Über die Gemeinde Jesu wird in diesen Tagen gesprochen. Heute zum Thema: "Die Verantwortung der Gemeinde" diese Worte aus dem ersten Petrusbrief im zweiten Kapitel. Dort heißt es:
Amen.
Um die Gemeinde geht es also, liebe Schwestern und Brüder. Aber was ist Gemeinde? Wo ist Gemeinde? Wer ist denn eigentlich Gemeinde?
Ich erkläre es meinen Konfirmanden immer an jener Geschichte aus den Vereinigten Staaten. Und dort, in dem Städtchen Yonderton, war eine völlig heruntergewirtschaftete Kirche, eine vollkommen tote Gemeinde. Und als der neue Pfarrer Wright dort aufzog, sagten ihm gleich seine ersten Gemeindeglieder auf der Straße an der Ecke: "Herr Pfarrer, die Gemeinde ist tot." Und sonntags predigte er auch vor leeren Bänken. So ging es vier Wochen. Und dann gab der Pfahrer eine Anzeige auf in der Zeitung, eine Todesanzeige. "Hiermit gebe ich den Tod der Gemeinde Yonderton bekannt. Beerdigung am nächsten Sonntag um 11 Uhr in der Kirche." Und dieses Gotteshaus war rappelvoll. Vorne stand ein geöffneter Sarg. Und dann ging dieser Pfarrer auf die Kanzel und sagte: "Liebe Gemeinde, Sie sind der Ansicht, dass die Gemeinde Yonderton tot ist. Ich möchte Sie um eine letzte Prüfung Ihrer Ansicht bitten. Bevor Sie dieses Gotteshaus durch die Nordtür verlassen. Gehen Sie doch bitte einmal an dem Sarg vorbei und schauen hinein. Wenn Sie meinen, die Gemeinde könnte noch einmal belebt werden, kommen Sie durch das Südportal wieder in die Kirche." Und so geschah es. Alle gingen am Sarg vorbei, schauten hinein, gingen hinaus und alle kamen durch die andere Tür wieder herein. Warum? Was sahen Sie denn in diesem Sarg? Sie sahen dort nicht die ganze tote Gemeinde Yonderton, sondern nur eines ihrer toten Glieder im Spiegel, der dort in diesen Sarg gelegt war.
Alle hatten damals begriffen: Gemeinde, das sind wir: "Ihr seid das auserwählte Geschlecht. Ihr seid Gottes Bau. Ihr seid der Leib Jesu Christi."
Wenn wir tot sind, dann ist die Gemeinde tot. Wenn wir lebendig sind, dann ist die Gemeinde lebendig. Wenn wir uns bewegen, dann bewegt sich auch die Gemeinde.
Darum geht es doch, dass hier auf diesem Bauplatz Gemeinde weitergebaut wird. Hier darf keine Rezession eintreten. Baufirmen dürfen nicht pleite machen. Massenentlassungen dürfen nicht ausgesprochen werden.
Es geht um Gottes Bau. Und dass auf diesem Bauplatz, dass der belebt ist, dass der bebaut wird und dass der bestimmt bleibt, dafür tragen wir die Verantwortung.
Zum Ersten:
1. Gottes Bauplatz muss belebt sein
Der Apostel will, dass nicht ein gewisser, sondern "jeglicher" zusehe, wie er baue. Er will nicht, dass Menschen von ferne zuschauen, dass sie die Hand über die Augen legen. Fernsehzuschauer haben wir wahrlich genug, auch in unserer Stadt. Menschen brauchen wir, die nicht die Hände über die Augen legen, sondern die Hände zusammenlegen, die kein Angst haben vor schmutzigen Händen, die die Ärmel hochkrempeln und die eben wieder jenes Lied von Zinzendorf anstimmen:
in unseren Tagen
der Ruhe abzusagen,
die's Tun vergisst."
Bauarbeiter brauchen wir. Dafür tragen wir Verantwortung. Leute, die zulangen und anpacken können. Und dazu braucht es nicht unbedingt irgendwelche Vorbildungen.
