Einführung in den Brief und Überblick über die Kapitel
Der Brief beginnt dort, wo Paulus immer beginnt, denn das Evangelium ist einfach so: Es beginnt mit dem, was Gott getan hat. Darum steht am Anfang die Verheißung des Evangeliums. Daraus ergibt sich die Verantwortung, die das Evangelium mit sich bringt.
Das Kapitel 2 spricht vom Kampf und von der Arbeit im Evangelium. Gestern Abend haben wir uns mit dem dritten Kapitel beschäftigt, das die Verteidigung des Evangeliums behandelt. Heute Abend beziehungsweise heute Morgen, bei unserem letzten Vortrag, ging es um Kapitel 4, die Verkündigung des Evangeliums.
Stammt Kapitel 4, Vers 5: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst!“
Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen, um auf das hinzuweisen, was ich ganz unten hingeschrieben habe. Die beiden ersten Kapitel legen das Hauptgewicht auf gegenwärtige Schwierigkeiten, in denen Timotheus gerade steht. Die Kapitel 3 und 4 hingegen legen das Schwergewicht auf zukünftige Herausforderungen, also auf das, was noch auf Timotheus und die Gemeinde zukommt.
Die Bedeutung der Erscheinung Christi im Dienst des Paulus
Im ersten und im vierten Kapitel spricht Paulus von der Erscheinung des Herrn. Im ersten Kapitel geht es zunächst um sein erstes Erscheinen. In Vers zehn wird sein Erscheinen in dieser Welt beschrieben, wo er Mensch wurde, um als Mensch in Niedrigkeit Gott zu dienen und seinen Willen zu tun. Er litt für die Sünder, um sie für Gott zu erkaufen und ewige Rettung zu bewirken.
Dann folgt das zweite Erscheinen, das nicht in Niedrigkeit, sondern in Macht und Herrlichkeit stattfindet. Dabei wird er sein Reich aufrichten.
Hier habe ich mich verschrieben: Es sollte „Kapitel 1“ heißen. In Kapitel 1, Vers 18, steht der Ausdruck „an jenem Tag“. In Kapitel 4, Vers 8, steht ebenfalls der Ausdruck „an jenem Tag“. Das zeigt, wie Paulus sein ganzes Leben und seinen Dienst an diesen beiden Tatsachen aufhängt.
Er bezieht sich auf das beidermalige Erscheinen Christi: Sein erstes Erscheinen, um Errettung zu bewirken, und sein zweites Erscheinen, um das Heil, das er gewirkt hat, zu vollenden.
Offensichtlich ist Paulus in seinem Denken, Wandel und Dienst auf diese beiden Tatsachen gegründet. Die Erscheinung Jesu Christi zum Heil und seine Erscheinung, um sein Reich aufzurichten, stellen erst diese Welt und auch uns und unser Leben ins rechte Licht.
Die Offenbarung des Menschen durch das Kommen Christi
Seit Jesus Christus erschienen ist, ist einerseits der Sünder offenbar geworden, dass er wirklich ein Sünder ist. Er hat den Sohn Gottes, das Licht, das in die Welt kam, gehasst.
Das hat den Menschen gezeigt, wie er wirklich ist. Es wurde alles aus ihm herausgeholt, was im Herzen des Menschen steckt: Er hasst Gott, er hasst das Licht. Dies ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht (Johannes 3,19).
Diese Offenbarung geschah durch das erste Kommen Jesu Christi. Gleichzeitig hat dieses erste Kommen ewiges Heil bewirkt für jeden, der glaubt.
Erst dadurch gewinnt unser Leben Bedeutung. Erst dadurch wird auch das Leben eines jeden Menschen bewertet.
Man kann sagen: Seit dem Kommen Jesu Christi gilt, dass die Geburt eines Menschen besser nicht geschehen wäre, wenn er als Ungläubiger sterben muss.
Aber man kann auch sagen: Wohl dem Menschen, der geboren wurde, wenn er in diesem Leben den Sohn Gottes gesucht, geliebt und sich ihm unterworfen hat.
Das Kommen Christi als Tag der Abrechnung und des Ziels
Und das Kommen Jesu Christi bedeutet ebenfalls Folgendes: Für den, der an den Sohn Gottes nicht geglaubt hat, ist das der Tag der Abrechnung, der Tag des Gerichts. Für den, der an den Sohn Gottes geglaubt hat, ist das das großartige Ziel, auf das er zusteuert.
Er kommt vom ersten Kommen Jesu Christi her. Das gibt seinem ganzen Leben die Richtung. Gleichzeitig geht er auf dieses zweite Erscheinen Christi zu, das ihm das Ziel gibt, auf das er zustrebt.
So spricht Paulus jetzt in diesem letzten Kapitel zu Beginn vom Kommen des Richters und Königs. Er unterteilt die Verse eins bis acht als Aufruf zum Dienst. Die Verse neun bis zum Schluss enthalten letzte Anweisungen.
Der Aufruf zum Dienst und die Motivation durch die Autorität Gottes
Lesen wir die ersten acht Verse aus dem vierten Kapitel:
„Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der da richten wird Lebendige und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich: Predige das Wort! Halte daran in gelegener und ungelegener Zeit, überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre.
Denn es wird eine Zeit kommen, in der sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehren aufhäufen werden, wonach es ihnen in den Ohren kitzelt. Sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich den Fabeln zuwenden.
Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten und vollführe deinen Dienst! Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.
Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt. Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir an jenem Tag zur Vergeltung geben wird – nicht allein mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.“
Paulus verwendet Beweggründe, um sich selbst zu bewegen – manchmal sagen wir auch motivieren, doch das bedeutet nichts anderes als bewegen.
Er nennt Beweggründe, um sich zu bewegen. Den ersten Beweggrund will er so ausdrücken: „Ich bezeuge ernstlich.“ Was bezeugt er? Dass du Folgendes tun sollst: Predige das Wort!
Das ist seine Hauptaufforderung. Später, im Vers 5, sagt er: „Tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst!“
Das sind die beiden Hauptaufforderungen. Alles, was er dazwischen und danach sagt, dient lediglich dazu, diesen beiden Aufforderungen Gewicht zu verleihen. Nun, ...
Herausforderungen und die richtige Reaktion im Dienst
Die Motivation in Kapitel drei behandelt schwierige Zeiten, Verführungen, Verführer, Gaukler, die Aushöhlung des Evangeliums, eine Form der Gottseligkeit ohne deren Kraft sowie das Widerstehen von Menschen, die der Wahrheit widerstehen.
Nun ist man natürlich versucht – und Paulus war sicher auch versucht –, nur noch auf diese Schwierigkeiten und Probleme zu reagieren und diese zu bekämpfen. Manchmal ist das auch notwendig. Paulus tut dies ja in seinen Briefen, zum Beispiel im 1. Korinther 5,3-12, im Galaterbrief und im Kolosserbrief. Es ist wichtig, Irrtümer und Gefahren zu benennen und abzuweisen.
Doch das ist nicht das Einzige, was Paulus tut. Vielmehr lehrt er vor allem das Wort und die Wahrheit. So sagt er hier zu Timotheus: Predige das Wort! Werde nicht jemand, der nur überall Brände löschen will. Es gibt Menschen, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, auf Irrtümer hinzuweisen und diese zu bekämpfen.
Das muss zwar auch sein, aber wenn wir nur das tun, erfüllen wir unseren Auftrag hier nicht vollständig.
Die vielfältigen Formen der Verkündigung
Unser Auftrag als Gemeinde, als gesamte Gemeinde, ist es, das Wort zu predigen. Dabei bedeutet Predigen hier nicht nur, vorne zu stehen und vor der Gemeinde, also hinter der Kanzel, zu sprechen. Es umfasst auch das persönliche Gespräch sowie das gemeinsame Bibelstudium in kleineren Gruppen. So können wir das Wort mit anderen studieren und lehren.
Meine Frau redet nie in der Versammlung, weil sie das nicht möchte und es auch nie tun würde. Dennoch predigt sie das Evangelium beständig. Seit mehreren Jahren hat sie regelmäßig Mädchen im Alter von zehn, zwölf oder dreizehn Jahren bei sich, mit denen sie fortlaufendes Bibelstudium macht.
Sie predigt das Evangelium auf diese Weise, und genau das ist unser Auftrag: in der jeweiligen Weise und in dem Bereich, den der Herr uns gibt, das Wort zu verkündigen.
Warnung vor Einseitigkeit und die richtige Balance im Dienst
Wenn eine Gemeinde sich ausschließlich darauf fixiert, alle Gefahren, Verführungen, Verdrehungen und Perversionen der Endzeit zu thematisieren, wird sie einseitig. Dadurch nimmt sie ihren Auftrag nicht wahr. Wir sollen das Evangelium predigen und verteidigen – nicht aus Selbstzweck, nur damit wir ein Evangelium haben, das wir predigen können. Predige das Wort!
Paulus gibt nun Beweggründe, warum wir das tun sollen. Zuerst stellt er Timotheus vor die höchste Autorität, die es gibt: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott.“ So hat Paulus das Gewissen Timotheus’ vor Gott selbst gestellt. Gott will, dass wir es tun. Gott hat es uns aufgetragen, nicht Menschen. Wir tun es, weil Gott es uns aufgetragen hat, vor Gott, vor Christus Jesus. Er hat uns diesen Auftrag gegeben. Darum tun wir es, darum arbeiten wir im Evangelium, darum leben wir für das Evangelium, darum lehren wir die Menschen auf alle Weise.
Dann nennt Paulus weitere Beweggründe, warum wir es mit Ernst tun sollen: Christus Jesus, der richten wird. Er wird richten – Lebendige und Tote. Das Gericht der Lebendigen wird im Buch der Offenbarung beschrieben: all die Gerichte, die der Sohn Gottes und Menschensohn über diese Menschheit bringen wird. Er öffnet die Siegel, das Buch mit den Gerichten, die Posaunen ertönen. Er ist es, der diese Erde richtet und kommt. Aus seinem Munde geht ein scharfes, zweischneidiges Schwert, mit dem er die Gesetzlosen schlagen wird.
Er wird die Lebendigen richten, wenn er kommt, und dann die Toten am Tag der allgemeinen Auferstehung. Paulus spricht auch an anderer Stelle vom Richterstuhl Christi. Das hat seine besondere Bedeutung, soll uns Christen aber beständig daran erinnern, dass unser Herr Richter ist und richten wird. Darum sagt Paulus direkt als Nächstes: „Da wir den Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen.“
Ein weiterer Beweggrund ist seine Erscheinung: Er wird erscheinen. Das ist Ermunterung, dem Herrn zu dienen und sein Evangelium zu verteidigen und zu verkündigen, egal was um uns herum geschieht. Auch wenn Menschen über den Sohn Gottes lächeln, spotten oder ihn verlästern, können sie das jetzt tun, weil er verborgen ist und sie ihn und sein Reich nicht sehen. Er wird aber erscheinen, hervortreten. Der Himmel wird sich zerteilen, und dann wird jedes Auge ihn sehen.
Wir dienen einem verborgenen Herrn und leben in einem verborgenen Reich. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Herr nicht Herr ist oder dass dieses Reich eine bloße Phantasie sei. Es heißt nicht, dass wir von fiebernden Phantasten träumen. Dieses Reich und sein König werden erscheinen.
Noch eine Ermunterung, ein Trost, ein Ansporn, ihm zu dienen: Wenn Christus erscheint, dann erscheint er nicht allein. In Offenbarung 1 steht, dass er mit den Wolken des Himmels kommt. Daniel sah das schon: mit den Wolken des Himmels kam der Menschensohn. Die Wolken sind all die unzähligen Erlösten und Engel, die ihn umgeben. Der Ausdruck „Wolke“ bedeutet einfach eine große Schar. Wir kennen das aus Hebräer 12, Vers 1: „Da wir eine so große Wolke von Zeugen haben.“ Das griechische Wort „Nephele“ wird für eine große Menschenmenge verwendet.
Wer Homer gelesen hat, weiß, dass in der Ilias die Achaier wie eine Wolke gegen Troja stürmten – also eine Wolke steht für eine große Schar. Christus wird mit den Wolken, mit allen Erlösten erscheinen, nicht allein. Wir werden dann mit ihm offenbar werden. Paulus sagt im Kolosserbrief: Wenn Christus unser Leben offenbart wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit, sichtbar werden.
„Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und bei seiner Erscheinung und bei seinem Reich: Predige das Wort!“ Paulus zeigt mit all diesen Ausdrücken, die er aneinanderreiht, dass Timotheus das mit Beständigkeit, Beharrlichkeit, Einsatz und Eifer tun soll. Halte daran fest, in gelegener und ungelegener Zeit, überführen, überzeugen, überreden, strafe – im Sinne von überführen und ermahnen – mit aller Langmut, Beharrlichkeit, Geduld und Lehre.
Georg Whitfield, ein Evangelist des 18. Jahrhunderts, schrieb einmal in einem Brief an einen Mitarbeiter im Evangelium, Howell Harris, Folgendes: Er forderte ihn auf, das Evangelium zu predigen, Gottes freie und ewige, erwählende Liebe vor Augen zu stellen. Dränge die Menschen, im Glauben die vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi sich anzueignen. Rede zu ihnen, ja, rede zu ihnen bis Mitternacht! Von den Reichtümern seiner allgenugsamen Gnade zeige ihnen, was er für ihre Seelen getan hat. Zeige ihnen auf der Landkarte des Wortes Gottes die Reiche der himmlischen Welt und ihre alles übersteigenden Herrlichkeiten. Vergewissere sie, dass all das ihnen gehören wird, wenn sie von ganzem Herzen an Jesus Christus glauben.
Dringe in sie, ihn auf der Stelle zu vertrauen! Durchsetze deine Beschwörungen mit Gebeten, rufe auf diese Weise das Feuer vom Himmel, das Feuer des Heiligen Geistes, herab, sie zu erweichen und vor ihm zu schmelzen! Rede, lieber Bruder, jedes Mal, als sei es dein letztes Mal! „Weine ein jedes Argument heraus und nötige sie gleichsam zu rufen: ‚Siehe, wer uns geliebt hat.‘“ Das ist Leidenschaft.
Nicht alle sind so leidenschaftlich wie Georg Whitfield oder so laut wie Luther. Wir haben verschiedene Charaktere. Johannes Calvin war das Gegenteil von Luther: eher unterkühlt, doch jemand, dessen Leben von einer beständig glühenden Glut verzehrt wurde. Mit ungeheurer Beharrlichkeit arbeitete er im Evangelium und verzehrte sich für das Evangelium. Ganz zuchtvoll, scheinbar ruhig und gelassen, aber eifernd um die Ehre und Herrlichkeit Gottes und das Wohl seines Volkes.
Eigentlich können wir in dieser Sache gar nicht anders als eifern. Auch wenn nicht alle so leidenschaftlich sind wie Whitfield oder so predigen wie Wolfgang Dück. Und nicht alle können mit solcher Wärme reden wie Wilhelm Busch. Aber Eifer für das Evangelium haben – das ist eigentlich etwas, das jedes Kind Gottes hat, wenn es offene Augen hat. Wir können doch gar nicht anders, als für diesen Gott, für dieses Evangelium und auch für Menschen zu eifern.
Macht das zur Zeit und zur Unzeit, zur gelegenen und ungelegenen Zeit! Paulus meint natürlich, dass wir das Evangelium predigen und für das Evangelium leben, egal ob die Zeit, in der wir leben, das gerne hört oder nicht, und egal ob es verboten ist oder nicht. Das Christentum war wenige Jahre vorher verboten worden, und das war „Unzeit“. Die Zeit war ungünstig, aber das heißt nicht, dass wir jetzt aufhören zu predigen – zur Zeit und zur Unzeit.
Er meint natürlich nicht, dass wir das Evangelium im unpassendsten Moment den Leuten aufnötigen sollen. Wenn zum Beispiel eine Hochzeit ist, ist es sicher nicht unsere Sache, auf der Treppe zu warten, bis das Hochzeitspaar herauskommt, und der ganzen Hochzeitsgesellschaft Attraktate zu verteilen. Das wäre unsinnig und taktlos.
Er meint vielmehr: Auch dann, wenn alle Welt dagegen ist, wenn es gefährlich ist, wenn es verboten ist – trotzdem für das Evangelium leben und diese Botschaft mit allen Mitteln verbreiten.
Ich zitiere noch einmal Georg Whitfield. 1739, dem Jahr, in dem die Erweckung in England begann und fast die gesamte anglikanische Kirche sich gegen ihn stellte, ihm alle Kirchen verschloss und alle Kanzeln verweigerte, schrieb er in sein Tagebuch: „Nie war der Widerstand größer und nie richtete meine Predigt mehr aus. Ich hoffe, dass ich es jeden Tag besser verstehe, dass die Predigt des Evangeliums nie und nirgends fehl am Platz ist. Gott sei davor, dass sein Wort gebunden sein sollte, weil einige Kirchen ihre Kanzeln verweigern. Je lauter man mir zu schweigen befiehlt, desto lauter werde ich meine Stimme erheben wie eine Posaune, um den Menschen zu sagen, was sie tun müssen, damit sie ewig gerettet werden.“
Vers 3 nennt einen weiteren Grund, warum wir arbeiten sollen und nicht ablassen dürfen: Denn es wird eine Zeit sein, dass sie die gesunde Lehre nicht ertragen. Also arbeite heute! Die Menschen werden immer weniger die gesunde Lehre ertragen und hören wollen. Die Zeit arbeitet gegen uns.
Die Menschen werden die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich Lehrer aufhäufen, die ihnen in den Ohren kitzeln. Sie wollen nicht mehr die klaren und schneidenden Wahrheiten des Evangeliums hören, sondern nur das, was ihnen schmeichelt und gefällt.
Sollen wir darauf Rücksicht nehmen? Sollen wir das Evangelium abrunden und alle Kanten und Härten wegnehmen, damit es den Leuten schmackhaft wird? Nein! Wir sollen das Evangelium predigen. An der Substanz, an der Botschaft dürfen wir nichts abschwächen – auch wenn immer weniger Menschen es hören wollen oder können.
Dass das, was hier steht, in unserer Zeit mit Händen zu greifen ist, wie es in Erfüllung gegangen ist, ist uns wohl allen klar. Die Ohren kehren sich von der Wahrheit ab, und stattdessen glaubt man an Fabeln. Irgendetwas glaubt der Mensch immer. Glaubt er nicht an einen Schöpfer und die Schöpfung, glaubt er an die Selbstorganisation der Materie. Glaubt er nicht, dass ein ewiger Gott aus dem Nichts schuf, was da ist, glaubt er, dass das Nichts eines Tages entschloss, etwas zu werden.
Das glauben die Leute. Das muss ein besonders glorreicher Tag gewesen sein, als das Nichts beschloss, etwas zu werden. Irgendetwas glauben die Leute immer. Es ist wirklich so, dass die Natur das Vakuum verabscheut. Das ist ein alter physikalischer Grundsatz – ich weiß nicht, ob Physiker hier sind. Sobald ein Vakuum entsteht, drängt alles, was es umgibt, danach, das Vakuum zu füllen.
Wenn die Wahrheit des Christentums, die biblischen Wahrheiten, die Wahrheit des Evangeliums abgelehnt wird, ziehen eben die Fabeln nach. Oder die Fabeln der Psychoanalyse, die nicht erklären wollen, wie der Mensch sei. Diese Fabeln entstanden nicht in der Heidenwelt, sondern dort, wo die Menschen das Christentum kannten und eigentlich wussten: Das Problem des Menschen ist die Sünde. Darum ist er so verbogen und hat all diese Schwierigkeiten – seelisch und anderweitig –, weil er ein Sünder ist. Nicht, weil in der Kindheit Dinge passiert sind, die er nicht einmal versteht.
Wenn man nicht glauben will, was man eigentlich weiß, wird man den Fabeln glauben.
Weil das immer mehr zunimmt, sagt Paulus: Darum predige das Wort! Halte diesen Fabeln die Wahrheit des Wortes Gottes entgegen. Passe dich nicht den Erwartungen der Leute an, komme ihnen nicht entgegen, verschweige nicht, was sie nicht hören wollen – predige die Wahrheit!
Dann der Appell in Vers 5: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst!“ Das ist ein Befehl. Uns ist aufgetragen, unseren Dienst zu vollführen.
Vorher sagt Paulus: „Sei nüchtern in allem, leide Trübsal.“ Mir gefällt, wie er diese beiden Aufforderungen verbindet. Sei nüchtern und erleide Widerwärtiges. Es ist unnüchtern – wie wir am zweiten Abend gesehen haben – zu erwarten, dass wir als Christen keine Schwierigkeiten, Anfeindungen oder Bedrängnisse haben. Es ist unnüchtern, die Dinge nicht im Lichte des Wortes Gottes zu sehen – wie diese Welt ist, wer der Fürst dieser Welt ist, wie diese Welt dem Evangelium gegenübersteht. Es ist Feindschaft.
Darum wollen wir nüchtern sein und auch Widerwärtigkeiten erleiden. Das Werk eines Evangelisten tun – nicht jeder ist ein Evangelist, aber am Evangelium mitarbeiten können, dürfen und sollen alle.
Die Verse 6 bis 8 geben eine weitere Begründung, den Dienst zu tun. Timotheus, vollführe deinen Dienst! Paulus sagt: „Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt, die Zeit meines Abscheidens ist gekommen.“ Jetzt musst du das Zeugnis weiterführen, die Fackel übernehmen, die Fackel des Zeugnisses weitertragen. Ich bin nicht mehr da.
Der Ausdruck, den Paulus hier für sein Ende verwendet, ist das „Trankopfer gesprengt“, ein Gussopfer ausgegossen. Im Griechischen steht nur ein Wort, „spendomai“, das heißt so viel wie „ich werde ausgegossen, als Gussopfer“. Das ist wie das Gussopfer von Öl oder Wein, das man den alttestamentlichen Opfern beifügte.
Paulus stellt uns hier ein eindringliches Bild vor Augen: Er vergleicht sich mit einer Schale, in der Flüssigkeit ist, die beim Kippen ausläuft. Ein schönes Bild für das Ende, für den Tod.
Offensichtlich ist das für Paulus kein Schrecken. Für den Gottlosen ist der Tod ein Schrecken, weil er alle Kraft verliert, jede Beherrschung über sich selbst, alles wird ihm genommen. Er fällt einfach. Wohin? Das ist das Furchtbare am Tod für den Gottlosen.
Hier sehen wir den Heiligen, der seinen Gott kennt. Für ihn ist das ein Gedanke, der ihn mit Freude und Wonne erfüllt. Es wird der Tag kommen, an dem ich endlich allen Widerstand verlieren werde und mich vollkommen meinem Gott ergeben kann.
Ich hoffe, wir alle beten immer wieder darum und ringen darum. Es soll uns ein beständiges Brennen im Herzen sein: Oh Gott, du weißt, ich will dir gefallen, ich will deinen Willen leben. Doch wir haben alle noch Widerstand, der sich zeigt, auch wenn er hoffentlich mit den Jahren weniger wird. Es ist immer noch Widerstand da, etwas, das sich sträubt, sich völlig dem Herrn auszuliefern.
Aber der Tag wird kommen, an dem jeder Widerstand hinweg ist. Dann werden wir wie ein Gussopfer, wie Wasser, das aus der Schale fließt, vollkommen im Willen Gottes aufgehen. Wunderschön, das zu wissen! Und das ist für Paulus kein Schrecken, sondern ein freudiges Wissen.
Die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Das griechische Wort ist „Analyse“ – der Tag meiner Ablösung. „Analysis“ kann auch Aufbruch bedeuten, wenn ein Schiff im Hafen ablegt oder wenn ein Lager aufgelöst wird, um aufzubrechen.
In einem weiteren Sinne ist es auch eine „Analyse“ im philosophischen Sinn, ein Begriff aus der Sprache Platons und anderer Philosophen. Der Tod ist der Tag der Auflösung vieler unbeantworteter Fragen.
Viele Fragen unseres Lebens bleiben unbeantwortet – grundsätzliche Fragen, die Ratschlüsse Gottes, aber auch persönliche Rätsel. Wir verstehen manches nicht, können nicht begreifen, wozu manches gut sein sollte. Es kommt ein Tag der Auflösung, wenn wir beim Herrn sind.
