Einführung in den Psalm und seine Bedeutung
Ich habe für den heutigen Sonntag Psalm 126 ausgewählt.
„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man unter den Heiden sagen: Der Herr hat Großes an ihnen getan, der hat Großes an uns getan. Sind wir fröhlich? Er bringe zurück unsere Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränenseen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freude und bringen ihre Garben.“
Am liebsten würde ich jetzt nichts mehr sagen. Ich möchte Sie jetzt bloß in der Stille an diesem Wort teilhaben lassen. Sie sollen lauschen, was Gott Ihnen durch dieses Wort ganz persönlich und direkt sagt.
Wie wuchtig und wie gewaltig ist dieser Trost! Wenn manchmal Leute mit uns streiten wollen und fragen: „Ist denn die Bibel wirklich Gottes Wort oder ist das eben auch das Wort von Menschen, irgendwann mal niedergeschrieben?“ Da will ich nichts weiter sagen.
Er sagt: „Lies doch! Lies doch! Hörst du denn nicht? Wo können je Menschen so ein Wort sagen?“
Die Realität der Welt und der Trost Gottes
Diesen Novembersonntagen, am Ende des Kirchenjahres, spürt man immer wieder etwas ganz Besonderes. Von verschiedenen Seiten her kommt das Gefühl auf: die leidervolle Welt, den Schmerz, die Traurigkeit und die Not, die auf uns lastet.
Es wird immer wieder aufgezählt, was alles in unserer Welt geschehen ist – bis hinein in unsere jüngste Geschichte – Schlimmes und Furchtbares. Das kann man nicht bewältigen, man wird nicht damit fertig. Man kann nur davorstehen und den Kopf schütteln.
Aber der gute Herr macht etwas anderes. Der gute Herr nimmt all diese Schrecken der Welt, diese Not, all das, was uns bekümmert, all das Leiden, all das Grauen. All das, was wir sehen, selbst die schreckliche Todesmacht. Und er redet zu uns.
Was für Worte! Worte der unbändigen Freude – wer könnte das je von sich sagen? Wer könnte auf die Idee kommen, in diesem Zusammenhang überhaupt von Freude, von Trost, von Zuversicht, von Lachen zu sprechen? Vom befreiten Lachen, gerade in der Traurigkeit, in der Not, im Verzweifeln und im Zagen?
Man kann das nur aus der Ferne ahnen, wie das einmal sein wird. Freuen Sie sich auch, wenn wir einmal in der Ewigkeit sein werden? Und dann? In der Gegenwart Jesu Christi, wo wir ihn in seiner Schönheit schauen dürfen.
Noch einmal das Lied singen: Vom Herrn, der die Gefangenen frei gemacht hat. Er hat Großes an uns getan, dafür sind wir fröhlich. Ein großes Lob, ein großes Danklied, ein Freudenlied – das lässt uns Gott singen.
Jesus als Trostspender in persönlicher Not
Jetzt habe ich es wieder geteilt und möchte zuerst einmal darüber sprechen. Jesus wird auch mit ihrer Not fertig. Ich zermartere mir oft den Kopf und frage mich, wie es Ihnen heute Morgen zumute sein mag.
Ich weiß von einigen von ihnen, welche Sorgen sie mit sich tragen, wie sie in ihrer nächsten Familie oder sogar selbst schweres Leid erleben. Das ist mir wichtig, um das am Sonntagmorgen einfach auszusprechen. Bei vielen anderen weiß ich es nicht. Manche bringen ihre Sorgen gar nicht über die Lippen.
Das fängt oft schon bei unseren jungen Leuten an, sogar bei den Kindern. Sie leiden unter ihrem Versagen, sind belastet von Minderwertigkeitsgefühlen, haben keinen Mut mehr, sind seelisch zerbrochen und in Tiefen gefangen, aus denen sie sich nicht mehr befreien können.
Das ist oft eine furchtbare Not, und wir spüren, wie hilflos wir sind. Manchmal möchten wir Menschen unsere Liebe, Freundlichkeit und Hilfe spüren lassen, und doch stehen wir so hilflos davor.