Liebe Freunde, ich sage es gerne an jenem Bild: In den Semesterferien arbeitete ich auch als Student auf dem Bau. Und weil der Meister, ein kluger Mann, sofort erkannte, dass ich zwei linke Hände hatte, beschäftigte er mich nicht an einer wertvollen Maschine, sondern schickte mich ins Lager. Und dort wurden wir "Magaziner" genannt. Wir hatten auf Anforderung Nägel und Hämmer und Feilen auszugeben. Und bald merkte ich, wie wichtig mein Job war. Ich war der Wichtigste auf dem ganzen Platz. Hätte ich nämlich den Laden dichtgemacht, dann wäre der ganze Bau stillgestanden. Austeilen, das war mein Geschäft.
Christen sind "Magaziner Gottes". Wir sind nicht religiöse Unternehmer in Sachen Religion. Wenn wir auf den Beständen sitzen bleiben, dann geht es nicht mehr weiter. Austeilen, weitergeben, das ist unser Geschäft.
Und wahrlich, dazu braucht es keine besondere Ausbildung. Denken wir an dieses Thekoa, heute morgen in diesem Saal. 450 junge Leute hörten über dieses Leben des Amos, jenen Mann dort hinten vom Ende der Welt, von Thekoa, einer, der nur Maulbeerfeigen züchtete. Und den rief Gott und stellte ihn auf die Mauern von Bethel und dort verkündigte er Gottes Wort. Ein Mann ohne irgendwelche Vorbildung.
Oder denken wir doch an die Hirten auf dem Feld von Bethlehem. Ein wuchtiger Schlag mit der Schippe war die einzige Handschrift, die sie schrieben. Und was taten sie? Sie kletterten über die Zäune und verkündigten von dem, was sie gesehen und gehört hatten.
Oder - und das soll ich noch einmal unseren jungen Leuten, unseren Schülern, vor allem den Abiturienten, zum Troste gesagt und unterstrichen - wie war es denn bei Bartholomäus Ziegenbalg? In seinem Abschlusszeugnis, in seinem Abitur würden wir sagen, da stand der Gesamtdurchschnitt "schwach an Leib und Seele". Das war so ein Gesamtdurchschnitt von 4,8. Und der reiste aus nach Indien und wurde der größte Tamilenmissionar aller Zeiten.
Gott fragt doch nicht nach dem Schulzeugnis. Gott fragt nie nach dem Schulzeugnis. Gott fragt nach dem Christuszeugnis. Und das können wir doch alle geben. Jeder Vater, der es wieder wagt, am eigenen Familientisch die Hände zu falten und zu Tisch zu beten. Die Mutter, die nicht die Kinder mit dem Sandmännchen ins Bett schickt, sondern mit dem Gebet "Hirte deiner Schafe". Jeder Jugendkreisleiter, der nicht nur das Magazin öffnet, sondern auch wieder die Bibel. Jeder junge Mann, der sagt: "Du, morgen habe ich keine Zeit. Da habe ich Dienst, Dienst für Gott, Gottesdienst."
"Dass ein jeglicher zusehe, wie er baue". Diese Baustelle muss belebt sein.
2. Gottes Bauplatz muss bebaut sein
Diese Baustelle liegt nicht irgendwo oben im Himmel, sondern hier unten auf dieser Erde. Diese Erde, auf der wir leben, ist Gottes Grundstück. Er hat doch extra seinen Sohn gesandt, um dieses Grundstück zu erschließen. Da wurden Zäune weggerissen, die wir gegen den Willen des Grundbesitzers einfach aufgerichtet haben. Zäune zwischen Reichen und Armen, Schwarzen und Weißen, Einheimischen und Reingeschmeckten. Zäune hat er niedergerissen. Er hat Maße gesetzt, die nicht verrückt werden können. Die Zehn Gebote, eine Quelle ist da, aus der lebendiges Wasser sprudelt. Und dieses Kreuzholz ist ganz tief in die Erde gerammt, damit der Sand der Sünde nicht nachgibt. Das Kreuz Jesu Christi ist die Pfahlgründung für Gottes Bau. Und ein Stein ist da, dieser Eckstein und Grundstein, der nicht verrückt werden kann.
Das ist die Länge und Breite und Höhe und Tiefe: "Und einen anderen Grund kann niemand legen als der gelegt ist in Jesus Christus".
Darauf haben die Apostel gebaut. Und wir müssen nur weiterbauen.
