Einstieg mit dem Symbol der Titanic
Es ist ein wenig makaber, dass ich ausgerechnet hier in Pforzheim mit dem Thema Untergang der Titanic beginne. Ich weiß nicht, ob das symbolisch gemeint ist.
Am Anfang hatte man hier guten schwäbischen Klang. Man wusste ja, wie in Baden-Württemberg vernünftig gesprochen wird. Zum Ende hin klingt es jetzt preußisch über sie – das wirkt ganz vernichtend. So ist also der Untergang der Titanic.
Ich hoffe, dass auf diesem Flügel all jene gesessen haben, die den Film schon im Kino oder anderswo gesehen haben. Denn ich vermute, dass sie nicht sehr viel von der Geschichte mitbekommen haben. Das war ziemlich oberflächlich, das Bild.
Es ist hochinteressant, finde ich, dass am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts dieser Titanic-Kult richtig aufgekommen ist. Womit hängt das eigentlich zusammen?
Diese Geschichte wurde natürlich das ganze Jahrhundert über immer wieder erzählt. Aber ich erinnere mich noch: Wenn in den fünfziger oder sechziger Jahren jemand die Geschichte erzählte, dann gähnten die Leute. Man hatte sie inzwischen schon so oft gehört. Es waren alte Kamellen, so wie wenn man vom Dreißigjährigen Krieg erzählt – das interessierte niemanden.
Und plötzlich wurde das mit dem großen Film, mit dieser phantastischen, wahnsinnigen Technik, in der er gemacht wurde, ein richtiger Kultfilm und beschäftigte die Leute.
Die Titanic als Symbol des Jahrhunderts
Sie müssen wissen, dass die Titanic ein Symbol dieses Jahrhunderts war. Am Anfang dieses Jahrhunderts gab es viele Prognosen darüber, wie das zwanzigste Jahrhundert wohl werden würde. Vielleicht ist es deshalb so, dass man sich am Ende des Jahrhunderts noch einmal an diese Zeit erinnert.
Diese Prognosen kann man heute alle nachlesen. Das ist vielleicht hochinteressant, wenn man jetzt an einer neuen Jahrhundert- oder gar Jahrtausendwende steht und darüber nachdenkt, was man aus dem bisher Erlebten und dem Gegenwärtigen ableiten kann. Wie kann man eigentlich wissen, wie es in Zukunft weitergeht?
Es ist sehr lehrreich, sich im Augenblick zu vergegenwärtigen, wie es an der Jahrhundertwende 1900 war. Damals gab es in Europa eine ganz klare Erwartung. Es war eine unglaublich positive Aufbruchszeit. Das Bewusstsein der Menschen war völlig davon bestimmt, dass nach den enormen Durchbrüchen in Wissenschaft und Technik jetzt alles möglich sei.
Man dachte, dass man das Paradies auf Erden schaffen werde. Die Medizin würde helfen, das Leiden abzuschaffen. Die Physik schien die gesamte Welt beschrieben zu haben. Übrigens ist nichts von dem, was das zwanzigste Jahrhundert gebracht hat, zu Beginn dieses Jahrhunderts vorausgesagt worden.
Weder zwei Weltkriege, noch Hitler oder Stalin, noch das Aufkommen und der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme, noch das Erwachen der islamischen Welt – nichts davon war vorhersehbar. Nichts von dem, was dieses Jahrhundert geprägt hat, wurde vorausgesagt. Und fast alles, was vorausgesagt und erwartet wurde, ist nicht eingetreten.
Die Titanic als Symbol der Moderne und der Ironie
Und die Titanic am Anfang des Jahrhunderts – der Bau dieses größten Schiffes. Es gibt Streit darüber, ob tatsächlich behauptet wurde, die Titanic sei unsinkbar gewesen, oder ob das nur die Zeitung und die Medien nach der Katastrophe hinzugefügt haben.
Mit diesem Anspruch wurde sie gebaut: das größte, modernste, luxuriöseste und sicherste Schiff, das je gebaut worden ist. Sie war sozusagen im Begriff der Moderne ein Symbol für den Menschen, der jetzt in der Lage ist, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und die Welt sowie das Glück zu erobern.
Und das ist eine so bittere Ironie, dass dieses Superschiff auf einer Jungfernfahrt in einer stillen Nacht, in der kaum ein Lüftchen wehte, im Atlantik an einen Eisberg rammte und in einer Riesenkatastrophe unterging.
Es ist auch eine Legende, die historisch offensichtlich nicht zutrifft. Sie haben das ja in dieser Szene gesehen: Das Orchester – damals gab es keine Bordlautsprecher, und so wie heute hätte man keinen CD-Player aufgelegt – spielte, als die Titanic schon sank. Das ist zutreffend.
Aber offensichtlich ist nicht zutreffend, dass das letzte Stück, das sie gespielt haben, der alte christliche Choral „Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir“ gewesen sei. Ich las in einem Buch, das ich neulich in die Hand bekam und das sich mit vielen Fragen zur Titanic beschäftigte, dass irgendeine leichte Weise zum Schluss gespielt worden sei.
Aber Sie haben das gesehen: Was diese Melodie in der englischsprachigen Welt als Legende am Leben gehalten hat, war vor allem ein sehr weit verbreitetes Lied. Auch in Deutschland war es vor Jahrzehnten ein sehr populäres Lied: „Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir“.
Ich sage, es ist eine Legende, dass dieses Lied gespielt wurde. Denn es ist leider mehr als eine Legende, dass es nicht passiert ist.
Wissenschaft, Technik und die fehlende Umkehr
Weder die Errungenschaften noch ihre Segnungen – diese unglaublichen Möglichkeiten, die uns mit dem Aufbruch von Wissenschaft und Technik in den letzten 250 Jahren beschert wurden, insbesondere im zwanzigsten Jahrhundert – haben dazu geführt, dass wir Menschen aufgewacht sind. Wir sind nicht plötzlich dankbarer geworden und haben gesagt: „Was ist das für eine unerhörte Güte Gottes!“
Wir alle nehmen heute selbstverständlich in Anspruch, was medizinisch möglich ist. Eine Blinddarmoperation oder Bypass-Operationen werden routinemäßig durchgeführt. Wo ich hinschaue, werden Menschen vorne aufgeschnitten, kurz auseinandergebaut, ein paar Schläuche angebracht, ein Reißverschluss rein – und wieder zu.
