Einführung in das Lob Gottes durch Selbstgespräche
Ich lese aus dem Psalm 103 die Verse 1 bis 4:
Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Der dir alle deine Sünden vergibt und alle deine Gebrechen heilt.
Der dein Leben vom Verderben erlöst und dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit.
Erwecke in uns Dankbarkeit. Amen.
Es gibt originelle Menschen, die sich hervorragend unterhalten können, auch wenn sie ganz allein in einem Zimmer sind. Sie führen Selbstgespräche.
Ich habe einmal eine Reportage über den Filmkomiker Charlie Chaplin gelesen. Ein Reporter beobachtete ihn in seinem Haus am Genfer See. Er berichtete, dass Chaplin im Garten auf und ab lief, dann vor einem Bus stehen blieb, ernst schaute und vor sich hin sprach. Plötzlich fing er an zu lachen. Er hatte sich selbst einen Witz erzählt.
Also: Leute, die Selbstgespräche führen und sich selbst Geschichten erzählen, sind gar nicht so ungewöhnlich.
Ich habe festgestellt, dass ich manchmal auch Selbstgespräche führe. Zum Beispiel, wenn ich meinen dicken Schlüsselbund habe und an der Haustür nicht den richtigen Schlüssel finde. Ich probiere verschiedene Schlüssel aus und sage dabei laut Dinge zu mir selbst, wie „Ach, wieder der falsche Schlüssel.“
Oder wenn ich mich mit dem Auto verfahre, sage ich: „Ach, jetzt bin ich doch die falsche Straße gefahren. Jetzt hätte ich doch den Stadtplan anschauen müssen.“
Führen Sie auch Selbstgespräche? Es ist gar nicht so ungewöhnlich.
Auch König David führte Selbstgespräche. Er spricht hier mit seiner Seele. Dabei redet er nicht nur seine Seele an, sondern auch alles, was in ihm ist.
Ganzheitliches Lob als Lebenshaltung
Lobe den Herrn! Doch womit spricht er da eigentlich? Die Seele kennen wir schon seit einiger Zeit als das, was den Menschen ausmacht. Aber hier spricht er mit allem, was zu seinem Körper und zu seiner Person gehört. Er meint seinen Willen, seine Gedanken, sein Gemüt – kurz gesagt: alles, was in mir ist.
Das umfasst doch auch meine Liebe, meine Leber, meine Bauchspeicheldrüse. Ja, jetzt sind Sie vielleicht entsetzt. Aber nein, lobe den Herrn! Das Lob darf nicht bloß von den Lippen kommen, sondern soll durch unseren ganzen Körper gehen und alles umfassen. Meine Augen sollen den Herrn loben, meine Haut, mein Gesicht, meine ganze Kraft – sie alle sollen Gott loben.
Jetzt denke ich: David hat die Kunst, Gott zu loben, wirklich gut verstanden. Die Dichter unter uns und die musikalischen Menschen, besonders die Komponisten, sollen sich nicht beleidigt fühlen. Aber ich glaube, so gut wie David hat es eigentlich niemand mehr gekonnt. Seine Lieder gehören zum Größten der Weltliteratur. Und für uns Christen gibt es kaum etwas Wertvolleres als diese wunderbaren Lieder, die er gesungen hat.
Doch David musste sich immer wieder selbst ermahnen: „Passt auf, meine Seele und mein Leib und alles, was in mir ist, ihr müsst mitmachen.“ Damit das Lob nicht nur ein äußerer Lippendienst bleibt. In unserem ganzen Leben muss alles mitschwingen, was wir sind und haben, damit wir Gott richtig loben und ihm danken können.
Wenn David noch Selbstgespräche führen musste, wie viel mehr brauchen wir das heute! Und genau das wollen wir lernen: Am Ende dieses Jahres Gott noch besser und vollkommener zu loben.
Erste Ermahnung: Nicht das Lob Gottes vergessen
Ich möchte drei Ermahnungen aus diesem Psalmwort ableiten. Ich denke, das genügt für heute, denn es steckt noch viel mehr darin.
Das Erste, was David sich selbst sagt, ist: Sei doch kein Schussel! Er spricht zu seiner Seele und warnt sich: Pass auf, du vergisst das so leicht. Das ist schlimm, wenn man so dusselig ist und wichtige Dinge vergisst. Das passiert sicher auch Ihnen ab und zu, dass Sie etwas vergessen. Einige von Ihnen kennen das schon von mir. Mir ist das einmal passiert, und es war der Albtraum meines Lebens: Ich habe eine Trauung vergessen.
