamt durch die Ordination deutlich machen. Eigentlich sollten wir jeden einzelnen Christen so ordinieren für die Aufgaben, die Gott ihm als Hirten übertragen hat, damit sie sich dessen bewusst sind.
Die Verpflichtung und Verantwortung im Hirtenamt
Zu einem indischen Kirchenführer kamen Leute und sagten: In unserer Gemeinde fehlen so viele, die lehren, unterweisen und führen können. Darauf antwortete er: Oh, ich habe ganz gute Leute.
„Wann können Sie die uns schicken?“, fragten sie sofort. „Ja, wo sind die?“, wollten sie wissen. Dann sagte er: „Kniet nieder, ich ordiniere euch zu diesem Amt.“
Als sie behaftet wurden, sagte er: „Geht, das ist euer Amt. Es ist uns anbefohlen, dass wir das tun.“
Es ist gut, dass wir heute beim Fachamt, beim Predigtamt, noch einmal zum Ausdruck bringen können: Es geht gar nicht darum, ob jemand Lust hat oder will. Vielmehr nimmt Gott jetzt einen Menschen in die Verpflichtung und sagt: Auch wenn du im Urlaub bist und selbst wenn du im Krankenhaus liegst, kannst du die Verantwortung nicht abwälzen.
Es wird dich nachts beschäftigen und dir nachgehen, dass du an deine Kranken denkst, an die Einsamen und an die jungen Leute, die sich bewusst von Jesus losgesagt haben. Du trägst eine Hirtenverantwortung!
Wir sind in dieses Amt hineingestellt und können uns nicht davon lossagen. Es ist uns anbefohlen, es ist eine Verpflichtung, die uns nicht loslässt.
Und trotzdem ist es nicht unsere Herde. Es steht da nicht dran: von der lutherischen Herde, von der reformierten oder von der baptistischen Herde. Sondern es gibt nur eine Herde, die Herde Gottes, sein Eigentum. Diese Herde sollen wir weiden, wo wir im Amt stehen.
Gott will deshalb von uns so genau die Verantwortung haben, dass wir sie übernehmen. Es gibt ja viele Posten, die man übernehmen kann, zum Beispiel als freischaffender Künstler oder als Hobby, und dann sagt man: Ich arbeite so ein wenig mit.
Das will ich jetzt allen Mitarbeitern in der Jungschar sagen oder denen, die einen Dienst übernommen haben: Wir schulden die letzte Treue, weil es um Gottes Herde geht und weil es ein Amt ist, in das wir von Gott eingesetzt werden und für das wir ihm Rechenschaft geben müssen.
Was ist das Amt? Dass wir Weide schaffen, dass wir die Leute zum Futterplatz bringen.
Ach, wie schön ist es, wenn wir an die Krankenbetten treten können! Wir sind ja so glücklich im Pfarrdienst, dass wir das vollberuflich tun können, mit unserer ganzen Zeit. Dass man uns finanziell dazu in die Lage versetzt, Zeit zu haben, dorthin zu gehen, wo die Leidenden sind, die Einsamen und die Verzweifelten, und ihnen Futter bringen zu dürfen.
Gottes Wort ihnen sagen zu dürfen: Gott lässt dich nicht los, du wirst nicht vergessen.
Ein wunderbares Amt, zu dem wir verpflichtet sind.
Ermahnung zur Ernsthaftigkeit und Hingabe im Dienst
Und nun ermahnt Petrus. Warum ermahnt er? Vielleicht haben manche gesagt: „Ich habe im Augenblick keine Neigung mehr dazu, ich fühle mich dazu gerade nicht geeignet.“ Doch Petrus sagt: „Ich ermahne dich, nehmt euer Amt wichtig, an welchem Platz auch immer.“
Vorhin habe ich schon vom Patenamt gesprochen, von dem Dienst, den ihr habt, dem Amt der Mutter in der Familie – ein Amt, zu dem euch Gott bestellt hat. Die Großmütter und Tanten, die für ihre Nichten, Neffen und Enkelkinder sorgen, haben ein Amt von Gott gegeben bekommen. Hier trage ich Verantwortung und ermahne euch durch die göttliche Barmherzigkeit: Nehmt dieses Amt an. Ihr seid darin verpflichtet, ihr könnt euch nicht lossagen.
