Einführung in das Thema Fasten zur Zeit Jesu
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 138 vom Fasten, Teil drei: Jesus und das Fasten.
Wir sind jetzt an dem Punkt, an dem wir genug wissen, um uns dem Text zuwenden zu können. Vielleicht vorher noch ein kurzes Wort zur Frage: Wie wurde damals gefastet?
Die Antwort lautet: Es gibt keine festen Regeln, jedenfalls keine, die wir mit Bestimmtheit kennen. Ja, es gab im rabbinischen Judentum so etwas wie das „normale Fasten“. Dabei musste man am Tag vor dem Fasten eine Erklärung abgeben, dass man fasten will. Das Fasten selbst begann dann sehr früh am nächsten Tag und endete nach Sonnenuntergang.
In das täglich dreimal zu betende Achtzehn-Gebet schaltete der Fastende ein besonderes Fastengebet ein. Dabei war wohl auch der Grund anzugeben, der das Fasten veranlasst hatte. Praktisch wurde also nur ein halber Tag gefastet, und man kann davon ausgehen, dass in der Regel auf Essen und Trinken verzichtet wurde.
Die Dauer eines solchen Fastengelöbnisses konnte unterschiedlich sein: ein Tag, viele Tage oder sogar ganze Jahre. Fastete man längere Zeit, wurde häufiger an zwei Tagen in der Woche gefastet, nämlich am Montag und am Donnerstag.
Soweit die Regeln, die wir aus den Schriften des rabbinischen Judentums entnehmen können. Inwieweit das rabbinische Judentum, das erst nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus für das Judentum prägend wurde, bereits zur Zeit Jesu vorherrschende Gedanken zum Fasten hatte, wissen wir nicht. Die Bibel schweigt zu der Frage, wie man fasten soll.
Allerdings sind sich die späteren Rabbinen und Jesus darüber einig, wann man nicht fasten soll: nämlich an einem Freudentag.
Die Frage nach dem Fasten der Jünger Jesu
Aber hören wir unseren Text: Lukas Kapitel 5, die Verse 33 bis 35.
Sie aber sprachen zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten oft und verrichten Gebete, ebenso auch die der Pharisäer. Die Deinen aber essen und trinken.
Jesus aber sprach zu ihnen: Könnt ihr etwa die Hochzeitsgäste fasten lassen, während der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, und dann, wenn der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, in jenen Tagen werden sie fasten.
So lautete die Frage: Warum fasten deine Jünger nicht, Jesus? Wo bleibt bei ihnen die Frömmigkeit? Liegt das vielleicht daran, dass deine Jünger nicht wissen, wie man sich als richtige Jünger eines Rabbis zu verhalten hat? War es vielleicht doch ein Fehler, sich mit Zöllnern und einfachen Handwerkern zu umgeben?
Und die Antwort des Herrn Jesus ist brillant: Könnt ihr etwa die Hochzeitsgäste fasten lassen, während der Bräutigam bei ihnen ist? Nein, können sie natürlich nicht. Die Hochzeitsgäste, wörtlich die Söhne des Brautgemachs, waren die engsten Freunde des Bräutigams. Sie waren explizit eingeladen, um sich mitzufreuen, nicht um traurig zu sein und ihrer Traurigkeit durch einen Fastenausdruck zu verleihen.
Die Bedeutung des Fastens im Kontext der Gegenwart Jesu
Gehen wir bei der Betrachtung der Antwort noch etwas tiefer. Was will Jesus mit dem Beispiel von der Hochzeit zum Ausdruck bringen? Er möchte sagen, dass sich die Jünger aktuell in einer Phase ihres Lebens befinden, in der Fasten nicht angebracht ist. Nicht Fasten ist angesagt, sondern Freude.
Fasten ist Ausdruck von Trauer, von Angst, von Buße, von einer tiefen Sehnsucht nach Hilfe und Weisheit. All das hatten die Jünger nicht. Und warum nicht? Weil Jesus da war. Es gab für sie keinen Grund, ängstlich zu sein. Der Messias stand vor ihnen. Er war gekommen, den Elenden frohe Botschaft zu bringen, die Herzen der Gebrochenen zu heilen, den Kerker der Sünde zu öffnen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. Freudenöl statt Trauer – das war das Motto des Tages.
Wie kann man in so einer Zeit fasten? Wofür? Der Vorwurf des Herrn Jesus an seine Kritiker lautet also, dass er sie fragt, ob sie nicht verstehen, in was für einer frohmachenden und fröhlichen Zeit sie leben!