Keine Sorge, bei allen Familienfeiern werde ich nicht fehlen. Es war eine auswärtige Trauung irgendwo im Schurwald bei lieben Leuten, die mich dorthin eingeladen hatten. Es wurde nichts abgekündigt, und so habe ich mich auch durch nichts erinnern lassen. Wochen vorher hatten wir alles vereinbart. Ich saß friedlich an meinem Schreibtisch und arbeitete.
Dann kam ein Anruf. Am Telefon sagte der andere nur verwundert, ohne Namen zu nennen: „Warum kommen Sie nicht?“ Ich fragte zurück: „Wohin soll ich kommen?“ Ich dachte, was ist das? Dann sagte er: „Wir warten schon eine Dreiviertelstunde und singen ununterbrochen.“ Ich stürzte hinaus auf den Flur. Meine Frau, die Treue, wischte gerade den Flur nass. Schnell rief ich nach meinem schwarzen Anzug. Im Eifer des Gefechtes rutschte ich auf dem nassen Flurboden aus.
Wir hatten eine große Glasscheibe an unserer Zimmertür. Ich stürzte mitten hindurch. Dass ich heute noch lebe, gehört zu den großen Wundern Gottes in meinem Leben. An dieser Stelle habe ich eine große Sperrholzplatte eingesetzt. Es sieht nicht mehr so schön aus, und der Flur ist etwas dunkler. Aber es erinnert mich immer daran: Vergiss nur nichts! Vergiss nur nichts!
Eine Trauung können Sie vergessen, aber vergiss nicht das Loben Gottes! Vergiss das Loben Gottes nicht! Das sagt David sich selbst: Sei nicht schusselig, vergiss das nicht.
Am Jahresende erinnern wir uns an viele einschneidende Ereignisse: Vieles, was passiert ist, viele wunderbare Durchhilfen Gottes und auch ganz schmerzliche Ereignisse für viele. Für uns, die wir kaum jetzt darüber sprechen können, auch die, die wir in der Gemeinde durchlitten haben, bis in den Mitarbeiterkreis hinein.
Dann sagt David: Denk doch einmal an das Große und lobe Gott in deinem Leben!
Die Bedeutung des Lobes für Gott und uns
Warum vergisst man das Loben Gottes so leicht? Vielleicht, weil uns die schweren Dinge im Leben so wichtig erscheinen. Das Loben ist bei uns oft unterbewertet.
Ich hätte einen Rat an alle Pädagogen, besonders an die Lehrer: Probieren Sie doch einmal aus, den Schülern bei Klassenarbeiten zwei Noten besser zu geben als üblich. Sie würden staunen, wie die Kinder mit ganz neuem Eifer lernen. Lob ermutigt. Mit Lob kommen Kinder viel weiter. Wenn man in der Erziehung viel mehr loben würde, wäre das gut. Es ist gut, dass meine Kinder das jetzt auch hören. Lob ist viel mehr Ansporn als ständiges Meckern und Schimpfen. Damit erreicht man doch nichts.
Loben ist für uns selbst sehr wichtig. Wir sind auf Lob angewiesen. Wir brauchen es zur Selbstbestätigung. Lob erhebt uns, macht uns sicher und gibt uns Zutrauen, wenn uns jemand einmal ermuntert und nicht ständig kritisiert. Es ist uns klar, dass wir Lob brauchen. Aber warum braucht Gott Lob?
Ich muss zugeben, dass mir das lange Zeit nicht richtig klar war. Warum braucht Gott Lob? Ist Gott vielleicht eitel wie die Menschen? Ist er darauf angewiesen? Das erscheint merkwürdig. Warum vergessen wir das Lob Gottes so oft und so deutlich?
Wenn wir auf die Ursprünge der Sprache zurückgehen, ist das etwas unbefriedigend. Wenn Sie zum Beispiel ein englisches Neues Testament nehmen und einen Psalm im Englischen lesen, heißt es dort „bless“. Das bedeutet nicht „Gott loben“, sondern „Gott segnen“. Was heißt Gott segnen? Es bedeutet eigentlich, Gott großzumachen. Nicht, dass Gott unser Lob braucht, sondern dass wir Gott die Ehre und Anerkennung geben, die er verdient.
