Einführung: Lebensweisheit eines erfahrenen Gläubigen
Wir haben uns für heute vorgenommen, den Psalm 37 zu betrachten. Ich möchte ihn mit dem Titel „Ratschläge eines Seniors für junge Leute“ überschreiben. Ganz offensichtlich hat David diesen Psalm im hohen Alter verfasst und teilt darin seine Lebenserfahrungen.
Zunächst möchte ich den Psalm vorlesen. Er ist etwas länger, also stellt euch darauf ein. Wer seine Bibel dabei hat, kann Psalm 37 von David aufschlagen.
Der Psalm 37: Aufruf zur Gelassenheit und Vertrauen
Entrüste dich nicht über die Übeltäter und beneide nicht die, die Böses tun. Denn wie das Gras werden sie schnell verdorren, und wie das grüne Kraut verwelken.
Vertraue auf den Herrn und tue Gutes. Wohne im Land, hüte Treue und habe deine Lust am Herrn. So wird er dir geben, was dein Herz begehrt.
Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn. Er wird handeln und seine Gerechtigkeit aufgehen lassen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag.
Sei still vor dem Herrn und harre auf ihn. Entrüste dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann, der böse Pläne ausführt. Lass ab vom Zorn und vom Grimm. Entrüste dich nicht, denn das führt nur zum Bösen.
Die Übeltäter werden ausgerottet, aber die auf den Herrn hoffen, werden das Land besitzen. Noch kurze Zeit, und der Gottlose ist nicht mehr. Sieh dich um nach seiner Stätte, doch er ist nicht da.
Aber die Sanftmütigen werden das Land besitzen und sich an Fülle von Heil erfreuen.
Der Gottlose sinnt gegen den Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen gegen ihn. Der Herr aber lacht über ihn, denn er sieht, dass sein Tag kommt.
Die Gottlosen haben das Schwert gezogen und ihren Bogen gespannt, um den Elenden und Armen hinzuschlachten, die aufrichtig wandeln. Doch ihr Schwert wird in ihr eigenes Herz dringen, und ihre Bögen werden zerbrochen.
Das Wenige der Gerechten ist besser als der Überfluss vieler Gottloser. Denn die Arme der Gottlosen werden zerbrochen, aber der Herr stützt die Gerechten.
Der Herr kennt die Tage des Rechtschaffenen, und ihr Erbteil wird ewig bestehen. Sie werden nicht zu Schanden in der Zeit des Unglücks, und in den Tagen des Hungers werden sie gesättigt.
Denn die Gottlosen werden umkommen, und die Feinde des Herrn schwinden dahin wie die Pracht der Auen. Sie schwinden dahin wie Rauch.
Der Gottlose borgt und zahlt nicht zurück. Der Gerechte aber ist gütig und gibt. Denn die von ihm Gesegneten werden das Land besitzen, und die von ihm Verfluchten werden ausgerottet.
Vom Herrn her werden die Schritte eines Mannes gefestigt, und seinen Weg hat er gern. Fällt er, so wird er doch nicht hingestreckt, denn der Herr stützt seine Hand.
Ich war jung und bin auch alt geworden, doch nie sah ich einen Gerechten verlassen, noch seine Nachkommen um Brot betteln. Alle Tage ist er gütig und leiht, und seine Nachkommen werden zum Segen.
Lass ab vom Bösen und tue Gutes, so wirst du für immer im Land wohnen. Denn der Herr liebt Recht und wird seine Frommen nicht verlassen. Ewig werden sie bewahrt, und die Nachkommenschaft der Gottlosen wird ausgerottet.
Die Gerechten werden das Land besitzen und für immer darin wohnen. Der Mund des Gerechten spricht Weisheit aus, und seine Zunge redet Recht.
Die Weisung seines Gottes ist in seinem Herzen, und seine Schritte werden nicht wanken.