Ich bin so froh, dass Jesus in ihr Herz hineinsieht. Das bedeutet, dass Jesus die Menschen sieht. Er sieht, wie sie verschmachtet sind und zerstreut wie Schafe ohne Hirten. Jesus sieht hinein, wie die Menschen jetzt leiden.
Er kennt sie, weiß um ihre Traurigkeit und auch um ihre Sorgen und Ängste. Er weiß, wie sie gedrückt, gejagt und gehetzt sind, wie sie sich sorgen und vor ihnen eine ungewisse Zukunft liegt. Er weiß es.
Die weltweite Not und die Überwindung durch Christus
Und dann, an diesem heutigen Tag, werden wir immer wieder in der Öffentlichkeit daran erinnert: Was ist in unserer Welt los? Es gibt große Not. Wie viele Millionen Menschen wurden und werden hingemordet? Wie viele leiden qualvoll, ohne dass ihnen jemand zur Seite steht? Wie viele Menschen werden entrechtet und übervorteilt? Wie viele verhungern und werden an den Rand gedrängt?
Dieses Leiden durchzieht unsere Welt. Man kann es kaum bewältigen. Man kann stumm davorstehen, man kann trauern, man kann zerknirscht sein und sagen: Das ist furchtbar. Die Ausgebeuteten, die Benachteiligten, die, die zu kurz gekommen sind in der Welt – denken Sie nur, wie viele es sind, seufzend in ihrem Sterben oder die nachts nicht schlafen können, geplagt von Schmerzen, die Kranken.
Es ist ein unendliches Leid, das bis hinein in die Pflegeheime reicht, wo unsere Alten sind. Besonders berührt uns, was Kinder leiden. Das geht uns an unser Herz.
Und was macht das Wort Gottes angesichts all dieses Leids in unserer Welt? Es wird plötzlich gesprochen: Der Herr wird dieses ganze riesige Leid überwinden. Wenn man all das Leid zusammenbeugt, ergibt sich ein riesiger Berg menschlichen Leids in der Welt.
Doch Jesus steht davor und sagt: In dieser Welt habt ihr Angst, aber seid getrost. Seid mutig, seid fröhlich! Ich habe diese Welt überwunden. Und der, der diese Welt überwunden hat, ist der Ostersieger Jesus, der die Todesmacht besiegt hat.
Der christliche Blick auf Leid und Hoffnung
Das ist ein ganz neuer Blick auf die Welt. Wir Christen begegnen auch den traurigen Dingen – sei es persönliche Sorgen, Weltschmerz oder das Leiden angesichts so viel Unrecht in unserer Zeit. Dabei gehen wir ganz anders damit um. Wir gehen mit der großen Freude darauf zu, dass der Sieger Jesus damit fertig wird.
Er hat den Tod entmachtet. Diese Welt mit ihrem unzähligen Leid hat er auf sich genommen. Und er wird alle Tränen von unseren Augen abwischen. Das ist der Ausblick, den wir haben, die große Zuversicht, die vor uns steht.
Wir gehen einer wunderbaren, herrlichen Zukunft entgegen. Jesus wird auch mit unserem Leid fertigwerden.
Persönliche Erfahrungen mit Leid und Trost
Ich war ein junger Student und habe mein erstes Semester an der kirchlichen Hochschule in Bethel studiert. Damals war ich 18 Jahre alt und ging dorthin.
Mir blieb besonders ein großer Eindruck von der Kirche, die Zionskirche in Bethel, im Gedächtnis. Über dem Chor, in dem Bogen, hing die Inschrift: "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird."
In dieser kleinen Zionskirche saßen nicht nur die körperlich schwer verstümmelten Menschen. Dort waren auch Schwerkranke, psychisch Kranke, Depressive, Menschen, die gefallen sind, und Geisteskranke versammelt.
Es kam sogar vor, dass mitten im Gottesdienst jemand einen epileptischen Anfall bekam und zur Seite gelegt werden musste. Das geschah mitten in den herrlichsten Trostworten des Evangeliums.
Man fragt sich: Wie wird es sein, wenn Jesus einmal mit unserer Not und unserem Leiden fertig wird?
Er hat uns dafür so feste Zusagen gegeben: Er wird die Gefangenen Zions erlösen.