Petrus selbst, der diesen Brief schreibt, hat dieses Amt erst nach einer sehr dunklen Lebensgeschichte übertragen bekommen. Er lief in der Nacht davon und weinte verzweifelt über das Versagen seines Lebens. Er wollte immer Jesus zur Ehre leben und Jesus Treue zeigen bis zum Letzten. Doch in dieser Nacht hat er Jesus verleugnet. In einer dummen Situation hat er sich von Jesus losgesagt, nur um sich aus der Affäre zu ziehen.
Nach dieser Nacht begegnete ihm Jesus wieder und sagte: „Weide meine Lämmer!“ Das sollen wir wissen: Wenn wir heute Immanuel Reiser einführen, dann nimmt Gott Leute, die versagt haben, die untreu sind, mit allen Fehlern und Mängeln. Darüber darf nie ein Zweifel bestehen. Wir alle, auch im Vaterdienst, tragen viel an den Sünden und Mängeln unseres Lebens.
Petrus nennt sich deshalb einen zeugenden Leiden Christi. Was wir verkünden, ist nicht, dass wir besser wären, sondern dass der Herr uns in seiner großen Vergebung angenommen hat und dass wir stündlich von der Vergebung Jesu leben. Das ist das Predigtthema: die Leiden Christi. Jesus heiligt solche sündigen Menschen und nimmt sie in den Dienst.
Es kann gar kein anderes Thema geben, das wir in die Mitte unserer Verkündigung stellen. Im Zentrum des Dienstes einer christlichen Gemeinde steht: Jesus starb für sündige Menschen. Jesus kann alle Schuld wegnehmen und will sie heilen – auch heute in diesem Gottesdienst. Jeder von uns soll das wissen, egal welche Last und Dunkelheit in seinem Leben liegt.
Darum begegnet ihnen heute Jesus und sagt: „Weide meine Lämmer!“ Gerade du, gerade du mit deiner dunklen Vergangenheit. Ich will, dass du Frucht bringst. Ich will in deinem Leben wirken, dich gebrauchen und dich zum Segen setzen für viele.
Die innere Haltung im Hirtenamt: Freiwilligkeit statt Zwang
Eine feste Verpflichtung
Petrus erwähnt jetzt eine besondere Zuspitzung, wie man das Hirtenamt ausüben sollte. Er sagt einige Dinge, die auch uns betreffen.
Macht dies bitte nicht aus Eigennutz, etwa wegen des Gehalts als Studienrat oder wegen schändlichen Gewinns. Tut es nicht, weil ihr gerade keine andere Möglichkeit auf dem Arbeitsmarkt habt. Macht dies aus Herzensgrund und nicht aus Zwang.
Wie funktioniert das mit Zwang? Wer das Hirtenamt ein wenig kennt, weiß, dass bei einer Schafherde auf der Schwäbischen Alb der Hund eine wichtige Rolle spielt. Das Einzige, was mich an der Schafherde abschreckt, ist immer dieser Hund mit seinem wedelnden Schwanz. Manche sagen, das sei gar nicht so schlimm. Doch der Hund hält die Herde mit seinem wilden Gebell zusammen, und dann rennen die Schafe los, wenn der Hund kommt.
Gibt es das, dass christliche Gemeinden nur durch einen „Hund“ zusammengehalten werden, also aus Zwang? Vielleicht. Oft habe ich den Eindruck, dass Traditionen so wirken. Viele sitzen in Kirchengemeinden nur aus Zwang. Aus Druck vielleicht sagen sie: „Ich kann das gar nicht verlassen, es sind sowieso nur noch so wenige, und dann muss ich treu bei der Stange bleiben. Ich kann das dem armen Pfarrer nicht antun“ und so weiter. Da spielen viele zwanghafte Gründe eine Rolle.
Petrus sagt jedoch: Mit Zwang läuft gar nichts. Auch wenn sich jemand zum Dienst quält – wie viele tun ihren Dienst nur müde und verdrossen! Das ist eine große Gefahrenstufe, wenn es keine Freude mehr macht.