Ich habe einen Freund, der sich einer solchen Operation unterziehen musste. Er brauchte ganze drei Wochen, bis er nach der Operation aus dem Krankenhaus entlassen wurde und in die Rehabilitation kam. Man hat ihn nicht mit dem Fahrrad aus dem Krankenhaus in die Reha geschickt. Vor einigen Jahren wäre das völlig unmöglich gewesen und damals eine Sensation. Heute ist das einfach selbstverständlich.
Dinge, an denen Menschen vor hundert Jahren noch selbstverständlich gestorben sind, werden heute schnell und sicher erledigt. Beim Kaiserschnitt bei einer Geburt sagt man, es gibt die schönsten Kinder. Ich habe mir oft klargemacht, dass meine Frau bei der Geburt unseres ersten Kindes vor hundert Jahren wahrscheinlich gestorben wäre. Damals konnte man nicht einfach einen Kaiserschnitt machen, wenn es anders nicht ging.
All das nehmen wir heute ganz selbstverständlich hin.
Gottes Güte als Ruf zur Umkehr
In meiner Bibel steht ein Satz, der mich wie kaum ein anderer in meinem Leben bewegt. Es ist eine Frage, die Paulus im Römerbrief stellt: Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr leitet?
Wissen Sie nicht, dass all die guten Dinge, die wir erleben – all die Fortschritte in Wissenschaft und Technik, all die Bequemlichkeiten und Hilfen, die wir haben – alles das von Gott ermöglicht wird? Es sind die Zeichen der Güte Gottes, mit denen er uns in Freundlichkeit aufmerksam macht und zur Umkehr lockt.
Gott gibt den Atem, er lässt Menschen leben. Was Menschengeist erfindet, geschieht, weil Gott es ermöglicht. Das kann doch niemand einen Tag lang garantieren. Wir aber sind oft hart und sagen uns: „Geht’s gut, also sind wir gut.“
Ich kann gar nicht glauben, dass diese intelligente Spezies Mensch so bescheuert sein kann. So dämlich und so dumm kann ein normaler Mensch gar nicht sein, dass ihm nicht bei drei Minuten Nachdenken klar wird, dass er das alles nicht selber garantieren kann. Sie können nicht einmal einen einzigen Tag garantieren, dass sie sich noch an ihren eigenen Namen erinnern.
Sie könnten heute Abend Gehirnbluten bekommen und morgen nicht mehr wissen, wie sie heißen. Und da wollen wir so tun, als hätten wir das alles selber geleistet und gemacht? Wir sind total abhängig von dem, was uns geschenkt wird.
Wir nehmen es, wir erleben es, wir genießen es. Und wir finden, wir brauchen keinen Gott. Wir sagen: „Wir sind okay, es geht uns gut, wir sind gut.“ Dabei verstehen wir überhaupt nicht mehr, was es heißt: Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr trifft?
Begegnung mit einem erfolgreichen Geschäftsmann
Ich war neulich auf einer Tagung mit Geschäftsleuten eingeladen, um dort einen Vortrag zu halten. Abends standen wir dann im Hotel an der Theke, als plötzlich einer zu mir kam und sagte: „Ich muss hier etwas fragen, ich habe ein Problem.“
Ich fragte ihn, was denn los sei. Er antwortete, ihm gehe es sehr, sehr gut. Dann erzählte er von seinem wirtschaftlichen Erfolg. Trotz ganz schlechter Startbedingungen war er enorm erfolgreich. Man konnte es sehen: Er fuhr einen ordentlichen Porsche 928. Armut schien für ihn kein Thema mehr zu sein.
Anschließend berichtete er mir, wie seine Karriere dazu geführt hatte, dass seine Ehe und Familie in Schwierigkeiten gerieten. Er erzählte, wie er sich bemüht habe, die Ehe zu retten, und dass es ihm gelungen sei. Jetzt sei die Ehe stabil, und sie hätten eine wunderbare Familie mit ihren Töchtern.
Ich fragte ihn: „Wo liegt dann das Problem?“ Er sagte: „Ich habe Angst, dass das alles einmal aufhört. Was soll ich tun?“
Daraufhin sagte ich ihm: „Haben Sie je darüber nachgedacht, wer Ihnen all das geschenkt hat? Haben Sie sich jemals bedankt?“ Er antwortete: „Das habe ich doch erarbeitet.“
„Und Ihre Intelligenz haben Sie selber erarbeitet?“, fragte ich weiter. „Und Ihre Gesundheit haben Sie selber erarbeitet?“
Er brauchte keine zwei Minuten, um seinen Denkfehler zu erkennen. Dann sagte ich zu ihm: „Nehmen Sie diesen Satz: Weißt du nicht, dass sich Gottes Güte zur Umkehr leitet? Heute Abend sagt Ihnen Gott das.“
„Er hat Sie so reich beschenkt, obwohl Sie nicht nach ihm gefragt haben. Sie haben immer gemeint, Sie wären das alles selber. Er hat Sie so reich beschenkt, und das Ergebnis ist, dass Sie selbstgerecht und voller Angst sind. Wann kehren Sie um und nehmen das Geschenk des Lebens und all der Gaben aus seiner Hand an? Wann bedanken Sie sich bei dem Geber und sagen: ‚Hier ist mein Leben. Ich möchte jetzt so leben, wie Du es Dir vorgestellt hast. Ich möchte deine Gaben genießen und will voller Dankbarkeit mich an dem orientieren, was du dir für mein Leben gedacht hast. Ich will dir vertrauen, dass du es in der Hand hast. Du hast mich in schweren Zeiten und in guten Zeiten in der Hand.‘?“
Dann, so sagte ich ihm, würden sie spüren, dass sie zu Hause sind bei Gott, dass sie ihm vertrauen können. Er hat ihre Vergangenheit in der Hand, ihre Gegenwart und ihre Zukunft. Dann könnten sie gelassen sein.