So sieht Paulus diesem Tag gefasst, ja freudig entgegen. „Jetzt ist der Tag meiner Ablösung gekommen.“
Einer der Märtyrer unter Maria der Blutigen, der katholischen Herrscherin Englands, die versuchte, die Reformation zu ersticken, war Nicholas Ridley. Er wurde am 16. Oktober 1555 verbrannt. Er schrieb einem Mitgefangenen: „Wir wollen den Tod nicht fürchten, der uns kein Leid tun kann, außer unserem Fleisch für einen Augenblick. Wehe zu tun! Denn unser Glaube, der im Wort Gottes befestigt und verankert ist, sagt uns, dass wir bald nach dem Tod in Frieden sein werden, in den Händen Gottes, in Freuden und Trost, dass wir aus dem Tod geradewegs ins Leben eingehen werden.“
Daher nennt Paulus sein Ende nur eine Auflösung oder Ablösung. Er meint genau diese Stelle.
Im Vers 7 sagt Paulus: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ Einige Jahre zuvor, vor seiner ersten Gefangennahme, etwa im Jahr 57, hatte er schon gesagt (Apostelgeschichte 20,24): „Ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den mir der Herr Jesus gegeben hat, zu verkündigen, das Evangelium der Gnade Gottes.“
Das war sein Vorsatz, nach dem er lebte. Jetzt kann er am Ende sagen: „Ich habe den Lauf vollendet.“ Wir beneiden ihn, dass er das sagen konnte.
Es geht hier nicht darum, dass er bis zum Schluss gläubig geblieben ist und nicht verloren ging. Solche kümmerlichen Lehren hat Paulus weder geglaubt noch je gelehrt. Es ging ihm darum, den Dienst und Auftrag, den Gott ihm gegeben hatte, zu vollenden.
Gott hat uns allen einen Lauf und einen Auftrag gegeben, den wir vollenden sollen. „Vollführe deinen Dienst!“ Ich weiß nicht, ob wir das auf dem Herzen tragen, ob wir schon gebetet haben: „Oh Gott, hilf, dass ich den Lauf vollenden kann.“
Manche denken dann, sie seien sicher im Himmel. Das meint Paulus nicht. Die Sache liegt in Gottes Händen, dass wir errettet sind. Aber der Dienst und Auftrag sollen vollendet werden.
Glücklich ist, wer sagen kann: „Ich habe den Lauf vollendet.“
Jemand, den ihr gut kennt, sagte einmal zu diesem Vers: Nein, Paulus sagt hier nicht, dass er gläubig geblieben sei bis zum Schluss. Er sagt: „Der Herr bewahre uns vor solcher Micky-Maus-Auslegung der heiligen Schrift.“ Ihr wisst wahrscheinlich, wer das war.
Paulus sagt: „Ich habe die Glaubenslehre bewahrt.“ Darum geht es in diesem ganzen Brief – um viel Größeres. Die Sache des persönlichen Heils ruht in Gottes Händen. Das ist nicht der Kummer des Paulus.
Sein Kummer war – und das soll auch unser Kummer sein – dass wir die Glaubenslehre bewahren. Darum wollen wir bewahren, damit wir etwas haben, das wir in dieser Welt verkündigen können: das Evangelium. Denn nur das Evangelium ist die Kraft Gottes.
Ein dem Menschen angepasstes und zurechtgebogenes Evangelium ist nicht die Kraft Gottes. Darum müssen wir den Glauben bewahren, die Glaubenslehre kennen, uns darin vertiefen und diesen Glauben lehren und verkündigen.
Möge uns dieses Verlangen gegeben sein und möge es uns zu einem dringenden Ernst werden, die Glaubenslehre zu bewahren. „Ich habe den Glauben bewahrt.“
Dann kann Paulus sagen: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit.“ Das ist der Lohn für Treue im Dienst. Er redet hier nicht von der Errettung. Die Rettung ist Gnade, vollständig aus Gnade.
Aber Paulus sagt: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag.“ Das ist Lohn für Treue im Dienst, für das Erfüllen des Auftrags. Und da wird er uns wirklich belohnen.
Wir haben vorgestern schon ein wenig darüber nachgedacht.
Darum will ich nur noch zu folgendem Ausdruck etwas sagen: „Nicht allein mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ Die kommen Jesu Christi lieb haben, sich danach sehnen, dass er kommt: „Herr, ich will bei dir sein! Wann erscheinst du endlich in dieser Welt?“
Die Herrlichkeit wird der Herr belohnen, weil diese Liebe zum Herrn und zu seinem Kommen sie antreibt, für ihn zu leben, ihm zu dienen und für seine Sache zu leben.
Dann folgen in den Versen 9 bis 22 eine Reihe kurzer Bemerkungen und Anweisungen, kurze Hinweise zu verschiedenen Personen und Grüsse.
Vers 9 bis 22:
Befleißige dich, bald zu mir zu kommen! Denn Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen. Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien. Lukas ist allein bei mir.
Nimm Markus und bringe ihn mit dir, denn er ist mir sehr nützlich zum Dienst.
Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.
Alexander der Schmied hat mir viel Böses erzeigt. Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.
Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich. Es werde ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, auf dass durch mich die Predigt vollbracht werde und alle, die aus den Nationen hören möchten. Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.
Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich, welchem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
Grüße Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus habe ich in Milet krank zurückgelassen. Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen!
Es grüßt dich Eubulus und Pudens und Linus und Claudia und die Brüder alle. Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist. Die Gnade sei mit euch.
Das ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen. Ich habe mich vor Jahren einmal gefragt: Wo würde mein Name hier erscheinen? Wessen Platz würde ich ausfüllen? Was hätte Paulus über mich gesagt?
Demas hat mich verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat. Er hat Paulus verlassen, weil ihm das Leben zu extrem, zu einseitig oder zu fixiert erschien. „Das Leben bietet doch auch noch anderes, nicht nur immer das Evangelium“, dachte er. So ging er nach Thessalonich.
Dann nennt Paulus Crescens und Titus, ohne die Ursache zu nennen. Wir nehmen an, dass sie im Auftrag des Evangeliums gingen: Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.
Lukas ist allein bei mir. Es freut einen, das zu lesen. Lukas steht zum Apostel, bleibt bei ihm. In Kolosser 4,14 nennt Paulus ihn den geliebten Arzt, den geliebten Lukas. Treue ist etwas, das froh macht. Untreue hingegen ist erbärmlich.
So steht Lukas einfach zum Apostel, auch wenn andere ihn verlassen haben. Ich weiß nicht, was Paulus über dich oder mich gesagt hätte.
„Nimm Markus und bringe ihn mit dir! Er ist mir nützlich zum Dienst.“ Eine ungeheure Empfehlung. Paulus hatte sich einmal ziemlich über Markus empört und ihn abgeschrieben: „Nein, der kommt nicht mehr mit, den kann ich nicht brauchen.“ Jetzt sagt er: „Nützlich zum Dienst!“ Niemand soll schlecht von Markus denken. Er war offensichtlich nützlich.
Vers 12: Tychikus habe ich nach Ephesus gesandt. Das war keine Kleinigkeit, von Rom nach Ephesus zu reisen. Doch Tychikus ließ sich senden.
Hätten wir uns senden lassen? Wochenlang mit dem Schiff unterwegs, alles liegen lassen, gerade hier etwas aufbauen und dann schon wieder gehen? Können wir eigene Interessen zugunsten höherer Interessen zurückstellen?
Paulus ist ein vollendeter Gentleman, wie Harold St. John sagt. Er weiß, dass es Timotheus nicht leicht sein wird, Ephesus zu verlassen. Timotheus ist in Ephesus. Paulus fordert ihn auf, sich zu bemühen, zu kommen. Er weiß, dass es Timotheus Sorgen macht, die Gemeinde zurückzulassen. Paulus hat daran gedacht: „Ich habe Tychikus nach Ephesus gesandt.“ So kann Timotheus entlastet gehen.
Vers 13: Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ – vielleicht bei der Verhaftung, als es so schnell ging, dass Paulus nicht einmal sein persönliches Reisegepäck mitnehmen durfte – bringe mit. Es ist Winter oder der Winter kommt, und dann wird es kalt.
Paulus ist kein Fakir oder Buddhist, der empfindungslos sein will und über allen menschlichen Empfindungen steht. Paulus konnte weinen und freute sich über die Tränen anderer. Er wusste, was es heißt, Hunger und Durst zu leiden und zu frieren. Er sagt: „Ich friere, für mich freut euch den Mantel!“
Das Christentum ist keine asketische Religion, macht uns nicht empfindungslos und entrückt uns nicht von menschlichen Empfindungen. Es lässt uns womöglich noch viel tiefer empfinden als zuvor.
Dann bittet Paulus auch um Bücher, besonders die Pergamente. Er war offensichtlich bis an sein Lebensende ein Lernender.
Vers 14 und folgende: Paulus muss von Alexander dem Schmied sprechen. Das ist traurig. Muss es das geben? Menschen wie Alexander, die nichts Gescheiteres wissen, als Paulus zu quälen und ihm Böses zu tun?
Im Volk Gottes gibt es solche Leute, die nichts Gescheiteres wissen, als andere zu quälen und Leid zuzufügen. Genau das hat Alexander getan. Wir wissen nicht, was genau, aber Paulus sagt, er hat ihm persönlich viel Böses getan.
Paulus sagt: „Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken.“ Es gibt Fälle, in denen auch Christen, auch ein Mann Gottes wie Paulus, nicht sagt: „Der Herr rechne es ihm nicht zu.“ Hier sagt er: „Der Herr möge es vergelten.“
Wir sollten nicht denken, Paulus sei rachsüchtig. Sonst hätte er Briefe geschrieben und gesagt: „Holt euch diesen Mann!“ Nein, er sagt einfach: „Überlasst ihn dem Herrn. Der Herr wird ihn zu seiner Zeit auf seine Weise anfassen.“ Mehr kann Paulus nicht sagen.
Es gibt solche Leute, mit denen man nicht weiterkommt. Wir können nur sagen: „Der Herr wird ihn anfassen an seinem Tag.“ Wir überlassen es dem Herrn. Wir regen uns nicht mehr auf, auch wenn es wehgetan hat.
Vers 15 zeigt, dass Alexander unverbesserlich war. Er hat unseren Worten sehr widerstanden, nicht nur Paulus’, sondern mehreren. Er hatte immer Recht, sehr widerstanden.
Paulus warnt: „Hüte dich vor ihm!“ Es gibt solche Leute auch im Volk Gottes. Man kann nur sagen: „Geh aus dem Weg! Hüte dich vor ihm!“ Er wird dich schädigen, ausnutzen, für seine Interessen einspannen und dir Böses tun.
Nicht einmal Paulus wusste, was er tun sollte. Auslosten fruchtete nichts. Man konnte nichts mehr machen. Es gibt solche Leute.
Vers 16: Paulus macht wichtige Unterschiede, wo man sie machen muss. Er spricht von Versagen und Sünde von Brüdern. „Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei.“ Das war Sünde. Sie ließen Paulus allein, das war lieblos und unbrüderlich.
Aber Paulus sagt: „Es werde ihnen nicht zugerechnet.“ Er konnte unterscheiden zwischen Sünden, die einander aus Schwäche tun. Wir sündigen oft aneinander. Da müssen wir mit Paulus sagen können: „Der rechne es ihnen nicht zu!“ Einfach vergessen, ablegen, nicht mehr aufgreifen.
Anders ist es, wenn Leute beharrlich Böses tun. Das ist etwas anderes. Oft können wir das nicht unterscheiden. Jemand hat sich an uns versündigt, wir reagieren fleißig oder unvorsichtig, tragen es ihm nach, bis er es geklärt hat und um Vergebung gebeten hat.
Das zerstört Gemeinschaft. Wir müssen einander Dinge verzeihen, auch wenn wir einander Unrecht tun – aus Schwäche oder Unachtsamkeit. Dann müssen wir wirklich von Herzen sagen: „Der rechne es ihnen nicht zu!“ Möge der Herr das ganz tilgen und wegnehmen!