Ein Bibelausleger hat sicher recht, wenn er sagt, dass das Lob Gottes darin besteht, Gott in seiner Machtstellung und seinem Hoheitsanspruch anzuerkennen. Gott in seiner Hoheit und Macht einfach anzuerkennen – geben Sie das doch einmal zu.
Am Ende des Jahres, auch nachts, wenn Sie schlafen, steht doch ein großer und mächtiger Gott hinter Ihrem Herzen. Er steht hinter Ihrem ganzen Leben, hinter Ihrem Atmen, hinter dem Essen, das Sie genießen. Er steht hinter der Schönheit der Welt, durch die wir im Urlaub gefahren sind. Wenn wir uns die Dias anschauen, ist das nicht auch ein Lob? Wir sagen: Das ist doch deine Größe, Gott, du stehst dahinter.
Manche meinen, mit Lob seien nur feierliche Choräle gemeint. Genau, das gehört dazu, dass wir Lieder singen. Aber David meint noch etwas anderes. Es gehört dazu, dass wir mit allem, was wir sind, Gott einfach anerkennen und das fortwährend aussprechen.
Wenn Sie ein wenig im Alten Testament lesen, fällt Ihnen auf, wie die Gläubigen das dort immer verstanden haben. In dieser Welt, in der so viel Schlimmes geschieht, müssen wir etwas sagen. Wir müssen von Gott Zeugnis ablegen, von seiner Größe. Wie David es in der Schriftlesung sagte, sollen die Elenden Hoffnung und Mut bekommen. Die Verzweifelten sollen wieder Zuversicht schöpfen können.
Darum wollen wir Gott loben und das so oft wie möglich aussprechen. Gott ist nicht auf unser Lob angewiesen, wie ein schlechter Schüler, der Ermutigung braucht. Gott will anerkannt und respektiert sein von uns Menschen.
Wenn Sie in die Schöpfung schauen, dann möchte ich sagen: Alles preist Gott. Das Rauschen der Baumwipfel, die Schönheit der Berge, die Weite der Seen, die Vögel, die jubilieren, die Würmer im Erdboden – die ganze Natur. Ja, genau, sie geben Gott Recht mit seiner Hoheit und seiner Größe. Sie geben ihm Lob und erkennen ihn an.
Die einzige Stelle, wo Gott das Lob vorenthalten wird, sind wir Menschen – quängelnde, klagende Wesen, die meinen, die Hand des Herrn sei zu kurz. Wir tun so, als müssten wir die ganzen Nöte der Welt tragen. Wir tun so, als müssten wir die Probleme lösen.
Darum sagt David: Alles muss einstimmen. Alles, was in mir ist, muss Gott anerkennen, seinen Namen erhöhen und preisen. Er ist ein gütiger und freundlicher Herr. Vater ist sein Name. Und dieser Name ist uns in Jesus noch viel größer geworden. Jesus beugt sich zu uns herab, lässt uns nicht los, hält uns Tag für Tag. Sein Bund steht fest und bleibt garantiert bei uns.
Wenn ich das so sagen soll, damit wir es behalten: Sei kein Schussel. Komm endlich auf den Boden der Tatsachen. Das ist Lob. Erkenne das doch endlich einmal in deinem Leben an.
Du hast es oft nicht geglaubt, aber du hast es erfahren in diesem Jahr: Da war der lebendige Herr. Er war gegenwärtig und wird es auch im neuen Jahr sein.
Zweite Ermahnung: Das Gute nicht vergessen
Den zweiten Rat und die zweite Ermunterung, die David gibt, lautet: Denk an das Gute.
Wir erinnern uns leicht an das Böse. Ich bin wirklich der Überzeugung, dass wir uns besonders an das Gemeine und Wehtunde erinnern. Ich würde gerne mit Ihnen einen Test machen: Wenn Sie Ihre Kindheitserinnerungen erzählen, sagen Sie oft, dass Sie noch alles von Ihrer Heimat wissen. Aber es ist eben doch die verlorene Heimat. Ja, Sie erinnern sich an schöne Dinge, wie das Weihnachtsfest mit Ihren Eltern. Doch diese Erinnerungen sind immer mit Wehmut verbunden. Meine Eltern sind jetzt tot, und wir haben eine merkwürdige Gabe: Wir halten auch fest, wo uns Unrecht widerfahren ist.
