Persönliche Erfahrungen und Gottes Führung
Guten Abend, ich möchte euch etwas von meinen Erlebnissen der letzten Jahre erzählen, besonders jetzt hier in Irland. Ich habe mir einige Gedanken gemacht, die ich gerne mit euch teilen möchte. Ich weiß nicht genau, warum ich dies oder jenes erwähnen werde, aber vielleicht ist es wichtig, dass jemand auf dem Weg mit Gott ermutigt wird.
Ich möchte Gott die Ehre geben für alles, was wir erlebt haben. Er ist ein treuer Gott. Ihr habt ja am Dienstag schon von Gary gehört. Er hatte kurz erwähnt, dass der Herr uns nach der Bibelschule nicht so geführt hat, wie wir es eigentlich geplant hatten – nämlich nach Amsterdam zu gehen. Wir hatten für eine Wohnung dort gebetet, aber Gott hat uns ganz klar die Tür zugemacht. Für uns war das ein deutliches Nein von Gott.
Frustriert saßen wir zu Hause in meinem Elternhaus auf Kisten und fast gepackten Koffern und wussten nicht, wohin es gehen sollte. Das war sehr frustrierend. Innerlich rebellierte ich auch ein Stück weit, weil ich dachte, ich sei noch nicht bereit, nach Irland zu gehen, was wir inzwischen schon ins Auge gefasst hatten. Ich fühlte einfach, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für mich war.
Ich weiß, Gott hat einen besseren Plan für uns, aber zu dem Zeitpunkt war es schwer zu akzeptieren. Innerlich brodelte es, und ich konnte nicht gut damit umgehen. Doch dann fiel mir ein Satz ein, den es im Englischen gibt: "Where God guides, He provides." Das ist im Grunde sehr wichtig zu verstehen. Wohin Gott auch führt, dort versorgt er uns. Er gibt uns alles, was wir brauchen, und auch die Kraft dazu.
Wie Gary am Dienstag schon erwähnt hatte, machte Gott unmissverständlich klar, dass er uns für eine bestimmte, unbestimmte Zeit in Irland haben wollte. Wir wussten damals nicht, wie lange. Wir haben viele praktische Gebetserhörungen erlebt – vom Studienplatz über den Umzug bis hin zu Haus, Auto und mehr.
Schnell musste ich erkennen und auch dem Herrn bekennen, wie kleingläubig ich war. Trotz drei Jahren Bibelschule, in denen man viel über den Herrn und die Bibel lernt, und viele Bibelstellen entdeckt, war ich doch so kleingläubig. Aber dann habe ich gemerkt, dass Gott die Tür nach Irland weit geöffnet hat. Für mich war es ohne Zweifel die Richtung, in die es gehen sollte. Mit Frieden und Freude im Herzen konnte ich losziehen.
Das war auch nicht einfach für meine Eltern. Sie durften das miterleben und konnten uns schließlich ganz getrost ziehen lassen. Während Gary sein Studium begann, arbeitete ich als Krankenschwester, ließ mich registrieren und stieg gleich ein.
Schon nach etwa drei Wochen hatte ich meinen ersten Dienst auf einer Station im Krankenhaus. Das hat mir sehr geholfen, mich in das neue Land zu integrieren, die Kultur und die Menschen besser kennenzulernen. Ich hatte viele nette und lustige Erlebnisse.
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Einsatz auf einer Station in einem Krankenhaus in Lisburn. Es war gerade mein erster Dienst, als eine ältere Dame ganz unauffällig sagte: "I need the commode." Ich dachte nur: Kommode? Ich konnte das Wort in dem Zusammenhang nicht einordnen und dachte an einen Nachtschrank oder so. Tatsächlich wollte sie aber einen Toilettenstuhl haben.
Solche Erfahrungen waren manchmal etwas peinlich, vielleicht auch zum Teil, aber das gehört natürlich dazu, wenn man in einem neuen Land ist. Vielleicht kann man jetzt darüber schmunzeln.
Dann gab es auch eine Zeit, die sich etwas schleichend entwickelte. Ich merkte, wie die Andersartigkeit der neuen Kultur anfing, mich zu nerven und mich auch zum Teil zu ärgern. Außerdem war ich mit einem Nordiren verheiratet, und natürlich gab es auch Spannungen zwischendurch. Das ist ebenfalls Teil des Kennenlernens einer neuen Kultur.
Wer das schon einmal erlebt hat – und ich weiß, hier sind auch Missionare aus Afrika und anderen Ländern – ihr seid wahrscheinlich durch ähnliche Erfahrungen gegangen. Das sind die Symptome eines Kulturschocks.
Kulturschock und persönliche Herausforderungen
Nun habe ich gedacht, davon würde ich vielleicht verschont bleiben, weil ich im Sommer hier in Prag meine Sommerarbeit über die Frau in der Mission geschrieben hatte. Dabei ging es auch um Kulturschock und alles, und ich dachte, ich wüsste so viel. Aber es hat mich dann wirklich erwischt und betroffen.
Etwa vier Monate, nachdem ich in Irland war, war diese Honeymoon-Phase vorbei – diese Euphorie, in der alles neu, aufregend und schön ist. Dann kam die Ernüchterungsphase, und wir sind in die Routine des Alltags gekommen. Plötzlich fühlte ich mich einsam und unverstanden. Den Humor der Iren konnte ich nicht mehr leiden, ich habe ihn auch nicht verstanden.
Das Schlimmste daran war, dass ich die Freude am Bibellesen und Beten verlor. Das dauerte eine ganze Zeit, wahrscheinlich einige Wochen und sogar Monate, in denen ich keine Kraft dafür hatte. Ich hatte nicht einmal die Motivation, ein Buch zur Hand zu nehmen und zu lesen. Das war eine richtige Krise – und dazu kamen noch meine hohen Erwartungen an mich selbst. Ich dachte, als Bibelschwester dürfe mir das doch nicht passieren. So etwas könne einfach nicht sein.
Aber der Herr ist geduldig und treu. Er ist ein wunderbarer Herr und hat mich häppchenweise durch kleine Verse ermutigt und bei der Stange gehalten. Das hat mir Kraft gegeben. Gott hat einen wunderbaren Plan, und sein Plan ist höher. Seine Wege sind besser als unsere Wege.
Er hat etwas getan, was natürlich ist: Ich wurde schwanger mit unserem ersten Sohn. Ich muss sagen, das hat mich komplett verändert, und Gott hat das benutzt. Er hatte das in seinem Plan, und es hat mich sozusagen auch vom Kulturschock geheilt. Ich fand einen neuen Sinn, eine neue Zuversicht, eine neue Hoffnung und eine neue Freude.
So konnte ich das Leben in Irland freudig annehmen. Ich war total gelassen und konnte mich wieder voll einbringen. Ich lernte, das Land zu lieben. Ich liebe Irland, ich liebe die Menschen, und ich wollte da auch nicht weg.
Also, wie gesagt, in diesem ganzen Prozess habe ich mich wirklich integriert. Gott hat dieses kleine Wunder eines Kindes benutzt, um mir wichtige Lektionen zu erteilen.
Dann gab es auch viele Zeiten, in denen unser Vertrauen immer wieder geprüft wurde, weil wir ganz bewusst Glaubensschritte tun mussten. Ein konkreter Glaubensschritt war sehr schwer für uns.
Wir hatten erwähnt, dass wir zuerst in einer kleinen Gemeinde mitgearbeitet haben, insgesamt drei Jahre. Gary war dort zwei Jahre Pastor. Wir kamen an einen Punkt, an dem wir einfach dachten: Die Zeit in dieser Gemeinde ist abgelaufen. Es gab einige Schwierigkeiten, und wir merkten, dass dies nicht mehr unser Platz ist. Gott wollte uns woanders haben, aber wir wussten nicht wohin.
Darum mussten wir diesen Schritt tun. Gary reichte seine Kündigung ein und erklärte den Ältesten, dass wir uns so anders geführt sehen und nicht wissen, wohin es gehen soll. Ich war zu dem Zeitpunkt schwanger mit dem zweiten Kind. Wir wohnten gerade ein Jahr in dem Haus und dachten: Herr, du kannst doch nicht zulassen, dass ich jetzt auch noch umdenken und mich in etwas Neues eingewöhnen muss.
Doch wiederum hat Gott seine Treue gezeigt. Ich erzähle das jetzt nur, um euch zu ermutigen. Denn der Herr ist ein guter Gott. Wenn man durch Schwierigkeiten geht und nicht weiß, wie der Weg weitergeht, ist er treu. Er wird es euch zur rechten Zeit zeigen.
Neue Wege und Gottes Versorgung
Nun war es so: Ein Anruf kam vom Pastor aus der Gegend, ganz in unserer Nähe, nur zehn Minuten entfernt. Es handelte sich um eine andere große Gemeinde, die einen Zweitpastor suchte und sehr interessiert war. Für uns war das bald schon eine Gebetserhörung, denn diese Gemeinde schien die richtige für uns zu sein.
Diese Gemeinde ist nun schon seit vier Jahren unsere Heimatgemeinde, und wir fühlten uns dort sehr, sehr wohl. Wir durften dort viel, viel lernen.
Vor gut einem Jahr kam dann wieder ein großer Glaubensschritt auf uns zu. Dieser weitreichende Schritt bedeutete, dass wir erneut umziehen mussten – diesmal aber nicht einfach irgendwohin, sondern zurück nach Deutschland, in ein neues Umfeld. Ich sage bewusst nicht „zurück in unsere Heimat“. Viele sagen dann zu mir: „Claudia, du gehst ja wieder zurück nach Hause.“ Und ich antworte: „Was ist denn Zuhause? Mein Zuhause ist ganz oben in Norddeutschland. Jetzt wohnen wir ganz unten im Süden, was sehr schön ist, aber es ist nicht mein Zuhause.“
Trotzdem haben wir gelernt, dass wir erneut gehorsam sein müssen und in ganzer Abhängigkeit vom Herrn leben sollen. Wir mussten unseren Unterstützerkreis neu aufbauen und vieles mehr. Es gibt noch viele weitere Erfahrungen, die ich erzählen könnte – vom Durchtragen in schwierigen Zeiten.
Eine besondere Begebenheit ereignete sich etwa im November letzten Jahres. Dort mussten wir lernen, in Abhängigkeit vom Herrn zu leben. Unsere Waschmaschine ging kaputt, und wir wussten, dass wir im Sommer des nächsten Jahres umziehen würden. Ich dachte, die Maschine sollte doch noch acht Monate halten. Warum also reparieren? Wir hätten sie sowieso nicht mitnehmen wollen.
Doch Gott ist ein großartiger Gott. Ich kann es kaum glauben, aber an genau diesem Tag rief ich den Waschmaschinenexperten an und bat ihn, sich die Maschine noch einmal anzusehen, um zu prüfen, ob eine Reparatur möglich ist.