Vers 17: „Der Herr aber stand mir bei.“ Paulus verwendet hier den griechischen Aorist „parästäl“, der den dramatischen Augenblick festhält. Die Brüder verließen ihn, und da stand er, musste sich verantworten. Da kam der Herr und trat ihm zur Seite.
Was für ein Herr! Wie wunderbar! Er lässt uns nicht allein. Der Herr trat mir zur Seite und stärkte mich. Er stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht werde.
Paulus konnte sich nicht verteidigen oder herausreden. Nein, er drehte den Spieß um. Er stand vor einem Richter, der über Millionen Menschen verfügte und mit einem Wink Leben auslöschen konnte. Am Ende wurde den Leuten bewusst, dass sie vor einem Richter stehen und sich verantworten müssen.
Paulus konnte ihnen das Evangelium predigen, auch alle aus den Nationen, die hören wollten. Zudem musste er diesen Brief noch schreiben, um seinen Dienst zu vollenden.
Er sagt: „Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.“ Es kam nicht zur erwarteten sofortigen Verurteilung und Hinrichtung, und so konnte er den Brief schreiben.
Die Zuversicht des Apostels in seinen letzten Worten: Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich, dem die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit gehört.
Das war das beständige Brennen im Herzen dieses Mannes: Mein Gott soll verherrlicht werden, Christus mein Retter soll erhöht werden.
Er hatte das schon aus seiner ersten Gefangenschaft geschrieben: „Ob ich jetzt hingerichtet werde oder am Leben bleibe – wie es auch kommt, Christus soll gepriesen werden, sei es durch Leben, sei es durch Tod.“
Ihm sei die Herrlichkeit! Das könnte man über das ganze Leben des Apostels schreiben: Christus soll gepriesen werden.
Dann erwähnt Paulus einzelne Geschwister, die er persönlich kennt, und auch Geschwister in Rom. Er grüßt Priska und Aquila, die in Ephesus sind, und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus hat er krank in Milet zurückgelassen.
Er bittet Timotheus: Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen!
Dann einige Grüße: Eubulus, Pudens, Linus und Claudia grüßen. Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!
Diese Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen ist sehr interessant. Ich habe mich gefragt: Wo würde mein Name hier stehen? Was hätte Paulus über mich gesagt?
Demas hat Paulus verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat. Er fand das Leben zu extrem, zu einseitig, zu fixiert. „Es gibt doch auch anderes, nicht nur immer das Evangelium“, dachte er. Er ging nach Thessalonich.
Dann nennt Paulus Crescens und Titus, ohne die Ursache zu nennen. Wir nehmen an, dass sie im Auftrag des Evangeliums gingen: Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.
Lukas ist allein bei Paulus. Es freut einen, das zu lesen. Lukas steht zum Apostel, bleibt bei ihm. In Kolosser 4,14 nennt Paulus ihn den geliebten Arzt, den geliebten Lukas.
Treue ist etwas, das froh macht. Untreue ist erbärmlich. So steht Lukas einfach zum Apostel, auch wenn andere ihn verlassen haben.
Ich weiß nicht, was Paulus über dich oder mich gesagt hätte.
Dann: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir! Er ist mir nützlich zum Dienst.“ Eine ungeheure Empfehlung. Paulus hatte sich einmal ziemlich über Markus empört und ihn abgeschrieben: „Den kann ich nicht brauchen.“ Jetzt sagt er: „Nützlich zum Dienst!“ Niemand soll schlecht von Markus denken.
Vers 12: Tychikus habe ich nach Ephesus gesandt. Das war keine Kleinigkeit, von Rom nach Ephesus zu reisen. Doch Tychikus ließ sich senden.
Hätten wir uns senden lassen? Wochenlang mit dem Schiff unterwegs, alles liegen lassen, gerade hier etwas aufbauen und dann schon wieder gehen? Können wir eigene Interessen zugunsten höherer Interessen zurückstellen?
Paulus ist ein vollendeter Gentleman. Er weiß, dass es Timotheus nicht leicht sein wird, Ephesus zu verlassen. Timotheus ist in Ephesus. Paulus fordert ihn auf, sich zu bemühen, zu kommen. Er weiß, dass es Timotheus Sorgen macht, die Gemeinde zurückzulassen. Paulus hat daran gedacht: „Ich habe Tychikus nach Ephesus gesandt.“ So kann Timotheus entlastet gehen.
Vers 13: Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ – vielleicht bei der Verhaftung, als es so schnell ging, dass Paulus nicht einmal sein persönliches Reisegepäck mitnehmen durfte – bringe mit. Es ist Winter oder der Winter kommt, und dann wird es kalt.
Paulus ist kein Fakir oder Buddhist, der empfindungslos sein will und über allen menschlichen Empfindungen steht. Paulus konnte weinen und freute sich über die Tränen anderer. Er wusste, was es heißt, Hunger und Durst zu leiden und zu frieren. Er sagt: „Ich friere, für mich freut euch den Mantel!“
Das Christentum ist keine asketische Religion, macht uns nicht empfindungslos und entrückt uns nicht von menschlichen Empfindungen. Es lässt uns womöglich noch viel tiefer empfinden als zuvor.
Dann bittet Paulus auch um Bücher, besonders die Pergamente. Er war offensichtlich bis an sein Lebensende ein Lernender.
Vers 14 und folgende: Paulus muss von Alexander dem Schmied sprechen. Das ist traurig. Muss es das geben? Menschen wie Alexander, die nichts Gescheiteres wissen, als Paulus zu quälen und ihm Böses zu tun?
Im Volk Gottes gibt es solche Leute, die nichts Gescheiteres wissen, als andere zu quälen und Leid zuzufügen. Genau das hat Alexander getan. Wir wissen nicht, was genau, aber Paulus sagt, er hat ihm persönlich viel Böses getan.
Paulus sagt: „Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken.“ Es gibt Fälle, in denen auch Christen, auch ein Mann Gottes wie Paulus, nicht sagt: „Der Herr rechne es ihm nicht zu.“ Hier sagt er: „Der Herr möge es vergelten.“
Wir sollten nicht denken, Paulus sei rachsüchtig. Sonst hätte er Briefe geschrieben und gesagt: „Holt euch diesen Mann!“ Nein, er sagt einfach: „Überlasst ihn dem Herrn. Der Herr wird ihn zu seiner Zeit auf seine Weise anfassen.“ Mehr kann Paulus nicht sagen.
Es gibt solche Leute, mit denen man nicht weiterkommt. Wir können nur sagen: „Der Herr wird ihn anfassen an seinem Tag.“ Wir überlassen es dem Herrn. Wir regen uns nicht mehr auf, auch wenn es wehgetan hat.
Vers 15 zeigt, dass Alexander unverbesserlich war. Er hat unseren Worten sehr widerstanden, nicht nur Paulus’, sondern mehreren. Er hatte immer Recht, sehr widerstanden.
Paulus warnt: „Hüte dich vor ihm!“ Es gibt solche Leute auch im Volk Gottes. Man kann nur sagen: „Geh aus dem Weg! Hüte dich vor ihm!“ Er wird dich schädigen, ausnutzen, für seine Interessen einspannen und dir Böses tun.
Nicht einmal Paulus wusste, was er tun sollte. Auslosten fruchtete nichts. Man konnte nichts mehr machen. Es gibt solche Leute.
Aber jetzt beachten wir Vers 16: Paulus macht wichtige Unterschiede, wo man sie machen muss. Er spricht von Versagen und Sünde von Brüdern. „Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei.“ Das war Sünde. Sie ließen Paulus allein, das war lieblos und unbrüderlich.
Aber Paulus sagt: „Es werde ihnen nicht zugerechnet.“ Er konnte unterscheiden zwischen Sünden, die einander aus Schwäche tun. Wir sündigen oft aneinander. Da müssen wir mit Paulus sagen können: „Der rechne es ihnen nicht zu!“ Einfach vergessen, ablegen, nicht mehr aufgreifen.
Anders ist es, wenn Leute beharrlich Böses tun. Das ist etwas anderes. Oft können wir das nicht unterscheiden. Jemand hat sich an uns versündigt, wir reagieren fleißig oder unvorsichtig, tragen es ihm nach, bis er es geklärt hat und um Vergebung gebeten hat.
Das zerstört Gemeinschaft. Wir müssen einander Dinge verzeihen, auch wenn wir einander Unrecht tun – aus Schwäche oder Unachtsamkeit. Dann müssen wir wirklich von Herzen sagen: „Der rechne es ihnen nicht zu!“ Möge der Herr das ganz tilgen und wegnehmen!
Vers 17: „Der Herr aber stand mir bei.“ Paulus verwendet hier den griechischen Aorist „parästäl“, der den dramatischen Augenblick festhält. Die Brüder verließen ihn, und da stand er, musste sich verantworten. Da kam der Herr und trat ihm zur Seite.
Was für ein Herr! Wie wunderbar! Er lässt uns nicht allein. Der Herr trat mir zur Seite und stärkte mich. Er stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht werde.
Paulus konnte sich nicht verteidigen oder herausreden. Nein, er drehte den Spieß um. Er stand vor einem Richter, der über Millionen Menschen verfügte und mit einem Wink Leben auslöschen konnte. Am Ende wurde den Leuten bewusst, dass sie vor einem Richter stehen und sich verantworten müssen.
Paulus konnte ihnen das Evangelium predigen, auch alle aus den Nationen, die hören wollten. Zudem musste er diesen Brief noch schreiben, um seinen Dienst zu vollenden.
Er sagt: „Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.“ Es kam nicht zur erwarteten sofortigen Verurteilung und Hinrichtung, und so konnte er den Brief schreiben.
Die Zuversicht des Apostels in seinen letzten Worten: Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich, dem die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit gehört.
Das war das beständige Brennen im Herzen dieses Mannes: Mein Gott soll verherrlicht werden, Christus mein Retter soll erhöht werden.
Er hatte das schon aus seiner ersten Gefangenschaft geschrieben: „Ob ich jetzt hingerichtet werde oder am Leben bleibe – wie es auch kommt, Christus soll gepriesen werden, sei es durch Leben, sei es durch Tod.“
Ihm sei die Herrlichkeit! Das könnte man über das ganze Leben des Apostels schreiben: Christus soll gepriesen werden.
Dann erwähnt Paulus einzelne Geschwister, die er persönlich kennt, und auch Geschwister in Rom. Er grüßt Priska und Aquila, die in Ephesus sind, und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus hat er krank in Milet zurückgelassen.
Er bittet Timotheus: Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen!
Dann einige Grüße: Eubulus, Pudens, Linus und Claudia grüßen. Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!
Diese beiden Wünsche, die Paulus hier ausspricht – ihm sei die Herrlichkeit (Vers 18) und die Gnade sei mit euch (Vers 22) – haben diesen Mann sein Leben lang regiert: Gottes Ehre und das Wohlergehen der Geliebten Gottes.
Was ich so schön finde an diesem Brief: Wenn wir bedenken, wie es Paulus ergeht – eine ganz undankbare Lage –, Leute haben sich von ihm abgewandt, Gemeinden, die er gegründet hat, werden von falschen Lehrern infiltriert, persönliche Feinde tun ihm Böses, und er wird bald hingerichtet.
Wenn wir diesen Brief lesen, merken wir: Dieser Brief ist nicht voll von Paulus, sondern voll von Christus, voll vom Evangelium. Hier redet ein Mann nicht von sich und will, dass alle an ihn denken, wie schlecht es ihm geht und wie ungerecht er behandelt wird – überhaupt nicht.
Paulus ist wirklich ein Mensch in Christus. So nennt er sich an einer Stelle. Das erquickt uns, so etwas zu lesen. Es klingt wie ein Widerhall aus dem Himmel, der uns durch den Apostel ans Ohr dringt.
So anders als alles Menschliche und alles, was Menschen tun oder empfinden.
Ja, das ist der letzte Brief des Apostels, sein letztes Wort an Timotheus, sein letztes Wort an die Gemeinde. Wir wollen diese beiden Sätze noch einmal lesen, und damit schließen wir:
„Ihm sei die Herrlichkeit!“
„Die Gnade sei mit euch!“
Das Gericht Christi als Motivation
Christus Jesus, der richten wird. Er wird richten – die Lebendigen und die Toten. Das Gericht über die Lebendigen wird im Buch der Offenbarung beschrieben. Dort sind all die Gerichte dargestellt, die der Sohn Gottes und Menschensohn über diese Menschheit bringen wird.