Bei Ihren Schulerlebnissen werden Sie schnell merken, dass Sie sich an eine falsche Note erinnern, die Sie zu Unrecht bekommen haben. Oder an eine Ohrfeige, die es früher noch gab und die Sie bestimmt unschuldig empfangen haben. Das sind die Erinnerungen, die haften bleiben. An das Böse erinnert man sich mit einem glänzenden Gedächtnis. Das kann man auch noch erzählen, wenn man 80 Jahre alt ist: „Ich war im Religionsunterricht, Herr Pfarrer, und da war auch einer, und seitdem bin ich mit der Kirche fertig.“ Solche Erinnerungen überdecken oft alles andere, was man im Leben empfangen hat.
Darum kann Davids Ermahnung eine gute sein: Denk an das Positive. Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat. Denk an das Gute und Schöne in deinem Leben. Es gab doch auch einige schöne Momente. Ehrlich gesagt gefällt mir diese Art der Vergangenheitsbewältigung nicht, bei der man das Böse verdrängen muss. Ich finde, man macht sich dadurch einen Knoten in die Seele und drückt in der Erinnerung eine weiche Stelle zusammen, um zu sagen: „Daran darf ich doch nicht denken.“
Bei Gott dürfen Sie alles. Sie dürfen ganz Mensch sein und auch an alles Bittere und an alle Wunden der Vergangenheit denken. Ich halte diese Art „Denk positiv“ nicht für ehrlich oder versöhnlich. Sie macht letztlich nur verkrampft – das meint David bestimmt nicht. Er sagt: Denk an das Gute! Das Gute, das du empfangen hast, ist viel größer als alles Bittere.
David hat selbst viel Bitteres erlebt. Wie hat Saul ihm mitgespielt? Wir haben monatelang in unserer Bibelstunde darüber gearbeitet. Wie wurde er missbraucht? Wie wurde ihm das Wort nicht gehalten, das ihm gegeben war? Wie hat er unter Dingen gelitten, die er gar nicht verschuldet hatte? Und trotzdem sagt David: Denk an das Gute! Er erzählt, dass Gott ihm alle seine Sünden vergibt. Darum kann David nicht mehr an das andere denken. Er zählt nicht mehr auf, was andere ihm zugefügt haben.
Er leidet unter der Blutschuld seines Lebens. Das war nicht nur bei Uria so, es gibt noch andere wunde Punkte in Davids Leben. Wer das versteht, kann nicht auf David Steine werfen. David weiß, wie viele Fehler in seinem Leben waren, wie andere Menschen unter ihm gelitten haben, wie er selbst Böses getan hat und wie viel Schuld in seinem Leben war.
David sagt: Ich kann jetzt nur noch Gott loben, weil er heute alle meine Sünden wegnimmt, mich freispricht und alles ausradiert durch seine Vergebung. Dann bin ich frei und brauche nicht mehr davon zu reden. Das ist das Große, das Gute, das Gott tut: Er vergibt dir alle deine Sünden, alle, wirklich alle. Sogar die Blutschuld an Uria, sogar den schrecklichen Ehebruch mit all seinen furchtbaren Folgen – alles wird vergeben.
Haben Sie das in Ihrem Leben empfangen? Dann machen Sie heute vor Gott reinen Tisch und empfangen Sie das Gute. So wissen Sie: Ich bin in der Hand Gottes geborgen. Ich bin im Frieden mit Gott. Ich gehe in dieses neue Jahr hinein, und seine Hand hält mich.
Und er heilt alle deine Gebrechen. Ist das nicht wunderbar? Alle. Wir haben gebetet für das Leben lieber Menschen, und Gott hat sie zu sich genommen. Wir standen an Krankenbetten, und der Herr hat den Weg zur Gesundheit nicht geschenkt. Aber er heilt alle deine Gebrechen.
David denkt dabei viel weiter. Das Alte Testament hat eine Ewigkeitshoffnung, in der die Lahmen springen werden wie ein Hirsch und wir einen neuen Leib bekommen. Ich weiß, dass Gott heute hier und da Wunder wirken kann, auch körperlich. Wir haben es oft erlebt, wenn wir keine Hoffnung mehr hatten, wie Gott Wunder tut. Doch David denkt noch weiter. Er denkt an eine Zukunft, in der Gott alle Gebrechen heilt.
Liebe Schwestern und Brüder, in dieser Zukunft werden auch alle Tränen endgültig abgewischt. Der andere Trost in dieser Welt ist vorläufig. Gott hat sich vorbehalten, uns in der Ewigkeit die Tränen aus den Augen zu wischen. Darum stimmt es, dass er alle Gebrechen heilt.