Der Gottlose lauert auf den Gerechten und sucht ihn zu töten. Doch der Herr lässt ihn nicht in seine Hand fallen und verurteilt ihn nicht, wenn man ihn richtet.
Harre auf den Herrn und halte seinen Weg ein, dann wird er dich erhöhen, das Land zu besitzen. Wenn die Gottlosen ausgerottet werden, wirst du zusehen.
Ich habe einen Gottlosen gesehen, gewalttätig und sich erhebend wie eine üppige Zeder. Doch man ging vorbei, und siehe, da war er nicht mehr. Ich suchte ihn, doch er war nicht zu finden.
Achte auf den Rechtschaffenen und sieh auf den Redlichen, denn die Zukunft für einen solchen ist Frieden.
Die von Gott Abgefallenen aber werden alle vertilgt, die Zukunft der Gottlosen wird abgeschnitten. Doch die Hilfe der Gerechten kommt vom Herrn, der ihre Fluchtburg ist zur Zeit der Not.
Der Herr wird ihnen beistehen und sie retten. Er wird sie retten von den Gottlosen und ihnen helfen, denn sie haben sich bei ihm geborgen.
Unterschiedliche Verheißungen im Alten und Neuen Bund
Nicht alles, was darin steht, trifft heute noch genauso zu. Wir merken deutlich, dass zur Zeit des Gesetzes, zur Zeit Israels, manche Verheißungen Gottes anders waren als heute für die Gläubigen des neuen Bundes.
Die Gläubigen heute haben himmlische Verheißungen, während die Gläubigen des alten Bundes irdische Verheißungen hatten. Wir haben gelesen, dass die Gerechten jeweils das Land erben werden. Das ist uns heute nicht zugesagt. Unser Bürgertum ist im Himmel und nicht hier auf der Erde.
Das ist vielleicht zunächst eine wichtige Grundvoraussetzung, um diesen Psalm zu lesen und zu verstehen. Dennoch sind die alttestamentlichen Texte auch für uns geschrieben, zur Belehrung. Wir können darin Grundprinzipien Gottes erkennen, die auch heute noch gültig sind.
Das Thema Ärger und Umgang mit Emotionen
Als ich diesen Psalm gelesen und studiert habe, kam mir etwas in den Sinn. Ich dachte: Das Thema ist „Mensch, ärgere dich nicht“. Wann hast du dieses Spiel zuletzt gespielt? Vielleicht mit den Enkeln oder den Kindern? Oder in der Seniorenstunde? Ja, genau! In unserem Alter hat man sich daran gewöhnt, sich nicht mehr zu ärgern. Es ist ja nur ein Spiel.
Aber ganz offensichtlich kennt jeder den Titel dieses Spiels und weiß, wie leicht man sich ärgern kann. Kinder müssen gerade bei solchen Spielen lernen, einzuschätzen, wann sie sich ärgern sollten – oder eben nicht. Sie sollen nicht das Spielfeld abräumen, nur weil sie nicht gewonnen haben.
Der Inhalt dieses Psalms ist: Wie bekomme ich meine Emotionen, meine Gefühle unter Kontrolle? Ich kenne euch nicht gut genug, ich weiß nicht, wie sanftmütig ihr seid oder wie cholerisch. Jeder weiß für sich selbst, ob er leicht explodiert oder alles schluckt. Und innerlich grollt es oft – das gibt es ja auch. Manche fragen mich: „Bist du immer so ruhig?“ Und ich sage: „Weißt du, du siehst nur mein Äußeres. Drinnen brodelt es manchmal.“
Was macht man, wenn man sich über alles ärgert? Im Internet habe ich etwas gefunden, das ich super fand. Versteht ihr das? „Mensch, ärgere dich nie, nur für einen.“ Das ist fantastisch, oder? Da kann man sich nicht ärgern. Das sollte man einführen! Nicht als Gesellschaftsspiel, sondern jeder bekommt so ein Spielfeld. Dann braucht sich keiner mehr zu ärgern.
