Gnade sei mit uns und Friede von dem, der ist, der war und der kommt. Amen.
Einführung in die Betrachtung der Passionsgegenstände
Wir sprechen heute über die Gegenstände, die toten Gegenstände der Passionsgeschichte, und dabei insbesondere über einen Speer. In Johannes 19,33 heißt es: „Als die Kriegsknechte aber zu Jesus kamen, sahen sie, dass er schon gestorben war. Sie brachen ihm die Beine nicht, sondern einer der Kriegsknechte öffnete seine Seite mit einem Speer. Und alsbald ging Blut und Wasser heraus.“
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit, denn dein Wort ist die Wahrheit!
Nun bitte ich Sie, alle Fenster hinten zu öffnen. Es ist ein herrlicher Frühlingstag. Bitte öffnen Sie nur die Fenster hinten, nicht an den Seiten, damit es hier nicht zieht. Vielen Dank!
Wir singen gleich gemeinsam ein Lied von Weigel, das heißt „Am Kreuze meines Heilands da ist mein sicherer Stand“. Der Mensch sucht seinen sicheren Stand an verschiedenen Orten, nicht wahr? Der eine sagt: „Wenn ich auf meinem Bankguthaben sitze, das ist mein sicherer Stand.“ Und so weiter.
Wir sagen: Am Kreuz meines Heilands da ist mein sicherer Stand. Lassen Sie uns heute Morgen unter das Kreuz des Heilands gehen, nach Golgatha.
Möge Gott uns offene Augen schenken, damit wir erkennen, dass dort der größte Kampf der Weltgeschichte ausgefochten wurde, dass die herrlichste Tat der Weltgeschichte vollbracht wurde und die wundervollste Freiheit erkämpft wurde. Das ist keine bloße Sprüche, sondern Wirklichkeit. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das heute gezeigt bekommen.
Die Situation am Kreuz und die Bedeutung des Speers
Wir gehen jetzt im Geist nach Golgata. Unser Text führt uns in einen Moment, in dem der Kampf vorbei ist. Jesus ist verschieden.
Normalerweise ließen die Römer die Körper der Hingerichteten am Kreuz verrotten. Sie wurden den Vögeln und dem Wind sowie der Verwesung überlassen. Doch diesmal erhoben die Hohenpriester Einspruch. Im Alten Testament gibt es ein Gebot, das besagt, dass das Land während des Passafestes nicht durch einen unbegrabenen Leichnam verunreinigt werden darf.
Deshalb drängten sie Pilatus: Das Passafest beginnt heute Abend um sechs, und bis dahin müssen die Leichname verschwunden sein. Pilatus erkundigte sich, ob die Verurteilten schon tot seien. Die Antwort lautete: Nein, sie sind noch nicht tot.
Solche Leute wissen sich zu helfen. Sie schickten einige Männer mit Knüppeln los, die die Gehängten endgültig töten sollten. Heute würde man sagen, sie sollten liquidiert werden. Die Soldaten kamen mit großen Knüppeln, um die Hingerichteten endgültig zu töten. Es heißt hier ausdrücklich, die Beine sollten zerbrochen werden.
Wenn man einfach auf die Schienbeine schlägt, zerbricht man sie schnell, und der Tod tritt ein. Falls der Verurteilte noch so zäh ist, dass er nicht stirbt, ist das grausam. Luther hat eine umfangreiche Auslegung zu dieser Geschichte gegeben. Ich zitiere wörtlich: Solche Pein wird den linken Schacher sauer aufstoßen, so dass er mit großen Schmerzen zur Hölle fahren muss.
Nehmen Sie das sehr ernst: Man kann auch heute noch, ohne gehängt zu sein, mit großen Schmerzen zur Hölle fahren. Wer nicht ein Kind Gottes sein will, braucht die Hölle in Ewigkeit nicht zu fürchten, denn das ist die Hölle.
Luther fährt fort: Der rechte Schacher aber, weil Christus, dem er vertraut, schon verschieden war, wird mit Freuden den Tod erwartet haben und gesagt haben: "Frisch dran, liebe Kriegsknechte, dass ich bald zu meinem König ins Paradies komme."
Eine tolle Vorstellung, nicht wahr? Komm, schlag mich tot, ich will zu meinem König ins Paradies!