Historischer Hintergrund des Psalms und seine zukünftige Erfüllung
Dieser Psalm wurde nach der Rückkehr der deportierten und zwangsverschleppten Bevölkerung aus der babylonischen Gefangenschaft verfasst. Das Bild dazu kennen Sie vielleicht. Es wurde von Schnorr von Karlsfeld gemalt.
Schon als Kind habe ich es bewundert: Die Menschen kommen, ziehen ihre Wägelchen, schieben sogar die Alten darauf, und vor sich sehen sie den Zionshügel, den Tempelberg. Sie jauchzen und freuen sich. Doch wir müssen aufpassen. Das, was Israel damals erlebt hat, ist noch nicht das, wovon dieser Psalm eigentlich spricht.
Darum hat Luther richtig gehandelt, als er es so übersetzte. Wir stehen erst noch vor der wirklichen Erfüllung, wenn der Herr alle Fesseln, die unsere Welt binden, durchschneiden wird. Das ist bisher noch nicht geschehen, liebe Freunde. Auch mit der Auferstehung Jesu ist das noch nicht vollendet.
Wir müssen alle noch durch dieses dunkle Todestal gehen. Wir müssen durch viel Not ins Reich Gottes gelangen. Jeder von uns weiß, dass Gott uns das auch noch zumessen kann: ein gerüttelt Maß, den Becher des Leidens bis zur Neige auszutrinken.
Wir wissen, dass Gott uns wunderbare Wunder schenken kann. Er hilft uns und schenkt uns auch Erfahrungen der Heilung. Trotzdem werden die Fesseln erst dann durchschnitten, wenn er wiederkommt. Der Tod wird erst dann überwunden sein, wenn Jesus zurückkehrt und den neuen Himmel und die neue Erde bringt.
Darauf freuen wir uns, Herr, wenn du die Gefangenen erlösen wirst. Dabei geht es um viel mehr als nur um Krankheitsnöte. Wenn du einmal bei mir diese Fesseln so schneidest, dass ich nicht immer wieder in Versuchungen müde werde und falle, dass mein böses Herz mich nicht immer wieder in die Sünde reißt.
Halte mich doch fest bei dir! Ich sehne mich danach, dich mit einem neuen Leib in der Herrlichkeit loben zu können. Jesus wird mit meiner Not fertig, wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird.
Die Umkehr der Situation durch Gottes Eingreifen
Zweitens ist dann alles auf den Kopf gestellt. Eben noch hört man das Seufzen der Gefangenen.
Vor ein paar Wochen las ich einen ergreifenden Bericht: Der erste afrikanische Bischof Krauter in Nigeria traf im letzten Jahrhundert in England einen englischen Admiral. Dieser Admiral war Kommandant der Ostindischen pazifischen Flotte Englands. Es war der Kreuzer-Kommandant, der einst das Sklavenschiff aufbrach, auf dem Krauter als dreizehnjähriger Junge war.
Krauter beschreibt das Erlebnis, diesen Mann zu treffen, der ihm die Befreiung geschenkt hat. Wissen Sie, das ist ein großer Moment. Man kann verstehen, wie es einem Sklaven ergeht, der frei wird. Wie wird es erst sein, wenn der Herr unsere Fesseln durchschneidet? Dann gibt es kein Klagewort mehr, sondern nur noch Freude, jubelnde Freude und Triumph. Der Herr hat Großes an uns getan, deshalb sind wir fröhlich.
Liebe Freunde, wir stehen gerade in einem Zwischenzustand. Wir wissen, dass der Herr Großes getan hat und seine Hand auf uns gelegt hat. Er hat uns sein Erlösungswort zugesprochen. Wir wissen es, wir glauben es, aber wir sehen es noch nicht. Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir nicht an den Schattenseiten des Lebens stehen bleiben, an dem, was uns bekümmert, an dem Dunklen und Schweren.
Alles, was sie sagen, kann richtig sein. Aber Sie dürfen jetzt schon ausrufen: Der Herr hat Großes an uns getan, deshalb sind wir fröhlich. Wir rühmen uns der großen Taten. Es dauert doch gar nicht mehr lang, dann werden wir es an unserem Leib spüren und sehen können, wie wunderbar seine Erlösung ist und wie groß seine erneuernde Kraft.