Prüfen Sie sich einmal: das Mitsingen im Chor, die Mitarbeit in der Jugend, das Helfen im Kindergottesdienst, der missionarische und evangelistische Einsatz. Wenn Ihnen das keine Freude mehr macht und Sie es nur noch gezwungen tun, dann ist es umsonst, leer und hat keine Kraft mehr.
Darum ist es so wichtig, jetzt wieder zu entdecken, was Petrus sagt: Tu das aus Herzensgrund! Man kann das nicht herauspressen. Man kann sich auch nicht einfach vorsagen: „Ich muss das jetzt aus Liebe tun.“ Wie kann man das tun? Oft ist es ja auch schwer, weil Menschen einem im Weg stehen. Dann gibt es emotionale Spannungen, die den Dienst nicht leicht machen.
Die Kraft der Liebe im Dienst und das Vorbild Jesu
Ich habe in den wenigen Urlaubstagen, die hinter uns liegen, eine alte Missionsgeschichte der Basler Mission aus dem Jahr 1853 mitgenommen. Es handelt sich um eine mehrbändige Sammlung von Berichten aus Missionsgebieten.
Sie wissen ja, dass ich eine besondere Liebe dazu habe, die Anfänge der ersten Missionare zu erforschen – etwa jene, die in British Guyana in Südamerika tätig waren. Ich wusste kaum, wo das genau liegt, aber sie missionierten im Busch unter den Mischlingen. Einer dieser Herrnhuter schrieb nach Hause: „Wenn es mir nur gelingen würde, einen dieser Mischlinge zu Jesus zu führen, dann wäre Jesus nicht umsonst am Kreuz gestorben.“
Da habe ich gedacht: Solch eine Liebe! Uns fällt es oft schon schwer, zu Ausländern eine Brücke zu schlagen. Doch dort hat einer die Brücke der Liebe geschafft – über Kontinente hinweg, zu ganz anderen Kulturen. Ja, bei der Mission kann man das lernen: Wenn ich jeden einzelnen Konfirmanden so liebe, wenn ich jedem einzelnen Kranken so nachgehe, wie es Jesus wichtig ist – denn dem großen Erzhirten Jesus ist jeder wichtig –, dann kümmern wir uns plötzlich in unserer Stadt um die vielen Menschen, die sonst die Tür vor uns zuschlagen. Sie sind bei Jesus nicht vergessen und nicht verlassen.
Liebe kann man sich nicht einreden. Liebe kann man nur haben, wenn sie entflammt wird. Und sie wird entflammt, wenn man den Jesusblick für die Menschen bekommt. Das wünschen wir unserem Immanuel Reisser. Wir wissen, dass er diese große Liebe hat.
Mich hat in meinem Leben immer tief beeindruckt, welche Liebe ich erfahren habe. Viele Gemeindeglieder haben mir das vorgelebt. Ihr ganzes Leben war erfüllt davon, etwas für das Reich Gottes und die Sache Jesu zu wirken. Ich denke jetzt daran, wie jeder Stein dieser Kirche einst von freiwilligen Arbeitskräften aus Liebe zur Sache Jesu zusammengelegt wurde. Wie Menschen ihr Geld gegeben haben – so ist das Evangelium nach Europa gekommen. So zogen einst die irisch-schottischen Mönche durch unser Land.
Ich sehe auf einmal wieder jene alte Frau, die mir in der Lämmergruppe der Kinderkirche einst Jesus lieb gemacht hat. Ich sehe noch jenen Kinderkirchhelfer, der schon lange verstorben ist. Er war ein wenig unbeholfen, hatte aber die Leidenschaft, mich zu Jesus zu weisen. Wie viele standen an meinem Weg – Stadtmissionare und Diakone, Frauen und Männer, praktische Christen!
Einmal, als ich Konfirmant war, sagte eine Frau in der Kirche am Feuersee zu mir: „Das freut mich, dass du als junger Mensch in die Kirche gehst.“ Wie hat mich das gefreut – die Liebe eines Unbekannten, der einem etwas spüren ließ und die Liebe entflammte.
Wenn man den Hirtenblick Jesu bekommt – und den braucht man –, dann ist es nicht bloß so, dass wir ins Amt verpflichtet werden und dies eine Last ist. Dann wollen wir gern dabei bleiben. Denn es ist auch eine besondere Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt: Es gibt keinen Urlaub und keine Pensionierung. Man will ein Leben lang mit Leib und Seele ein sein – Bote Gottes und Prediger seines Evangeliums.