Er öffnet die Siegel und das Buch mit den Gerichten. Die Posaunen ertönen, und er ist es, der diese Erde richtet. Wenn er kommt, geht aus seinem Mund ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor, mit dem er die Gesetzlosen schlagen wird.
Er wird die Lebendigen richten, wenn er kommt, und danach auch die Toten am Tag der allgemeinen Auferstehung. Er wird richten.
Paulus spricht an anderer Stelle ebenfalls davon. Er spricht vom Richterstuhl Christi. Das hat eine besondere Bedeutung, aber es soll uns Christen beständig daran erinnern, dass unser Herr Richter ist und richten wird.
Darum sagt Paulus direkt im Anschluss: Da wir den Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen. Dann...
Die Ermutigung durch das zukünftige Erscheinen Christi
Ein weiterer Beweggrund ist seine Erscheinung. Er wird erscheinen. Das ist für uns eine Ermunterung, dem Herrn zu dienen sowie sein Evangelium zu verteidigen und zu verkündigen – egal, was um uns herum geschieht. Selbst wenn Menschen über den Sohn Gottes nur lächeln, spotten oder ihn sogar verlästern, sollen wir standhaft bleiben.
Sie können das jetzt tun, weil er verborgen ist. Sie sehen ihn und sein Reich nicht. Doch er wird erscheinen, er wird hervortreten. Der Himmel wird sich zerteilen, und dann wird jedes Auge ihn sehen.
Wir dienen einem verborgenen Herrn und leben in einem verborgenen Reich. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Herr nicht Herr ist. Es bedeutet auch nicht, dass dieses Reich nur ein Phantasiegebilde sei oder dass der Herr von fiebernden Phantasten erträumt wird.
Dieses Reich und sein König werden erscheinen. Und...
Die Gemeinschaft der Erlösten bei der Erscheinung Christi
Noch eine Ermunterung, ein Trost, ein Ansporn, ihm zu dienen: Wenn Christus erscheint, dann erscheint er nicht allein. In Offenbarung 1 steht, dass er mit den Wolken des Himmels kommt. Siehe, er kommt mit den Wolken – das hat Daniel schon gesehen –, mit den Wolken des Himmels kam der Menschensohn.
Die Wolken sind all die unzähligen Erlösten und Engel, die ihn umgeben. Das sind die Wolken. Der Ausdruck „Wolke“ heißt einfach eine große Schar. Wir kennen den Ausdruck aus einer Stelle im Neuen Testament, Hebräer 12, Vers 1: „Da wir eine so große Wolke von Zeugen haben.“ Das griechische Wort „Nephele“ bedeutet Wolke und wird für eine große Menschenmenge verwendet.
Ich weiß nicht, ob jemand von euch Homer gelesen hat. Griechisch wird ja heute nicht mehr so häufig in den Schulen gelernt. In der Ilias kommt es vor, dass die Achaier wie eine Wolke gegen Troja rannten – eine ganze Wolke von Kriegern. Also steht eine Wolke für eine große Schar.
Christus wird erscheinen mit den Wolken, mit allen Erlösten, nicht allein. Wir werden dann mit ihm offenbar werden – wir mit ihm. Das sagt Paulus im Kolosserbrief: Wenn Christus unser Leben geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbar werden.
Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus bei seiner Erscheinung und bei seinem Reich: Predige das Wort! Dann merken wir, wie Paulus mit all diesen Ausdrücken, die er hier aneinanderreiht, zeigen will: Tu es mit Beständigkeit, mit Beharrlichkeit, mit Einsatz, mit Eifer! Halte darauf, in gelegener und ungelegener Zeit, überführe, überzeuge, überrede. Strafe – im Sinne von überführen, ermahnen – mit aller Langmut, mit Beharrlichkeit, mit Geduld und Lehre.
Georg Whitefield, ein Evangelist des achtzehnten Jahrhunderts, schrieb einmal in einem Brief an einen Mitarbeiter im Evangelium, an Howell Harris, Folgendes: Er forderte ihn auf, das Evangelium zu predigen, stelle ihnen Gottes freie und ewige, erwählende Liebe vor Augen, dränge sie, im Glauben die vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi sich anzueignen. Rede zu ihnen, ja, rede zu ihnen bis Mitternacht! Von den Reichtümern seiner allgenugsamen Gnade zeige ihnen, oh, sage ihnen, was er für ihre Seelen getan hat. Zeige ihnen auf der Landkarte des Wortes Gottes die Reiche der himmlischen Welt und ihre alles übersteigenden Herrlichkeiten und vergewissere sie, dass all das ihnen gehören wird, wenn sie von ganzem Herzen an Jesus Christus glauben.
Dringe in sie, ihm auf der Stelle zu vertrauen, durchsetze deine Beschwörungen mit Gebeten, ruf auf diese Weise das Feuer vom Himmel, das Feuer des Heiligen Geistes, herab, sie zu erweichen, sie vor ihm zu schmelzen. Rede, lieber Bruder, jedes Mal, als sei es dein letztes Mal! „Weine ein jedes Argument heraus und nötige sie gleichsam zu rufen: Siehe, wer uns geliebt hat!“ Das ist Leidenschaft.
Nun, es sind nicht alle so leidenschaftlich von ihrem Gemüt her wie Georg Whitefield, und es sind nicht alle solche Polterer wie Luther. Wir haben verschiedene, verschiedenartige Charaktere. Johannes Calvin war das Gegenteil von Luther – eher unterkühlt und doch jemand, dessen Leben von einer beständig glühenden Glut verzehrt wurde. Mit ungeheurer Beharrlichkeit hat er im Evangelium gearbeitet und sich für das Evangelium verzehrt. Ganz zuchtvoll, scheinbar ruhig und gelassen, aber jemand, der eiferte um die Ehre und Herrlichkeit Gottes und um das Wohl seines Volkes.
Eigentlich können wir in dieser Sache gar nicht anders als eifern. Auch wenn nicht alle so leidenschaftlich sind wie Whitefield oder so predigen wie Wolfgang Dück, und auch nicht alle mit solcher Wärme reden wie Wilhelm Busch – sicher nicht. Aber Eifer für das Evangelium haben, das ist eigentlich etwas, das jedes Kind Gottes hat, wenn es offene Augen hat. Wir können doch gar nicht anders als eifern für diesen Gott, für dieses Evangelium und dann auch eifern um Menschen.
Macht das zur Zeit und zur Unzeit, in gelegener und ungelegener Zeit. Paulus meint hier natürlich, dass wir das Evangelium predigen und für das Evangelium leben, egal ob die Zeit, in der wir leben, das gerne hört oder nicht, und egal, ob es verboten ist oder nicht. Das Christentum war wenige Jahre vorher verboten worden, und das war eine Unzeit. Doch das hieß nicht, dass wir jetzt aufhören zu predigen – zur Zeit und zur Unzeit.
Er meint natürlich nicht, dass wir das Evangelium im allerunpassendsten Moment den Leuten einfach aufzwingen sollen. Wenn zum Beispiel eine Hochzeit ist, dann ist es sicher nicht unsere Sache, auf der Treppe zu warten, bis das Hochzeitspaar herauskommt, um der ganzen Hochzeitsgesellschaft Flugblätter zu verteilen. Das wäre unsinnig, das wäre taktlos. Das meint er nicht mit „zur Zeit und zur Unzeit“, sondern auch dann, wenn alle Welt dagegen ist, und sogar wenn es gefährlich ist, wenn es verboten ist, sollen wir trotzdem für das Evangelium leben und diese Botschaft mit allen Mitteln verbreiten.
Ich zitiere noch einmal Georg Whitefield. Er schrieb 1739 in sein Tagebuch – das war das Jahr, in dem die Erweckung wirklich anfing in England und gleichzeitig sich fast die gesamte anglikanische Kirche gegen Whitefield stellte, ihm alle Kirchen verschloss und alle Kanzeln verweigerte. Er schrieb damals: „Nie war der Widerstand größer, und nie richtete meine Predigt mehr aus. Ich hoffe, dass ich es jeden Tag besser verstehe, dass die Predigt des Evangeliums nie und nirgends fehl am Platz ist. Gott sei davor, dass sein Wort gebunden sein sollte, weil einige Kirchen ihre Kanzeln verweigern. Je lauter man mir zu schweigen befiehlt, desto lauter werde ich meine Stimme erheben wie eine Posaune, um den Menschen zu sagen, was sie tun müssen, damit sie ewig gerettet werden.“
Dann nennt Vers 3 einen weiteren Grund, warum wir arbeiten sollen und nicht ablassen dürfen: Es wird eine Zeit kommen, in der sie die gesunde Lehre nicht ertragen. Also arbeite heute! Die Menschen werden immer weniger die gesunde Lehre ertragen und hören wollen, die Zeit arbeitet gegen uns. Die Menschen werden die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich Lehrer aufhäufen, die ihnen in den Ohren kitzeln.
Sie wollen nicht mehr die klaren und auch schneidenden Wahrheiten des Evangeliums hören, sondern nur noch das, was ihnen schmeichelt, was ihnen gefällt. Sollen wir darauf Rücksicht nehmen? Sollen wir das Evangelium einfach abrunden und alle Kanten und Härten wegnehmen, damit es den Leuten schmeckt? Nein, wir sollen das Evangelium predigen. An der Substanz, an der Botschaft dürfen wir nichts abschwächen, auch dann nicht, wenn immer weniger Menschen es hören wollen oder hören können.
Dass das, was hier steht, in unserer Zeit mit Händen zu greifen ist, wie es in Erfüllung gegangen ist, ist uns wohl allen klar: Die Ohren von der Wahrheit abkehren, und stattdessen glaubt man an Fabeln. Irgendetwas glaubt der Mensch immer. Glaubt er nicht an einen Schöpfer und an Schöpfung, dann glaubt er eben an die Selbstorganisation der Materie. Glaubt er nicht, dass ein ewiger Gott aus dem Nichts schuf, was da ist, dann glaubt er, dass das Nichts eines Tages entschloss, etwas zu werden. Das glauben die Leute. Das muss ein besonders glorreicher Tag gewesen sein, als das Nichts beschloss, etwas zu werden.
Ja, irgendetwas glauben die Leute immer. Es ist wirklich so, dass die Natur das Vakuum verabscheut – das ist ein alter physikalischer Grundsatz. Ich weiß nicht, ob hier Physiker sind: Die Natur verabscheut das Vakuum, und sobald ein Vakuum entsteht, drängt alles, was es umgibt, danach, dieses Vakuum zu füllen.
Wenn die Wahrheit des Christentums, die biblischen Wahrheiten, die Wahrheit des Evangeliums abgelehnt wird, dann ziehen eben die Fabeln nach. Oder auch die ganzen Fabeln der Psychoanalyse. Diese sind ja nicht entstanden in der Heidenwelt, sondern dort, wo die Menschen das Christentum kannten und eigentlich wussten, dass das Problem des Menschen die Sünde ist. Darum ist er so verbogen und schief und hat all diese Schwierigkeiten – seine seelischen und anderen Probleme –, weil er ein Sünder ist. Nicht, weil irgendwelche Dinge in der Kindheit passiert sind, von denen er nicht einmal weiß, was es war.
Wenn man aber nicht glauben will, was man eigentlich weiß, dann wird man den Fabeln glauben. Und weil das immer mehr zunimmt, sagt Paulus: Predige das Wort und halte diesen Fabeln das Wort entgegen, die Wahrheit des Wortes Gottes. Nicht anpassen, nicht den Erwartungen der Leute entgegenkommen und nicht das verschweigen, was sie nicht hören wollen – die Wahrheit. Predige das Wort!
Dann dieser Appell in Vers 5: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.“ Vollführe deinen Dienst! Das sagt der Apostel uns allen, das ist ein Befehl. Uns ist aufgetragen, unseren Dienst zu vollführen.
Vorher sagte er: „Sei nüchtern in allem, leide Trübsal.“ Das gefällt mir, wie er diese beiden Aufforderungen miteinander verknüpft: Sei nüchtern und leide Trübsal, sei nüchtern und erleide Widerwärtiges.