Das können die Verantwortlichen leben. Weißt du nicht, dass sich Gottes Güte zur Umkehr bringt? Sie ruft: „Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir!“ Heimkehr zur Quelle des Lebens, zum Geber all der guten Gaben – das ist das Größte.
Einladung zur Dankbarkeit und Umkehr
Ich weiß es nicht, ich kenne sie nicht. Vielleicht lernen wir uns in dieser Woche noch ein bisschen besser kennen, in diesen Tagen. Aber wie ist es in Ihrem Leben? Haben Sie je darüber nachgedacht, was Gott Ihnen gegeben hat, und sind Sie dankbar?
Haben Sie eine Beziehung angefangen? Haben Sie sich dem Geber der Gaben zugewandt? Haben Sie ihn gefragt, was er sich dabei gedacht hat, als er Ihnen Ihr Leben, Ihre Zeit, Ihre Begabung, Ihre Begrenzung, Ihre Familie, Ihre Probleme und Ihre Chancen gegeben hat? Warum gerade dieser einzigartige Zuschnitt, der in keinem anderen Menschenleben so ist? Haben Sie je danach gefragt und gesagt: Herr, ich möchte wissen, wie das Leben, das du erfunden und mir geschenkt hast, gehen soll?
Ich wünsche mir sehr, dass das heute Abend passiert. Dass die eine oder andere Person, jung oder alt, heute Abend sagt: Meine Güte, das ist ja wahr für mein Leben, und das möchte ich gerne tun und in Anspruch nehmen.
Ja, ich möchte Sie am Ende dieses Abends einladen. Ich werde Ihnen eine ganz konkrete Möglichkeit geben. Sie können aufstehen, nach vorne kommen und sagen: Ich möchte jetzt eine Antwort geben – in einem ganz einfachen Gebet Gott ein Dankeschön sagen für seine guten Gaben. Und ich will ihm sagen: Vergib mir, dass ich bisher undankbar und ohne dich gelebt habe, aber von jetzt an soll mein Leben dir gehören.
Irgendwann kann sich das doch ändern. Wissen Sie nicht, dass sich Gottes Güte zur Umkehr leitet? Dann werden Sie spüren, was das heißt: näher, mein Gott, zu dir. Näher zu dir, in die Kraft Gottes, in die Wärme und die Geborgenheit seiner Liebe.
Die Katastrophe und die fehlende Umkehr der Menschheit
Im Film wird die Geschichte als Legende dargestellt. Wahrscheinlich war es nicht dieses Lied, das am Schluss gespielt wurde. Auch nach der Katastrophe führte das Gute nicht dazu, dass Menschen umkehrten und zu Gott kamen. Luxus, Gaben, Genuss und viele schöne Dinge bewirkten ebenfalls keine Umkehr. Selbst die Katastrophe nicht.
Diese unsägliche Not, die dieses Jahrhundert geprägt hat, lässt die Titanic und ihren Untergang wie ein schreckliches Symbol am Anfang dieses Jahrhunderts erscheinen. Man hatte damals geglaubt, es würde das Jahrhundert des Völkerfriedens, des Wohlstands und des Lebens in der Menschengemeinschaft ohne Leid werden. Doch stattdessen wurde es ein Jahrhundert, in dem so grauenhaft gemordet, getötet und gefoltert wurde wie nie zuvor.
Wir gewannen eine solche Selbstsicherheit, dass wir dachten, wir hätten alles im Griff. Doch im Laufe des letzten Jahres wurde uns klar, dass wir nichts im Griff haben. Es wird einem schwindelig, wenn man versucht, mitzuzählen: die Toten, die Erdbebenkatastrophen in der Türkei und anderen Teilen der Welt. Wir haben nichts in der Hand.
Aber gerade das führte nicht dazu, dass wir vom Sockel unserer Selbstherrlichkeit und Selbstgerechtigkeit herabsteigen. Wir sollten uns fragen, was für eine Vermessenheit es ist, uns als die letzte Instanz der Welt aufzuspielen. Jeden Tag wird uns deutlicher, dass wir überhaupt nichts im Griff haben – überhaupt nichts.
Entwicklung der globalen Armut und die Herausforderung der Umkehr
In meinem Beruf habe ich viel mit internationaler Arbeit zu tun, auch in der Entwicklungszusammenarbeit mit 128 Ländern der Welt.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir in den 60er Jahren mit Parolen arbeiteten, um in der sogenannten Dritten Welt die Armut zu bekämpfen. Es ging um Hilfe zur Selbsthilfe und die große Leidenschaft, mit der man das richtig anpackte. Wenn man etwas investierte, sollte dadurch Hilfe zur Selbsthilfe entstehen und die Armut bekämpft werden.
Heute fahre ich durch Afrika und spreche mit meinen Partnern und Freunden dort. Wir befinden uns in einer Armutssituation, die viel, viel schlimmer ist als vor zwanzig Jahren. Wir haben nichts in der Hand, nichts. Wann wird es passieren, dass wir die Augen öffnen, die Zeit erkennen und sagen: Jetzt will ich umkehren und fragen: Herr, wer bist du?
Wir haben lange genug Gott gespielt. Wir haben lange genug so getan, als ob wir alles im Griff hätten. Dabei rühren wir eine Hölle zusammen. Die Suppe, die wir eingebrockt haben, müssen wir selbst und andere auslöffeln. Wann werden wir umkehren?
Hoffnung und Enttäuschung nach dem Fall des Kommunismus
Vor zehn Jahren haben wir in Europa ein Wunder erlebt, mit dem niemand in den sechziger, siebziger oder achtziger Jahren gerechnet hatte. Ich selbst habe nie damit gerechnet, dass vor der Jahrtausendwende eine Wiedervereinigung stattfinden würde. Ebenso wenig habe ich erwartet, dass das kommunistische System zusammenbrechen und man in Europa über alle Grenzen hinweg reisen könnte. Das war für mich jenseits aller Vorstellungsmöglichkeiten.
