Du beschützt mich!

Reihe: Unser Vater! (6/6)
Jürg Birnstiel
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Serie | 6 Teile

Unser Vater!

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Reihe: Unser Vater! (6/6)

Einleitende Gedanken

Der Reformator Martin Luther soll einmal gesagt haben, er würde sich mit der fünften Bitte des Vaterunsers schlafen legen: „Und vergibt uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.“ Mt.6,12. Und mit der sechsten Bitte würde er am nächsten Tag aufstehen: „Und lass uns nicht in Versuchung geraten, sondern errette uns vor dem Bösen.“ Mt.6,13. Das ist doch eine gute und wichtige Bitte vor Anbruch des Tages, denn Versuchungen können uns an jedem Tag begegnen. Wikipedia definiert „Versuchung“ folgendermassen: „Eine Versuchung ist der Anreiz oder die Verleitung zu einer Handlung, die reizvoll erscheint, jedoch unzweckmässig ist, einer sozialen Norm widerspricht und/oder verboten ist.“ (wikipedia.org) Versuchung ist also nicht ein explizit christliches Thema. Jeder Mann und jede Frau ist Versuchungen ausgesetzt. Ein Angestellter ist z.B. der Versuchung ausgesetzt, dass er Eigentum seiner Firma für private Zwecke verwendet. Als ich im Warenhaus Jelmoli in Zürich arbeitete, musste ich das Haus durch den Mitarbeiterausgang verlassen. Dort standen Sicherheitsleute, die Stichproben machten, ob nicht jemand der Versuchung erlegen ist und unbezahlte Artikel nach Hause nehmen will. So lebt jeder Mensch in Spannungsfeld zwischen dem, was erlaubt ist und dem, was reizvoll wäre, aber nicht erlaubt ist. Im Hebräer wird die Versuchung als Sünde beschrieben, die uns gefangen nimmt: „Wir wollen alles ablegen, was uns beim Laufen hindert, uns von der Sünde trennen, die uns so leicht gefangen nimmt.“ Hebr.12,1. Die Versuchung kann uns eben zur Sünde verleiten. Natürlich war sich auch Paulus der Gefahren und der Kraft der Versuchung bewusst. Er schreibt nach Korinth: „Ich führe einen harten Kampf gegen mich selbst, als wäre mein Körper ein Sklave, dem ich meinen Willen aufzwinge. Denn ich möchte nicht anderen predigen und dann als einer dastehen, der sich selbst nicht an das hält, was er sagt.“ 1.Kor.9,27. Damit gesteht Paulus ein, dass er, ein grosser Apostel, Versuchungen ausgesetzt ist, die er bekämpfen muss. Unser geistlicher Zustand ist nie so weit entwickelt, dass uns Versuchungen nicht mehr gefährlich werden könnten. Im Gegenteil, Paulus warnt sogar: „Wer also meint, er stehe fest und sicher, der gebe Acht, dass er nicht zu Fall kommt.“ 1.Kor.10,12. Versuchungen gehören zu unseren ständigen Herausforderungen, deshalb ist diese sechste Bitte im „Unser Vater“ so enorm wichtig: „Lass uns nicht in Versuchung geraten, sondern errette uns vor dem Bösen.“ Mt.6,13. Wir werden heute zuerst das Wesen der Versuchung genauer betrachten und dann sehen, wie wir den Versuchungen entgegentreten können.