Bei dem Leichnam Jesu legten die Kriegsknechte die Keulen weg. Er war schon verschieden. Dann nahm einer nur einen Speer und stieß ihn ihm durch die Rippen ins Herz. Er gab ihm den Gnadenschuss.
Als ich kürzlich in Straßburg war, erzählte mir ein Gefängniswärter, wie er oft bei Hinrichtungen in Frankreich dabei sein muss, die durch Erschießen vollzogen werden. Zwölf Schützen schießen, und dann tritt ein Offizier vor und gibt den Gnadenschuss, einen Schuss in den Kopf, damit der Verurteilte bestimmt tot ist.
So war es auch hier: Damit Jesus bestimmt tot ist, kam ein Kriegsknecht und gab ihm den Gnadenschuss. So sei es dem Herrn Jesus.
Die symbolische Bedeutung des Speers
Meine Freunde, ich möchte heute Morgen Ihre Aufmerksamkeit auf diesen Speer richten, mit dem das geschieht. Es ist eine schreckliche Geschichte. Sie können sagen: An so einem schönen Frühlingstag eine so grausame Geschichte.
Nun, meine Freunde, wir werden hoffentlich erkennen, dass unsere eigene Geschichte noch viel schrecklicher ist als diese Geschichte. Wir wollen uns nichts vormachen. Dieser Speer hat uns etwas sehr Wichtiges zu sagen. Er ist ein sehr bedeutsamer Speer.
Ich habe drei Dinge, die ich zu diesem Speer sagen möchte.
Der Speer als Symbol für die Keulen
Erstens: Er vertritt hier zunächst einfach die Keulen. Ich möchte es noch einmal vor mein Auge stellen, wie diese rohen Christknechte mit den riesigen Keulen ankommen. Damit wollen sie die Armengehängten totschlagen.
Doch sie kommen zu Jesus zehn Minuten zu spät. Zehn Minuten zu spät! Er ist schon gestorben. Deshalb zerbrachen sie ihm die Beine nicht. Ist das Zufall, kleiner Zug? Ist das Zufall, meine Freunde? Nein, das war kein Zufall, dass Jesus zehn Minuten vorher gestorben war.
Sehen Sie, der einzige Jünger, der unter dem Kreuz stand, ist Johannes, der uns das hier berichtet. Und er hat gut aufgepasst. Ihm fällt auf, dass sie bei Jesus die Keulen nicht mehr brauchen. Dann erinnert er sich: Genau so stand es ja im Alten Testament – und zwar in einem wundervollen Zusammenhang.
Ich muss Ihnen das kurz erklären: Als Gott sein Volk aus Ägypten führte – Sie erinnern sich an diese Geschichte, oder? Als Gott in Ägypten die schreckliche Tat vollbrachte, indem er alle Erstgeburten schlug, da befahl der Herr in dieser Nacht der Freiheit, dass jede israelische Familie ein Passalam schlachten sollte.
Sie sollten das Blut nehmen und vor die Tür streichen. Dieses Blut schützt euch im Gericht. Der Würgengel, der durch Ägypten zieht, geht an den Häusern mit Blut vorbei. Und es gab die merkwürdige Bestimmung: Bei diesem Lamm sollt ihr kein Knochen zerbrechen, ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen. Niemand verstand damals diese Anordnung.
Johannes steht unter dem Kreuz und sieht, wie auffällig Jesus kein Bein zerbrochen wird. Da jaucht sein Herz auf. Jetzt ist es deutlich: Er ist unser Passalam. So sagt Paulus im ersten Korintherbrief, wir haben auch einen Passalam. Sein Blut schützt im Gericht.
Oh, was werden noch für Gerichte Gottes über die Welt kommen! Und was für Gerichte Gottes werden über die Menschheit ergehen! Das Blut des Passalams schützt vor dem Gericht.
Sehen Sie, Johannes erschrickt förmlich, wie das Alte Testament hier Zug um Zug am Kreuz Jesu erfüllt wird – Zug um Zug. Dann sieht er genau zu, wie der Christknecht den Speer nimmt und Jesus ins Herz stößt. Da reißt es förmlich auf.