Dieser Vorwurf ist berechtigt. Aber ich glaube, wir müssen noch ein wenig tiefer bohren, denn wir müssen uns die Frage stellen, warum Menschen fasten. Dabei tun wir gut daran, die beiden Möglichkeiten, die sich als Antwort auftun, gut zu verstehen. So können wir selbst aus der richtigen Motivation heraus fasten.
Zwei Motivationen für das Fasten
Fangen wir mit demjenigen an, der fastet, weil er Gott mit seinem Fasten beeindrucken will. Fasten als religiöse Übung wird durchgeführt, weil man denkt, dass ein Frommer eben fastet. Man fastet also um des Fastens willen.
Das ist vergleichbar mit jemandem, der sagt: Am Freitag isst man kein Fleisch. Das ist einfach eine Regel. Und weil ich fromm sein will, halte ich mich an diese Regel. Ich halte mich daran, weil ich denke, dass Gott das von mir will, und ich mache es, um Gott zufriedenzustellen.
Fasten als ein zwanghafter, verdienstlicher Akt der Frömmigkeit – das ist die Art von Fasten, die wir strikt vermeiden müssen. Fasten um des Fastens willen ist grober Unsinn. Dahinter steckt nicht Glaubensgerechtigkeit, sondern Gesetzesgerechtigkeit. Das heißt die Idee, ich kann mich retten, indem ich möglichst fromm lebe.
Fasten wird dann einfach als Ausdruck meiner selbstgemachten Frömmigkeit instrumentalisiert. Wer so fastet, der tut es, weil er denkt, dass Gott es will. Aber wehe, er trifft auf den Messias, der ihm eine andere Sicht aufs Fasten vermitteln will.
Wir wissen ja schon, dass es kein Fastengebot gibt. Aber warum sollte man dann fasten? Warum sollte ich auf Essen und Trinken verzichten?
Die Antwort lautet: Weil es zu meiner Lebenssituation passt. Weil Fasten ein Mittel ist, mit dem ich als Mensch ganz praktisch Betroffenheit und Ernsthaftigkeit zum Ausdruck bringen kann.
Nur dann, wenn mein Fasten der körperliche Ausdruck ehrlicher Bestürzung und ehrlicher Hingabe an ein Thema ist, faste ich so, wie Gott es will. Ich hoffe, ihr versteht den Unterschied.
Die Gefahr des falschen Fastens und die Haltung des Herzens
Fasten um des Fastens willen verwandelt den Verzicht auf Essen und Trinken in eine geistliche Übung, mit der ich Gott beeindrucken möchte. Ich faste einfach, weil man eben fastet. Die Frage lautete: „Warum fasten wir und die Pharisäer oft, deine Jünger aber fasten nicht?“
Und wehe, ich stelle fest, dass andere Jünger eines Rabbi es besser haben und nicht fasten müssen. Dann werde ich neidisch oder zumindest kritisch – um es ganz klar zu sagen: ein Fasten um des Fastens willen. Das ist nicht das, was Gott sich unter einem Fasten vorstellt, das ihn beeindruckt.
Ein solches Fasten als religiöse Übung braucht nur ein wenig Druck, etwas Selbstgerechtigkeit und ein bisschen Disziplin – und voilà, schon faste ich. Ich faste, halte mich für fromm und beginne, solche Christen kritisch zu hinterfragen, die mir weniger fromm erscheinen.
„Warum fasten wir und die Pharisäer oft, deine Jünger aber fasten nicht?“ Diese Frage zeigt uns einen Punkt, der Religion und Christentum voneinander trennt. Religion tut das Richtige, weil es ihr um einen Deal geht. Christentum tut das Richtige, weil es ihm um Dankbarkeit geht.
Ich muss mir also die Frage stellen, was mein religiöses Tun über mein Herz offenbart. Wenn ich faste, Bibel lese, bete, den Gottesdienst besuche oder mich an Gottes Gebote halte – warum tue ich das? Spiegelt mein Tun auf authentische Weise meine Beziehung zu Gott wider?
Das ist die Frage, aber dazu dann morgen mehr.
Abschluss und praktische Anregung
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, warum du dein geistliches Leben genau so führst, wie du es tust.
Das war's für heute. Wenn dein Engagement in der Gemeinde durch die Corona-Zeit weniger geworden sein sollte, dann ändere das doch.
Der Herr segne dich. Erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