Vorbild sein und die Erfüllung im Dienst erfahren
Typen der Herde, das heißt eigentlich Vorbilder, werden zu Markenzeichen der Herden. Bemüht euch darum, dem Urtyp des Erzhirten Jesus sehr nahezukommen. Er ist der gute Hirte, der auch die 99 in der Wüste lassen kann und nur das eine sucht: dass das verlorene Schaf wieder zurückkehrt, auch wenn es sich jetzt lossagen will und nichts mehr von Jesus wissen möchte.
Nun muss ich noch von einer ganz besonderen Erfüllung sprechen. Von einer besonderen Verpflichtung, einer besonderen Zuspitzung und einer besonderen Erfüllung, die das Amt auch schenken kann. Wir sagten, es braucht nicht unbedingt eine Erfüllung durch Lust und Gefühle. Dennoch ist Gott so treu, dass er mehr Lohn gibt, als man erwarten kann. Kein kühler Trunk bleibt unvergolten; er schenkt dafür die ganze Segensflut!
Wer einmal im Dienst Gottes mitgearbeitet hat, weiß das. Es ist gut, dass auch all jene, die bei uns in die Mission ausgesandt wurden oder die über die Kassette mithören, dies bestätigen. Sie sagen, es ist oft ein Aufreiben bis zum Letzten, und wir sind oft am Ende unserer Kraft. Aber sie können sich nichts Schöneres vorstellen, als ganz in das Amt Gottes eingespannt zu sein.
Und das gilt auch für Sie alle: Mit Leib und Seele Gott zu dienen – in meinem ganzen Alltag, mit all meinen Verpflichtungen, in denen ich stehe. Gott zu dienen und nicht den Menschen.
Es gibt auch im Pfarrdienst eine gefährliche Versuchung. Sie kennen sie: Leute kommen und sagen, Sie seien viel besser als Ihre Vorgänger, und bei Ihnen sei alles toll. Das mag schmeichelhaft sein, doch es ist immer gut, sich nicht diesem falschen Lob zu öffnen. Wenn man Menschen hörig wird, wird alles falsch.
Gerade dort, wo man Gott dient, ist es wichtig, oft die Stirn zu bieten gegen Mode und Zeitgeschmack und nicht den Menschen nach dem Mund zu reden. Es kann sehr wohl sein, dass wir im Dienst Gottes einmal gegen Brüder und Schwestern Stellung nehmen müssen. Wir müssen sie im Namen Gottes kritisieren. Vielleicht zerbrechen Freundschaften daran, weil wir nicht Menschen gefallen wollen, sondern Gott. Nicht aus Hochmut, sondern weil wir das Wort ausrichten müssen – das Wort des Gehorsams.
Viele von Ihnen stehen in der Spannung: Sie sagen, sie seien dem biblischen Wort verpflichtet, doch fragen sich, ob sie das heute noch können, da andere das nicht mehr akzeptieren. Wir sind allein Gott verpflichtet und stehen allein unter seinem Dienst.
Und genau das gibt Erfüllung: Wenn wir nicht mehr vom Lob und den Worten der Menschen abhängig sind, sondern am Ende die Krone der Herrlichkeit empfangen.
Die Verheißung der Krone der Herrlichkeit
Was bedeutet es, dass Gott uns – so wie Jesus einst sagte – am Ende selbst dienen wird, indem er die Diener bedient, die ihm dienen wollten? Es wird für Gott eine Ehre sein, diejenigen bei sich zu haben, die nur ihn suchten. Das ist so groß, dass es mich fast überwältigt. Und ich möchte gar nicht so hoch hinaus. Die Krone, von der gesprochen wird, erscheint mir schon viel zu groß. Ich wünsche mir nur einen kleinen Platz in der himmlischen Herrlichkeit.
Doch ihr werdet die Krone der Herrlichkeit empfangen. Es ist etwas Gewaltiges, wenn wir dieses irdische Leben mit all seinem vergänglichen Tand füllen dürfen – mit dem, was uns gerade beschäftigt: verseuchtes Kalbfleisch, Steuererhöhungen oder andere Sorgen. Dieses irdische Leben soll erfüllt sein mit dem Willen, Gott mit unserem Leben zu dienen.