Während er unterwegs war, klingelte es an der Tür. Eine Frau stand dort und sagte: „Claudia, ich habe vom Herrn heute das auf’s Herz bekommen, dass ich dir das geben soll.“ Sie drückte mir 100 Pfund in die Hand. Für mich war das so überraschend, ich verstand es zunächst nicht.
Während sie noch da war, klingelte es erneut: Der Waschmaschinenexperte stand vor der Tür. Ich ließ ihn herein. Er schaute sich alles an und sagte, dass eine Reparatur möglich sei, aber eine größere und teure Angelegenheit. Er bot uns an, eine gute gebrauchte Maschine für 99 Pfund zu kaufen. Gott hatte genau das so vorbereitet.
Das war ein großartiges Zeichen für mich und ein echtes Vorrecht, so etwas erleben zu dürfen. Natürlich hört Gott nicht immer unsere Gebete so, wie wir es uns vorstellen. Auch wir haben Entmutigung erlebt.
Ein Vers wurde mir in einer großen Entmutigung wichtig. Er steht in Jesaja 30 und lautet in etwa so: „In der Ruhe und im Vertrauen liegt deine Kraft.“ Das ist mir in den letzten Monaten zum Motto geworden: Dass wir in Vertrauen und Ruhe seine Kraft finden.
Gott ist so gut zu uns. Er hat Gebete erhört und uns immer wieder überrascht. Einige besondere Begebenheiten könnt ihr auch in unserem Rundbrief nachlesen, besonders wie Gott uns im Detail erfreut hat – auch unsere Kinder –, indem er unmissverständlich zu uns sprach und Gebete erhört hat.
Zum Schluss möchte ich euch noch mit einem Bibelvers ermutigen, aus Hebräer 10, Verse 35 und 36: „Darum werft euer Vertrauen nicht weg, denn es findet reichen Lohn. Ihr braucht aber Geduld, damit ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfangt.“
Also: Werft euer Vertrauen nicht weg, vertraut ihm, und er wird es belohnen.
Gottes Segen euch.
Einführung in das Thema Selbstmord
Ja, vielen Dank, Claudia! Ich möchte dann jemanden von euch bitten, einerseits Gott zu danken für das, was Claudia und Gary in ihrem Dienst erlebt haben. Gleichzeitig wollen wir auch dafür beten, dass Gott die beiden weiterhin in ihrem neuen Dienst in Deutschland führt.
Darf ich bitten, dass jemand uns im Gebet vorangeht?
Eigentlich könnte ich es mir heute Abend ganz einfach machen. Ich könnte sagen: Selbstmord ist falsch. Und damit wäre die Sache erledigt. Dann wäre alles klar, und wir könnten gleich zum Eisessen übergehen.
Nun, ganz so einfach ist es natürlich nicht. Ich möchte euch zunächst einmal in das Phänomen hineinnehmen: Was ist das überhaupt, Selbstmord? Ich will erklären, warum Menschen sich das Leben nehmen. Außerdem möchte ich darauf eingehen, wie Selbstmord in der Geschichte und in anderen Religionen bewertet wird.
Natürlich werde ich auch darauf eingehen, was uns die Bibel über Selbstmord sagt. Ich werde einige Faktoren nennen, die dazu beitragen können, dass Menschen Selbstmord androhen oder ihn vollziehen.
Zum Schluss möchte ich noch darauf eingehen, wie wir damit umgehen können. Also, wie wir damit umgehen können, wenn wir selbst mit Selbstmordgedanken zu tun haben oder wenn wir Menschen begegnen, die sich das Leben nehmen wollen. Ebenso geht es um den Umgang mit denjenigen, die von Selbstmord betroffen sind, das heißt um die Angehörigen derjenigen, die sich das Leben genommen haben.
Statistiken und gesellschaftliche Bedeutung
Zunächst einmal, um eine Vorstellung davon zu bekommen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass jeden Tag etwa 1 Person durch Suizid stirbt. In der internationalen Statistik der Todesursachen gehört Selbstmord zu den zehn häufigsten Todesursachen.
Damit möchte ich verdeutlichen, dass dieses Thema nicht nur am Rande der Gesellschaft existiert. Die meisten von uns werden im Laufe ihres Lebens aktiv oder passiv mit dem Thema Selbstmord konfrontiert.
Auf der einen Seite kann es sein, dass einige von euch selbst einmal mit Suizidgedanken zu tun bekommen und sich damit auseinandersetzen müssen. Welche Gründe dazu führen können, darauf werde ich später noch eingehen.
Häufiger ist jedoch die Situation, dass wir uns mit Menschen beschäftigen, die selbstmordgefährdet sind. Das bedeutet, sie wollen Selbstmord begehen oder haben diesen bereits versucht.
Oft haben wir nicht direkt mit den Betroffenen zu tun, sondern mit deren Angehörigen – oder wir sind selbst Angehörige. In beiden Fällen ist es sinnvoll, sich vorher Gedanken über das Thema zu machen.
Historische und philosophische Perspektiven auf Selbstmord
Ein Zitat von Jean-Étienne Dominique Esquirol lautet: „Der Selbstmord bietet alle Merkmale der Geisteskrankheit. Der Mensch nimmt sich nur das Leben, wenn er wahnsinnig ist, und der Selbstmörder ist wahnsinnig.“
Das schreibt der damals bekannte und einflussreiche französische Psychiater, dessen Namen ich bereits erwähnt habe. Ich muss jedoch auch das Datum nennen: Er schrieb dies im Jahr 1838.
Im Jahr 1838 war die Vorstellung vom Selbstmord natürlich eine andere als heute. Für ihn war damals klar: Ein Selbstmörder ist wahnsinnig, denn sonst käme er gar nicht auf die Idee, sich das Leben nehmen zu wollen. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite wird vertreten durch Menschen wie Jean Améry, den bekannten Schriftsteller, der Selbstmord als die höchste Form menschlicher Freiheit darstellte. Er meinte, hier komme das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zu seinem absoluten Ausdruck: „Ich bestimme über alles in meinem Leben, auch über mein Lebensende.“
Suizid ist damit Ausdruck der Individualität. Ich bestimme, wann, wo, wie und zu welchem Zeitpunkt ich sterben will. Ähnliche Auffassungen finden wir bei der Sterbehilfeorganisation Exit. Diese schreibt ebenfalls in ihren Prospekten, dass der Selbstmord ein Ausdruck absoluter Freiheit sei und dass es legitim ist, sich bei einfacher Lebensmüdigkeit oder bei schweren Erkrankungen selbst ein Ende zu setzen.
In den letzten Jahren hat insbesondere die Gesellschaft für humanes Sterben auf sich aufmerksam gemacht. Sie hat ihren Sitz hier in der Schweiz, aber auch in Deutschland eine Niederlassung gegründet. In ihrem Jubiläumsprospekt gibt sie an, dass sie innerhalb von zehn Jahren über hundert Menschen geholfen hat, durch Selbstmord ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Was bei dieser heroischen Darstellung von Selbstmord verschwiegen wird, ist, dass eine große Zahl von Überlebenden von Selbstmordversuchen nach ihrem Versuch das Leben wieder liebgewinnen und keinen zweiten, dritten oder weiteren Selbstmordversuch unternehmen. Ich will nicht sagen, dass das immer so ist, aber das wird hier verschwiegen.
Hier wird nur gesagt: Das ist diese heroische Tat, das ist die große Freiheit, und jetzt endlich habe ich mich dafür entschieden. Und bloß nicht jemanden davon abhalten. Das können einige Personen, die Selbstmordversuche hinter sich haben, durchaus in Frage stellen.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Mann in Süddeutschland. Der Mann ist selbst Mediziner und bis heute an einem größeren Flughafen dort für die medizinische Betreuung der Menschen verantwortlich, mit denen er dort zu tun hat.
Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, war zu der Zeit die Aufruhr wegen einer Grippe, einer gefährlichen Grippe, die in China entstanden war. Er musste jeden Tag die Fahrgäste untersuchen, um zu sehen, ob ein Fall vorliegt oder ob etwas mit Tieren zu tun hat, die aus Asien herkommen.
Das setzte ihn unter solch einen Erwartungsdruck, dass er irgendwann meinte, er könne dem nicht mehr standhalten. Er hatte Angst, zu versagen und möglicherweise verantwortlich zu sein, dass diese Grippeviren nach Deutschland gelangen.
Seine Angst steigerte sich immer weiter, und dann versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Er überlebte jedoch. Ich hatte hinterher mehrmals mit ihm gesprochen. Das war eine sehr schwierige Situation – nicht nur für ihn selbst, auch weil er sich hinterher eingestehen musste: „Ich habe versagt, ich habe mein Leben weggeworfen, ich habe möglicherweise im Beruf versagt, ich packe das psychisch nicht.“
Für seine Frau war das ein völliger Zusammenbruch. Sie nahm es als Vertrauensmissbrauch wahr. Sie fragte sich, warum er nichts erzählt hatte und warum er nicht an sie herangetreten war. Bedeutete sie ihm so wenig, dass er von ihr weglief? All diese Fragen waren da.
Später berichtete sie mir immer wieder von der Angst: „Wird er das wieder tun? Bin ich ihn plötzlich einmal los?“ Das war eine ganz schwierige Situation für sie und für ihn.
Nach einigen Monaten, als er sich wieder stabilisiert hatte, war für ihn vollkommen klar: Das war eine falsche Entscheidung gewesen. Das war nicht richtig, und er wollte das nicht noch einmal tun.
Hier nur ein Beispiel von verschiedenen Personen, mit denen ich zu tun hatte, die entweder Selbstmordversuche hinter sich hatten oder mit Selbstmordgedanken zu tun hatten.
Ich möchte es hier einfach als ein Beispiel nennen, um zu zeigen: Selbstmord als Ausdruck der vollkommenen Selbstbestimmung ist in vielen Fällen Unsinn. Das stimmt so pauschal nicht.
Motive und Ursachen für Selbstmord
Jetzt stellt sich die Frage, wer sich eigentlich das Leben nimmt. Ich möchte das zugegeben nicht ganz vollständig, aber zumindest erst einmal etwas plakativ auf den Punkt bringen. Suizid will entweder etwas Absehbares vermeiden oder etwas Gegenwärtiges beenden.
Zum Beispiel etwas Absehbares vermeiden: Das kann eine zukünftige Entehrung oder eine zukünftige Gefangenschaft sein. Ein Soldat, der irgendwo gefangen genommen wird, denkt sich vielleicht: Ehe ich dort eingesperrt und gequält werde, nehme ich mir lieber das Leben.
Oder es geht darum, etwas Absehbares in der Zukunft zu vermeiden. Ein Geschäftsmann steht kurz vor der Pleite und kann die bevorstehende Entehrung nicht ertragen. Er will das vermeiden und entscheidet sich deshalb für den Suizid.