Es fängt jetzt schon an. Wir sind mittendrin im Erneuerungsprozess, aber es gibt eine Spannung. Sie müssen aufpassen, denn zum Glauben gehören immer drei Dinge. Wir müssen alle drei gleichzeitig betonen: den Glauben – das ist wichtig –, das Vertrauen ganz auf den Herrn und sein Wort.
Und die Liebe: Ohne Liebe geht kein Christenleben. Glaube, Hoffnung, Liebe. Haben Sie diese spannende Erwartung jetzt? Ach, wann wird das kommen? Und wenn Sie an ein Sterbebett eilen, sind Sie voller spannender Erwartung. Ach, grüß mir die Lieben drüben!
Was bedeutet es, gerade hineinzugehen in die Herrlichkeit? Es ist ein Moment. Dann werden wir sein wie die Träumenden, wenn wir schauen können, was wir geglaubt haben.
Beispiele biblischer Freude trotz Leid
Aber das Schöne ist, dass in der Bibel die großen Glaubenszeugen schon mitten in der Welt, trotz vieler Nöte, mit dem Jubel beginnen.
Ich sehe im Alten Testament die Mutter von Samuel. Sie hat lange gelitten, weil sie in der Ehe benachteiligt war. Ihr Mann Elkanah nahm eine zweite Frau, nur damit er Kinder hat. Sie stand daneben und musste diese Situation ertragen. Damals in Israel war das eine Schande, heute ist das keine Schande mehr – das ist falsch verstanden. Das ist der Punkt, auf den ich hinauswill.
Als sie dann Samuel bekommt, gibt sie ihn am Heiligtum ab. Das war für die Mutter noch einmal ein Schmerz. Das kleine Kind in die Hände der gottlosen Stiefhüter zu geben, wo Hofni und Pinhas waren, war schwer. Aber was macht Hanna? Sie singt ein Loblied von der Macht und Größe ihres Herrn.
So wollen wir es halten, auch in schwierigen Augenblicken. Denn der Herr hat Großes an uns getan. Das andere wird er lösen – wie, wissen wir nicht. Aber er wird es lösen. Der Herr macht tot und lebendig, er führt in die Hölle und wieder heraus. Das ist der wunderbare Lobgesang der Hanna.
Ganz ähnlich ist Maria aus Nazareth. Sie weiß noch gar nicht, wie es werden wird, als Gott ihr zusagt, dass sie schwanger werden und ein Kind gebären wird, das der Heiland der Welt ist. Dann singt sie das herrliche Magnificat: „Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich meines Heils.“
Da steht diese schlichte Frau und singt dieses wunderbare Lied. Das ist die evangelische Marienlehre. Wir wollen in ihre Fußstapfen treten und sagen: Ja, wir wollen. Was wollen wir? Wir wollen den Herrn loben für seine großen Taten und uns an ihm freuen. Wir wollen uns freuen an ihm.
Der Herr hat Großes an uns getan.
Der Glaube gegen die Skepsis der Moderne
Man macht das heute noch immer so verächtlich, und ich möchte nur an die Wurzel erinnern, woher der Spott stammt. Er entstand mit der Ausbreitung der Lehre von Karl Marx und Ludwig Feuerbach. Dort wurde gesagt, man wolle nicht auf ein fernes Jenseits starren. Man wolle Studenten des Diesseits sein und so weiter.
Heute, nachdem wir das elende Spiel gesehen haben, das dieser Sozialismus in der Welt gespielt hat, hinterlässt er ein Meer von Blut. Diese ganzen Ideologen haben die Menschen mit dem Traum verführt, eine neue Welt schaffen zu können, und dabei großes Unheil angerichtet.
Das Allergrößte ist die Frage: Wie können wir in unserer trostlosen Welt den Trost der Ewigkeit vermitteln? Darüber wollen wir offen sprechen.