Von uns ist kein irgendein geistlicher Neubau verlangt. Das meinten so Leute wie dieser Marcion damals im dritten Jahrhundert. So ein Onassis der ersten Zeit, ein Reeder, und er baute nur auf die Paulusbriefe und ein von ihm gereinigtes Lukasevangelium. Und diese Kirche überdauerte keine 200 Jahre. Oder ich denke an diesen Schwärmer Thomas Münzer. Er baute nicht auf die Bibel, sondern auf das innere Licht. Und dann kam es zu Aufruhr und Revolution und Zwietracht und Blut und Krieg.
So ist es immer. Wer nicht genau auf die Bibel baut, baut daneben. Wer nur auf Teile der Bibel baut, wer nur auf die Bergpredigt baut, der baut daneben. Wer aufs innere Licht baut, baut daneben. Auf dieses Grundstück, in seiner Länge und Breite, auf den Eckstein Jesus Christus muss gebaut werden, der Ewigkeit entgegen, bis zu jenem Tag, an dem er dann das Dach drauf setzen wird und es dann fertig ist.
Es muss bebaut sein. Und das Letzte:
3. Gottes Bauplatz muss bestimmt bleiben
"Bestimmt": Wenn der CVM in diesen Monaten und Wochen hier sein Haus umbaut, dann tut er es für die jungen Leute dieser Stadt. Und wenn die Stadt Stuttgart die Schleyerhalle gebaut hat, dann tut sie es für die Sportbegeisterten in der ganzen Umgebung. Jeder baut für eine ganz bestimmte Gruppe. Nur wenn Jesus baut, und wenn wir für Jesus bauen, dann kann man nicht für irgendwelche Menschen bauen, sondern für alle. Die Gemeinde Jesu ist entweder offenes Haus oder sie ist nicht. Gemeinde Jesu ist nie geschlossene Gesellschaft.
Erinnern Sie sich noch einmal an den, der vor diesem Haus gestanden, dieser Herr selber, der die Hände weit aufgemacht und der eingeladen und gesagt hat: "Kommet her zu mir alle." Alle, alle.
Und da standen sie doch in der ersten Reihe, die Jünger, die ihm die Treue schworen und sich dann seitwärts in die Büsche schlugen. Untreue Leute, kommt Ihr her!
Und in der zweiten Reihe, da standen sie doch, die Schriftgelehrten und die Damen vom ältesten Gewerbe in der Welt. Und diese Volksvertreter und Volksverderberinnen, die waren gemeint, als er sagte: "Kommt ihr her, ihr seid eingeladen".
Und dann stand doch da jener Bub, sicher nicht der Brävste und nicht der Sauberste, sicher der Letzte, vielleicht der Letzte im Geleitzug der Schule. Und um den legt Jesus seine Hand und sagt: "Dass ihr mir nicht diese Kleinsten verachtet, nicht diese Kleinsten. Aus dem Munde von Säuglingen, aus dem Munde von Dreckspatzen hast du mir ein Lob zugerichtet".
Und da standen dann die Jugendlichen hinten, wie würden sagen, die mit dem Moped, mit dem Fuchsschwanz am Motorrad, die mit den Lederjacken und Aufklebern, die sind gemeint, die nach Alkohol riechen und die mit dem Fixen zu tun haben. Kommt auch ihr her!
Und ganz hinten jene Leute vom Land, solche, die mit ihren Zweifeln kamen, die nicht recht beten konnten. "Die letzten werden die ersten sein". Sie alle sind eingeladen.
Und wer von uns heute Abend wäre damit nicht gemeint?
Der, der mit der ganzen Last seiner Schuld kommt. Ist sie zu groß, dass sie vergeben werden könnte? Kommen Sie her!
Und Sie, die Sie in diesem Abend Heimweh haben nach einem Angehörigen. Kommen Sie her! Gott will sie trösten.
Und Sie, die Sie Angst haben vor einem neuen Krieg, die Sie sich sehnen nach beständigem Frieden, kommen Sie her! Er ist der Friede.
Kommen Sie her, die nicht wissen, wie es morgen weitergehen soll. Kommt Ihr alle her!
Was für ein Herr, was für ein Mahl!
Amen.