Die andere große Gruppe sind Menschen, die etwas Gegenwärtiges beenden wollen. Das ist oft eine ausweglose Situation, eine Krankheit oder ein Trennungsschmerz. Ein typisches Beispiel sind Suizidversuche aus Liebeskummer. Jemand kann mit der Trennung nicht fertigwerden und nimmt sich deshalb das Leben.
Diese beiden Gruppen von Selbstmorden sind häufig anzutreffen. Typische Beispiele finden wir beim Selbstmord des FDP-Politikers Jürgen Böllemann. Vielleicht erinnert ihr euch: Vor einigen Jahren sah er seine Karriere am Ende und konnte das nicht ertragen. Er sagte sich, lieber nehme ich mir das Leben.
Ich möchte hier nicht das Beispiel von Uwe Barschel nennen, weil bis heute Verschwörungstheorien kursieren, ob er sich wirklich selbst das Leben genommen hat oder ob er umgebracht wurde. Äußerlich war seine Situation jedoch ähnlich. Auch er hatte einen großen Skandal am Hals und wollte diesem möglicherweise entkommen.
Solche Fälle gibt es besonders häufig im asiatischen Kontext, aber auch in Europa. Dort ist die Ehre für viele Menschen besonders wichtig. Manchmal ist die Ehre wichtiger als das Leben – das können wir nicht immer ganz nachvollziehen.
Es gibt auch unausweichliche Situationen, von denen sich Menschen betroffen sehen. Als Beispiel möchte ich Jochen Klepper nennen. Einige von euch kennen ihn vielleicht als bekannten Liederdichter. Einige seiner Lieder sind auch im Kirchengesangbuch zu finden. Er lebte zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland.
Jochen Klepper wurde wegen seines jüdischen Hintergrunds angeklagt. Für ihn war absehbar, dass er beziehungsweise seine Frau und Familie möglicherweise ins Konzentrationslager kommen würden. Er befand sich in einer schwierigen Lage und fragte sich: Was soll ich tun?
Er sah keine Perspektive, das Land zu verlassen. Deshalb nahm er sich mit seiner ganzen Familie das Leben. Wenn ich mich richtig erinnere, geschah das durch Gas. Sie drehten das Gas auf und beendeten so ihr Leben.
Für ihn war das eine schwere Entscheidung. Einerseits wollte er als Christ so etwas eigentlich nicht tun, andererseits sah er keinen anderen Weg, seine Familie davor zu bewahren, von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager gebracht zu werden.
Allgemeine Anfälligkeit für Selbstmordgedanken
Nun, es ist nicht nur so, sondern wir müssen vielleicht generell davon ausgehen, dass jeder von uns unter bestimmten Umständen von Selbstmordgedanken betroffen werden kann. Es gibt Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass fast jeder Mensch irgendwann in seinem Leben einmal von solchen Gedanken betroffen ist. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein.
Es gibt bestimmte Lebensphasen, die anfälliger für Selbstmordgedanken sind, zum Beispiel das Alter oder die Pubertät. Auch andere Phasen können dafür anfällig sein.
Ich möchte euch von zwei Beispielen erzählen. So erinnere ich mich, dass ich, als ich relativ neu an der Bibelschule angefangen hatte, nach einem Sonntag nach Hause kam und dort einen Anruf von einem Kollegen der Bibelschule erhielt. Der Sohn eines Mitarbeiters hatte sich erhängt. Was soll man da sagen? Was kann man tun? Im Nachhinein denkt man endlos darüber nach – sowohl die Eltern als auch alle anderen Personen, die mit dem Betroffenen zu tun hatten. Wer hat dazu beigetragen? Wer ist schuld daran? Wer hätte es verhindern können?
Wir müssen sehen, dass Selbstmord nicht nur mit dem Tod des Betreffenden zusammenhängt, sondern immer auch damit, wie das Umfeld davon betroffen ist und darunter leidet.
Ein anderes Beispiel stammt aus einem Hauskreis, den ich einige Jahre geleitet habe. Dort war eine junge Frau mit dabei, sie war Altenpflegerin und ledig. Eines Tages kam sie nicht mehr zum Hauskreis. Wir riefen sie an, doch sie nahm nicht ab. Wir gingen zu ihr nach Hause. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir in die Wohnung gekommen sind, aber jedenfalls waren wir dort.
Sie lag tagelang nur auf dem Bett, starrte in die Ecke und tat nichts mehr. Sie wollte nur sterben. Warum? Wir konnten noch ein wenig mit ihr sprechen. Sie sagte, das Leben sei sowieso aussichtslos, sie sei schlecht, und überhaupt würde nichts klappen. Es lohne sich nicht zu leben.
Bei ihr war die Lage so ernst, dass Gespräche und auch Beten akut nicht mehr halfen. So begleiteten wir sie in die Klinik. Dort war sie einige Wochen lang und wurde betreut. Wir besuchten sie und versuchten, auch geistlich weiter für sie da zu sein.
Das war eigentlich ihr einziger Klinikaufenthalt. Nach der Betreuung ging es ihr besser. Sie nahm einige Jahre lang Medikamente, was wir auch geistlich begleiteten. Bis heute geht es ihr eigentlich gut.
Hier sehen wir also eine junge Frau, bei der vorher keiner gedacht hätte, dass sie solche Gedanken haben könnte. Sie wirkte freundlich und fröhlich und war relativ erfolgreich in ihrem Beruf. Damit möchte ich nur sagen: Selbstmordgedanken sind nicht unbedingt auf Menschen beschränkt, die melancholisch sind oder in ihrem Leben schwach wirken.
Auch Menschen, die sich selbst als stark verstehen, können in Situationen kommen, in denen sie den Eindruck haben, ihr Leben beenden zu müssen.
Formen und Bewertungen von Selbstmord
In den seltensten Fällen ist Selbstmord eine eindeutige Handlung, also das Ergebnis einer wohlüberlegten Bilanz. Es gibt jedoch den sogenannten Bilanzselbstmord. Dabei stellt jemand Pro und Kontra auf, nennt die Gründe, die dafür sprechen, und plant dann ganz genau, wie er sich das Leben nehmen will. Solche Menschen kann man in den seltensten Fällen wirklich davon abhalten.
Natürlich kann Gott alles, und wenn man es frühzeitig bemerkt, kann man versuchen, mit diesen Personen zu sprechen. Meistens jedoch ist das Vorgehen sehr systematisch und stark gewollt. Ein Beispiel für einen Bilanzselbstmord ist der Fall meiner Schwiegermutter, also der Mutter meiner Frau. Bei ihr war es so, dass sie jahrelang vorher geäußert hat, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht oder körperliche Probleme auftreten, werde sie sich das Leben nehmen. Sie sah keine Perspektive mehr. Für sie war das keine emotionale Sache, sondern immer wieder ein Thema, über das sie sprach. Schließlich hat sie es auch getan – ohne eine besonders schwere Krankheit, sondern einfach, weil das Rentenalter begann und das Leben für sie keinen Sinn mehr hatte. Lieber wollte sie sich rechtzeitig das Leben nehmen, bevor körperliche Probleme auftauchen.
Das hat sie dann auch getan. Noch am Mittag hat sie das Essen für meinen Schwiegervater und meinen Schwager gekocht und ihnen Kaffee angeboten. Danach zog sie sich zurück, sagte, sie wolle sich oben etwas ausruhen. Dort hatte sie alles vorbereitet und nahm sich dann das Leben. Wie Frauen das häufiger tun, auf eine eher „weiche“ Art und Weise, nämlich durch Ersticken.
Das ist ein Bilanzselbstmord – ein genau geplanter Tod, der nicht emotional ist. Für die Angehörigen ist es dennoch schlimm.
Ich möchte nun einige Zeit darauf verwenden, zu zeigen, wie Selbstmord in der Geschichte, in anderen Religionen und natürlich in der Bibel bewertet wird. Generell lässt sich feststellen, dass Selbstmord zu fast allen Zeiten und in fast allen Religionen kritisch gesehen wurde. Dabei wurde meist zwischen verschiedenen Formen und Arten des Selbstmordes unterschieden.
Bei den alten Griechen finden wir beispielsweise die Aussage, Selbstmord sei vergleichbar damit, wenn jemand seinen Wachposten verlässt. Du hast deine Aufgabe in der Gesellschaft und in der Familie. Wenn du Selbstmord begehst, stiehlst du dich aus deiner Verantwortung heraus. Deshalb gilt Selbstmord als schlecht.
In der Spätzeit Griechenlands, also in der Spätantike, gab es allerdings einige Philosophen, die sogar Selbstmord empfahlen. Das war eine Phase der Dekadenz und Zersetzung der Gesellschaft. Wir finden eine Aussage aus einem Erlass des Senats von Athen, die folgendermaßen lautet:
„Derjenige, der nicht länger leben will, soll seine Gründe vor dem Senat darlegen und Selbstmord begehen, wenn er die Genehmigung dazu erhalten hat. Wenn dein Leben dir verhasst ist, wirf es weg. Wenn dein Schicksal dich erdrückt, trink den Schierlingsbecher. Wenn die Last der Schmerzen dich beugt, verlass das Leben. Der Unglückliche soll von seinem Unglück berichten, und der Magistrat soll ihm das Heilmittel geben, damit sein Elend ein Ende findet.“
Das war eine öffentliche Verlautbarung.
Ich möchte nicht vollkommen ausschließen, dass eine ähnliche Situation in Deutschland in einigen Jahren oder Jahrzehnten auf uns zukommen könnte. Ein Aufklärungsgespräch mit dem Arzt: „Sind das gute Gründe? Wollen Sie das wirklich? Wissen Sie, was das für Konsequenzen hat?“ Dann erhält man eine Aufklärung darüber, wie man am besten vom Diesseits ins Jenseits hinübergeht. Schmerzlos, vorher noch ein Testament aufsetzen, aufschreiben, welche Lieder man zur Beerdigung hören möchte beziehungsweise die Angehörigen hören sollen.
Das kann durchaus sein, denn die Diskussion geht im Moment tatsächlich in eine solche Richtung. Wir werden vielleicht an einem anderen Abend noch einmal auf die Frage der Euthanasie zurückkommen, die damit zusammenhängt. Ein Großteil der bundesdeutschen Bevölkerung ist für Euthanasie. Die Minderheit, die dagegen ist, umfasst allerdings die meisten Pflegekräfte und Ärzte.
Deshalb wird das Thema im Moment und von den meisten Parteien noch etwas zurückgestellt. Aber solche Entwicklungen sind eher die Ausnahme – eine Ausnahme in einer Spätphase einer Gesellschaft, die an erster Stelle den Individualismus und die Lust stellt. Daraus ergeben sich natürlich auch solche Konsequenzen, wenn man das als Maßstab nimmt.
Ich hätte noch einige Beispiele, die im zweiten Band meines Buches genannt werden, die ich hier aber überspringe. Ich möchte nur einige wenige erwähnen.