Das ist so ähnlich, wie jemand mal beim Fußballspielen vorgeschlagen hat: Warum streiten sich da unten 22 Leute um einen Ball? Soll man nicht jedem einen geben? Aber so ist das eben.
Ich habe diesen Spruch vor einiger Zeit gehört und finde ihn großartig: Man kann sich über alles ärgern, ist aber nicht dazu verpflichtet. Und ich habe den Eindruck, wenn man diesen Psalm liest, dann ist das das Thema. Hier wird geschildert, über was man sich alles ärgern kann – und durchaus zu Recht ärgern kann.
Wir leben in einer ungerechten Welt. Dabei geht es uns ja gut, und wir haben eine verhältnismäßig gute Gesetzgebung. Trotzdem passen uns viele Dinge nicht. Wir würden gerne sehen, dass die Politiker vieles verändern. Leider geschieht das in der heutigen Zeit meistens zum Negativen.
Häufige Mahnung: Entrüste dich nicht
Ist euch aufgefallen, welches Wort in diesem Psalm sehr häufig vorkommt? Ich habe es mir einmal unterstrichen.
„Entrüste dich nicht.“
Hier sind viele Verse, die mit Imperativen beginnen, also mit einer Befehlsform. In diesen Versen werden Ratschläge gegeben für ein Leben, das ausgewogen und zufrieden sein kann – trotz der Ungerechtigkeit in unserer Umgebung.
Du kannst dich zum Beispiel über den Baum des Nachbarn ärgern, der seine Zweige über deinen Gartenbaum hängen lässt. Aber sobald dicke Äpfel daran sind, ärgerst du dich doch nicht mehr, oder? Dann ärgert sich der Nachbar, und wir können uns über so vieles ärgern. Doch: entrüste dich nicht.
Wir haben diese vierzig Verse gelesen. Ich werde nicht auf alle eingehen, sonst gäbe es kein Mittagessen. Schauen wir uns zunächst die ersten Verse an. Ich habe den Psalm einmal in sechs Strophen untergliedert.
Erste Strophe: Umgang mit Ärger und Neid (Verse 1-2)
Die erste Strophe würde ich sagen, umfasst die Verse eins und zwei. Sie beginnt mit den Worten: „Entrüste dich nicht über die Übeltäter, beneide nicht die, welche Böses tun.“
Wenn wir unser Menschsein betrachten, merken wir sehr deutlich, dass dies die Punkte sind, mit denen wir am meisten zu kämpfen haben. Man ärgert sich über seine Nachbarn, vielleicht auch innerhalb der Gemeinde, weil die anderen nicht so sind, wie man es eigentlich erwartet. Das ist das Problem, wenn man über sich selbst nachdenkt und merkt, dass man etwas falsch gemacht hat. Dann sucht man immer nach mildernden Umständen. Aber beim Anderen muss sich etwas ändern.
„Sei nicht neidisch.“ Doch was ist Neid? Haben wir das nicht alle? Nein, natürlich nicht. Neid bedeutet, dass man sich mit einem anderen vergleicht und dabei schlecht abschneidet. Das ist leicht, denn man findet immer Leute, denen es besser geht, die schöner sind, gewandter, die etwas besser können, vielleicht artigere Kinder haben oder mehr Einkommen. Man kann sich mit allem Möglichen vergleichen und schneidet meist schlecht ab. In der Regel vergleicht man sich nicht mit Schlechteren.
Wir haben bei uns eine Gefährdetenhilfenarbeit, in der wir uns um junge Männer kümmern, die aus dem Gefängnis oder aus der Drogenszene kommen. Bei ihnen im Bad und auf der Toilette haben wir den Spiegel zugeklebt. Stattdessen hängt dort ein Schild mit der Aufschrift: „Wer einen guten Freund hat, braucht keinen Spiegel.“
Der Spiegel ist etwas Schwieriges, nicht wahr? Man schaut hinein, und je länger man in den Spiegel schaut, desto schlechter geht es einem. Man entdeckt, je länger man hineinsieht, dass man älter wird. Mir geht das so. Je älter ich werde und in den Spiegel schaue, denke ich manchmal: Mein Vater schaut mich an. Ich denke: Boah, so alt bin ich schon. Das ist eigenartig.