Dann brach all das zusammen: der grauenhafte Ost-West-Konflikt mit der Bedrohung durch Atomwaffen, bei dem die Vernichtung immer nur einen Spalt weit entfernt war. Wer würde diesen Wahnsinn auslösen?
Im Jahr 1989 kam die politische Wende. Für einen Moment keimte die Hoffnung auf, dass nun, nachdem dieser Wahnsinn vorbei sei, Brücken gebaut, Offenheit zueinander gezeigt, Frieden geschaffen und der Wiederaufbau sowie Gerechtigkeit in Europa und darüber hinaus gefördert würden.
Doch was erleben wir heute? Wir sehen grauenvolle Kriege mitten in Europa. Nichts hat sich geändert: die Selbstgerechtigkeit und Härte einer gottlosen Menschheit, die behauptet, wir seien die Herren, wir seien die Herren.
Die Verrohung der Gesellschaft und der Umgang mit dem Tod
Und wir genießen Titanic und anderes. Wir genießen das Sterben im Unterhaltungsprogramm. Vierzig Millionen hat der Film gekostet, die Computeranimation war wahnsinnig aufwendig. Das ganze Schiff wurde nachgebaut – ein unglaubliches Beispiel moderner Filmgeschichte. Dann schaut man sich das an, und es geht einem unter die Haut, wenn man sieht, wie Leute ertrinken und so weiter.
Wir genießen das Sterben im Unterhaltungsprogramm und entwickeln eine Einstellung, die dazu führt, dass wir immer mehr das Gefühl haben, unser eigenes Sterben gebe es gar nicht. Ist Ihnen das aufgefallen? Es gibt fast kein Tabu mehr in unserer Gesellschaft. Man kann Menschen nackt ausziehen, und jede Perversion wird in aller Öffentlichkeit gezeigt. Dafür haben wir extra Talkshows eingerichtet, damit alles öffentlich vorgeführt werden kann. Es gibt überhaupt keine Tabus mehr.
Das einzige Tabu, das im Augenblick wirklich konsequent gehalten wird, ist das Tabu des Todes. Man kann vierzig, fünfzig Jahre alt werden, ohne je wirklich einen Menschen sterben gesehen zu haben. Im Film hat man Hunderte und Tausende gesehen, aber man wusste ja, dass die Toten dort alle nachher ihre Gage noch abgeholt haben und dass das Blut aus Lebensmitteln, Farbe und Ketchup bestand.
Das heißt: Sterben findet im Unterhaltungsprogramm statt, als Trick, live. Sind wir dankbar, dass Sterbende in Intensivstationen an den Schläuchen hängen, dass das Letzte getan wird, dass alles hygienisch ist? Man kann da nicht hingehen, es findet nicht mehr richtig statt. Der Tod ist verdrängt.
Wir lassen uns nicht stören, wir wollen leben. Carpe Diem heißt es. Das ist auch der Satz von Horaz, dem römischen Dichter: „Genieße den Tag.“ Und dieser Satz geht weiter in jenem Gedicht von Horaz, das heute so ein Motto für unsere Zeit geworden ist:
„Und erwarte so wenig wie möglich von der Zukunft.“
Genieße den Tag, schöpfe ihn aus, und erwarte so wenig wie möglich von der Zukunft, schrieb Horaz vor über zweitausend Jahren.
Das ist das Motto unserer Zeit: „Sterben findet nicht statt, ich lebe heute.“
Die Weisheit des Todes bedenken
Und ganz im Psalm 90, mitten in der Bibel, steht ein Gebetssatz, den ich für entscheidend halte für das Gelingen des Lebens – ob wir ihn wagen zu beten oder nicht. Da heißt es: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.
Nicht fromm werden. Manche Leute wollen ja sagen: Da willst du den Leuten Panik machen, Angst vorm Sterben, damit sie da die Zitter kriegen und moralisch werden – und dann rennen sie in die Kirche und bekommen einen frommen Tick. Nein, da sollten sie nicht fromm werden, sondern klug.
Was heißt Klugheit? Klugheit heißt in diesem Sinn, dass man Wichtiges und Unwichtiges unterscheiden kann, dass man vom Ziel her Prioritäten setzt, die Rangliste des eigenen Lebens richtig ordnet. Dass ich mein Leben nicht mit Albernheiten vertue, für die es sich nicht lohnt zu leben, weil ich nicht weiß, was wichtig und unwichtig ist.
Eine Gesellschaft, die den Tod verdrängt, in der es keine Alten mehr geben darf, weil jeder sagt: „Noch beim achtzigsten Geburtstag fröhliche weitere achtzig!“ Wir tun immer so, als ginge es immer so weiter. Wo es obszön ist, über das Sterben zu reden, als gäbe es das alles nicht.
Eine Gesellschaft, die den Tod verdrängt, verblödet. Sie verblödet nicht deshalb, weil der Intelligenzquotient nicht hoch genug war. Man kann in Mathe nur Eins gehabt haben und zwei Doktortitel besitzen – das hat mit Weisheit und Klugheit noch nicht viel zu tun.
Verblödung heißt, dass man nicht mehr unterscheiden kann, was wichtig und was weniger wichtig ist. Dass man keine Prioritäten mehr setzen kann, wofür man eigentlich lebt. Und dass man mit Albernheiten sein Leben zubringt, sich wahnsinnig aufregt und seine Lebenskraft verplempert für Dinge, die es überhaupt nicht wert sind.
Und zum Schluss steht man sich den Rücken zur Wand, das Leben ist vorbei – und man hat es gar nicht gelebt. Wo war es jetzt eigentlich? Man hat es ja nicht gewusst, wo es ist.
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.