I. Das Wesen der Versuchung

Zuerst müssen wir das Wesen der Versuchung verstehen. Das kann uns helfen, Versuchungen besser zu erkennen. Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Versuchung immer etwas ist, das mir gefallen würde. Eigentlich würde ich das irgendwie gerne tun. Jean-Paul Belmondo charakterisierte die Versuchung mit einem einfachen Bild. Er sagt: „Versuchung ist ein Parfum, das man so lange riecht, bis man die Flasche haben möchte.“ Etwas, das ich nicht reizvoll finde, wird mich nicht in Versuchung bringen. Wenn mir jemand ein Chnoblibrot anbietet, kann ich sofort ohne Reue freundlich aber bestimmt ablehnen. Keine Sekunde würden mich Gedanken quälen, ich hätte vielleicht etwas Gutes verpasst. Anders sieht es aus, wenn mir jemand feine Nüsse offerieren würde. Da müsste ich mich schon stärker im Griff haben, um nicht zuzugreifen. Eine Versuchung ist für uns immer reizvoll. Wir würden das gern tun. Die Versuchung verspricht uns mehr Freude, mehr Erfolg, mehr Glück, mehr Abenteuer, mehr Wohlstand usw. Schon der Teufel bot Jesus alle Reiche der Welt an, damit er vor ihm niederfallen und ihn anbeten sollte. Doch Jesus widerstand dieser Versuchung. Für uns gilt, je verlockender und anstrebenswerter ein Angebot scheint, desto grösser wird die Versuchung sein. Wenn ich die Steuererklärung ausfülle und gewisse Einkünfte nicht angebe, gefällt mir das, weil ich dadurch weniger Steuern zahlen muss. Ich freue mich über das Geld, das ich behalten kann. Viele Versuchungen begegnen uns im sexuellen Bereich. Warum? Weil es reizvoll scheint. Weil es mir gefallen könnte. Weil es mich vielleicht glücklicher macht. In den Sprüchen steht: „Die fremde Frau lockt dich mit honigsüssen Worten, glatt wie Öl fliessen sie von ihren Lippen.“ Spr.5,3. Menschen geben diesen Versuchungen nach, weil diese Erfahrung Freude, Glück und Abenteuer verspricht. Die Versuchung kann sehr hartnäckig sein. Giovanni Guareschi sagt: „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt.“ Wir schwanken zwischen „ich will nicht“ und „schöne und spannend wäre es schon“. Und wenn wir der Versuchung folgen, reden wir uns ein, andere würden das auch machen. Und nachher könnte man Gott um Vergebung bitten. Auch Eva folgte dem, was ihr reizvoll und vielversprechend schien. Sie hörte auf die Versprechen der Schlange und verdrängte, was Gott gesagt hatte. „Eva sah den Baum an: Seine Früchte mussten köstlich schmecken, sie anzusehen war eine Augenweide, und es war verlockend, dass man davon klug werden sollte!“ Gen.3,6. Eva gefiel es von dieser Frucht zu essen, denn der Teufel versprach ihr, dass sie danach wie Gott sein würde. Natürlich waren auch die Jünger grossen Versuchungen ausgesetzt. Als Petrus Jesus folgte, nachdem sie ihn festgenommen hatten, konnte er der Versuchung nicht standhalten. Dreimal leugnete er, Jesus zu kennen. Warum tat er das? Er hatte Angst und es hat ihm gefallen in Ruhe gelassen zu werden. Warum sagen wir manchmal nichts über unseren Glauben an Jesus, obwohl wir wissen, wir sollten jetzt sprechen? Weil es uns gefällt, wenn die Leute uns nicht als Spinner bezeichnen. Weil es bequemer ist, unerkannt zu bleiben. Ich könnte hier mit verschiedenen Beispielen weiterfahren. Wichtig ist, dass wir das Wesen der Versuchung verstehen. Versuchung ist immer etwas, das wir gerne machen würden, etwas das reizvoll scheint. Was wir zutiefst verabscheuen, wird uns nicht in Versuchung bringen. Im Herzen wissen wir meistens, dass das, was uns so reizvoll scheint, nicht richtig ist. Doch manchmal suchen wir Gründe, mit denen wir unser falsches Verhalten rechtfertigen können. Manchmal finden wir sogar eine Erklärung, die Gottes Führung in Anspruch nimmt. Jakobs beschreibt die Versuchung mit eigenen Worten: „Wenn jemand in Versuchung gerät, ist es seine eigene Begierde, die ihn reizt und in die Falle lockt.“ Jak.1,14. Und dann geschieht nach Jakobus folgendes: „Nachdem die Begierde dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt.“ Jak 1,15