Platon beispielsweise war von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt und sah Selbstmord daher als etwas Möglichen an, besonders wenn man unter schweren Schmerzen leidet. Was er verurteilte, war, dass eigentlich Gott über das Leben bestimmen müsse. Den Gott, den er meint, ist nicht der biblische, aber das war sein Ausgangspunkt.
Der Stoiker Kleit von Kryton meinte, das Leben bestehe aus Gefühlen, denen man nachgehen müsse. Urteile darüber, wie man sich verhalte, kämen vor allem aus den Gefühlen. Er wurde nicht sehr alt; er erhängte sich bereits mit 28 Jahren aus bloßem Ärger, nachdem er gestolpert war und sich den Finger verstaucht hatte. Er sah das als ausreichenden Grund an, sein Leben zu beenden. Er fühlte sich so schlecht und hatte so viel Schmerz im Finger, dass das für ihn nicht mehr erträglich war.
Auf der griechischen Insel Chios wurden alte Menschen aufgefordert, sich selbst zu töten, wenn sie der Familie zur Last fielen. Das zeigt, wie in manchen Gesellschaften das Leben von Kranken oder Alten als weniger wertvoll angesehen wurde. Solche Gesellschaften kannten das biblische Ethos nicht.
Daraus erkennen wir auch, wie stark das europäische Denken in der Vergangenheit von der Bibel geprägt war. Gegenwärtig wird das jedoch immer weniger. Deshalb wird das Leben in seinen vielfältigen Formen – vom Anfang, also der Abtreibung, bis zum Ende des Lebens, etwa der Euthanasie – zunehmend in Frage gestellt.
Selbstmord im Hinduismus und Buddhismus
Ja, dann komme ich kurz darauf zu sprechen, wie das nun im Hinduismus ist, auch nur kurz hier dabei. Prinzipiell wird in Indien der Selbstmord immer abgelehnt. Und zwar nicht, weil er gegen den Willen der Götter verstößt, sondern weil er die Normen der Brahmanen verletzt.
Das hängt insbesondere damit zusammen, dass die Kinder Verantwortung für die Eltern haben. In keinem Fall dürften sie sich das Leben nehmen, ehe die Eltern gestorben sind. Denn sonst stehlen sie sich aus ihrer Verantwortung und haben damit ein schlechtes Karma. Ihr wisst ja, das ist dieses, was die Hinduisten denken, was man ansammelt und das dann die nächste Geburt bestimmt. Weil du dann schlechtes Karma hast, wirst du im nächsten Leben noch schlechter geboren.
Also, meinetwegen leidest du im Moment unter Krankheit und sagst: „Jetzt bringe ich mich um.“ Deine Eltern leben noch. Dann wirst du im nächsten Leben noch mehr leiden, weil du ja ein schlechtes Karma hast. Insofern sagen die Hindus: Das ist ja verrückt, weil ich mich jetzt aus dem Leiden umbringe. Das bringt ja gar nichts, denn im nächsten Leben geht es mir noch schlechter. Also besser das Leiden ertragen, als dem jetzt auszuweichen oder davon zu fliehen.
Es wird dann zum Beispiel bei den Jainas auch als kindischer Tod bezeichnet. Sie sagen, das ist doch kindisch, das ist doch verrückt, so etwas zu machen.
Eine Ausnahme gibt es nur bei den rituellen Selbstmorden. Beispielsweise wenn sich eine Witwe verbrennen lässt, was ja heute in Indien verboten ist, aber in früheren Jahrhunderten gab es das. Oder wenn sich jemand bei einer Prozession vor den Götterwagen wirft. Denn dann opfert er sich ja für die Götter und die revanchieren sich, sodass man im nächsten Leben eben doch wieder geboren wird.
Also versucht der Selbstmordkandidat das dann besser noch religiös zu tarnen. Dann ist das wieder akzeptiert.
Darüber hinaus gibt es auch die Asketen, die sich ja selbst zurückziehen und sich dann per Meditation das Leben nehmen. Denn der hinduistische Guru soll ja so lange meditieren, bis sein Geist sich aus dem Körper löst und dann nur noch die leere Hülle des Körpers zurückbleibt.
Nun, wie ist es im Buddhismus? Im Buddhismus wird der Selbstmord ebenfalls abgelehnt. Erstmal, weil er unsinnig ist, denn man wird ja immer wieder geboren, reinkarniert.
Darüber hinaus ist das Gebot des Nichtverletzens, der Ahimsa, also des Nichttötens, von Buddha sehr wichtig. Und das gilt natürlich auch für die eigene Person, deshalb macht man das nicht.
Eine Ausnahme ist wiederum die Opferung des Lebens zum Nutzen anderer. Diese wird dann als positiv erwähnt.
So gibt es ein Beispiel, das in den buddhistischen Mythen erwähnt wird und von Buddha berichtet wird. Dieser Buddha habe sich an eine verhungernde Tigerin verfüttert, damit sie in der Lage sei, ihre Jungen zu ernähren. Also ein Buddha früherer Wiedergeburten hätte sich nach und nach Arme usw. abgeschnitten, dann dem Tiger gegeben. Der hätte das gefressen und hätte dadurch seine Jungen füttern können. Das sei ja jetzt ein Opfer und deshalb ein gerechtfertigter Selbstmord.
Es wird auch noch ein anderes Beispiel erwähnt. Eines Tages kamen Brahmanen an einem Weg vorbei, und sie waren hungrig. Dann kam ein Hase, der freiwillig ins Feuer sprang, sich dort verbrannte, damit die Brahmanen nicht hungern müssen. Auch das wird als Beispiel eines ehrenhaften Selbstmordes genommen, hier von einem Tier.
Wir merken, das Ganze ist natürlich ein bisschen absurd, aber das findet man dann in buddhistischen Schriften dazu.
Das, was wir dann im Zen-Buddhismus haben, der ja in Japan besonders verbreitet ist, ist der Selbstmord, der den Ehrverlust verhindert. Wir kennen das ja als Seppuku, auch Harakiri genannt. Das eine heißt eben „den Bauch öffnen“, das andere „den glücklichen Abschied nehmen“.
Das bedeutet: Wenn du deine Ehre verloren hast, weil du irgendwie schlimme Schuld auf dich geladen hast, kannst du das wieder rückgängig machen, kannst also das wieder aufheben, indem du nach einem bestimmten Ritus dein Leben beendest.
Da will ich jetzt nicht auf die Einzelheiten zu sprechen kommen, das könnt ihr gerne bei mir nachfragen, wenn euch das interessiert.
Ich habe dann auch noch neulich vom Dalai Lama gelesen, dem Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, der übrigens auch sagt, das sei eigentlich schlecht. Denn der Selbstmord sei der „sinnlose Versuch, dem karmisch verordneten Leiden zu entkommen“.
Selbstmord im Judentum und Islam
Im Suizid ist es so, dass der Selbstmord verboten wird, weil er als Mord betrachtet wird. So steht es zum Beispiel im Talmud. Die Juden beziehen sich dabei auf das generelle Tötungsverbot aus dem Alten Testament, etwa 2. Mose 20,13.
Darüber hinaus weisen die jüdischen Rabbinen darauf hin, dass Suizid eine Leugnung des Guten in der Welt sei. Es ist ein sich Fallenlassen in Verzweiflung, und das gilt als Sünde. Denn es gibt den guten Gott, an den man vorgibt zu glauben, der das Leben in der Hand hält. Wenn man nun meint, es gäbe keinen Ausweg, dann sei das Sünde, weil man die Aussagen Gottes verneint. Ein Suizid nimmt auch Gott das Vorrecht, das Leben wiederzunehmen, das er selbst gegeben hat. Das ist dem Menschen streng verboten.
Das erste direkte Tötungsverbot finden wir, nachdem Noah aus der Arche kommt. Dort wird gesagt, dass Tiere gegessen werden dürfen – das ist das erste Mal nach der Schöpfung, dass das erlaubt wird. Vorher war das nicht legitim. Gleichzeitig wird gesagt: „Aber dir ist verboten, Menschenblut zu vergießen; denn wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden.“ Das steht so, weil das Leben des Menschen Gott allein gehört.
Es gibt allerdings wenige Ausnahmen, die von den Rabbinen erwähnt werden. So ist Selbstmord erlaubt, wenn dadurch ein noch größeres Vergehen vermieden wird. Beispielsweise gibt es in Israel bis heute große Feiertage, bei denen an den Selbstmord der letzten Aufständischen des jüdischen Krieges gedacht wird, die sich in Masada das Leben genommen haben.
Vielleicht wisst ihr das: Im Jahr 70 nach Christus gab es den Aufstand gegen die Römer. Die letzten Juden nahmen sich in Masada das Leben. Man sagte, es sei besser, sich das Leben zu nehmen, als in die Hände der Feinde Gottes zu fallen oder das, was Gott anvertraut hat – zum Beispiel Silbergegenstände aus dem Tempel – in die Hände der Feinde fallen zu lassen.
Hier sei das besser, denn möglicherweise würden die Feinde Gott verspotten oder die Soldaten zwingen, Gott abzusagen. Deshalb sei das legitim. Es war ein langer Streit bei den Juden, der bis heute anhält: Darf man jemanden, der Selbstmord begeht, beerdigen oder nicht? Schließlich entschied man, dass die meisten Juden heute sagen: Ja, man darf ihn auf dem Friedhof nach allen im Judentum üblichen Riten beerdigen.
Warum? Weil derjenige im Augenblick seiner Tat verrückt gewesen sei. Ein Verrückter ist für seine Tat nicht verantwortlich, also kann man ihn auch noch einmal bestatten. Hier zeigt sich eine typische jüdische Logik, die man auch an anderen Stellen, etwa bei den vielen Sabbatgeboten, wiederfindet.
Im Islam ist Suizid ebenfalls verboten. In Sure 4,29 wird gesagt, dass Allah den Zeitpunkt des Todes des Menschen vorherbestimmt, und deshalb sei Suizid generell falsch. In einem Hadith, einer mündlichen Überlieferung über Mohammed, wird gesagt, dass denen, die sich das Leben nehmen, das ewige Höllenfeuer droht und ihnen der Himmel verwehrt bleibt.
So berichtet Al Hasan, dass Gundub berichtet, dass der Prophet Mohammed, Friede sei mit ihm, sagte: Ein Mann litt an seinen Verletzungen und beging deshalb Selbstmord. Allah sagte dazu: „Mein Knecht nahm sich das Leben und ist mir damit so vorgekommen; ich verwehre ihm das Paradies.“ So steht es da.
Für uns Christen müssen wir uns nicht daran halten, aber es ist interessant, dies zu wissen. Hier gibt es eine ähnliche Kontinuität, wie sie auch in der Bibel vorhanden ist. Der Islam baut auf biblischen Aussagen auf.