Der Tod und die Verantwortung des Menschen
Und geht es beim Sterben nicht nur darum, dass ich weiß, mein Leben hat ein Ende? Über 50 Prozent der Deutschen halten es für wahrscheinlich, dass es Reinkarnationen gibt. Das ist verrückt.
In indischen Religionen ist die Reinkarnation die Vorstellung, dass ich in einer neuen Existenz wiedergeboren werde – als Mensch, Schmetterling, Katze oder was auch immer, vielleicht als König oder sogar als Gott. Das ist ein Fluch! Die Sehnsucht ist, endlich aus diesem Kreis der Wiedergeburten aussteigen zu können.
Bei uns in Deutschland ist damit die Erwartung verbunden, dass wir, da wir nicht wissen, ob das Leben so bleibt, wie es jetzt ist und gelingt, hoffen, noch einmal eine Runde zu bekommen. Dass es nicht endgültig ist, sondern dass wir noch einmal wiederkommen. Wir probieren es erneut, ins Ungewisse, und dann machen wir als Schmetterling die nächste Runde oder als Fußballstar oder wer weiß was.
Es kommt dabei gar nicht darauf an. Das ist eine interessante Fluchtreaktion in unserem Wunschdenken.
Die Bibel sagt, dass Gott uns geschaffen hat und unser Leben ein Ziel hat. Die Geschichte ist kein Kreislauf, sondern eine Linie, die auf ein Ziel zuläuft. Dieses Ziel setzt der Schöpfer, Erhalter, Herr und Richter der Welt fest. Deshalb ist unser Leben bedeutungsvoll.
Das Eigentliche ist nicht, dass das Leben ein Ziel hat und dann vorbei ist. Da wäre kein Problem dabei, eine Kerze auszublasen – ex und hopp, weg. Was wäre daran schlimm, wenn ich gewiss sein könnte, dass es so ist?
Das Wesentliche, das die Verantwortung für unser Leben und auch die Würde unseres Lebens ausmacht, ist, dass mit unserem Tod unser Leben endgültig wird. Wir treten so vor das Angesicht des Schöpfers, Richters und Herrn der Welt und sind verantwortlich.
Verantwortung ist ein sehr schönes deutsches Wort. Darin steckt das Kernwort Antwort. Verantwortung heißt, dass ich jemandem Antwort gebe über mein Leben, jemandem, der mich anspricht und dem ich antworte. Das ist meine Würde.
Das ist das Wesen des Menschen: Wir sind das einzige Geschöpf auf der Welt, das Gott würdigt, indem er zu uns „du“ sagt. Und wir dürfen ihm Antwort geben, nicht nur mit Worten im Gebet, sondern mit unserem ganzen Leben. So sind wir verantwortlich.
Das ist Menschenwürde. Und Menschenwürde lässt sich einzig und allein dadurch sichern, dass sie in dieser Beziehung einzigartig ist – dass wir Antwort geben.
Denn wir sind gerade dabei, die Menschenwürde zu verspielen, indem wir sagen, es gibt niemanden, dem ich Antwort schuldig bin. Ich bin nur noch selbstverantwortlich und führe sozusagen ein Selbstgespräch. Wenn diese innere Stimme verstummt, habe ich niemanden mehr, mit dem ich spreche. Ich bin toteinsam, es gibt nichts mehr.
Deshalb kommt es gar nicht darauf an, und das Leben wird verrannt.
Verantwortung, Würde – die Bibel sagt uns: Es ist den Menschen bestimmt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht. „Der Knochen ist trocken“ heißt es in der Bibel.
Manche sagen, das sei Angstmache. Nein, das ist die Rettung unserer Menschenwürde.
Wer den Menschen dauernd für unzurechnungsfähig erklärt, sagt, es kommt nicht darauf an. Er war es nie gewesen, es war immer die Gesellschaft. Niemand weiß, wer diese Gesellschaft war. Jedenfalls ich war es nicht. Irgendjemand aber war es.
Alles, was wir getan haben, wenn jemand etwas Böses getan hat, wird oft damit erklärt, dass er krank gewesen sei. Denn gesund müsste er ja Zurechnung und Verantwortung tragen.
Das heißt, wir erklären langsam, dass der Mensch völlig verantwortungslos ist.
Iring Fetscher, Politikwissenschaftler an der Frankfurter Universität, hat vor einigen Jahren geschrieben, dass wir in einer Gesellschaft der Schuldlosen leben. Dass wir damit die Menschenwürde verspielen, weil wir einander nicht mehr ernst nehmen.
Niemand war es gewesen, du kannst niemanden für irgendetwas verantwortlich machen. Und wir meinen, das sei eine Hilfe. Das ist Entwürdigung. Das ist ein Niedermachen des Menschen.
Der Letzte, der um unsere Menschenwürde kämpft, ist der Schöpfer. Er sagt: „Ich, du bist ein Du, und ich habe dich geschaffen als verantwortliches Gegenüber. Ich werde dich rufen, so wie ich dich ins Leben gerufen habe, so werde ich dich aus diesem Leben rufen. Du wirst vor meinem Angesicht stehen und Rechenschaft geben über dein Leben.“
Das ist unsere Würde. Das ist unsere Würde.
Die gesellschaftliche Verdrängung des Gerichts
Nun sind wir dabei, das zu verdrängen – nein, eigentlich haben wir es längst verdrängt. Selbst als Pfarrer fühlt man sich seltsam dabei, überhaupt noch darüber zu sprechen. In Kollegenkreisen ernte ich regelmäßig Kritik dafür, dass ich so ein Thema überhaupt anspreche. Man hält das für theologisch unangemessen.
Dabei hat Jesus ganz klar darüber gesprochen, dass wir eines Tages vor Gott stehen werden und dass er uns richten wird. Für mich wird das langsam zu einem sozialen Anliegen. Ich denke, unsere Gesellschaft gerät aus den Fugen, wenn wir uns gegenseitig wie Katzen und Karnickel behandeln, die für nichts verantwortlich sind. Niemand fühlt sich zuständig.