II. Bewahre uns vor Versuchungen!

Die Versuchung kann uns sehr mächtig erscheinen. Doch wenn wir der Versuchung nachgeben, merken wir, wie diese Sünde unser Leben verändert. Wir verlieren unsere Freiheit und unser gutes Gewissen. So geht es auch dem Mann, der sich auf diese Frau mit honigsüssen Worten einlässt. Was so reizvoll und schön schien, erscheint plötzlich in einem anderen Licht. „Am Ende ist diese Frau bitter wie Galle und tödlich wie ein beidseitig geschliffenes Schwert. Sie reisst dich mit in den Tod, ihre Schritte führen geradewegs ins Grab.“ Spr.5,4-5. Deshalb ist es wichtig, dass wir lernen, die Versuchungen zu durchschauen. Ein Mann oder eine Frau, die mit dem Gedanken spielen, sich auf eine aussereheliche Affäre einzulassen, muss die Folgen bedenken, die dieses anscheinend reizvolle Abenteuer haben wird. Was würde mein Partner sagen, wenn er davon erfährt und wie wird meine Ehe das überleben und zu welchem Preis? Wie würde sich meine Beziehung zu meinen Kindern verändern, wenn sie das erfahren? Und die wichtigste Frage: Wie wird Gott reagieren, wenn ich das tue? Versuchungen können uns manchmal unverhofft und wie magisch anziehen. Es ist wie ein Zauber, der uns gefangen nimmt. Dieser Zauber muss gebrochen werden. Das geschieht, wenn ich mit Gott und mit einem Freund oder Seelsorger darüber spreche. Wenn ich das aufrichtig mache, dann wird die scheinbare Kraft der Versuchung sofort gebrochen. Übrigens ist es keine Sünde einer Versuchung ausgesetzt zu sein. Die Sünde beginnt da, wo ich der Versuchung erliege. Wir sehen, wie wichtig der Hilferuf im „Unser Vater“ ist. Einerseits ruft uns diese Bitte in Erinnerung, dass wir Versuchungen begegnen können und wir sagen dem Vater, dass wir auf seine Hilfe angewiesen sind. Ich bitte Gott ganz bewusst, dass er aktiv dafür sorgt, dass die Versuchungen mein Leben nicht beherrschen dürfen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Gott seine Kinder keiner Versuchung ausliefert. Er schaut nicht tatenlos zu, wie wir einer Versuchung erliegen. Nein – Gott greift ein und warnt uns in vielfältiger Weise, bevor wir uns versündigen. Sei es, dass mir mein Gewissen deutlich sagt, dass mein Vorhaben nicht richtig ist. Oder, dass Gott mir ein Hindernis in den Weg legt, so dass ich nochmals eine Entscheidung treffen muss, ob ich der Versuchung weiter folgen möchte. Ihr kennt bestimmt weitere Wege, wie Gott uns von der Sünde abhält. Eines bin ich mir gewiss: Kein Christ sündigt ungewarnt. Gott lässt niemanden ins Verderben rennen, ohne zu versuchen ihn zu stoppen. Ein Beispiel dafür finden wir schon in den ersten Kapiteln der Bibel. Gott begegnet Kain, der beschlossen hatte, seinen Bruder Abel zu ermorden. Er warnt ihn: „Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“ Gen.4,7. Kain hörte nicht auf Gott und ermordete seinen Bruder kaltblütig. Nun muss ich aber noch sagen, dass sich unser Leben nicht einzig auf die Abwehr von Versuchungen konzentriert. Wir können nämlich unser Leben so gestalten, dass Versuchungen zum vornherein keine Chance haben. Eine Geschichte von Odysseus und Orpheus kann uns das schön zeigen. Als Odysseus an der verzauberten Insel vorübersegelte, auf welcher die Sirenen wohnten, welche die Macht hatten, alle zu bezaubern, die ihre verführerische Musik hörten, verklebte er zur Vorsicht seiner Schiffsmannschaft die Ohren mit Wachs und band sich selbst an den Mast, damit die verlockenden Töne wirkungslos blieben und das Schiff auf Kurs blieb. So segelte er nach der Sage an der gefährlichen Insel vorüber, ohne zu landen und sein Leben einzubüssen. Aber als Orpheus auf seiner Reise die gefährliche Küste zu passieren hatte, machte er, der ein vorzüglicher Musiker war, eine viel schönere Musik, als die Seenymphen das vermochten und bezauberte seine Schiffsmannschaft derartig, dass sie für die verführerischen Lieder der Sirenen völlig taub blieben. So konnte er, ohne auf die Hilfsmittel des Odysseus zurückzugreifen, die Küste nicht nur sicher, sondern auch mit Verachtung umschiffen. Das zeigt uns, dass wir unser Leben aktiv gestalten können und wir viel Schönes erleben können, ohne uns zu versündigen. In den Sprüchen bekommen wir in Bezug auf sexuelle Versuchungen einen Rat, der uns vor Ehebruch schützt: „Freue dich an der Frau, die du jung geheiratet hast. Anmutig wie eine Gazelle ist sie. Ihre Brüste sollen dich immer berauschen, in ihren Armen kannst du dich selbst vergessen!“ Sprüche 5,18-19