Wir erwarten die Erlösung unseres Leibes. Wir warten in Gelassenheit und Freude auf das, was noch kommen wird. Das Schönste steht uns noch bevor: die Erlösung unseres Leibes, wenn der Tod vernichtet sein wird. Dann wird es kein Leid, kein Geschrei, keine Qual und kein Unrecht mehr geben.
Wenn dann Leute sagen: „Wird es das wirklich geben? Ist das nicht bloß ein Traum?“, gebrauchte Paulus einmal ein Bild. Ein Evangelist, der auch in Stuttgart viel Frucht gebracht hat, nutzte dieses Bild und sagte: Wenn Kinder sich unterhalten und sagen, morgen soll keine Sonne mehr scheinen, ändert das an den Tatsachen nichts. Die Sonne wird ihnen morgen trotzdem ins Gesicht scheinen, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht.
Wir wissen doch, dass wir uns auf das Kommen Jesu freuen dürfen. Wir harren in großer Freude auf die Umwandlung, die der Herr schenken wird.
Die Hoffnung auf Erneuerung und das Säen in der Gegenwart
Der Herr hat Großes an uns getan, Herr. Unsere Gefangenen gibst du wieder frei, wie du die Bäche im Südland wiederbringst. Was ist das? Das sind die Wadis, die Trockentäler, die im Sommer in Israel austrocknen. Plötzlich, wenn wie jetzt im November die starken Regengüsse kommen, sind sie voll von Wasser.
Herr, lass doch noch einmal Wasser durchfließen. Du kannst das doch tun in unseren trockenen und dürren Zeiten.
Noch ein letztes: Lasst uns an die Arbeit gehen. Es ist interessant, dass der Psalm doppelt sagt: „Jetzt lasst uns tüchtig säen, lasst uns tüchtig säen.“ Ich beobachte, dass Christen in unseren Tagen oft anders reden. Wir hören viele Worte von großen Plänen, was wir vorhaben. Wir wollen die Welt verändern, wir wollen die Welt erneuern. Glauben Sie im Ernst, dass Menschen das können?
Unser 20. Jahrhundert hat den Rekord an Grausamkeit und Unmenschlichkeit aufgestellt. Alle proklamierten Menschenrechte konnten das nur noch dokumentieren. Und selbst das Wort eines Predigers, auch ein Amtswort einer Kirchensynode, reicht nicht weit und verhindert nicht viel.
Wir merken unsere Ohnmacht, wenn wir einen Menschen rehabilitieren wollen, zum Beispiel einen Drogenabhängigen. Wir merken unsere Ohnmacht in der Erziehung, wir merken unsere Ohnmacht, wenn wir versöhnen wollen, wo gestritten wird. Wir merken unsere Ohnmacht in der Entwicklungshilfe, überall. Was können wir tun? Samenkörner säen, Liebe säen, mehr nicht.
Wenn Sie das bewahrt, ist das keine Resignation. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite nimmt man die Schippe so voll, dass man sie kaum mehr hochkriegt, und dann wird man mit der ganzen Arbeit nicht mehr fertig. Dann kommt die Resignation: Was ist mein Leben, und was habe ich mit meinem Leben erreicht?
Lasst uns Saaten der Liebe ausstrahlen – und wenn es sein muss, auch unter Tränen. Nein, da heißt es: Fröhlich sind wir. Das ist wichtig. Wir sind fröhlich, wir möchten fröhlich sein, wir sind fröhlich. Lasst uns, auch wenn uns manchmal die Tränen über die Wangen laufen, fröhlich sein und fröhlich unsere Saat säen.
Menschen von der Herrlichkeit Gottes erzählen von seiner befreienden Macht weiter. Bei ihnen ist das Samenkorn, das andere gestreut haben, auf guten Boden gefallen. Säen Sie weiter! Warten Sie nicht auf schnellen Erfolg. Es dauert oft lang, bis die Saat sichtbar aufgeht und herauskommt.
Das macht uns frei von allen verrückten Träumereien, denn wir haben einen ganz schlichten Auftrag. Der gilt auch für unseren Kirchengemeinderat: Ganz schlicht, lasst uns in der Liebe sehen. Manchmal meint man, alles sei vergeblich – Tränen, Enttäuschung, Tränen.