Wie soll man in einer Demokratie leben, wenn Menschen kein Gewissen haben und nicht zu dem stehen, was sie getan oder nicht getan haben? Ohne Verantwortung gibt es keine funktionierende Demokratie, höchstens eine Diktatur. Dort braucht niemand Verantwortung zu übernehmen, denn die Macht wird von oben ausgeübt, während die anderen nur tanzen.
Diktaturen lassen sich gut mit Menschen machen, die kein Gewissen besitzen, keine Zivilcourage zeigen, für nichts einstehen und nicht gelernt haben, gegen den Strom zu schwimmen. Diese Menschen passen sich an. Gesellschaften, in denen Abweichungen von der Norm und vom Mainstream als Krankheit betrachtet werden, bereiten ihren Weg in die Diktatur vor.
Deshalb wird es für mich langsam zu einem sozialen Problem, solche Dinge auszusprechen. Aber es geht auch um uns als einzelne Menschen. Gott will, dass wir Verantwortung übernehmen! Es gibt Tatsachen, die nicht ungeschehen gemacht werden können – außer aus Kalkül.
Lassen Sie mich das erklären: Es kommt nicht so sehr darauf an, ob Sie das glauben, ich das glaube oder welche Meinung Sie dazu haben – positiv oder negativ. Mir geht es darum, Ihnen zu sagen, dass dies eine Tatsache ist. So ist es, und daran wird sich die Geschichte entscheiden.
Das Kreuz als Entlarvung des Menschen
Es war kein Untergang mit Stil, er war eher stilos. Er war gemein, so niederträchtig, wie Leiden und Sterben nur sein können. Als sie diesen Mann nackt an zwei Balken aufhängten, wollten die Römer die Menschen nicht nur töten, sondern sie auch im Sterben noch schänden. Sie wollten nicht nur foltern, sondern auch erniedrigen. Deshalb erfanden sie die Hinrichtungsart der Kreuzigung.
Nachdem Jesus nach einem Nacht-und-Nebel-Prozess voller Lügen und Ungerechtigkeit zum Tode verurteilt worden war – einem Prozess, bei dem Machtmenschen und Karrieretypen das Recht mit Füßen traten – wurde er von brutalen Soldaten an diese Balken genagelt und aufgerichtet. Der Kreuzestod war eine grausame Mischung aus Ersticken und Verbluten.
Ein einziges Unrecht – und dennoch standen die Intellektuellen, die gebildeten Leute der damaligen Gesellschaft, herab und machten sich über den Sterbenden lustig. Intelligenz hat noch nie vor Bestialität geschützt, weder damals am Kreuz noch heute in Deutschland. Unter Intellektuellen gab es immer ein enormes Potenzial für KZ-Kommandanten. Dafür braucht man auch eine gewisse Intelligenz.
Dann sagen sie: „Steig vom Kreuz, dann glauben wir dir.“ Du hast doch anderen geholfen, nun hilf dir doch selbst. Bist du Gottes Sohn, dann steig herunter! So verhöhnen sie den Leidenden. Gibt es etwas Mieseres, als Witze über jemanden zu machen, der in Schmerzen stirbt?
Diese Kreuzigung ist die Entlarvung des Menschen, die ganze Fratze der Bestie im Menschen, der sich selbst zu Gott gemacht hat, der sich selbst zur letzten Instanz erhebt. So wird der Mensch dem Menschen zum Wolf. Dort, wo er sich als Gott aufspielt, wird er unweigerlich zum Wolf für den Menschen. Das ist eine interessante Entwicklung.
In den 60er und 70er Jahren versteckten sich die Menschen in Deutschland sozial. Jeder war irgendwie engagiert und wollte zeigen, dass er für Gerechtigkeit eintrat. Heute feiert man die sogenannten „netten Egoisten“. Es ist schick, egoistisch zu sein, die Knete zu wollen. Heute muss man gar nichts mehr kaschieren. Der Mensch zeigt offen sein Gesicht – und findet das schick.
So war es auch am Kreuz. Dort kam die ganze Brutalität des Menschen ohne Gott zum Vorschein, das ganze Unrecht, die ganze Gemeinheit.
Gottes Gericht und die Dunkelheit am Kreuz
Aber es geschieht noch mehr: Plötzlich wird es am helllichten Tag dunkel, genau über dem sterbenden Jesus. Erst im Nachhinein begreifen die Menschen, was passiert ist, denn die Gottesboten, die Propheten, haben es angekündigt. Der letzte Tag des Gerichts Gottes wird ein Tag der Finsternis sein, haben sie gesagt. Ihr erwartet ihn als einen Tag des Lichts, doch er wird kommen als ein Tag der Dunkelheit.
Und jetzt geschieht es wie ein prophetisches Zeichen mitten am Tag – die Finsternis. Plötzlich wird deutlich, dass hier nicht nur das Austoben des Unrechts der Menschen geschieht, sondern dass Gott selbst Gericht hält.
Gott ist Mensch geworden, hat sich in die Haut unseres Lebens gekrochen – in Jesus, in dem Kind in der Krippe von Bethlehem, in dem Zimmermann aus Nazareth, in dem Gekreuzigten, der dort schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gott selbst zieht sich unser Leben an und lebt es bis zur bitteren Konsequenz.
Unser Leben, in dem wir Gott den Rücken gekehrt haben, in dem wir so getan haben, als bräuchten wir Gott nicht. Ein Leben, in dem wir die Welt zerbrochen haben, die Beziehungen zu Gott, zu uns selbst und zu anderen Menschen zerstört haben. Dort hängt Jesus stellvertretend für uns.
Gott allein kann sich mit uns identifizieren. Das ist ein Fremdwort: „sich hineinversetzen“. Niemand kann wirklich in das Leben eines anderen Menschen hineinsehen. Selbst wenn man es noch so sehr möchte, wir können nicht wirklich in das Leben eines geliebten Menschen eintauchen.
Wie gerne hätte ich die Nöte der Menschen in meiner Umgebung abgenommen. Wie gerne hätte ich mir manches angezogen, um es ihnen abzunehmen. Aber ich kann es nicht. Das ist eine große Not! Letztendlich können wir nicht das Leben eines anderen übernehmen. Wir können beistehen, wir können stärken, aber wir können nicht wirklich in den anderen hinein.