Es ist unnüchtern – das haben wir am zweiten Abend gesehen – damit zu rechnen und zu erwarten, dass wir als Christen keine Schwierigkeiten, Anfeindungen, Bedrängnisse haben. Es ist unnüchtern. Wir sollen nüchtern sein und die Dinge im Licht des Wortes Gottes sehen – wie diese Welt ist, wer der Fürst dieser Welt ist, wie diese Welt dem Evangelium gegenübersteht. Es ist einfach Feindschaft.
Darum wollen wir nüchtern sein und auch Widerwärtigkeiten erleiden. Das Werk eines Evangelisten tun! Nicht jeder ist ein Evangelist, aber am Evangelium mitarbeiten können, dürfen und sollen alle.
Die Verse 6 bis 8 geben eine weitere Begründung für die Aufforderung, das Werk zu tun. Timotheus, vollführe deinen Dienst! Denn ich werde schon als Trankopfer ausgegossen. Die Zeit meines Abscheidens ist jetzt gekommen. Jetzt musst du das Zeugnis weiterführen, die Fackel übernehmen, das Zeugnis weitertragen. Ich bin nicht mehr da.
Diesen Ausdruck, den Paulus hier verwendet für sein Ende, „ich werde als Trankopfer ausgegossen“, das griechische Wort „spendomai“ bedeutet so viel wie „ich werde ausgegossen“, aber als Gussopfer. Das ist wie das Gussopfer von Öl oder Wein, das man den alttestamentlichen Opfern beigab.
Hier stellt uns der Apostel ein sehr schönes, eindringliches Bild vor Augen. Er vergleicht sich mit einer Schale, in der diese Flüssigkeit ist. Wenn man die Schale kippt, was passiert? Die Flüssigkeit läuft, fließt aus der Schale. Ein schönes Bild für das Ende, für den Tod.
Offensichtlich ist das dem Apostel Paulus kein Schrecken. Was dem Gottlosen der wahre Grund ist, warum er vor dem Tod Angst hat? Wenn man eine Umfrage unter Menschen machen würde, ob sie Angst vor dem Tod haben, würden wahrscheinlich neun von zehn oder neunundneunzig von hundert sagen: Nein, er ist ja so weit weg. Wenn man gerade die Taschen voll Geld hat, sich ein Auto gekauft hat und am Wochenende eine Fahrt machen will, da hat doch keiner Angst vor dem Tod. Er ist so weit weg, klar, keine Angst vor dem Tod.
Ein ziemlich ehrlicher Mann sagte einmal humoristisch in einem Interview, ob er Angst vor dem Tod habe: Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod, ich will nur nicht dabei sein, wenn es passiert. Ja, Woody Allen, so heißt er, dieser jüdische Filmemacher. „Ich will nur nicht dabei sein, wenn es passiert.“
Warum ist dem Menschen der Tod ein Schrecken? Für den Gottlosen ist es nicht so schlimm, alle Hebel abgeben zu müssen, eben ausgegossen zu werden wie Wasser, das nichts dagegenhalten kann, das einfach fließt. Das ist für den Gottlosen das Furchtbarste. Im Tod verliert er alle Kraft, jede Beherrschung über sich selbst. Alles wird ihm genommen, jede Kraft, und dann fällt er einfach. Wohin? Das ist das Furchtbare am Tod für den Gottlosen.
Hier sehen wir den Heiligen, der seinen Gott kennt. Für ihn ist das ein Gedanke, der ihn mit Freude und Wonne erfüllt. Es wird der Tag kommen, an dem ich endlich allen Widerstand, auch den letzten, verlieren werde und vollkommen meinem Gott ergeben sein werde.
Ich hoffe, wir alle beten immer wieder darum, ringen darum, und dass es uns ein beständiges Brennen im Herzen ist: „Oh Gott, du weißt, ich will dir gefallen, ich will deinem Willen leben.“ Doch wir haben alle noch Widerstand, der sich immer wieder zeigt. Auch wenn der Widerstand mit den Jahren hoffentlich immer weniger wird, ist er doch noch da – etwas, das sich dagegen sträubt, sich völlig dem Herrn auszuliefern.
Aber es wird der Tag kommen, da wird jeder Widerstand hinweg sein. Dann werden wir wie ein Gussopfer, wie Wasser, das aus der Schale fließt, wirklich vollkommen im Willen Gottes aufgehen. Wunderbar, das zu wissen! Und das ist ihm kein Schrecken, sondern uns eine freudige Gewissheit, dass ein solcher Tag kommt.
Die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Das griechische Wort ist „Analusis“, der Tag meiner Ablösung, meiner Analysis. „Analysis“ kann Abscheiden heißen, so wie es hier übersetzt wird. Man verwendet es für ein Schiff, das im Hafen vor Anker liegt, dann werden die Anker gelichtet und das Schiff fährt aus. Das nennt man die „Analysis“. Das Schiff löst sich vom Hafen.
Man verwendete dieses Wort auch für den Aufbruch, wenn das Lager die Zelte zusammenrollte und zum Marsch aufbrach. Das nannte man ebenfalls „Analysis“, die Auflösung des Lagers und den Beginn des Marsches.
In einem weiteren Sinne ist es auch eine Analysis, denn dieses Wort verwendeten die Philosophen, ein Begriff aus der Sprache Platons und anderer. Der Tod ist der Tag der Auflösung der vielen noch unbeantworteten Fragen. Viele Fragen in unserem Leben bleiben unbeantwortet. Ich meine die grundsätzlichen Fragen, die unbegreiflichen Ratschlüsse Gottes, aber auch persönliche Rätsel und Fragen, die wir nicht verstehen.
Es kommt ein Tag der Auflösung, da werden all diese Rätsel aufgelöst, wenn wir beim Herrn sind. So sieht Paulus diesem Tag gefasst, ja freudig entgegen: „Jetzt ist der Tag meiner Ablösung gekommen.“
Einer der Märtyrer unter Maria der Blutigen, der katholischen Herrscherin Englands, die versuchte, die Reformation zu ersticken, war Nicholas Ridley. Er wurde am 16. Oktober 1555 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er schrieb einem Mitgefangenen damals: „Wir wollen den Tod nicht fürchten, der uns kein Leid tun kann, außer unserem Fleisch für einen Augenblick Wehe. Unser Glaube, der im Wort Gottes befestigt und verankert ist, sagt uns, dass wir bald nach dem Tod in Frieden sein werden, in den Händen Gottes, in Freuden und Trost, dass wir aus dem Tod geradewegs in das Leben eingehen werden.“
Daher nennt Paulus sein Ende nur eine Auflösung oder Ablösung. Er meint genau diese Stelle.
Dann kann Paulus sagen im Vers 7: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ Einige Jahre davor, sogar vor seiner ersten Gefangennahme im Jahr 57, also zehn Jahre früher, hatte er schon gesagt in Apostelgeschichte 20, Vers 24: „Ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den mir der Herr Jesus gegeben hat, zu verkündigen, das Evangelium der Gnade Gottes.“
Das war sein Vorsatz, nach dem er lebte. Und jetzt kann er am Ende sagen: „Ich habe den Lauf vollendet.“ Wir beneiden ihn alle, wir beneiden diesen Mann, der das sagen konnte: „Ich habe den Lauf vollendet.“
Hier geht es nicht darum, dass er bis zum Schluss gläubig geblieben ist und nicht verloren ging. Solche kümmerlichen Lehren hat Paulus weder geglaubt noch je gelehrt. Nein, es ging ihm darum, dass er den Dienst und den Auftrag, den ihm Gott gegeben hatte, vollendete.
Gott hat uns allen einen Lauf und einen Auftrag gegeben, den wir vollenden sollen. Vollführe deinen Dienst! Ich weiß nicht, ob wir das auf dem Herzen tragen, dieses Verlangen, diesen Wunsch, und auch schon gebetet haben: „Oh Gott, hilf, dass ich den Lauf vollenden kann.“
Manche denken dann ja, dass sie sicher im Himmel ankommen. Das meint der Apostel nicht, ich sage es wieder: Die Sache der Errettung ist in Gottes Händen. Aber den Dienst und den Auftrag vollenden – das ist unsere Aufgabe.
Glücklich ist der, der das sagen kann: „Ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Kampf gekämpft.“ Es war Kant, der sagte: „Wie schön für den, der den Kampf gekämpft hat.“ Ich habe irgendwo ein Plakat gesehen mit dem Spruch, dass wir die ganze Ewigkeit Zeit haben, unsere Siege zu feiern, aber nur ein sehr kurzes Leben, um die Siege zu erringen.
Das stimmt. Wir haben ein sehr kurzes Leben, um die Siege zu erringen. Jetzt ist die Zeit des Kampfes, nicht die Zeit des Feierns. Aber Feiern wird sehr groß geschrieben. Es gibt ganze Bücher, die so heißen: „Nachfolge feiern“ und solche Dinge.
Nachfolge ist keine Feier, das ist eine völlig falsche Vorstellung. Nachfolge ist Kampf, Marsch, Arbeit. So redet der Apostel: „Ich habe den Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ Er sagt nicht: „Ich bin gläubig geblieben.“ Jemand, den ihr gut kennt, sagt einmal zu diesem Vers Folgendes: Nein, Paulus sagt hier nicht, er sei gläubig geblieben bis zum Schluss. Er sagt: „Der Herr bewahre uns vor solcher Mickymaus-Auslegung der heiligen Schrift.“ Jetzt wisst ihr wahrscheinlich, wer das war.
Paulus sagt: Ich habe die Glaubenslehre bewahrt. Darum geht es in diesem ganzen Brief. Es geht um viel Größeres. Die Sache des persönlichen Heils ruht in Gottes Händen, das ist nicht der Kummer des Paulus. Sein Kummer war, und das soll auch unser Kummer sein, dass wir die Glaubenslehre bewahren.
Darum wollen wir bewahren, damit wir etwas haben, was wir in dieser Welt verkündigen können: das Evangelium. Denn nur das Evangelium ist die Kraft Gottes. Ein dem Menschen angepasstes und zurechtgebogenes Evangelium ist nicht die Kraft Gottes.
Darum müssen wir den Glauben bewahren, die Glaubenslehre kennen, uns darin vertiefen und diesen Glauben lehren und verkündigen. Möge Gott uns dieses Verlangen geben und dass es uns ein ganz dringendes Anliegen wird, die Glaubenslehre zu bewahren.
„Ich habe den Glauben bewahrt.“ Dann kann er sagen: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit.“ Das ist natürlich Lohn für Treue im Dienst. Er redet hier nicht von der Errettung. Denn die Rettung ist nicht eine gerechte Vergeltung, sie ist Gnade, ganz aus Gnade.
Aber Paulus sagt: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag.“ Das ist Lohn für Treue im Dienst, für das Erfüllen des Auftrags. Und da wird er uns wirklich belohnen.
Darüber haben wir vorgestern schon ein wenig nachgedacht.
Daher will ich nur noch zu folgendem Ausdruck etwas vermerken: „Nicht allein mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ Die Liebe zum Kommen Jesu Christi, die Sehnsucht, dass er kommt: „Herr, ich will bei dir sein!“ – auch wenn du endlich erscheinst in dieser Welt.
Die Herrlichkeit wird der Herr belohnen, weil eben diese Liebe zum Herrn und zu seinem Kommen sie antreibt, für ihn zu leben, ihm zu dienen und für seine Sache zu leben.
Dann folgen in den Versen 9 bis zum Schluss des Kapitels eine ganze Reihe von kurzen Bemerkungen und Anweisungen, kurze Bemerkungen zu verschiedenen Personen und dann Grüße.
Vers 9 bis 22: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen! Denn Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen. Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien. Lukas ist allein bei mir.
Nimm Markus und bringe ihn mit dir, denn er ist mir sehr nützlich zum Dienst. Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.
Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen. Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.
Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich. Es werde ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, auf dass durch mich die Predigt vollbracht werde und alle, die aus den Nationen hören möchten. Und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.
Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich, welchem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
Grüße Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus habe ich in Milet krank zurückgelassen. Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen. Es grüßen dich Eubulus und Pudens und Linus und Claudia und die Brüder alle. Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist. Die Gnade sei mit euch.
Das ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen. Ich habe mich vor Jahren einmal gefragt, wo mein Name hier erscheinen würde, also welchen Platz ich einnehmen würde und was Paulus über mich gesagt hätte.