Auch das stand ja im Alten Testament. Das war Jahrhunderte vorher schon vorausgesagt. Im Propheten Sacharja heißt es: „Sie werden sehen, wen sie gestochen haben.“ Ich verstehe, dass Johannes, der das geschrieben hat – Sie müssen das mal lesen, Johannes 19 – diese Worte aus dem Alten Testament genau beifügt und geradezu versichert.
Liebe Leute, ich hole euch jetzt nicht ab, aber der, der das gesehen hat, bezeugt es. Sein Zeugnis ist wahr, damit ihr glaubt. Merkwürdige Sachen: Zug um Zug ist das Leiden Jesu im Alten Testament vorausgesagt worden. Das war Johannes schrecklich wichtig.
Die Bedeutung der Erfüllung der alttestamentlichen Weissagungen
Und meine Freunde, ich kenne Ihren geistlichen Stand nicht, nicht wahr? Es gibt Menschen, die sind so leer, denen ist so etwas nicht wichtig. Aber mir ist es wichtig, hoffentlich Ihnen auch. Ich will Ihnen erklären, warum das für den Glauben so bedeutend ist.
Sehen Sie, da hängt Jesus am Kreuz, und alles spricht gegen ihn. Die Theologen sprechen gegen ihn, die hohen Priester und Ältesten, die Juristen sprechen gegen ihn. Der oberste Richter hat ihn verurteilt. Das Volk spricht gegen ihn, und es gibt Leute, die meinen, die Stimme des Volkes sei Gottes Stimme. Doch auch das Volk spricht gegen ihn.
Ja, liebe Freunde, alles spricht gegen Jesus. Da hängt er so jämmerlich. Wer will mit einem Gescheiterten etwas zu tun haben? Man kann höchstens Mitleid für ihn haben, aber keinen Glauben.
Ich habe als Junge jedes Jahr eine herrliche Matthäus-Passion-Aufführung unter William Mengelberg in Frankfurt gehört. Wir Frankfurter sind sehr sentimental, und da weinten alle Frankfurter vor Mitleid mit Jesus, vor Mitleid mit dem Gescheiterten, dem Hängler. Alles spricht gegen ihn.
Jetzt tritt Johannes auf. Passen Sie gut auf! Jetzt tritt Johannes auf und sagt: Halt, halt, halt! Es spricht gar nicht alles gegen ihn. Im Gegenteil: Die wichtigste Stimme spricht für ihn, nämlich die Stimme Gottes, die Jahrhunderte vorher im Alten Testament festgelegt ist. Sie spricht für ihn.
Zucht um Zucht erfüllt sich, was im Alten Testament vom Leiden Jesu gesagt ist. Gott zeugt von ihm: Dies ist Gottes Sohn, der die Sünde trägt. Der Schweizer Pfarrer Lüthi, der auch bei kirchlichen Tagen in Deutschland immer spricht und dadurch bei uns sehr bekannt geworden ist, hat eine Auslegung des Johannesevangeliums gegeben. Er sagt zu dieser Sache: Da kann ja auch der Dümmste merken, dass hinter der ganzen Kreuzigungsgeschichte ein geheimes Hauptquartier ist, das alles genau nach seinem Willen lenkt.
Ja, richtig, ein geheimes Hauptquartier. Und dieses Hauptquartier ist der Vater, der lebendige Gott. Da ist kein dummer Kriegsknecht zufällig dabei. Das verborgene Hauptquartier lenkt die Dinge so, dass hier das Lamm Gottes auf den Opferaltar kommt und die Welt versöhnt.
Überhaupt bezeugt der Vater im Himmel durch all dies: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Meine Freunde, wer das Neue Testament wirklich aufmerksam liest, dem wird es sehr schwerfallen, nicht an Jesus zu glauben. Der Glaube lebt nicht von Unwissenheit, sondern der Unglaube lebt von Unwissenheit und Dummheit. Darf ich das mal sagen? Ich bekomme zu oft zu hören: Sagen Sie nicht so böse Sätze. Ich möchte darum wiederholen: Der Unglaube lebt von Unwissenheit und von Dummheit.
Wer einmal wirklich liest, was hier steht, dem geht auf, wie gleichsam der himmlische Vater auf diesen gescheiterten, gekreuzigten Jesus blickt: Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören!