Bitte nicht der Bitterkeit, nicht der Härte, nicht dem Verzagen verfallen. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen.
Was ist das für eine Sache, wenn man später einmal sagen kann: Aus ihrem Leben ist Frucht für die Ewigkeit erwachsen. Sie haben Menschen den Weg zum Allerwichtigsten weisen dürfen, ans Vaterherz Gottes. Menschen haben die Ewigkeit gefunden. Sie kommen mit Freuden und bringen ihre Gaben.
Wir nehmen nichts mit von unseren Gütern, aber das nehmen wir mit: Frucht für die Ewigkeit, wenn wir Menschen zu Jesus führen dürfen – das Allergrößte.
Abschluss mit einem Zeugnis von gelebtem Glauben
Jetzt möchte ich mit einer Geschichte schließen, die an eine Geschichte anknüpft, die sie alle kennen. Ich habe sie Ihnen neulich erzählt und war selbst so bewegt davon, dass ich sie noch in unserem Fürbitteblatt im Kasten abgedruckt habe.
Es geht um Dr. John Harris in Nebobongo in Ost-Sayir, der in der Lepra-Klinik tätig war. Er war Spezialist und fuhr über das Flugfeld. Niemand weiß genau, wie es passierte: Eine Rohrschleuder schlug durch das Armaturenbrett und zerfetzte sein ganzes Gesicht und seinen Hals. Die Ärzte versuchten, sein Leben zu retten, doch er starb. Anschließend wurde er von den Afrikanern triumphal beerdigt.
Das, was ich dort geschrieben habe, liest der Esslinger Arzt Markus Müller, der ebenfalls in Lippobonco tätig ist. Er sagt, er müsse unbedingt noch erzählen, was John Harris für ihn persönlich bedeutet hat. Mit diesen Worten möchte ich auch schließen.
John Harris und seine Frau Elsie haben uns sehr geholfen. Sie arbeiteten unter viel härteren Bedingungen. Sie erlebten die ganze Revolution mit, während der Frauen vergewaltigt wurden, viele in Haft kamen und geschlagen wurden. Sicherlich haben sie auch mehr Enttäuschungen erlebt als wir.
Trotzdem war John Harris ein lebensfroher Mann, der mit seiner Freude das andere Hospital anstecken konnte. Von mehreren Leuten weiß ich, dass sie in schweren und deprimierenden Tagen nur einen Rat hatten: Gehe zu John Harris und bete mit ihm.
John und Elsie waren für Elke und mich, also für uns als Ehepaar in unserer Einarbeitungszeit, sehr wichtig. Sie haben uns vorgelebt, dass man durch schwere Zeiten gehen kann und dabei nicht kalt und hart wird, sondern herzlich und fröhlich bleibt. Das ist möglich, denn Jesus kann das schenken.
Ich bin jetzt in seine Nachfolge getreten und betreue die Krankenpflege der Lepra-Arbeit in unserer Kirche. Dort erlebe ich, wie John immer für die Krankenpfleger als Seelsorger am wichtigsten war. Das hat seiner ärztlichen und fachlichen Arbeit keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Ich war sehr verblüfft, mitten im Urwald Krankenpfleger der Webra-Mission zu finden, die mir sauber geführte Krankenberichte und Therapiekontrollen zeigten – ein Stück Ordnung in einer Welt des Chaos unter leidenden Krankenpflegern dieser Mission.
Ein Waisenkind namens Hermodus Buendai wurde übrigens einst von Harris bei sich im Haus aufgenommen. Soweit dieses kurze Zeugnis. Ich wollte das einfach einmal loswerden, schreibt Dr. Markus Müller.
Wir leben in einer wunderbaren Zeit, in der Gott noch so großartige Menschen begabt. In dieser Zeit ist jedes einzelne Samenkorn, das im Namen Jesu ausgestreut wird, nicht vergeblich, sondern bringt vielfältige Frucht.
Unser Herr begabt nicht nur einen John Harris dazu, sondern auch Sie. Er segnet Sie. Tun Sie das, solange Ihnen der Herr Zeit lässt in dieser Welt – in der Vorfreude auf die Garben der Ewigkeit.
Amen.