Ich sehe schon, dass die Frage auftaucht: Was ist mit Selbstmordattentätern? Auch hier gibt es eine ähnliche Sichtweise wie im Judentum. Diese Attentäter sind die Ausnahme. Es wird gesagt, sie nehmen ihr Leben nicht, um ihr Leben zu beenden, sondern sie nehmen ihr Lebensende in Kauf, um Muslime zu schützen oder die Sache Allahs voranzubringen.
Das Entscheidende ist die Motivation: Beende ich mein Leben, weil ich keine Lust mehr habe oder Schmerzen habe? Oder bin ich bereit, mein Leben tollkühn und heldenhaft zu opfern? Das eine ist der Märtyrer, der sein Leben hingibt. Ihm ist sein Leben wertvoll, aber er gibt es für die Sache Allahs hin und kann eine Belohnung erwarten.
Derjenige, der sein Leben einfach beendet, weil er es überdrüssig ist, wird bestraft und kommt nach islamischer Vorstellung in die Hölle. Hier stellt sich natürlich die Frage nach Prädestination und freiem Willen, ein Problem, das Muslime ähnlich beschäftigt wie wir.
Man sagt, auf der einen Seite sieht Allah alles, auf der anderen Seite hast du die Tat vollzogen und bist dafür verantwortlich. Der Selbstmörder kommt nicht in den Himmel. Der Selbstmordattentäter hingegen, der nicht plant zu sterben, sondern sich für alle einsetzen will, wird anders bewertet.
Es gibt eine komplizierte Konstruktion, die ich auch mit Muslimen besprochen habe. Sie sagen, ein Selbstmordattentat sei nur dann gerechtfertigt, wenn man es mit einem übermächtigen Gegner zu tun hat, den man sonst nicht bekämpfen kann. Weil sonst die Sache Allahs untergehen würde, sei es erlaubt, solche Anschläge zu machen.
Man kann fragen: Wo sind diese übermächtigen Gegner? Für viele Muslime sind das die Christen. Christliche islamische Länder werden verfolgt. Wenn ihr gestern im Radio gehört habt, dass die UNO beschlossen hat, eine Friedenstruppe nach Darfur zu schicken: In den letzten zehn Jahren wurden etwa 200 Menschen im Sudan getötet, vor allem von muslimischen Milizen, die die christliche Bevölkerung und Stammesbevölkerung im Süden des Sudan angegriffen haben.
Es gibt verschiedene Gründe, auch religiöse. Viele Muslime sehen Amerika und Europa als übermächtige Gegner, die überall präsent sind und gegen die sie nichts ausrichten können. Deshalb sei es möglich, mit allen Mitteln gegen sie zu kämpfen, auch mit solchen Mitteln.
Es ist zwar eine verdrehte Sichtweise, aber so sehen sie es. Wer das genauer wissen will, kann Quellen und Zitate erhalten, zum Beispiel von Mohammed Said Tantawi von der Al-Azhar-Moschee in Kairo, der in ähnlicher Richtung argumentiert.
Die Stammesreligionen überspringe ich hier. Wer das nachlesen möchte, kann dies in meinem Buch tun.
In der Kirchengeschichte gibt es eine erste Verurteilung des Selbstmordes durch Augustinus etwa 350 nach Christus in seinem Buch „Vom Gottesstaat“. Er sagt, Selbstmord sei falsch, weil Mord generell Sünde sei. Selbstmord sei also falsch, weil er Mord ist.
Thomas von Aquin sagt, Selbstmord sei ein Akt gegen die Liebe zu Gott und gegen die Gesellschaft. Deshalb sei er generell gegen Gott gerichtet. Gott sagt: „Ich liebe dich.“ Gott hat aus seiner Liebe zu dir sein Leben in Jesus gegeben. Wenn du dieses Leben, das Gott teuer erkauft hat, einfach wegwirfst, schlägst du Gott ins Angesicht.
Darüber hinaus ist die Aufgabe des Christen in der Gesellschaft noch nicht erfüllt. Sonst würde Gott ihm das Leben nehmen. Deshalb müsse er hier auf der Erde bleiben.
Thomas von Aquin sagt auch, und ich denke, damit hat er Recht: Der Mensch ist Eigentum Gottes, er gehört Gott wie ein Sklave seinem Herrn. Das wird auch im Neuen Testament so bezeichnet. Dort heißt es, wir sind losgekauft von der Sünde durch das Loskaufopfer.
Jetzt gehören wir dem, der das Geld für uns bezahlt hat, und der kann bestimmen, was wir zu tun haben. In der Antike konnte ein Herr sogar über Leben und Tod seiner Sklaven verfügen. Wenn ein Sklave sich das Leben nahm, wurde das als Sachbeschädigung verfolgt – zumindest, solange er noch belangt werden konnte oder nur einen Selbstmordversuch unternahm.
Das klingt heute absurd, aber der Hintergrund ist: Wir gehören Jesus, er hat Eigentumsrechte an uns. Deshalb dürfen wir unser Leben nicht zerstören, denn damit zerstören wir etwas, was uns gar nicht gehört, sondern nur Jesus.
Die Synode von Orléans im Jahr 533 verurteilte Suizid als Verbrechen. Wenig später in Toledo wurde beschlossen, dass Selbstmörder exkommuniziert und nicht auf normalen Friedhöfen beerdigt werden dürfen. Das galt in der katholischen Kirche bis 1983.
Bis dahin mussten Selbstmörder außerhalb des geweihten Bodens beerdigt werden, man durfte keinen Gottesdienst für sie abhalten und Ähnliches. Das ist also erst etwa 25 Jahre her.
Im europäischen Strafrecht war das ähnlich. In England wurde bis 1873 der gesamte Besitz eines Selbstmörders konfisziert und dem Staat übergeben. Damit sollte man abgehalten werden, Selbstmord zu begehen – man sollte an die Familie denken, die sonst nichts mehr hat.
Friedrich der Große verfügte, dass Selbstmörder und ihre Angehörigen in Preußen nicht mehr bestraft wurden. Bis dahin war Selbstmord generell verboten.
Martin Luther bezeichnet Selbstmord als Werk des Teufels und verurteilt ihn aus ähnlichen Gründen wie Thomas von Aquin. Er sagt, es sei eine Anfechtung des Teufels, der man widerstehen müsse und der man nicht nachgeben dürfe.
Das ist die Linie, die sich durch die Kirchengeschichte zieht: Das Leben gehört Gott, und der Mensch darf nicht darüber verfügen.
Erst einige neuere Philosophen haben das infrage gestellt und gesagt, der Mensch solle über sich selbst verfügen dürfen. In der Existenzphilosophie, aber auch bei Philosophen wie Kant und Hegel, wurde Selbstmord noch aus christlichen Überlegungen heraus als verboten angesehen.
Rechtliche Situation und gesellschaftliche Aspekte
Wie sieht es heute mit dem Selbstmord in der Gesellschaft beziehungsweise in der Rechtsprechung aus? Selbstmord gilt grundsätzlich als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts und ist daher straffrei. Das erscheint auch logisch, denn bei einem vollendeten Selbstmord ist eine Verhandlung und Bestrafung gar nicht mehr möglich.
Auch die Teilnahme an einem Selbstmord ist in der Regel straffrei, es sei denn, es liegt eine Anstiftung, Beihilfe oder sonstige Unterstützung vor. Wenn jemand beispielsweise eine Person vom Hochhaus stößt und behauptet, er sei nur dabei gewesen, ist das natürlich nicht straffrei.
Bestimmte Formen der Selbstzerstörung werden gesellschaftlich sogar allgemein akzeptiert. Dazu gehören etwa übermäßiger Alkoholkonsum oder übermäßiges Rauchen. Man könnte diese Verhaltensweisen durchaus als eine Art Selbstzerstörung oder einen Selbstmord auf Raten ansehen. Es gibt auch Menschen, die sich bewusst selbst zerstören. Wenn man mit ihnen spricht, wissen sie, dass sie daran sterben werden, stören sich aber nicht daran und machen weiter. Für sie ist ihr Körper nichts wert, und sie zerstören ihn bewusst. Auch das ist gesellschaftlich akzeptiert.
Problematisch wird der Begriff Selbstmord, weil er im Strafrecht mit dem Begriff Mord, also der Tötungskriminalität, zusammenhängt. Mord beschreibt laut Paragraph 211 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland die Tötung eines anderen Menschen. Daher bleibt die Selbsttötung in Deutschland straflos.
Eine Sonderstellung nehmen jedoch Paragraph 109 StGB, der Soldaten betrifft, und Paragraph 17 des Wehrstrafgesetzes ein. Dort wird geregelt, dass Selbstmordversuch und Selbstverstümmelung strafrechtlich verfolgt werden müssen, weil sie als eine Art Fahnenflucht angesehen werden. Der Soldat gehört der Armee an und kann daher nicht mehr vollständig über sich selbst verfügen.
Problematisch ist auch die Mitwirkung an einem Selbstmord. Hier kann es sich um Anstiftung oder Beihilfe handeln. Außerdem kann unterlassene Hilfeleistung strafrechtlich relevant sein. Wenn zum Beispiel ein Arzt anwesend ist, während sich jemand umbringt, kann er strafrechtlich verfolgt werden, weil er verpflichtet ist, dem Menschen zu helfen.
Eingeschränkt wird diese Diskussion durch Patientenverfügungen. Hierzu sollen momentan neue Gesetze entstehen, die festlegen, unter welchen Umständen bestimmte medizinische Maßnahmen nicht durchgeführt werden dürfen oder wann ein Patient sterben will – auch wenn er nicht mehr zurechnungsfähig ist oder etwa einen Hirnschlag erlitten hat und bestimmte Schäden zurückbleiben. Bisher sind Patientenverfügungen juristisch nicht bindend.
Das liegt daran, dass der behandelnde Arzt zunächst den mutmaßlichen Willen des Patienten zum aktuellen Zeitpunkt feststellen muss. Meistens sind Patientenverfügungen zu allgemein formuliert oder der zeitliche Abstand zwischen Erstellung und aktueller Situation ist zu groß. Oft wird argumentiert, dass der Patient die Verfügung in einem gesunden Zustand verfasst hat und man nicht weiß, wie er sich im Krankheitsfall verhalten würde.
Daher gibt es viele Probleme bei der Umsetzung von Patientenverfügungen, die real vorhanden sind. Trotzdem ist das Thema Patientenverfügung weiterhin von großer Bedeutung.
Selbstmord im biblischen Kontext
Gut, jetzt stellt sich die Frage: Ist Suizid für Christen möglich?
In der Bibel werden verschiedene Personen genannt, die Selbstmord versucht haben oder ihn vollzogen. Ein bekanntes Beispiel ist Saul, der sich ins Schwert stürzt, als er sieht, dass die Schlacht verloren ist (1. Samuel 31,1-6; 2. Samuel 1,1-5). Zunächst bittet er darum, getötet zu werden, und stürzt sich dann selbst ins Schwert.