Überlege mal, wie du über deinen Vater oder deine Mutter gedacht hast, als sie in deinem heutigen Alter waren. Du hast sie wahrscheinlich als alte Leute gesehen. Aber wir sind doch noch nicht alt, oder? Gisela, bist du alt? Nein. Und ich glaube, das ist schon eine wichtige Sache: Sei nicht neidisch.
David begründet das in Vers zwei, den wir gelesen haben: „Denn wie das Gras werden sie schnell verdorren und wie das grüne Kraut verwelken.“ Er sagt im Grunde: Überlege doch mal, das, worüber du dich aufregst und worauf du neidisch bist, ist vergänglich. Im Himmel wirst du dich darüber nicht mehr aufregen, und im Himmel wirst du auch nicht neidisch sein. Das ist vergänglich.
Warum regt man sich auf, wenn man sich entrüstet oder neidisch ist? Man bekommt doch selbst gesundheitliche Probleme, zum Beispiel Magengeschwüre. Wenn ich neidisch auf einen anderen bin und mich über den Nachbarn ärgere, bestrafe ich doch nicht ihn, sondern nur mich selbst.
David sagt hier: Überlege doch mal, das ist doch vergänglich. Später sagt er: „Herr, ich war jung, und ich bin alt geworden.“ Er scheint also wirklich im Alter diesen Psalm gedichtet zu haben und seine Lebenserfahrung hineingeschrieben zu haben.
Wahrscheinlich war er damals als Jüngster von seinen Brüdern neidisch. Wahrscheinlich ist es so, dass man immer die Älteren vor sich hat. Ich bin in meiner Familie der Zweite, und ich habe immer nachgestrebt. Bis heute habe ich meinen älteren Bruder nicht eingeholt, er ist immer drei Jahre älter als ich. Das ist so. Man kann es nicht ändern.
Im Himmel werden wir dieses Problem nicht mehr haben. Dort gibt es kein Alter mehr. Das ist für mich sowieso ein Rätsel, und ich bin gespannt, wie wir uns dort wiedererkennen werden.
Ihr kennt eure Enkelkinder als kleine Kinder, und die Kinder kennen euch als Oma, Opa oder Tante. Wie wird es im Himmel sein? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, woran wir uns erkennen werden, aber wir werden uns erkennen.
Manchmal würde ich gerne ein Interview führen. Denkt an die drei Jünger, die Jesus mit auf den Berg der Verklärung genommen hat. Dort erschienen Mose und Elija. Haben die Jünger jemals ein Foto von ihnen gesehen? Gab es damals noch nicht. Oder hatten die beiden Namensschilder an? Trotzdem wussten sie sofort, dass es Mose und Elija waren.
Ich würde sie gerne fragen: Woran habt ihr sie erkannt? Ich glaube, so wird es im Himmel sein. Wir werden uns wiedererkennen, obwohl wir uns wahrscheinlich nicht am Äußeren erkennen. Das ist ein Geheimnis.
Ich habe viele Dinge, die ich gerne im Himmel interviewen möchte.
Zweite Strophe: Vertrauen und Treue im Alltag (Verse 3-6)
Die zweite Strophe würde ich sagen, sind die Verse drei bis sechs. Auch das ist noch einmal eine Unterstreichung zu dem ersten Vers: „Entrüste dich nicht und sei nicht neidisch“.
In den Versen drei bis sechs heißt es: „Vertraue auf den Herrn und tue Gutes, wohne im Land und hüte Treue und habe deine Lust am Herrn, so wird er dir geben, was dein Herz begehrt. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er handeln und wird deine Gerechtigkeit aufgehen lassen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag.“
Das ist noch einmal eine Bestätigung des „Denn“ im zweiten Vers. David fügt hinzu, dass es für uns, die wir Gott vertrauen, etwas anderes gibt. Er fordert noch einmal auf: Vertraue, tue Gutes, lebe zuhause und bleibe treu, freue dich am Herrn, befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue ihm.