Darum möchte ich Sie bitten – ich kann nicht über das Böse sprechen, sondern freundlich sprechen, das will ich jetzt tun – kommen Sie zum Kreuz Jesu in dieser Passionszeit, wirklich! Lassen Sie Ihre eigenen dummen Gedanken über Jesus hinter sich. Denken Sie nicht, er sei nur ein Religionsstifter oder irgendetwas Komisches.
Werfen Sie alles über Bord! Werfen Sie Ihre menschlichen Gedanken über Jesus über Bord und kommen Sie zum Gekreuzigten, den Gott legitimiert als Erlöser. Da gibt es eine Erlösung als Seligmacher, als Sündenträger, als Versöhner, als Todesüberwinder, als Heiland!
Gott legitimiert ihn hier durch seine Worte: Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.
Der Speer als Arzt und Totenschein
Nun kommen wir zum zweiten Punkt. Wir wollen zur Lanze zurückkehren und über sie sprechen. Die Lanze vertrat zunächst die Keulen. Doch sie hat noch eine weitere Bedeutung: Sie steht für einen Arzt.
Ich muss das erklären. Wenn bei uns jemand stirbt, kann man ihn nicht einfach im eigenen Garten begraben. Ein Arzt muss einen Totenschein ausstellen. Bevor das passiert, rührt keine Bestattungsfirma einen Finger. Ein Arzt muss bestätigen, dass die Person wirklich tot ist. Das ist gut so, sonst hätte ich Angst, einmal scheintot begraben zu werden – eine furchtbare Vorstellung.
Auf Golgatha, meine Freunde, gab es keinen Arzt. Vielleicht war er unter dem Volk, doch es wurde nicht erkennbar gemacht. Es wurde kein Arzt genannt, der den Totenschein ausgestellt hätte. Trotzdem wurden Totenscheine ausgestellt – und zwar durch die Lanze. Die Lanze steht also für den Arzt, der den Totenschein ausstellt.
Wenn im gekreuzigten, ausgebluteten, gegeißelten Leib Jesu noch ein Fünkchen Leben war, dann wurde dieses letzte Fünkchen durch einen Speerstich ausgelöscht. So geschah es bei den Römern: Die Lanze drang durch die Rippen ins Herz. Das war gleichsam der Totenschein.
Vielleicht fragen Sie: Ist das wirklich so wichtig? Ja, es ist wahnsinnig wichtig! Ich möchte noch andere Ausdrücke finden, um das zu verdeutlichen. Ich kann gar nicht sagen, wie wichtig das ist. Es hängt nämlich mit der Frage zusammen, ob ich als Sünder wirklich Frieden und Ruhe bei Jesus, dem Gekreuzigten, finden kann. Es hängt davon ab, ob er wirklich tot war.
Ich will das erklären. Die Bibel sagt: Der Tod ist der Sünde Sold. Glauben Sie nicht, dass Ihre Sünden Kinderspiele sind. Der Tod ist der Lohn der Sünde.
Man kann Gräber mit Blümchen verzieren, aber der Tod bleibt der Lohn der Sünde. Dabei ist nicht nur der natürliche Tod gemeint, sondern alles, was damit zusammenhängt: das verdammende Gericht Gottes und die Möglichkeit, verloren zu gehen.
Das sagt die Bibel. Die Bibel spricht nicht nur ein bisschen religiösen Weihrauch. Sie zeigt uns erschütternd unsere wirkliche Situation: Der Tod und der ewige Tod sind der Lohn der Sünde. Das habe ich verdient, und das hast du verdient.
Ich streite nicht mit Leuten, die sagen, sie seien keine Sünder. Mögen diejenigen, die das sagen, es dem lebendigen, heiligen Gott selbst vorlügen. Ich weiß, dass ich es verdient habe. Ich möchte meinem Heiland gefallen, aber es gelingt mir zu schlecht. Und ich weiß, das ist über meinem Leben.
Der Tod ist der Lohn der Sünde. Das ist eine sehr beunruhigende Sache, und sie hat mich aufgeweckt, als ich 18 Jahre alt war. Die Tatsache, dass ich des Todes schuldig bin – und zwar des ewigen Todes – und dass Gott sich nicht überlisten lässt. Man kann Gott nicht heimlich eine Kiste Wein schicken, damit er ein freundliches Urteil spricht. Das kann man an anderen Stellen versuchen, aber nicht bei Gott.
In diese Unruhe hinein trat Jesus und sagte: Ich trete für dich ein.