Auch Judas ist uns bekannt, der sich erhängte (Matthäus 27,3-10; Apostelgeschichte 1,18). In der Apostelgeschichte finden wir zudem den Hinweis, dass ein Mann namens Sai wohl riss, auf den Boden fiel und dort starb.
Selbstmorde wie der von Simson sind in Richter 16,30 beschrieben. Erinnern wir uns an die Geschichte des starken Simson und seiner Delila: Er wird gefangen genommen, geblendet, seine Haare wachsen nach, er erhält seine Kraft zurück und vernichtet schließlich die Feinde Gottes in einem heidnischen Tempel, indem er die Säulen zum Einsturz bringt. Auch dies ist eine Art Selbstmord.
Ähnliche Fälle finden wir bei Abimelech (Richter 9,50), Simri (1. Könige 16,18) oder zumindest den Selbstmordgedanken des Gefängnisdirektors von Philippi. Letzterer wollte sich das Leben nehmen, als Paulus nach einem Erdbeben gefangen genommen wurde. Er dachte, seine Schützlinge seien entflohen, was für ihn einen Ehrverlust bedeutete. Zudem wusste er, dass in der römischen Armee das Entkommenlassen von Gefangenen mit dem Tod bestraft wurde. Im letzten Moment hielt Paulus ihn jedoch davon ab.
Generell finden wir in der Bibel kein ausdrückliches Verbot des Selbstmords. Es gibt keine Stelle, die ganz klar sagt: Selbstmord ist verboten. Im Gegensatz dazu finden sich eindeutige Verbote im Talmud, der jüdischen Auslegung des Alten Testaments, und im Koran. In der Bibel fehlt eine solche klare Aussage.
Falls jemand eine entsprechende Stelle findet, kann er sie mir gerne nennen, bevor mein Buch fertig ist, damit ich sie noch aufnehmen kann. Nach intensiver Suche habe ich jedoch keine gefunden. Das liegt auch daran, dass das Verbot des Selbstmords in der Bibel vom allgemeinen Tötungsverbot abgeleitet wird. Selbstmord gilt somit als eine Unterform von Mord.
Was wir in jedem Fall sagen können, ist, dass die in der Bibel erwähnten Selbstmorde negativ dargestellt werden. Sowohl der von Saul, der des Gefängnisdirektors, der von Judas als auch die anderen genannten Fälle werden nicht als Vorbild, Ideal oder legitim dargestellt. Wenn überhaupt eine Aussage darüber gemacht wird, dann ist sie negativ.
In erster Linie sind es Menschen, die an sich selbst und an der Gnade Gottes verzweifeln, Gott nichts mehr zutrauen und sich von ihm abwenden, die in der Bibel Selbstmord begehen. Ausnahmen gibt es dort, wo keine genaue Angabe zur Bewertung vorliegt.
Bei Simson finden wir keine eindeutige Bewertung. Es wird lediglich berichtet, ohne dass gesagt wird, dies sei ein göttlicher Auftrag oder ein Vorbild für spätere Generationen. Im Judentum wird Simson übrigens nie als Rechtfertigung für Selbstmordanschläge herangezogen. Obwohl das naheliegend wäre, wurde er nie so benutzt.
Sowohl im Judentum als auch im Alten Testament wird diese Geschichte eher neutral berichtet, ohne eine direkte Wertung.
Entsprechend den biblischen Aussagen ist das menschliche Leben der Verfügungsgewalt des Menschen entzogen und darf nicht ohne Gottes Auftrag genommen werden (4. Mose 35,19-20; 5. Mose 5,17).
Selbstmord ist nicht nur deshalb problematisch, weil er Mord ist – und Mord für Christen absolut tabu ist (2. Mose 20,13; 4. Mose 35,30-33). Auch im Neuen Testament verurteilt Jesus Mord. Er sagt sogar, dass, wer seinen Bruder verflucht, ihn bereits getötet hat – also eine Verschärfung des Gebots.
Jesus stellt sich hinter das Tötungsverbot, wie es im Alten Testament formuliert ist. Auch die Geschichte des reichen Jünglings zeigt, dass Jesus die Gebote, darunter das Tötungsverbot, bestätigt.
Darüber hinaus ist Selbstmord eine absolut endgültige Entscheidung. Man kann sie nicht rückgängig machen oder vor Gott bereuen. Das erschwert die Situation zusätzlich.
Wir sollten keine endgültigen Entscheidungen über unser Leben treffen, denn das ist allein Gottes Sache.
Vergebbarkeit von Selbstmord und biblische Perspektiven
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Ist Selbstmord eine unvergebbare Sünde? Zieht Selbstmord die ewige Verdammnis nach sich, wie das früher in der katholischen Kirche gesagt wurde?
Aus biblischer Perspektive ist jede Sünde – außer der Sünde gegen den Heiligen Geist – vergebbar, so zum Beispiel in Matthäus 12,31. Daraus müssten wir schließen, dass auch prinzipiell Selbstmord vergebbar ist. Nun könnte man natürlich fragen: Wie will man um Vergebung bitten, wenn man tot ist? Das kann ich nicht genau sagen, denn die Bibel gibt darüber keine klare Auskunft. Allerdings erinnere ich mich an ein Beispiel, bei dem jemand vor seinem Tod Gott um Vergebung gebeten hat.
Die Frage ist: Kann man eine Sünde begehen, vorher um Vergebung bitten und dann Vergebung erhalten? Ich möchte heute diese theologischen Spitzfindigkeiten beiseite lassen. Wir müssen davon ausgehen, dass jemand, der sich das Leben nimmt, dies nicht zum Spaß tut, sondern meist tiefgreifende und ernsthafte Motive dahinterstehen.
Als Christen behaupten wir, dass unsere Sünden per se vergeben sind, wenn wir uns bekehren. Wir lehren, hoffentlich zumindest, nicht, dass man verloren geht, wenn eine einzelne Sünde nicht bekannt ist. Nehmen wir zum Beispiel an, jemand ist schwer krank und leidet am Ende seines Lebens. Im letzten Atemzug flucht er – würden wir wirklich sagen, das führt zum ewigen Verlust? Das kann doch nicht sein.
Oder stellen wir uns vor, jemand hat seinem Bruder in der Gemeinde nie vergeben, dass er sein Auto zu Schrott gefahren hat – geht man deshalb verloren, wenn man die Vergebung seiner Sünden durch Jesus hat? Ich möchte herausfordern: Seht Selbstmord als eine Sünde an, das ist klar, aber nicht als eine prinzipiell andere Sünde als andere auch.
Wir müssen davon ausgehen, dass uns nicht die Sünden vergeben sind, weil wir ein vollständiges Sündenregister über jede einzelne Sünde angefertigt haben, sondern weil Jesus unser ganzes Leben mit all den Sünden erneuert und vergeben hat.
Damit will ich nicht, dass jemand Angst bekommt oder meint, ich würde sagen: „Lasst uns fröhlich sündigen, es ist ja alles egal.“ Auch will ich nicht sagen: Wenn Gott dir eine Sünde zeigt, brauchst du sie nicht zu bekennen. Wenn Gott euch eine Sünde zeigt, geht hin und bekennt sie.
Mein einziges Ziel bei dieser Überlegung ist, deutlich zu machen, dass ich keine eindeutige biblische Aussage kenne, die besagt, dass ein Selbstmörder für alle Zeit verloren geht. Nur das möchte ich sagen, nicht mehr.
Ich will keine Sünden herabwürdigen und auch nicht sagen, dass Sünden nicht bekannt werden sollten. Ich glaube nur, dass wir keine biblische Grundlage haben, um zu sagen, dass jemand, der bekehrt ist und Sündenvergebung hat, allein wegen Selbstmord nicht zu Gott kommen könnte. Mehr nicht.
Natürlich ist es traurig, wenn ein Mensch seinen Wert so gering einschätzt, dass er sein Leben leichtfertig aufgibt. Dabei ist doch jedes Leben von Gott selbst geschaffen und unbezahlbar – auch ein Leben, das verpfuscht erscheint, ohne geliebte Freunde oder mit unheilbarer Krankheit. So sagt uns die Bibel.
Wir sind heute schnell verleitet zu sagen, weil unsere Gesellschaft das sagt: Ein Leben mit Leiden, zum Beispiel ein Leben, in dem man nur im Krankenhausbett liegt, mit Schläuchen in Nase, Hals und Armen – das sei nicht mehr lebenswert. Die meisten würden intuitiv sagen: Das lohnt sich nicht mehr, das sind nur noch Apparate, die am Leben erhalten.
Die Bibel kennt diese Unterscheidung nicht. Das Leben ist wertvoll – auch ohne Leistung. Denn dahinter steht oft das Leistungs- oder Genussstreben. Entweder sage ich: Ich kann nicht mehr genießen, deshalb habe ich keinen Spaß mehr. Oder: Ich kann nichts mehr leisten, was bringe ich noch? Ich koste nur Anstrengung.
Beides sind keine Motive, die den Wert des Lebens in der Bibel bestimmen. Das müssen wir deutlich sehen, zum Beispiel in 1. Samuel 16,7 oder Psalm 7,5-7.
Jeder hat sich im Blick auf Konflikte mit geliebten Menschen, anstehende Prüfungen oder eine bedrohliche Zukunft schon einmal ohnmächtig gefühlt – doch nicht jeder zieht dann die Notbremse und steigt aus dem Leben aus. Solche Probleme rechtfertigen keinen Selbstmord.
Jesus dachte sicher an solche Menschen, als er sagte, wir sollen uns nicht von Sorgen niederdrücken lassen, sondern sie ihm bringen und seine Hilfe annehmen (Matthäus 6,25-34): „Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Oder: „Die Vögel säen nicht, sie ernten nicht, und doch versorgt euer himmlischer Vater sie.“ Das richtet sich an Menschen, die von ernsthaften Sorgen niedergedrückt sind.
Jesus leugnet nicht, dass es schlimm ist, wenn man in einem Krankenhausbett liegt und sich nicht mehr bewegen kann. Natürlich ist das schlimm, aber es ist kein Recht, sich das Leben zu nehmen. Und es ist kein Recht, zu sagen, das Leben sei deshalb nichts mehr wert.
Wir sollen uns nicht von unserem momentanen Empfinden leiten lassen, sondern von Gottes Aussage. Auch solch ein Leben ist wertvoll und von Gott gewollt.
Ich kenne jemanden, der in einer Behinderteneinrichtung arbeitet. Ich selbst habe auch einige Jahre dort gearbeitet und viele Menschen getroffen, die mehrfach geistig und körperlich behindert waren. Die meisten konnten keinen vernünftigen Satz sprechen, viele konnten sich nicht selbst an- oder ausziehen, mussten gewaschen und gefüttert werden.