Dieser Vers 5 ist mir von Kindheitsbeinen an in Erinnerung, und ich habe ihn als ersten aller Bibelverse auswendig gelernt. Warum? Er hing bei uns im Wohnzimmer über dem Klavier, in Holz geschnitten als Bild. „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er handeln.“ Den habe ich Tag für Tag gelesen. Das hat mich durchaus geprägt, zu wissen, dass ich alles, was mich betrifft, bei Herrn Jesus abgeben darf, bei Gott abgeben darf.
Davon handelt auch das Lied, das wir eben gesungen haben: „Befiehl dem Herrn deinen Weg, vertraue auf ihn, so wird er handeln.“ Wie oft ist das in unserem Leben so, dass wir nicht wissen, wie es weitergeht, aber trotzdem vertrauensvolle Schritte tun dürfen.
Wenn ich zurückdenke: Wir hatten schon drei Kinder, ich war als Grafiker in einem Werbestudio angestellt. Dann bekam ich mit, dass mein Chef vorhatte, nach Düsseldorf umzuziehen, um näher am Kunden zu sein. Ich überlegte, ob ich mitziehe oder in Wuppertal bleibe. Ich war Hausmeister und machte Jugendarbeit. Mein Chef war auch gläubig. Er sagte: „Du kannst doch mitgehen, in Düsseldorf gibt es auch eine Gemeinde, das ist doch kein Problem.“ Doch für mich war es ein Problem. Ich sagte mir: Wenn Gott mir nicht jemanden zeigt, der die Nachfolge macht, der die Jugendarbeit übernimmt und der Hausmeister in der Gemeinde wird, dann ist mein Platz hier, und ich bleibe in Wuppertal.
Das bedeutete aber: Was mache ich dann? Ich war froh, dass ich einen gläubigen Chef hatte. Denn in der Werbebranche, in irgendeiner Agentur zu arbeiten, weiß man nicht, welche Aufträge man bekommt und ob man sie mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Also entschied ich mich, wenn mein Chef nach Düsseldorf geht, mich selbständig zu machen.
Ich muss sagen, ich bin ziemlich blauäugig und naiv da hineingegangen. Ich hatte keinerlei kaufmännische Ausbildung. Ich wusste nur, was ins Portemonnaie reingeht und rausgeht. Über Bilanz und so weiter wusste ich nichts.
Wir überlegten damals, ob wir diesen Schritt tun sollen. Wir lasen zum einen diesen Vers: „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er handeln.“ Und wir lasen zu dieser Zeit in unserer stillen Zeit, meine Frau und ich, den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten.
Dann sagte meine Frau zu mir: „Eberhard, eigentlich dürfte es kein Problem sein, wenn Gott ein Zweimillionenvolk 40 Jahre in der Wüste ernähren kann, dann kann er uns fünf Personen auch 40 Jahre bis zur Rente versorgen.“
Daraufhin wagten wir den Schritt und baten Gott: „Bitte, mach deine Verheißung wahr und bring uns bis zur Rente.“ Das hat er gut geschafft. Ich bin dankbar dafür. Es ist noch ein Kind dazugekommen, aber Gott hat das gut hingekriegt.
„Befiehl dem Herrn deinen Weg, vertraue auf ihn.“ Ich glaube, das ist sehr wichtig. In unserem Herzen neige ich auch sonst vielleicht dazu, skeptisch zu sein, zu kalkulieren, abzuwägen, für und wider. Aber Glauben ist ein Schritt des Vertrauens.