Demas hat mich verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat. Er hat Paulus verlassen, weil es ihm einfach zu extrem oder zu einseitig oder zu fixiert war. Das Leben bietet doch auch noch anderes, nicht nur immer das Evangelium, dachte er, und ist nach Thessalonich gegangen.
Dann nennt Paulus Crescens und Titus, ohne die Ursache zu nennen. Wir wollen annehmen, dass sie im Auftrag des Evangeliums unterwegs sind: Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.
Und dann Vers 11: Lukas ist allein bei mir. Es freut einen einfach, das so zu lesen. Lukas steht zum Apostel, bleibt bei ihm. In Kolosser 4,14 nennt Paulus ihn den geliebten Arzt, den geliebten Lukas. Treue ist etwas, das froh macht. Untreue ist verächtlich, erbärmlich. Hier steht Treue, etwas Schönes, direkt beim Apostel, auch wenn andere ihn verlassen.
Ich weiß nicht, was Paulus über dich oder mich gesagt hätte.
Dann: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir, er ist mir nützlich zum Dienst.“ Eine ungeheure Empfehlung! Paulus betont, niemand solle schlecht von Markus denken. Er hatte sich ja einmal ziemlich empört über Markus gezeigt, ihn eigentlich abgeschrieben und gesagt: „Nein, der kommt nicht mehr mit, den kann ich nicht brauchen.“
Jetzt sagt er: „Nützlich zum Dienst!“ Er legt Wert darauf, dass Markus nützlich war. Offensichtlich, sonst hätte Paulus das nicht gesagt.
Vers 12: Tychikus habe ich nach Ephesus gesandt. Das war keine Kleinigkeit, von Rom nach Ephesus zu reisen. Aber Tychikus ließ sich senden. Hätten wir uns senden lassen? Wochenlang mit dem Schiff unterwegs, alles liegenlassen. „Jetzt war ich doch gerade hier dran, jetzt muss ich schon wieder gehen.“ Würden wir uns senden lassen? Können wir eigene Interessen zugunsten höherer Interessen zurückstellen?
Dann finde ich es auch schön, dass Paulus tatsächlich, wie Harold St. John sagt, ein wirklich vollendeter Gentleman im allerbesten Sinn war. Er weiß, dass es für Timotheus nicht leicht sein wird, Ephesus zu verlassen. Timotheus ist ja in Ephesus.
Paulus ruft ihm zu: „Befleißige dich zu kommen!“ Er weiß, dass es Timotheus Kummer macht, die Gemeinde zurückzulassen, dass das Schwierigkeiten und Probleme sind. Paulus hat daran gedacht: Ich habe Tychikus nach Ephesus gesandt, so kann Timotheus entlastet gehen.
Dann Vers 13: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ – vermutlich bei der Verhaftung, weil es so schnell ging, dass er nicht einmal sein persönliches Reisegepäck mitnehmen durfte – bringe mit! Es ist nämlich Winter oder der Winter kommt, und dann wird es kalt.“
Paulus ist eben kein Fakir, auch kein Buddhist, dessen Ideal es ist, für alle Empfindungen empfindungslos zu werden, erhaben über allem zu stehen. Paulus konnte weinen und freute sich über die Tränen anderer. Er wusste, was es heißt, Hunger und Durst zu leiden und zu frieren, und sagt das auch. „Du, ich friere, freu dich für mich über den Mantel!“
Das Christentum ist keine asketische Religion, die uns empfindungslos macht und uns von menschlichen Empfindungen entrückt, sondern es lässt uns womöglich noch viel tiefer empfinden als zuvor.
Dann bittet Paulus auch um Bücher, besonders die Pergamente. Er war offensichtlich jemand, der bis an sein Lebensende Lernender war.
In Vers 14 und folgende muss er von Alexander, dem Schmied, sprechen. Das ist wirklich traurig. Muss es das auch geben? Dass es Leute wie Alexander gibt, die nichts Gescheiteres wussten, als Paulus zu quälen, ihm Böses zu tun?
Im Volk Gottes gibt es solche Leute, die nichts Besseres wissen, als andere zu quälen, Leid zuzufügen. Genau das hat Alexander getan. Wir wissen nicht, was genau, aber Paulus sagt, er hat ihm viel Böses erwiesen, ihm persönlich.
Jetzt sagt Paulus: Der Herr vergelte ihm nach seinen Werken. Ja, es gibt tatsächlich Fälle, wo auch Christen, wo auch ein Mann Gottes wie Paulus nicht sagt: „Der Herr rechne es ihm nicht zu.“ Hier sagt er wirklich: „Der Herr möge es vergelten.“
Wir sollten aber nicht denken, Paulus sei hier rachsüchtig. Das ist er nicht. Sonst hätte er Briefe geschrieben und gesagt: „Holt euch diesen Mann, knüpft ihn vor.“ Nein, das macht er nicht. Er sagt einfach: Überlasst ihn dem Herrn! Der Herr wird ihn zu seiner Zeit auf seine Weise anfassen.
Ich weiß nichts anderes mehr zu sagen. Es gibt solche Leute, mit denen kommt man an kein Ende. Wir können nur sagen: Der Herr wird ihn an seinem Tag anfassen. Wir überlassen es dem Herrn, wir rechnen es uns nicht selbst zu, wir regen uns nicht mehr darüber auf. Es tut zwar weh, aber wir überlassen ihn und die ganze Sache dem Herrn.
In Vers 15 sehen wir, dass dieser Mann unverbesserlich war. Er hat unseren Worten sehr widerstanden. Nicht nur meinen, unseren – mehrere haben versucht, ihn zur Einsicht zu bringen. Er hatte immer Recht, sehr widerstanden.
Paulus sagt: Hüte dich vor ihm! Ja, es gibt solche Leute auch innerhalb des Volkes Gottes. Da kann man nur sagen: Geh aus dem Weg! Hüte dich vor ihm! Lass dich nicht mit ihm ein, er wird dich schädigen, ausnutzen, für seine Interessen einspannen. Nein, hüte dich vor ihm!
Nicht einmal der Apostel wusste, was er tun oder sagen sollte. Auslust fruchtete nichts, man konnte nichts mehr machen mit ihm. Außwege! Nein, das gibt es auch.
Im Vers 16 sehen wir, dass Paulus wichtige Unterschiede macht, wo man Unterschiede machen muss. Er spricht auch von Versagen oder Sünde von Brüdern. Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei. Natürlich war das Sünde. Sie haben Paulus allein gelassen. Das war lieblos, unbrüderlich.
Aber Paulus sagt: Es werde ihnen nicht zugerechnet. Er konnte unterscheiden zwischen Sünden, die einander schaden, aber aus Schwäche geschehen. Wir sündigen oft aneinander. Da müssen wir mit Paulus sagen können: Der Herr rechne es ihnen nicht zu. Einfach vergessen, ablegen, nicht mehr aufgreifen.
Anders ist es, wenn Leute beharrlich Böses tun, destruktiv sind. Das ist etwas anderes. Oft können wir das nicht unterscheiden. Jemand hat sich an uns versündigt, wir reagieren fleißig oder unvorsichtig, und dann tragen wir es ihm nach, bis er es geklärt hat und auf den Knien vor uns gerutscht ist.
Das zerstört Gemeinschaft, Geschwister. Wir müssen einander Dinge verzeihen, auch wenn wir einander Unrecht tun, wenn es aus Schwäche oder Unachtsamkeit geschieht. Dann müssen wir wirklich von Herzen sagen: Der Herr rechne es ihnen nicht zu. Möge der Herr das ganz tilgen und wegnehmen.
Ja, sie ließen Paulus allein. Und dann steht im Vers 17: „Der Herr aber stand mir bei.“ Der Herr war da. Das sollte man noch pointierter übersetzen. Das griechische Wort „parastäl“ ist ein sogenannter Aorist. Man müsste es so übersetzen, dass der Herr sich nicht nur auf die Frage richtet, sondern dass der Herr in dem dramatischen Augenblick eingriff.
Die Brüder ließen Paulus allein, er musste sich verantworten, und dann kam der Herr und trat ihm zur Seite – genau in dem Augenblick. Der Herr trat ihm zur Seite. Was für ein Herr! Wie wunderbar! Er lässt uns nicht allein.
Der Herr trat ihm zur Seite und stärkte ihn so, dass er vor diesem Tribunal, das quasi allmächtig war, über Millionen Menschen verfügte und mit einem Wink Menschenleben auslöschen konnte, stand und sich verteidigen konnte.
Wozu? Nicht, um sich herauszureden, ganz sicher nicht. Durch Paulus sollte die Predigt vollbracht werden. So hat Paulus in dieser Situation den Spieß umgedreht. Er stand da und musste sich vor einem Richter verantworten, und am Ende wurde den Leuten bewusst, dass sie vor einem Richter stehen und sich verantworten müssen.
Er konnte ihnen das Evangelium predigen, und alle, die aus den Nationen hören wollten. Zudem musste er diesen Brief noch schreiben. Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.
Es kam noch nicht zur erwarteten sofortigen Verurteilung und Hinrichtung, darum konnte er diesen Brief noch schreiben und seinen Dienst vollenden.
Dann die Zuversicht, die letzten Worte des Apostels, die wir besitzen: „Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich.“ Das ist die wunderbare Gewissheit, die er hat.
Und dann sagt er: „Ihm sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Ja, das war das beständige Brennen im Herzen dieses Mannes: „Mein Gott soll verherrlicht werden, Christus mein Retter soll erhöht werden.“
Er hatte das schon aus seiner ersten Gefangenschaft geschrieben: „Ob ich jetzt hingerichtet werde oder am Leben bleibe – wie es auch kommt, Christus soll gepriesen werden, sei es durch Leben, sei es durch Tod.“
Ihm sei die Herrlichkeit! Das könnte man über das ganze Leben des Apostels schreiben: Christus soll gepriesen werden.
Dann redet er von einzelnen Geschwistern, die er persönlich kennt, und erwähnt auch Geschwister in Rom: Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus habe ich in Milet krank zurückgelassen.
Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen! Es grüßen dich Eubulus und Pudens und Linus und Claudia und die Brüder alle.
Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!
Das ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen. Ich habe mich vor Jahren gefragt, wo mein Name hier erscheinen würde, welchen Platz ich einnehmen würde und was Paulus über mich gesagt hätte.
Demas hat Paulus verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat. Er hat Paulus verlassen, weil es ihm zu extrem oder einseitig oder zu fixiert war. Das Leben bietet doch auch noch anderes, dachte er, nicht nur immer das Evangelium, und ist nach Thessalonich gegangen.
Dann nennt Paulus Crescens und Titus, ohne die Ursache zu nennen. Wir nehmen an, dass sie im Auftrag des Evangeliums unterwegs sind: Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.
Dann Vers 11: Lukas ist allein bei mir. Es freut einen, das zu lesen. Lukas steht zum Apostel, bleibt bei ihm. In Kolosser 4,14 nennt Paulus ihn den geliebten Arzt, den geliebten Lukas.
Treue ist etwas, das froh macht. Untreue ist verächtlich, erbärmlich. Hier steht Treue, etwas Schönes, direkt beim Apostel, auch wenn andere ihn verlassen.
Ich weiß nicht, was Paulus über dich oder mich gesagt hätte.
Dann: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir, er ist mir nützlich zum Dienst.“ Eine ungeheure Empfehlung! Paulus betont, niemand solle schlecht von Markus denken. Er hatte sich ja einmal ziemlich empört über Markus gezeigt, ihn eigentlich abgeschrieben und gesagt: „Nein, der kommt nicht mehr mit, den kann ich nicht brauchen.“
Jetzt sagt er: „Nützlich zum Dienst!“ Er legt Wert darauf, dass Markus nützlich war. Offensichtlich, sonst hätte Paulus das nicht gesagt.
Vers 12: Tychikus habe ich nach Ephesus gesandt. Das war keine Kleinigkeit, von Rom nach Ephesus zu reisen. Aber Tychikus ließ sich senden. Hätten wir uns senden lassen? Wochenlang mit dem Schiff unterwegs, alles liegenlassen. „Jetzt war ich doch gerade hier dran, jetzt muss ich schon wieder gehen.“ Würden wir uns senden lassen? Können wir eigene Interessen zugunsten höherer Interessen zurückstellen?