Ist das ein lebenswertes Leben? Aus Gottes Sicht müssen wir sagen: Ja.
In der Zeit meiner Arbeit habe ich diese Menschen lieben gelernt. Auch sie sind Persönlichkeiten, auch für sie ist Jesus gestorben. Wenn Jesus für diese Menschen stirbt, muss ihr Leben einen Wert haben.
Genauso ist es mit jemandem, der im Krankenhaus liegt, mit Schläuchen im Hals und in den Adern. Ist Jesus auch für diesen Menschen gestorben? Kann er sich noch bekehren? Ja, natürlich. Auch dieser Mensch hat einen immensen Wert in Gottes Augen.
Das ist nicht etwas, das wir empfinden oder logisch begründen können, sondern etwas, das wir von Gott akzeptieren müssen. Darauf sollten wir achten. Und wie gesagt: Sorgen an Jesus abgeben.
Zwar läuft nicht immer alles wie gewünscht, doch immer wieder kann Jesus aus scheinbar ausweglosen Situationen überraschend eine Wendung bringen, wenn Menschen ihre krampfhafte Fixierung auf die Probleme aufgeben, ihr Herz Jesus vorbehaltlos ausschütten und den Mut aufbringen, so zu handeln, wie Gott es ihnen zeigt.
Ein großes Problem ist oft, dass wir auf unsere eigenen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Kräfte bauen, meinen, alles selbst lösen zu müssen. Wir denken, Gott könne sich nicht kümmern, weil er zu groß sei oder wir zu schlecht oder Gott das vielleicht nicht kann. Wir würden zwar nicht sagen, er sei zu schwach, aber wir können es uns nicht vorstellen.
Selbstmord ist häufig auch mit einem Glaubensproblem verbunden.
Ich sage das häufig, und ich hoffe, ihr versteht mich: Es gibt auch andere Gründe, die Selbstmord begünstigen können.
Wir sind herausgefordert, Jesus unser Vertrauen zu übergeben.
Bei vielen Menschen entstehen Konflikte zwischen den Lustanforderungen, den Spasserwartungen einerseits und den oft wenigen, tristeren, zwiespältigen Erfahrungen der Realität andererseits. Dann kann man schnell denken: Das lohnt sich doch alles nicht mehr, das Leben ist nicht mehr lebenswert, ich steige aus.
Die Kernfrage bei der Bewertung von Selbstmord lautet: Wer hat über mein Leben zu bestimmen? Für einen Christen sollte das ganz klar sein.
Ich spreche hier natürlich nur von denen, mit denen man noch sprechen kann.
Zum Beispiel von jener jungen Frau, die ich erwähnt habe, die so in ihrer Depression gefangen war, dass sie nichts mehr denken konnte. Sie musste erst einmal ruhiggestellt werden und sich erholen. Danach haben wir seelsorgerlich mit ihr gearbeitet und versucht, die Ursachen aufzudecken.
Aber erst einmal braucht es Ruhe.
Wenn du jemandem nur Ruhe gibst und ihn dann wieder laufen lässt, kommt er früher oder später an dieselbe Stelle zurück – dieselben Probleme sind wieder da. Wir brauchen also beides.
Häufig sind Selbstmordgedanken bei Menschen da, mit denen man noch sprechen kann und denen man neue Perspektiven aufzeigen kann.
Hier ist die Frage: Wer hat über mein Leben zu bestimmen? Der moderne Zeitgenosse sagt: Natürlich ich selbst, wer sonst? Nach dem Motto: Mein Bauch gehört mir, mein Leben gehört mir, ich mache, was ich will.
Der Christ kann das so nicht sagen. Er muss sagen: Gott hat in meinem Leben zu bestimmen. Er führt mein Leben ans Ziel und nimmt es, wenn es hier einmal endet.
Ich möchte noch kurz auf einen Denkfehler hinweisen, den manche Menschen haben: Es gibt lebensverlängernde Maßnahmen, und manche sagen, der Mensch wäre längst tot, aber man zögert es nur heraus.
Hier liegt ein großer Irrtum: Die moderne Medizin wird mächtiger gemacht als Gott.
Nach dem Motto: Gott will, dass du stirbst, aber der Arzt sagt, du stirbst nicht – welches Wort gilt? Natürlich das des Arztes. Gott steht machtlos daneben.
Ich mache das bewusst etwas übertrieben, aber es gibt Christen, die so denken. Sie sagen: Gott will, dass ich sterbe, und nur die Apparate halten mich davon ab.
Das ist völliger Unsinn.
Die meisten Menschen sterben im Krankenhaus, auch auf der Intensivstation.
Ärzte und moderne Medizin sind nicht allmächtig. Wenn Gott sagt, es ist Schluss, dann ist Schluss. Beatmungsversuche, Herzmassage oder Herzkreislaufmaschinen können das nicht ändern.
Aber Gott kann auch den Arzt gebrauchen, damit Wiederbelebungsversuche erfolgreich sind, aus welchem Grund auch immer.
Wir sollten uns nicht verführen lassen zu sagen: Dieses Leben ist nicht mehr wertvoll.
Du bestimmst nicht, ob das Leben wertvoll ist, sondern Gott. Gott sagt, es ist wertvoll. Akzeptiere Gottes Sicht, nicht deine.
Natürlich ist Selbstmord nicht gleich Selbstmord. In meinem Buch habe ich das ausführlich dargestellt, ich will hier nur kurz anmerken, dass es verschiedene Methoden gibt – harte und weiche.
Manchmal kann man an der Methode erkennen, ob jemand es ernst meint oder nicht.
Nicht jeder, der Selbstmord androht, will ihn wirklich begehen.
Manchmal ist es ein Hilferuf oder ein Protest.
Wir müssen lernen zu unterscheiden, ob eine Androhung ernst gemeint ist oder nicht, und entsprechend handeln.
Es gibt Menschen, die über Jahre ihre Angehörigen mit ständigen Selbstmordversuchen unter Druck setzen – erst mit Androhungen, dann mit halbherzigen Versuchen, bei denen sie möglichst rechtzeitig gefunden werden.
Beispiele sind Menschen, die sich nur oberflächliche Schnitte zufügen oder Tabletten nehmen, um Übelkeit zu erzeugen, aber nicht zu sterben.
Manche rufen nach dem Versuch noch an, in der Hoffnung, dass jemand schnell Hilfe holt.
Das ist eine andere Art von Selbstmord: der Protestselbstmord, der Macht ausüben oder Aufmerksamkeit erregen will.
Mit solchen Menschen muss man anders umgehen.
Wenn es Christen sind, muss man deutlich machen, dass dahinter oft ein sündiges Verhalten steckt – zum Beispiel andere Menschen so zu manipulieren.
Man kann solche Menschen auch direkter herausfordern.
Bei jemandem, der wirklich in der schwierigsten Lage ist und einen ernsthaften Versuch unternimmt, ist das nicht der richtige Weg. Dort ist eher aufbauende Unterstützung wichtig.
Es gibt also deutliche Unterschiede.
Neben den intellektuellen und sündenbezogenen Faktoren gibt es weitere Einflüsse, die Selbstmord begünstigen.
Zum Beispiel begehen Frauen häufiger Suizidversuche, Männer hingegen häufiger Suizide.
Das klingt seltsam, aber es liegt vielleicht daran, dass Frauen eher darüber sprechen oder es als Notsignal aussenden.
Männer hingegen wollen sich öfter wirklich töten.
Bei jüngeren Menschen gibt es mehr Suizidversuche, bei älteren mehr Suizide.
Typisch ist der Jugendliche, der sagt: Meine Eltern verstehen mich nicht, ich werde nicht geliebt, ich zeige ihnen, was sie davon haben. Das ist ein Protest, der Aufmerksamkeit und Liebe sucht.
Solche Notsignale müssen ernst genommen werden, sind aber etwas anderes als bei Älteren, die oft tatsächlich sterben wollen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der einen Suizidversuch unternommen hat, wirklich Selbstmord begeht, ist gering – höchstens unbeabsichtigt.
Wer sich wirklich töten will, macht selten einen halbherzigen Versuch.
Wer einen Selbstmordversuch überlebt, erlebt oft eine tiefgreifende Lebensveränderung. Trotzdem brauchen diese Menschen weitere Betreuung und Hilfe.
Es gibt auch nationale Unterschiede: In manchen Ländern sind Suizidversuche häufiger als in anderen.
Das liegt nicht an der Luft, sondern zum großen Teil am Wetter.
Depressionen treten oft als Herbst- oder Winterdepression auf. Bei Sonne und warmem Wetter gibt es weniger Selbstmorde.
In südlichen Ländern Europas, wie Malta, liegt die Selbstmordrate bei 0,3 pro 100.000 Personen, in Ungarn bei 45,3. In Deutschland sind es etwa 16 pro 100.000.
Für einen Selbstmordgefährdeten wäre es also besser, nach Malta zu ziehen.
In Deutschland gibt es Lichttherapie als Behandlung für Depressionen, die teilweise wirkt.
Das zeigt, dass es nicht nur eine Frage des Willens oder der realen Probleme ist, sondern auch äußere Faktoren eine Rolle spielen.
Interessant ist auch, dass in Kriegszeiten fast keine Suizide gezählt werden.
Das liegt daran, dass die Menschen so sehr um ihr Überleben kämpfen, dass sie nicht daran denken, sich das Leben zu nehmen.
Zum Beispiel die Vertriebenen aus Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg – sie hatten Hunger und kein Zuhause, aber kaum jemand nahm sich das Leben.
Das zeigt, dass Gott den Menschen eine Überlebenswillenskraft gegeben hat.
Selbstmord tritt auffällig häufig in Gesellschaften auf, in denen es den Menschen nicht schlecht geht, also in wohlhabenden Ländern.
Es gibt bestimmte Jahreszeiten mit höheren Selbstmordraten, häufig nach längerer Arbeitslosigkeit und besonders in der Jugendzeit.
Bei Katholiken gibt es weniger Selbstmorde als bei Protestanten.
Stadtbewohner begehen mehr Selbstmorde als Menschen auf dem Land.
Ärzte und Krankenhauspersonal sind häufiger betroffen, möglicherweise wegen der Angst vor Krankheit und Alter oder wegen des leichteren Zugangs zu Mitteln.
Besonders gefährdete Gruppen sind Flüchtlinge, Alkoholiker, Menschen mit chronisch unheilbaren Krankheiten, Personen in Ehekrisen, bei plötzlichem wirtschaftlichen oder sozialen Verlust und bei Liebeskummer.
Als Vorbeugung wird in einem Buch die Ehe empfohlen, da Suizide bei Geschiedenen, Verwitweten und Ledigen häufiger sind.
Selbstmord bei unheilbar Kranken ist nachvollziehbar, ebenso bei Menschen, die ihre Gefühle dauerhaft unterdrücken und rational kontrollieren.