Wir haben das später oft noch erlebt, auch als wir die Gefährdetenhilfe gründeten. Wie kauft man ein Haus für eine Gefährdetenhilfe, ohne Geld zu haben? Das wüsste mancher gerne, um mitzuerleben, dass Gott wirklich das Geld herbeigebracht hat. Wir haben Wunder über Wunder erlebt, weil wir gebetet und ihm das anvertraut haben: „Herr, wenn du das willst, dann schaffst du das.“ Und er hat es geschafft.
Ich denke, Paul Gerhardt hat das auch so erlebt, als er das Lied, das wir eben gesungen haben, dichtete: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“
Ich bin dankbar für solche Lieder, die das unterstreichen, was Gottes Wort uns sagt: Wir dürfen Gott vertrauen und dürfen erleben, dass er durchführt.
Dritte Strophe: Geduld und innere Ruhe bewahren (Verse 7-8)
In den Versen sieben bis acht gibt David weitere Ratschläge. Wir haben gelesen: „Sei still dem Herrn und harre auf ihn, entrüste dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann, der böse Pläne schmiedet. Lass ab vom Zorn und lass den Grimm; entrüste dich nicht, es führt nur zum Bösen.“
Dabei fällt auf, dass David diese Ermahnung wiederholt. Wir brauchen diese Aufforderung: Sei still, warte ab, entrüste dich nicht. „Entrüste dich nicht, sei nicht zornig, entrüste dich nicht“ – so klingt es fast, als würde er einem verzagten Menschen immer wieder vorsprechen, bis er es auswendig weiß.
In den Versen neun bis fünfzehn begründet David dann sehr deutlich, warum das so ist. Gott rechnet mit dem Gottlosen ab. Gott wird sich um den kümmern, das ist nicht dein Problem.
Richte deinen Zorn nicht darauf, wenn dein Nachbar einen Mercedes fährt, wenn er ein schöneres Haus hat oder mehr Anerkennung in der Umgebung genießt. Wenn dein Arbeitskollege den Posten bekommt, den du eigentlich haben wolltest, entrüste dich nicht. Gott rechnet mit jedem ab, und du brauchst dich nicht zu fürchten. Halte dich an ihn und sei still.
Das bedeutet nicht, dass man alles runterschlucken muss – das führt zu Magengeschwüren. Runterschlucken erzeugt inneren Groll. Selbst wenn man schweigt, merkt man, ob jemand zufrieden ist oder einen stillen Groll in sich trägt. David macht deutlich: Befiehl dem Herrn deine Sorgen.
Ich habe meinen Vater manchmal gefragt. Er war Reisebruder in den Brüdergemeinden und hat dort Hausbesuche gemacht. Ich fragte ihn oft: „Ist das nicht frustrierend, wenn du durch die Häuser gehst und die Gläubigen besuchst? Du hörst nur Klagen. Jeder beklagt sich und lädt bei dir ab. Wie gehst du damit um?“
Er antwortete: „Junge, wenn du nicht lernst, all diesen Kummer direkt beim Herrn abzugeben, dann gehst du selbst daran kaputt.“ Ich habe das gelernt. Ich muss abgeben, auch wenn ich etwas völlig ungerecht finde – auch vielleicht in der Gemeinde. Ich muss es bei ihm abgeben und sagen: „Herr Jesus, kümmere du dich darum. Das ist nicht mein Ding, das ist nicht meine Gemeinde. Ich bin nicht verantwortlich für meine Nachbarn und die anderen. Mach du das, kümmere du dich darum.“ Damit werde ich innerlich frei.
Im Grunde gibt David diese gleiche Empfehlung: Gott rechnet mit dem anderen ab. Das musst du nicht tun. Du bist nicht der Richter, sondern halte still. Gott wird dich sehen, und Gott sieht dein Herz.
In Vers sechzehn nennt David einen wichtigen Lebensgrundsatz: „Das Wenige des Gerechten ist besser als der Überfluss vieler Gottloser.“ Diese Aussage finden wir mehrfach in den Sprüchen. Lieber auf einer Dachecke wohnen als mit einem zänkischen Weib in einem vornehmen Haus. Besser das Wenige als der Überfluss der Gottlosen.