In dieser Unruhe tritt Jesus ein und sagt: Ich trete für dich ein. Und sehen Sie, bei dieser Sache, um die alles geht – um die Ewigkeit – muss ich ganz sicher sein.
Herr Jesus, sage ich, der Tod ist der Lohn der Sünde. Ich trete für dich ein, Herr Jesus. Hast du wirklich den bitteren Tod erlitten? Ich muss das genau wissen. Eine kleine Spiegelfechterei kann mich nicht retten. Herr Jesus, hast du wirklich den Tod erlitten?
Da sagt die Lanze: Ich stelle den Totenschein aus.
Und jetzt sagt mir die Lanze: Sein Tod ist der Lohn meiner Sünde, damit ich Frieden habe.
Sehen Sie, die Lanze stellt den Totenschein aus. Wer selig werden will, muss wissen: Ist der wirkliche Heiland tatsächlich für mich in den Todesrachen gesprungen? Ganz wirklich, in dem bitteren Tod? Ja, ganz wirklich. Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden haben. Und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Ja, ich kann auch sicher sein, dass es nicht nur der natürliche Tod war, sondern auch der ewige Tod. Herr Jesus, hast du sogar die Hölle für mich getragen?
Dann sagt er: Ja, als ich rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, das ist Hölle – von Gott ganz und gar verlassen zu sein. Und ich habe es für dich getragen.
Sehen Sie, nun dürfen wir zum Glauben kommen. Die Lanze hat den Totenschein ausgestellt. Verstehen Sie? Nun dürfen wir glauben: Sein Tod ist der Lohn meiner Sünde, damit wir Frieden haben.
Seit ich das verstanden habe – können Sie es begreifen? – ist Golgatha mein liebster Platz. Ich möchte nicht sterben, ohne im Sterben noch einmal einen Blick auf den gekreuzigten Heiland zu werfen und zu fassen: Du spielst im Leben, weil du für mich den Tod getragen hast.
Der Speer als Ausleger der Bibel
Und noch ein letztes Mal: Wir sprachen von dem Speer. Der Speer vertrat zunächst ganz natürlich die Keulen. Er stand für den Doktor und hätte beinahe auch für den Pastor stehen können. Ich möchte es lieber so ausdrücken: Er vertritt einen Bibelausleger.
Primitiv könnte man sagen, der Speer vertritt den Pastor. Aber es gibt auch Laien, die die Bibel noch besser auslegen als mancher Pastor. Deshalb sage ich lieber: Der Speer vertritt einen Bibelausleger.
Am dritten Tag vertritt der Speer also einen Bibelausleger. Es folgt noch einmal fünf Minuten komprimierte biblische Kost. Können Sie noch? Ja, komprimierte biblische Kost.
Sehen Sie, ich habe zuhause in meiner großen Bücherei einen ganzen Schrank nur mit Predigten von gottlegitimierten Predigern wie Spörtchen, Hofbacker, Hennhöfer, Krummacher. Bei ihnen allen geht es um das Kreuz Jesu. Und oft packt es mich, wenn ich sehe, wie geistbegnadete Männer über Generationen hinweg gerungen haben, den Gemeinden das Kreuz Jesu Christi auszulegen.
Denken Sie an Golgata, wo es geschah. Dort war kein Ausleger anwesend. Da hätten doch einige Eise und Krummacher stehen müssen, um gleich zu erklären, warum Jesus stirbt. Aber es war keiner da.
Und da sorgt Gott dafür, dass auch auf Golgatha ein Ausleger ist, der das Kreuz erklärt – ein wunderlicher Ausleger, nämlich der Speer, der Speer, der in Jesu Seite fuhr.
Denn es heißt: Als der Speer ihm ins Herz fuhr, da ging Blut und Wasser heraus.
Lieben Freunde, das ist total unnatürlich. Wenn ein Mensch gestorben ist und nach zehn Minuten wird er gestochen, fließt gar nichts mehr. Das war ganz und gar unnatürlich, Zeichen und Wunder ohne Auslegung. Johannes hat das ganz deutlich empfunden und sagt deshalb gleich hinterher: Es ging Blut und Wasser heraus. Und der es gesehen hat, der bezeugt es, und sein Zeugnis ist wahr, damit ihr glaubt.