III. Errette uns vor dem Bösen!

In dieser sechsten Bitte, bitten wir auch um die Errettung vor dem Bösen: „Lass uns nicht in Versuchung geraten, sondern errette uns vor dem Bösen.“ Mt.6,13. Mit dem Bösen meint Jesus mit grosser Wahrscheinlichkeit Satan, den Widersacher Gottes. Der ist nämlich damit beschäftigt, die Gläubigen vom Weg abzubringen. Das schreibt später auch Petrus: „Seid besonnen, seid wachsam! Euer Feind, der Teufel, streift umher wie ein brüllender Löwe, immer auf der Suche nach einem Opfer, das er verschlingen kann.“ 1.Petr.5,8. Der Teufel ist ein Lügner. Wie er bei Eva vorging, so macht er es bis heute. Er verspricht die schönsten Dinge, aber nie wird er seine Versprechen erfüllen. Wer dem Rat des Teufels folgt, der wird sein Leben über kurz oder lang zerstören. Wir wollen aber auf Gott hören, denn er hält sich an seine Versprechen. Und wir sind darauf angewiesen, dass wir unter Gottes Schutz stehen. Wir sind darauf angewiesen, dass der Böse uns nicht beeinflussen darf. Deshalb bitten wir unseren Vater um die Rettung vor dem Bösen. Auch Jakobus zeigt, wie wir den Einfluss des Bösen verhindern können: „Ordnet euch daher Gott unter! Und dem Teufel widersteht, dann wird er von euch ablassen und fliehen.“ Jak.4,7. Genau mit dieser sechsten Bitte im „Unser Vater“ beugen wir uns unter Gottes Führung. Wir sagen Gott, dass wir keinerlei Interesse haben mit diesem Bösen in irgendeiner Form etwas zutun zu haben. „Vater lass uns nicht in Versuchung geraten, sondern errette uns vor dem Bösen.“ Mt.6,13. Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz, die Grundvoraussetzung dafür geschaffen, dass die Macht des Bösen uns nicht beherrschen kann. Den Galatern schreibt Paulus: „Jesus, der sich selbst als Opfer für unsere Sünden hingegeben hat. Er hat sein Leben hingegeben, um uns von allem Bösen zu befreien, das die jetzige Welt beherrscht. und hat damit den Willen Gottes, unseres Vaters, erfüllt.“ Gal.1,4. Und Johannes sagt es in seinem Brief klipp und klar: „Gerade deshalb ist der Sohn Gottes erschienen: Er ist gekommen, um das, was der Teufel tut, zu zerstören.“ 1.Johannes 3,8

Schlussgedanke

Mit Versuchungen leben wir, solange wir auf dieser Erde sind. Es ist gut, dass wir uns an unseren Vater im Himmel wenden können und wir wissen dürfen, dass er unsere Bitte hört und erhört. „Lass uns nicht in Versuchung geraten, sondern errette uns vor dem Bösen.“ Mt.6,13. Und wir wissen, dass unser Vater unsere Bitte erfüllen kann und will. Das „Unser Vater“ schliesst mit einem Bekenntnis. Doch da die Überlieferung dieses Bekenntnisses nicht stark belegt ist, wird es in vielen neuen Bibelübersetzungen weggelassen. Aber wenn wir das unser Vater miteinander beten, lassen wir dieses wichtige Bekenntnis nicht weg. So möchte ich diese Predigtreihe mit diesem Bekenntnis schliessen: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Mt.6,13. Wir beten immer in diesem Bewusstsein, dass wir uns an unseren Vater im Himmel wenden, dem das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit bis in alle Ewigkeit gehören. Von diesem starken und mächtigen Gott werden wir beschützt!