Das ist auch eine Herausforderung, besonders als Selbständiger. Ich war 36 Jahre selbständig. Man steht im Vergleich zu anderen Konkurrenten und sieht, wie der andere funktioniert. Da darf man nicht neidisch werden, sondern sagen: „Herr Jesus, das, was du mir gibst, ist ausreichend, es reicht.“ Zufriedenheit bedeutet, mit dem zufrieden zu sein, was Gott einem anvertraut.
In der Regel versuchen die meisten Kunden, einen im Preis zu drücken. Natürlich kann man vorher versuchen, beim Angebot etwas draufzuschlagen, damit sie etwas zum Drücken haben, aber auch das funktioniert nicht immer.
Ich habe nur einmal in 36 Jahren erlebt, dass mir ein Kunde sagte: „Das, was Sie gemacht haben, finde ich so gut, ich bezahle Ihnen mehr, als Sie in Rechnung gestellt haben.“ Das hat es gegeben, nicht mal bei einem Gläubigen. Da fährt man nach Hause und fühlt sich, als würde man fliegen. Fantastisch! Aber es gibt auch andere Erfahrungen.
Als Selbständiger stellt man die Rechnung, aber wann bezahlt wird, weiß man nie genau. Ich denke an einen Kunden, für den ich eine Anzeigenkampagne machen sollte – für eine Werkzeugfirma. Ich habe Entwürfe vorgestellt, getextet, Bilder gemacht. Er fand alles fantastisch, und das hätte mich eigentlich kritisch machen müssen. Er sagte: „Ich finde die Sachen gut, aber zurzeit habe ich kein flüssiges Geld. Sind Sie einverstanden, dass ich Ihnen das in einem halben Jahr bezahle?“
Was sagt man da? Besser im halben Jahr als gar nicht. Also habe ich zugestimmt. Nach dem halben Jahr kam aber nichts. Ich schrieb eine Mahnung, es kam keine Reaktion. Dann die zweite Mahnung, wieder nichts. Nach 14 Tagen die dritte Mahnung. Daraufhin kam ein Brief von seinem Anwalt: Er hätte mir nie einen Auftrag gegeben.
Ihr könnt euch vorstellen, wie zufrieden man da ist. Das hat in mir gekocht. In unserer Branche wurden Aufträge oft per Handschlag gemacht, nicht schriftlich. Aber dafür hatte ich keinen Zeugen, nur die Sekretärin, die auf seiner Seite stand. Was macht man da?
Ich habe so reagiert, wie man wohl normal reagiert. Ich ging zum Anwalt. Er sagte: „Kein Problem, ich schreibe dem einen Brief.“ Wir schickten den Brief raus, und es kam der nächste Brief vom Anwalt: „Wir sehen uns vor Gericht.“ Du bist die Ruhe selbst.
Dann gab es eine Konferenz in Dillenburg. Ich fuhr mit meiner Frau hin. Das Thema war 1. Korinther 6. Ich sagte zu meiner Frau: „Komisch, ich kann mich nicht beteiligen.“ Der Inhalt war: „Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“ Es kochte in mir. Wenn es kocht, kann man nichts dazu sagen.
Meine Frau sagte: „Geh doch mal zu deinem Bruder, du wirst ihn kennen, Werner Simon. Er war Personalchef bei Leitz. Frag ihn doch mal.“ In der Konferenzpause ging ich zu ihm und erzählte ihm die Geschichte. Er hörte zu und sagte: „Jungwart, bist du so dumm? Ich dachte, es ist doch dein Recht.“ Er sagte nur: „Was kannst du dir dafür kaufen? Verzichte! Nur dann wird dein Herz ruhig.“
Ich hatte mit einer anderen Antwort gerechnet, aber im Nachhinein war das eine weise Antwort. Noch in der Pause schrieb ich meinem Anwalt und bat ihn, die Klage zurückzuziehen. Er meinte: „Sie sind verrückt.“
In dem Moment war mein Herz frei, aber ich sah kein Geld vom Kunden und musste den Anwalt bezahlen. Trotzdem wurde mir in diesem Psalm etwas sehr Wichtiges bewusst. Was dieser Bruder zu mir sagte: „Was bist du so dumm? Verzichte!“
Das fällt uns schwer. Auch als Christen sind wir oft übertriebene Gerechtigkeitsfanatiker, wenn es um unser Recht geht.