Das sagt er mit drei Sätzen, nicht bloß mit einem. So wichtig war ihm das.
Später sagt Johannes, er denkt hier an Jesus, der mit Wasser und Blut kommt. Der Speer legt aus, er macht Jesus offenbar als die Quelle von Blut und Wasser.
Das ist natürlich eine biblische Sprache. Schalten Sie ab, wenn Sie nur in Kategorien von Illustrierten, Revuen oder Quickdenken denken. Dann können Sie es nie kapieren.
Dazu braucht es schon ein bisschen Licht durch den Heiligen Geist.
Aber denjenigen, der es kapieren möchte, möchte ich sagen: Blut und Wasser quillt aus Jesu Seite.
Fangen wir mit dem Blut an. Luther ist ausführlich auf dieses fließende Blut eingegangen und sagt, das ist ganz unnatürlich. Er erklärt, dass bei einem gestorbenen Menschen das Blut gerinnt.
Dann fährt er wundervoll fort: Aus diesem unnatürlichen Fließen sollen wir die rechte Art lernen, die unser lieber Herr Jesus hat. Sein Blut fließt immer, lebt und wirkt. Alle, die damit besprengt werden, haben Vergebung der Sünden und sind Kinder des ewigen Lebens.
Mein Blut, da haben die Nationen Erlösung gemacht. Das Blut ist nicht bald zu Ende, so wie ich gestorben bin. Jesu Blut lebt und fließt, und bis ans Ende der Welt werden Menschen sagen: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht mich rein von aller Sünde.
Ach, dieses wundervolle Blut Jesu Christi! Im dritten Buch Mose heißt es: Gott sagt, ich habe euch das Blut auf den Altar gegeben, dass eure Seelen damit versöhnt werden. Denn im Blut ist die Versöhnung.
In diesem Blut Jesu ist die Versöhnung. Sie können heute noch zum Frieden mit Gott gelangen – im Blut ist die Versöhnung.
Und vom Wasser: Nun, meine Freunde, Wasser bedeutet immer Reinigung, nicht wahr? Wir haben uns doch hoffentlich heute Morgen alle unter dem Wasserhahn tüchtig gewaschen. Wasser ist Reinigung.
Im Krieg gab es einen Kerl, der sagte, das müsse ein früher dreckiger Fuchs gewesen sein, der sich jeden Tag waschen muss. Aber von der Sorte haben wir Gott sei Dank hier nicht.
Wasser bedeutet notwendige, unumgängliche Reinigung.
Nun denken Sie daran: Im Alten Testament steht die Verheißung. Das war ein Wort, das Pastor Weigle so gern hatte – da habe ich oft von ihm gehört: „Zu der Zeit werden die Bürger Jerusalems einen freien und offenen Born haben.“
Wieder alle Sünde und Ungerechtigkeit. Und da kommt Wasser – ein Signal: Hier ist Jesus, der Gekreuzigte, der ist der freie und offene Born. Wieder alle Sünde und Ungerechtigkeit dieser dreckigen Welt, die Menschen beschmutzt. Ein freier und offener Born für alle Sünde und Ungerechtigkeit in Jesus, dem Gekreuzigten.
Mehr braucht man vom Kreuz gar nicht zu wissen: Hier ist Blut zur Versöhnung, hier ist Wasser zur Reinigung.
Der Speer war ein großartiger Ausleger. Er konnte es besser als eine Menge Pastoren – nein, besser als alle. Wir können nur nachreden, was der Speer ausgelegt hat.
Schlusswort und Gebet
So, nun muss ich aber schließen.
Als der Herr Jesus auferstanden war, gab es einen Jünger, der kaum glauben konnte, dass um Jesus herum so große Dinge geschehen. Jesus erschien ihm und sagte: „Komm, Thomas, lege deine Hand in meine Seitenwunde.“
Ich möchte an diesem Palmsonntag auch im Glauben meine Hand in Jesu Seitenwunde legen.
Wir wollen beten: Herr, wir danken dir von ganzem Herzen, dass dein Heil nicht nur ein kleines, armseliges Gerede ist, sondern die größte Wirklichkeit, die gewaltigste und wirksamste Realität.
Vergib uns doch, dass wir so wenig davon erfassen und haben. Nun bitten wir dich, Herr, lass deinen Todessieg an uns nicht verloren sein. Amen.