Im ersten Petrusbrief heißt es: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, das ihr verkündigen sollt, die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ (1. Petrus 2,9) Diese Worte gelten der gesamten Gemeinde der Christen. Jeder Christ soll wissen, dass er berufen ist, seinen Herrn zu bezeugen, so gut und so viel er kann, und an der Gemeinschaft der Gemeinde mitzuwirken.
Das Evangelium muss öffentlich vor der ganzen Gemeinde und der Welt verkündet werden. Es ist notwendig, dass jeder mit seiner Gabe in das Ganze der Gemeinde eingefügt wird. Deshalb gibt es in der Gemeinde besondere Dienste der Verkündigung.
Zu einem solchen Dienst wirst du, Immanuel Reiser, heute berufen. Dieses Amt bringt eine besondere Verantwortung mit sich: dafür zu sorgen, dass die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Sakrament in der Kirche Jesu Christi weiter geschieht. Es gilt, aller Verfälschung der Botschaft und Verwirrung der Gewissen entgegenzuwirken.
Lass dich dabei an die apostolische Mahnung erinnern: Weil Gott uns für wert erachtet hat, uns das Evangelium anzuvertrauen, reden wir nicht, um den Menschen zu gefallen, sondern vor Gott, der unsere Herzen prüft (vgl. 2. Korinther 5,9-11).
Da es seine Gemeinde ist, in der er allen seinen Geist verheißen hat, sollen wir nicht über sie herrschen, sondern als Brüder und Schwestern in ihr dienen. Wir sollen dazu beitragen, dass alle in ihr zusammenwirken wie Glieder eines Leibes. So soll der Reichtum der Gaben in der Gemeinde fruchtbar werden zum Dienst.
Und du, liebe Gemeinde, nimm den Dienst an! Helft mit, dass er seinen Auftrag erfüllen kann. Tretet für ihn ein, wo er deswegen angefochten wird. Denkt daran, dass der Apostel Paulus sagt: „Wir bitten euch aber, liebe Brüder, erkennt an, die in euch arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und euch ermahnen. Habt sie umso lieber um ihres Werkes willen! Haltet Frieden untereinander.“ (1. Thessalonicher 5,12-13)
Das Ordinationsgelübde und die Gemeinde als Gemeinschaft im Dienst
Das Ordinationsgelübde unserer Landeskirche lautet:
Im Aufsehen auf Jesus Christus, den alleinigen Herrn der Kirche, bin ich bereit, mein Amt als Diener des göttlichen Wortes zu führen und mitzuhelfen, dass das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und in den Bekenntnissen der Reformation bezeugt ist, aller Welt verkündigt wird.
Ich will in meinem Teil dafür Sorge tragen, dass die Kirche in Verkündigung, Lehre und Leben auf den Grund des Evangeliums gebaut werde. Zudem will ich darauf achten, dass falscher Lehre, der Unordnung und dem Ärgernis in der Kirche nicht Raum gegeben wird.
Ich will meinen pfarramtlichen Dienst im Gehorsam gegen Jesus Christus nach der Ordnung unserer Landeskirche tun und das Beichtgeheimnis wahren.
Bist du dazu bereit, dann reiche mir die rechte Hand und gelobe es vor Gott und dieser christlichen Gemeinde mit den Worten: Ja, und Gott helfe mir. Ja, und Gott helfe mir.
Und ich frage euch als Kirchengemeinderäte, Vertreter dieser Kirchengemeinde und gleichzeitig Vertreter der Gemeinden unserer Landeskirche: Seid ihr bereit, Immanuel Reiser in seinem Auftrag anzuerkennen und mitzuhelfen, dass er seinen Dienst recht tun kann und dass er hineinwächst in die Gemeinschaft unserer Kirche? So antwortet ihr gemeinsam: Ja.
Im Vertrauen auf die Verheißung, die Jesus Christus seiner Kirche gegeben hat, berufen wir dich zum Dienst am göttlichen Wort in der christlichen Kirche.
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich zu seinem Dienst berufen hat, stärke, erhalte und regiere dich durch seinen Geist, dass dein Leben viel Frucht schafft, die bleibt bis in Ewigkeit. Amen.