Das kann nur Gott. Er wird Mensch in Jesus, zieht sich unser Leben an, stirbt unseren Tod und trägt die Konsequenzen unserer Gottesferne, unserer Arroganz und Undankbarkeit. Wir behandeln Gott oft wie einen Dreck und spielen uns arrogant als Götter auf.
Er trägt die Konsequenzen und Gott richtet ihn. Das ist das letzte Gericht Gottes, stellvertretend vorweggenommen an Jesus.
Die Schlüsselgestalt des Glaubens
Auch die Freunde, die das Geschehen aus der Distanz miterlebten, begriffen es nicht. Niemand begriff es. Nur zwei ahnten es. Zwei ahnten es, nur zwei. Der eine war ein Gangster, der rechts neben Jesus hingerichtet wurde. Er sagte: „Herr, denk an mich, wenn du in deine Gottesherrschaft kommst.“ Er hatte es verstanden, er hatte den Schlüssel. Er war die Schlüsselfigur. Sein letzter Atemzug war ein Gebet, ein Ruf: „Denk an mich!“
Jesus antwortete ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Der Offizier des Exekutionskommandos erkannte etwas Wahres. Er dachte als Römer, die kannten höhere Menschen und hatten ihre Vorstellungen davon. Doch irgendwie merkte er: Mit diesem Mann ist etwas anders. „Der ist hier der Chef, nicht ich. Der ist hier der Chef, nicht ich.“
Sonst begreift es keiner. Die Freunde laufen weg. Erst anderthalb Tage später, am dritten Tag – so wie es in Israel gezählt wird – weckt Gott den Gekreuzigten auf. Dann kommt alles durcheinander, bei Freund und Feind. Jeder dachte: Tod ist tot, da helfen keine Pillen. Jetzt wissen wir wenigstens, wie die Ordnung ist. Tod ist ja auch irgendwie beruhigend, das kann man verwalten.
Und plötzlich begegnet er ihnen. Sie merken, sie erleben es. Erst denken sie, sie spinnen, es sei eine Halluzination oder eine Vision. Doch dann merken sie: Er lebt. Gott hat ihn auferweckt. Die Todesmauer ist durchbrochen. Gott hat gesagt: Dieser Jesus ist die Schlüsselfigur, er ist der Herr. Er hat am Kreuz nicht verloren, sondern in dem Kraftakt der Liebe Gottes euer Leben sich angezogen. Er verbindet euch mit Gott, macht euch Frieden mit Gott und versöhnt euch neu mit Gott, sodass ihr wieder Zugang habt zur Quelle des Lebens.
Ihr dürft euch an diese Quelle festmachen, ihr dürft ihr vertrauen. Das heißt eigentlich: festmachen bei Gott, anschließen an diese Quelle der Kraft, an die Quelle der Liebe und Zuwendung. Zu wissen: Ich bin geschaffen, ich bin gewollt, ich bin geliebt. Er hat mich zurückgeholt. Er vergibt mir sogar den Schwachsinn meines Lebens, dass ich besserwisserisch war und überhaupt nicht wahrgenommen habe, was er an Güte in mich investiert hat. Ich habe ihn beleidigt, aber er hat mein Leben bis zum bittersten Ende getragen.
Er nimmt mir meine Schuld ab, er vergibt mir meine falschen Wege. Er verbindet mich jetzt mit Gott. Ich darf Vater zu Gott sagen, ich darf du zu ihm sagen. Er sagt du zu mir. Ich darf sein Kind sein. Die Zukunft ist in seiner Hand.
Diese Verbindung ist so stark, dass nichts mich von ihm trennen kann, weil er auferstanden ist. Er ist der Einzige, der den Tod besiegt hat. Deshalb ist diese Verbindung so stark, dass nichts mich von ihm losreißen kann. Deshalb gibt es plötzlich eine neue Gelassenheit.
Jetzt kann ich sagen: Lehre mich zu bedenken, dass ich sterben muss, damit ich klug werde. Der Tod ist nicht länger das Durchkreuzen meiner Wünsche, das Beenden meiner Lebenskarriere, wo ich doch noch so viel wollte. Sondern er ist der Durchbruch hin in eine Gemeinschaft mit dem Gott, der mich geschaffen hat.
Ich werde ihn mit meinen Augen sehen. Ich werde nicht mehr zwischen ihm und mir sein. Voll Nähe: Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir.
Gottes neue Welt und die Orientierung im Leben
Die ganze Kraft und Herrlichkeit, die Vielfalt des Schöpfers, die Schönheit einer Welt der Harmonie – die Bibel sagt einmal: Gottes neue Welt ist eine Welt, in der Gerechtigkeit wohnt.
Wir leben in einer Welt, in der das Unrecht herrscht. Die Gerechtigkeit spaziert gelegentlich mal vorbei, ergreift dann aber schnell wieder die Flucht. Gottes Welt hingegen ist eine Welt, in der Gerechtigkeit zuhause ist, wohnt – und ich darf dort zuhause sein.
Da stehe ich nicht mehr mit dem Rücken zur Wand. Stattdessen darf ich nach vorne schauen, mutige Schritte gehen und sagen: Herr, zeige mir, was wichtig ist und was unwichtig.
Es gibt viele Möglichkeiten, die wir haben. Was darf ich tun? Was soll ich tun? Was kann ich lassen? Welches Ja soll ich leben und welches Nein soll ich lassen, damit ich nicht verrückt werde in dieser Welt, in der es so viele Möglichkeiten gibt? Woher kommen die Maßstäbe, die mein Leben bestimmen?
Ich danke dir, Herr, dass du mich liebst, dass du mir den Weg zeigst und mir den Rücken frei hältst. Dass ich dich kennen darf und mit dir sprechen kann – über meinen Alltag, über meine Kinder, über meine Frau, über unsere Enkel, über die Alltagssorgen. Es gibt so viel, was einen zermürbt. Gut, dass ich mit dir darüber sprechen kann.