Wir freuen uns auf den Tag, an dem alles neu wird. Darum bleibt David nicht bei den Schrecken seines Lebens stehen, nicht bei den täglichen Belastungen. Er sagt: Lobe den Herrn, meine Seele, vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen.
Dritte Ermahnung: Freude am Erreichten und neue Würde
Noch ein letztes: eine Ermunterung, dass David kein Versager sei. Und dann? Denk an das Gute und freudige am Erreichten. Das gehört sonst so zum Jahresende – freudig auf das Erreichte zurückzublicken.
Was haben wir doch alles in diesem Jahr geleistet, was haben wir gewirkt? Eine Bilanz, eine Übersicht: Wie stehen die Aktien? Wo stehen wir mit unserem Leben? Was haben wir? Wie wird das Neue aussehen? David meinte das auch so. Er war ja immerhin König und musste sicher manchen Bericht abgeben. Er hatte noch kein Parlament, aber ein Geschäftsbericht war ihm doch wichtig: Wie lief meine Arbeit? Was habe ich getan? Wie wird das Neue werden? Eine Vorschau auf das Kommende? Nein, das meinte er alles nicht. Denk an das Erreichte.
David war ein nüchterner Mensch, und das gefällt mir an ihm so. Er hatte weniger Angst vor anderen Menschen als vor sich selbst. Ich kann mich erinnern, dass er einmal zu Gott sagte, als Gott ihm erlaubte, Strafen zu wählen: „Bitte nicht in die Hände von Menschen fallen, lieber nur in die Hände von wilden Tieren, aber nie in die Hände von Menschen.“ Die Nüchternheit der Bibel: Was können Menschen einem antun, und was kann in unserem eigenen Herzen Unheimliches sein? Darum fürchtete er sich.
Wie soll die Zukunft weitergehen? Die Weltmächte waren ihm nicht die Gefahr, und das, was um ihn herum geschah, war ihm nicht gefährlich. Sondern die Frage war: Wie kann ich bestehen in diesem Neuen, das vor mir liegt? Und da freut sich David am Erreichten.
Der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit. Wir sind doch, wer wir sind. Doch wer nicht, wenn man sich dauernd irgendwo herausputzt, sich in Positur wirft, angibt und protzt. Das wäre ein Theater, das man nicht mehr vergisst. Doch das alles war äußerlicher Kram. David weiß viel nüchterner, was er ist und wie er versagt. Er braucht nicht das Lob von Menschen und diese Lobhudelei. Er braucht das alles nicht.
Der dich von deinem Leben vom Verderben erlöst. Du stehst am Rande eines Abgrunds, sagt David. Und Gott holt dich immer wieder zurück, immer neu.
Und dann ist es, als wenn in England der Prinz gekrönt wird: Er schreitet feierlich einher, stolz, und denkt: Jetzt bin ich in der großen Tradition. So ist es bei uns: Jetzt hat Gott mein Leben in die Hand genommen. Jetzt ist etwas Neues da. Er will mich gebrauchen für seinen Dienst in der Welt. Ich darf ihm dienen. Mein Leben wird geheiligt, und wenn auch mein Leben vorher geprägt war von viel Bösem, Unrechtem und Unreinem, jetzt steht etwas Neues über meinem Leben – gekrönt mit der Gnade Gottes, mit dem Erbarmen Gottes.
Ich will eine Geschichte erzählen von einem italienischen König. Wie er immer wieder von seinen Geheimräten Urteile bekam und Begnadigungsgesuche. Da schrieb ein Geheimrat außen hin: „Keine Gnade, um sie zu erlassen.“ Und dieser König setzte nur das Komma anders: „Gnade, um ihn freizulassen.“ Das ist der Grund, warum er jetzt frei ist. Er kann loswerden, dass wir ihm erlassen. Er hat nur das Komma anders gesetzt. Der eine wollte sagen: Nein, er hat nichts mehr verdient. Dann kam der andere und sagte: Doch, gerade um der Gnade willen soll die Begnadigung geschehen. Sie ist nicht zu schade an ihm, sie soll ihm widerfahren.
Der dich vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit. Dann schreiten wir mit einer neuen Würde in das Jahr 1981. Denn mit uns gehen Gnade und Barmherzigkeit. Sie werden uns ein Leben lang verfolgen.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes neues Jahr und dass Sie den Herrn loben können mit allem, was in Ihnen ist. Amen.