Diese Menschen sind häufiger betroffen, weil sie bei äußeren Belastungen plötzlich zusammenbrechen.
Das Selbstbild bricht zusammen, die Welt zerfällt.
Depressionen spielen eine große Rolle: 15 % der an Depression leidenden Menschen begehen Selbstmord.
45 % aller Selbstmörder hatten zuvor starke depressive Verstimmungen.
Auch Schizophrenie ist ein Risikofaktor: Etwa 10 % der Schizophrenen begehen Selbstmord.
Hier spielen oft Stimmen, Halluzinationen oder Verfolgungswahn eine Rolle.
Auch Menschen mit intensiven Angstanfällen oder Panikattacken haben ein erhöhtes Risiko.
Borderline-Persönlichkeiten mit extremen Stimmungsschwankungen sind ebenfalls häufiger betroffen.
Gefangene, besonders kurz vor der Entlassung, begehen auffällig oft Selbstmord.
Die Entlassung ist eine Krise, vergleichbar mit einem Umzug in ein fremdes Land.
Viele fühlen sich überfordert, weil sie keine Arbeit finden, ihre Familie sich verändert hat oder sie gesellschaftlich stigmatisiert werden.
Auch Isolation ist ein Risikofaktor – zum Beispiel bei Leuchtturmwärtern oder Expeditionsteilnehmern.
Untersuchungen zeigen, dass das Gehirn nicht direkt abhängig macht, aber chemische Stoffwechselstörungen können Depressionen und Schizophrenie begünstigen, die wiederum das Selbstmordrisiko erhöhen.
Wichtig ist: Niemand wird zum Selbstmord gezwungen.
Es gibt immer eine Chance, Nein zu sagen, egal wie krank oder verzweifelt jemand ist.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Selbstmordversuche manchmal Druckmittel oder Hilferufe sind.
Es gibt auch Selbstmord als Modetrend.
Das klingt absurd, ist aber tatsächlich so.
Zum Beispiel führte Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ (1774) zu einem sogenannten Wertherfieber.
Viele Jugendliche, die sich in ähnlicher Lage fühlten, ahmten den Selbstmord des Helden nach und trugen die typische blau-gelbe Wertherkleidung.
In einigen Städten wie Leipzig, Kopenhagen oder Mailand wurde das Buch verboten, um Selbstmorde zu verhindern.
Ein anderes Beispiel ist die sechsteilige Fernsehserie „Tod eines Schülers“. Nach ihrer Ausstrahlung verdoppelten sich innerhalb von drei Monaten die Selbstmorde bei Jugendlichen, viele warfen sich vor Züge.
Hier ist eine Vorbildfunktion des Selbstmords erkennbar.
Andersherum kann man Hilfe anbieten: Etwa 80 % der Menschen mit Selbstmordgedanken oder -versuchen können durch seelsorgerliche Begleitung, alternative Verhaltensmuster und das Abgeben ihrer Sorgen an Gott ihre Gedanken überwinden.
Etwa 20 % kämpfen langfristig damit, da sich die realen Ursachen, wie schwere Leiden oder familiäre Probleme, nicht sofort ändern lassen.
Es geht nicht nur darum, die Umgebung zu verändern, sondern vor allem darum, wie man mit dem Druck umgeht.
In akuten Fällen ist professionelle Hilfe von Notfallseelsorgern, Medizinern und Psychologen notwendig, um Betroffene aus der Dunkelheit zu holen.
Langfristig ist es wichtig, dass Familie, Gemeinde oder Freunde helfen, Menschen zu stabilisieren und neue Perspektiven zu geben.
Für Begleiter von Suizidgefährdeten steht im Vordergrund, akute Bedrohungen von Leib und Leben zu begegnen.
Wichtig ist das Gebet mit und für den Betroffenen sowie die Bitte um Weisheit für das richtige Handeln.
Ist der Betroffene nicht oder nur teilweise ansprechbar, soll bald ernsthafte Hilfe in Anspruch genommen werden.
In weniger bedrohlichen Situationen hilft es, wenn sich jemand Zeit nimmt, um zuzuhören, zu verstehen und mitzuleiden.
Die erste Phase ist Verstehen und Annehmen.
Wenn jemand zu schnell kommt und sagt: „Du darfst dich nicht töten!“, hilft das nicht jedem.
Wer Selbstmord als Druckmittel nutzt, braucht klare Worte.
Wer aus Verzweiflung handelt, braucht jemanden, der einfach da ist, zuhört und mitleidet – ohne sofort viele Ratschläge zu geben.
In der nächsten Phase sollen die häufig zugrundeliegenden Probleme durchdacht und, wenn möglich, gelöst oder relativiert werden.
Wenn jemand sagt: „Mir geht es schlecht, weil meine Frau weg ist“, geht es erst einmal darum, zuzuhören, mitzuleiden und für ihn zu beten.
Danach muss das Problem angegangen werden. Das braucht oft Zeit – zum Beispiel Gespräche, Versöhnung, finanzielle Lösungen oder berufliche Perspektiven.
Manchmal sind Probleme menschlich unüberwindbar, etwa bei unheilbarer Krankheit.
Dann sollten realistische Linderung, geistlicher Trost und Hilfe angeboten werden – zum Beispiel Schmerzbehandlung, Hospiz oder gemeinsame Aktivitäten.
Selbstmordgedanken beziehen sich nie nur auf reale Probleme, sondern immer auch auf psychische oder geistliche Faktoren.
Es ist entscheidend, den geistlichen Kampf nicht zu vernachlässigen.
Medikamente können kurzfristig helfen, aber auf Dauer muss der Betroffene seine Beziehung zu Gott neu durchdenken und lernen, sein Leben anders zu gestalten.
So kann er aus der Krise herausfinden.
Wichtig ist, dass er nicht sich selbst überlassen wird, sondern weiter begleitet wird, um neue Probleme und Anfechtungen zu meistern und ein stabiles Umfeld zu bekommen.
Auch die Angehörigen von Suizidopfern brauchen viel Aufmerksamkeit, geistliche und praktische Unterstützung.
Sie müssen oft mit Schuldgefühlen fertigwerden: Hätte ich etwas merken sollen? Hätte ich helfen sollen? Hätte ich nicht schimpfen sollen?
Solche Schuldgefühle können die Angehörigen oft ein Leben lang begleiten.
Es ist wichtig, ihnen zu helfen, Gott die Last abzugeben.
Spekulative Selbstvorwürfe sollten vermieden werden.
Wenn zum Beispiel ein Sohn Selbstmord beging, ist es falsch zu sagen: „Bei solchen schlechten Eltern war das zu erwarten.“
Solche Aussagen zeigen oft fehlendes Mitgefühl, auch in christlichen Kreisen.
Selbst wenn Eltern schuldhaft gehandelt haben, hilft das nichts.
Sie müssen erst herauskommen und dann gegebenenfalls die Schuld vor Gott bekennen.
Ich habe bisher keine Eltern getroffen, die nach dem Selbstmord ihres Kindes einfach zur Tagesordnung übergegangen sind.
Es mag solche geben, aber mir sind keine bekannt.
Christen sollten Trauernde nicht nach wenigen Wochen ermahnen, den Tod zu vergessen oder zum Alltag zurückzukehren.
Das ist oft schädlich.
Normalerweise kommt jemand, der ein geliebtes Kind oder einen Ehepartner verloren hat, nie ganz darüber hinweg.
Das muss auch nicht sein.
Wir müssen ihnen helfen, trotz des Schmerzes weiterzuleben, eine Perspektive zu haben und zu glauben, dass Gott einen Plan hat.
Nicht das Auslöschen der Trauer oder das Schimpfen hilft, sondern der Umgang mit dem Schmerz, das Bringen vor Gott und das Erfahren von Trost und Erfüllung.
Sicher kann niemand einen Menschen dauerhaft vom Selbstmord abbringen, wenn er es wirklich will.
Aber wir können helfen, dass suizidgefährdete Menschen ihr verzerrtes Bild der Wirklichkeit korrigieren.
Wir können geistliche Belastungen oder Sünden aufdecken und ausräumen.
Wir können helfen, konkrete Probleme zu lösen.
Wir können Gedankenanregungen geben, die helfen, mit einer neuen Perspektive mit Problemen oder dem Wunsch zu sterben umzugehen.
Wie gesagt, Sorgen an Gott abgeben ist dabei wichtig.
Natürlich gibt es keine allgemeine Checkliste, wie man mit jedem Betroffenen genau umgehen soll.
Es hängt davon ab, wie tief die Suizidgedanken sind und ob man Zugang zu der Person hat.
Geht zu einem Arzt, sprecht mit dem Menschen.
Wenn es ein Druckmittel ist oder Beleidigung, geht nicht darauf ein und lasst euch nicht unter Druck setzen.
Provoziert ihn nicht, indem ihr sagt: „Du tust es ja sowieso nicht.“
Das ist kein Weg.
Bei ernsthaften Fällen versucht, die Perspektive zu ändern: Selbstmord ist für Christen nicht akzeptabel.
Zeigt Mitgefühl, versucht, Probleme zu lösen.
Wenn die Krise überwunden ist, zeigt neue Wege, mit Schwierigkeiten umzugehen.
Ich empfehle Literatur zu diesem Thema oder meinen zweiten Band über moderne Medizin und Ethik.
Ich möchte hier abschließen und werde noch beten.
Schlussgebet
Vater im Himmel, vielen Dank, dass du uns unser Leben geschenkt hast und dass unser Leben vor dir unendlich wertvoll ist. Wir danken dir, dass du unseren Körper wunderbar gemacht hast und dass er so viel aushalten kann.
Vielen Dank, dass du uns immer wieder aus Problemen herausgeholfen hast. Jetzt möchten wir dich besonders für die Menschen unter uns bitten, die in ihrem Leben mit Selbstmordgedanken zu kämpfen hatten oder gerade kämpfen.
Wir bitten dich, ihre Perspektive zu verändern, ihnen Hoffnung und Zuversicht für ihr Leben zu schenken und ihnen diese Gedanken zu nehmen. Stattdessen möge der Gedanke an dich und das Vertrauen auf dich in ihnen wachsen.
Wir bitten dich auch um Weisheit, wenn wir Menschen begegnen, die an Selbstmord denken oder bereits Selbstmordversuche hinter sich haben. Hilf uns, ihnen mit Weisheit und Liebe zu begegnen. Gib uns die richtigen Worte und die Kraft, die passenden Ratschläge zu geben.
Gib uns den Mut, dort, wo mit Selbstmord nur gespielt wird oder Druck ausgeübt wird, das klar zu benennen und Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass das nicht in Ordnung ist.
Wir bitten dich, uns vor solchen Gedanken und scheinbar ausweglosen Situationen zu bewahren. Schenke uns die Kraft und die Weisheit, richtig mit Menschen umzugehen, die mit Selbstmordgedanken oder -handlungen zu tun haben.
Amen.