Oft sage ich diesen Satz: Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, damit ich korrigiere. Ich bin jetzt 58 Jahre alt und möchte meinen letzten Abschnitt meines Lebens nicht wie ein alberner Affe verbringen, der die Flatter kriegt, wenn er weiß, dass das Ziel naht. Habe ich noch zwei Tage? Habe ich noch einen Tag? Habe ich noch Jahre? Ich weiß es nicht.
Herr, zeige mir den Weg. Lass mich heute in deiner Gegenwart leben. Gib mir die Kraft, zu tun, was du willst, und die Gelassenheit, zu lassen, was nicht meine Aufgabe ist. Gib mir die Freude an dem Bruchstück des Puzzleteilchens, das ich lebe – in Einzigartigkeit.
Du, Herr, wirst das ganze Bild machen. Ich muss es nicht machen. Was für eine Entlastung, welche Zuversicht, welche Freiheit, sich nicht festkrampfen zu müssen!
Da hört es auf mit der Panik auf der Titanic. Was ist das? Wir brauchen das dringend. Wir leben in einer schwierigen Zeit. Unser Leben wird schwierig, keine Frage. Wir brauchen den Rücken frei.
Verstehen Sie? Deshalb lade ich Sie ein, Ihr Leben sehr persönlich an dieser Schlüsselfigur Jesus festzumachen.
Die Freiheit der Glaubensentscheidung
Ich liebe die Zeit, in der wir leben. Ich möchte nicht mehr in früheren Zeiten leben, in denen die Lüge in unserer Gesellschaft verbreitet wurde. Es geht nicht nur darum, dass jeder Einzelne seine Beziehung zu Gott in Ordnung bringt, sondern dass dies sozusagen mit einem ganzen Volk geschieht.
Wir hatten Zeiten, in denen die Regierung immer entschied, was die Untertanen zu glauben hatten. Wer das nicht glaubte, wurde vertrieben. In Deutschland haben wir uns daran gewöhnt, dass jemand „da oben“ bestimmt, es gab Staatskirchen, und alle glaubten in Kolonne. Das hat unsere Seelen vergiftet und unser Denken verdorben. Wir haben nicht mehr die Würde gespürt, dass Gott uns ruft und wir antworten dürfen.
Es gehört zur Schönheit des Glaubens, dass Gott uns einen Freiraum gibt. Er sagt: „Jetzt lade ich dich ein, und du darfst antworten.“ Deshalb habe ich die Freiheit, am Ende eines solchen Abends ein so konkretes Angebot zu machen, das Sie vielleicht überraschen wird. Wenn Sie diesen Ruf verstanden haben, wenn Sie gehört haben, dass Gott Sie liebt, dass er Sie geschaffen hat, dass Jesus für Sie gestorben ist, um diese Liebe zu beweisen, dann ruft er Sie und sagt: „Komm, vertraue dich mir an, vertraue mir und geh mit mir.“
Er liebt Sie so sehr, dass er sehnsüchtig darauf wartet, dass Sie ihm auf diese Liebeserklärung antworten. Ich lade Sie ein, dies heute Abend ganz praktisch zu tun. Gleich, wenn wir ein Lied hören, das diese Einladung noch einmal unterstreicht, bitte ich Sie, von Ihren Plätzen aufzustehen, wenn Sie möchten, und nach vorne zu kommen.
Hier vorne ist Platz. Wir stellen uns zusammen, Sie sind mit mir hier. Während des Liedes ist Zeit, nach vorne zu kommen. Ihre Nachbarinnen und Nachbarn werden Sie gerne durchlassen.
Ich möchte Ihnen Folgendes anbieten: Wir sprechen dann ein kurzes Gebet miteinander. Ich werde es Satz für Satz vorsprechen, und Sie dürfen es laut als Ihr persönliches Gebet nachsprechen.
Ich danke Dir, dass Du mich so sehr liebst, Jesus.
Ich öffne Dir mein Leben.
Ich bekenne Dir meine Sünde, dass ich ohne Dich gelebt habe, und bitte Dich um Vergebung.
Ich danke Dir, dass Du am Kreuz für mich gestorben bist und mir alle meine Sünden vergeben hast.
Ich will Dir mit meinem ganzen Leben von nun an gehören.
Zeige mir Deinen Weg.
Das ist ein ganz einfaches Gebet als erstes Antwortgebet oder als neues Antwortgebet.
Ich weiß nicht, vielleicht waren viele von Ihnen in den letzten zehn Tagen schon hier. Vielleicht arbeitet es in Ihnen. Sie haben diskutiert und nachgedacht: Was wäre das für eine Sache, wenn Sie heute Abend sagen: „Gut, jetzt möchte ich den Kontakt machen, ich möchte wirklich einen Schritt gehen.“
Man kann ein Leben lang über Liebe nachdenken. Man erfährt sie aber erst in dem Moment, in dem man einer Liebeserklärung antwortet. Jesus erklärt Ihnen seine Liebe und wartet darauf, dass Sie sagen: „Ja, Herr, danke, ich liebe Dich, und ich möchte mit Dir leben.“
Es ist nur ein Anfang, ein erster Schritt. Aber Sie wissen: Keinen Weg kann man gehen, ohne den ersten Schritt zu tun. Dann folgen der zweite und der dritte Schritt. Es ist der Beginn eines Lebens, ein Geschenk, wie eine neue Geburt. Ob Sie das hören können?
Ich bitte Sie: Wir Menschen sind merkwürdige Wesen. Wir sind oft furchtsam voreinander und denken: „Das kann ich doch nicht.“ In Deutschland gibt es die seltsame Sitte, über solche Dinge nicht zu sprechen. Jeden schmutzigen Witz kann man in der Öffentlichkeit erzählen, aber über den Glauben zu reden, fällt vielen schwer.
Doch gerade jetzt ist die Zeit, mutig zu sein und diesen Schritt zu wagen.