David begründet dann in den weiteren Versen, und das finde ich so schön an diesem Psalm, dass er immer, wenn er etwas sagt, auch die Begründung gibt. Er sagt in Vers 17: „Denn die Arme der Gottlosen werden zerbrochen, aber der Herr stützt die Gerechten. Der Herr kennt die Tage der Rechtschaffenen, und ihr Erbteil wird ewig bestehen.“
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir begreifen: Gott steht darüber, und Gott kommt zu seinem Ziel – auch mit mir und auch mit den anderen. Also nimm dich zurück in deinen Emotionen und in deinen Gefühlen.
Vermächtnis eines Seniors: Lebenserfahrung und Hoffnung (Verse 23-38)
Und dann schreibt er in den Versen 23 bis 38 noch einen längeren Abschnitt aus seinen Erfahrungen als Senior. Es ist sozusagen ein Vermächtnis an die nächste Generation. Man könnte sagen: So wie er können wir Senioren auch sagen, ja, ich war jung und bin auch alt geworden. Doch nie sah ich einen Gerechten verlassen, noch seine Nachkommen um Brot betteln.
Alle Tage ist er gütig und leid, und seine Nachkommen werden zum Segen. Für uns als neutestamentliche Gläubige ist nicht unbedingt gesagt, dass wir nie Not haben. Aber er verlässt uns nicht. Dass Gott gütig ist und leid, dürfen wir wissen.
Er schildert noch weiter: Es lohnt sich, vom Bösen Abstand zu nehmen und Gutes zu tun. Warum? Ich habe einen Gottlosen gesehen, gewalttätig und sich erhebend wie eine üppige Zeder. Man ging vorbei, und siehe, da war er nicht mehr. Ich suchte ihn, doch er war nicht zu finden.
Wahrscheinlich denkt er an Saul, einen Mächtigen, einen Gottlosen, vor dem er zehn Jahre auf der Flucht gewesen ist. Es schien so, als wenn gegen ihn nichts zu machen wäre. Und plötzlich nimmt Gott ihn weg. Das darf uns auch Trost geben. Gott weiß, wann die Zeit ist. Verlass dich darauf.
Er macht noch einmal deutlich in den letzten Versen: Wohin mit meiner Not, wohin mit all der Ungerechtigkeit des Lebens? In diesen beiden letzten Versen sagt er:
Die Hilfe der Gerechten kommt vom Herrn, der ihre Fluchtburg ist zur Zeit der Not. Der Herr wird ihnen beistehen und sie retten. Er wird sie retten von den Gottlosen und ihnen helfen, denn sie haben sich bei ihm geborgen.
Ich muss sagen, dieser Psalm tröstet mich sehr. Das ist sozusagen die Summe der Erkenntnis eines Seniors, der zurückschaut auf sein Leben. Für uns, die älter geworden sind, ist es auch einmal ein Blick in den Rückspiegel des Lebens: Was geben wir der nächsten Generation weiter?
Ich wünsche mir, mein Leben könnte auch so ein Beispiel dafür sein.
Nehmen wir das mit: Entrüste dich nicht. Man könnte das vielleicht auch anders formulieren, nämlich: Entrüste dich. Also bau ab, gib den Ärger und den Zorn beim Herrn Jesus ab.
Paulus sagt es im Philipperbrief so: Seid um nichts besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden. Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus. (Philipper 4,6-7)