Dann finde ich es auch schön, dass Paulus tatsächlich, wie Harold St. John sagt, ein wirklich vollendeter Gentleman im allerbesten Sinn war. Er weiß, dass es für Timotheus nicht leicht sein wird, Ephesus zu verlassen. Timotheus ist ja in Ephesus.
Paulus ruft ihm zu: „Befleißige dich zu kommen!“ Er weiß, dass es Timotheus Kummer macht, die Gemeinde zurückzulassen, dass das Schwierigkeiten und Probleme sind. Paulus hat daran gedacht: Ich habe Tychikus nach Ephesus gesandt, so kann Timotheus entlastet gehen.
Dann Vers 13: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ – vermutlich bei der Verhaftung, weil es so schnell ging, dass er nicht einmal sein persönliches Reisegepäck mitnehmen durfte – bringe mit! Es ist nämlich Winter oder der Winter kommt, und dann wird es kalt.“
Paulus ist eben kein Fakir, auch kein Buddhist, dessen Ideal es ist, für alle Empfindungen empfindungslos zu werden, erhaben über allem zu stehen. Paulus konnte weinen und freute sich über die Tränen anderer. Er wusste, was es heißt, Hunger und Durst zu leiden und zu frieren, und sagt das auch. „Du, ich friere, freu dich für mich über den Mantel!“
Das Christentum ist keine asketische Religion, die uns empfindungslos macht und uns von menschlichen Empfindungen entrückt, sondern es lässt uns womöglich noch viel tiefer empfinden als zuvor.
Dann bittet Paulus auch um Bücher, besonders die Pergamente. Er war offensichtlich jemand, der bis an sein Lebensende Lernender war.
In Vers 14 und folgende muss er von Alexander, dem Schmied, sprechen. Das ist wirklich traurig. Muss es das auch geben? Dass es Leute wie Alexander gibt, die nichts Gescheiteres wussten, als Paulus zu quälen, ihm Böses zu tun?
Im Volk Gottes gibt es solche Leute, die nichts Besseres wissen, als andere zu quälen, Leid zuzufügen. Genau das hat Alexander getan. Wir wissen nicht, was genau, aber Paulus sagt, er hat ihm viel Böses erwiesen, ihm persönlich.
Jetzt sagt Paulus: Der Herr vergelte ihm nach seinen Werken. Ja, es gibt tatsächlich Fälle, wo auch Christen, wo auch ein Mann Gottes wie Paulus nicht sagt: „Der Herr rechne es ihm nicht zu.“ Hier sagt er wirklich: „Der Herr möge es vergelten.“
Wir sollten aber nicht denken, Paulus sei hier rachsüchtig. Das ist er nicht. Sonst hätte er Briefe geschrieben und gesagt: „Holt euch diesen Mann, knüpft ihn vor.“ Nein, das macht er nicht. Er sagt einfach: Überlasst ihn dem Herrn! Der Herr wird ihn zu seiner Zeit auf seine Weise anfassen.
Ich weiß nichts anderes mehr zu sagen. Es gibt solche Leute, mit denen kommt man an kein Ende. Wir können nur sagen: Der Herr wird ihn an seinem Tag anfassen. Wir überlassen es dem Herrn, wir rechnen es uns nicht selbst zu, wir regen uns nicht mehr darüber auf. Es tut zwar weh, aber wir überlassen ihn und die ganze Sache dem Herrn.
In Vers 15 sehen wir, dass dieser Mann unverbesserlich war. Er hat unseren Worten sehr widerstanden. Nicht nur meinen, unseren – mehrere haben versucht, ihn zur Einsicht zu bringen. Er hatte immer Recht, sehr widerstanden.
Paulus sagt: Hüte dich vor ihm! Ja, es gibt solche Leute auch innerhalb des Volkes Gottes. Da kann man nur sagen: Geh aus dem Weg! Hüte dich vor ihm! Lass dich nicht mit ihm ein, er wird dich schädigen, ausnutzen, für seine Interessen einspannen. Nein, hüte dich vor ihm!
Nicht einmal der Apostel wusste, was er tun oder sagen sollte. Auslust fruchtete nichts, man konnte nichts mehr machen mit ihm. Außwege! Nein, das gibt es auch.
Im Vers 16 sehen wir, dass Paulus wichtige Unterschiede macht, wo man Unterschiede machen muss. Er spricht auch von Versagen oder Sünde von Brüdern. Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei. Natürlich war das Sünde. Sie haben Paulus allein gelassen. Das war lieblos, unbrüderlich.
Aber Paulus sagt: Es werde ihnen nicht zugerechnet. Er konnte unterscheiden zwischen Sünden, die einander schaden, aber aus Schwäche geschehen. Wir sündigen oft aneinander. Da müssen wir mit Paulus sagen können: Der Herr rechne es ihnen nicht zu. Einfach vergessen, ablegen, nicht mehr aufgreifen.
Anders ist es, wenn Leute beharrlich Böses tun, destruktiv sind. Das ist etwas anderes. Oft können wir das nicht unterscheiden. Jemand hat sich an uns versündigt, wir reagieren fleißig oder unvorsichtig, und dann tragen wir es ihm nach, bis er es geklärt hat und auf den Knien vor uns gerutscht ist.
Das zerstört Gemeinschaft, Geschwister. Wir müssen einander Dinge verzeihen, auch wenn wir einander Unrecht tun, wenn es aus Schwäche oder Unachtsamkeit geschieht. Dann müssen wir wirklich von Herzen sagen: Der Herr rechne es ihnen nicht zu. Möge der Herr das ganz tilgen und wegnehmen.
Ja, sie ließen Paulus allein. Und dann steht im Vers 17: „Der Herr aber stand mir bei.“ Der Herr war da. Das sollte man noch pointierter übersetzen. Das griechische Wort „parastäl“ ist ein sogenannter Aorist. Man müsste es so übersetzen, dass der Herr sich nicht nur auf die Frage richtet, sondern dass der Herr in dem dramatischen Augenblick eingriff.
Die Brüder ließen Paulus allein, er musste sich verantworten, und dann kam der Herr und trat ihm zur Seite – genau in dem Augenblick. Der Herr trat ihm zur Seite. Was für ein Herr! Wie wunderbar! Er lässt uns nicht allein.
Der Herr trat ihm zur Seite und stärkte ihn so, dass er vor diesem Tribunal, das quasi allmächtig war, über Millionen Menschen verfügte und mit einem Wink Menschenleben auslöschen konnte, stand und sich verteidigen konnte.
Wozu? Nicht, um sich herauszureden, ganz sicher nicht. Durch Paulus sollte die Predigt vollbracht werden. So hat Paulus in dieser Situation den Spieß umgedreht. Er stand da und musste sich vor einem Richter verantworten, und am Ende wurde den Leuten bewusst, dass sie vor einem Richter stehen und sich verantworten müssen.
Er konnte ihnen das Evangelium predigen, und alle, die aus den Nationen hören wollten. Zudem musste er diesen Brief noch schreiben. Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.
Es kam noch nicht zur erwarteten sofortigen Verurteilung und Hinrichtung, darum konnte er diesen Brief noch schreiben und seinen Dienst vollenden.
Dann die Zuversicht, die letzten Worte des Apostels, die wir besitzen: „Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich.“ Das ist die wunderbare Gewissheit, die er hat.
Und dann sagt er: „Ihm sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Ja, das war das beständige Brennen im Herzen dieses Mannes: „Mein Gott soll verherrlicht werden, Christus mein Retter soll erhöht werden.“
Er hatte das schon aus seiner ersten Gefangenschaft geschrieben: „Ob ich jetzt hingerichtet werde oder am Leben bleibe – wie es auch kommt, Christus soll gepriesen werden, sei es durch Leben, sei es durch Tod.“
Ihm sei die Herrlichkeit! Das könnte man über das ganze Leben des Apostels schreiben: Christus soll gepriesen werden.
Dann redet er von einzelnen Geschwistern, die er persönlich kennt, und erwähnt auch Geschwister in Rom: Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, Trophimus habe ich in Milet krank zurückgelassen.
Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen! Es grüßen dich Eubulus und Pudens und Linus und Claudia und die Brüder alle.
Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!
Das ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen. Paulus sitzt in der Hauptstadt der Welt, in Rom, während er diese Zeilen schreibt. Rom steht auf dem Höhepunkt seiner Macht im ersten Jahrhundert. Von allen Seiten dieses schier endlosen Reiches kamen Meldungen von weiteren Siegen der römischen Legionen, von weiteren Provinzen, die dem Reich angegliedert wurden. Feldherren zogen in die Stadt ein, ihnen wurde zugejubelt, Triumphbögen wurden errichtet. Ganz Rom und die Welt redeten davon, und die Geschichtsbücher haben die Kunde festgehalten.
Paulus schreibt nichts davon. Hier sehen wir, wie der inspirierte Apostel von den Dingen spricht, die Gott wichtiger sind als alles auf der Welt. Für Gott, den Vater und seinen Sohn Jesus Christus sind die vom Herrn Erkauften mehr als alle Reiche der Welt. Ihm sind ein Pudens, ein Eubulus, ein Linus und eine Claudia unendlich viel mehr wert als alle Zäsaren, Feldherren und Legionen Roms.
So sieht Gott die Dinge, und von denen redet Paulus. Das sind die, die sein Herz bewegen, weil sie zum Volk Gottes gehören. Das Wohlergehen des Volkes Gottes.
Das ist das Zweite, was man über das Leben des Paulus schreiben könnte: Im Vers 22 heißt es: „Die Gnade sei mit euch.“ Diese beiden Wünsche, die Paulus hier ausspricht – „Ihm sei die Herrlichkeit“ (Vers 18) und „Die Gnade sei mit euch“ (Vers 22) – haben diesen Mann sein Leben lang regiert: Gottes Ehre und das Wohlergehen der Geliebten Gottes.
Was ich so schön finde an diesem Brief: Wenn wir bedenken, wie es Paulus ergeht, es ist eine ganz undankbare Lage, in der er ist. Leute haben sich von ihm abgewandt, Gemeinden, die durch ihn gegründet wurden, werden von falschen Lehrern infiltriert, persönliche Feinde tun ihm Böses, und er wird bald hingerichtet.
Wenn wir diesen Brief lesen, merken wir, dass dieser Brief nicht voll von Paulus ist, sondern voll von Christus, voll vom Evangelium. Hier redet ein Mann nicht von sich und will, dass alle an ihn denken, wie schlecht es ihm geht und wie ungerecht er behandelt wird. Überhaupt nicht!
Paulus ist wirklich ein Mensch in Christus, ein Mensch in Christus – so nennt er sich an einer Stelle. Das erquickt uns einfach, so etwas zu lesen. Es ist wie ein Widerhall aus dem Himmel, der uns hier durch den Apostel ans Ohr dringt. So anders als alles Menschliche und als alles, was Menschen tun oder empfinden.
Ja, das ist der letzte Brief des Apostels, sein letztes Wort an Timotheus, sein letztes Wort an die Gemeinde. Wir wollen diese beiden Sätze noch einmal lesen, und damit schließen wir: „Ihm sei die Herrlichkeit und die Gnade sei mit euch!“
Leidenschaftliche Verkündigung als Vorbild
Georg Whitfield, ein Evangelist des achtzehnten Jahrhunderts, schrieb einmal in einem Brief an einen Mitarbeiter im Evangelium, an Howell Harris, Folgendes: Er forderte ihn auf und drängte ihn, das Evangelium zu predigen.
Stelle ihnen Gottes freie, ewige und erwählende Liebe vor Augen. Dränge sie, im Glauben die vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi sich anzueignen. Rede zu ihnen, ja, rede zu ihnen bis Mitternacht.
Von den Reichtümern seiner allgenugsamen Gnade zeige ihnen, oh, sage ihnen, was er für ihre Seelen getan hat. Zeige ihnen auf der Landkarte des Wortes Gottes die Reiche der himmlischen Welt und ihre alles übersteigenden Herrlichkeiten. Vergewissere sie, dass all das ihnen gehören wird, wenn sie von ganzem Herzen an Jesus Christus glauben.
Dringe in sie, ihm auf der Stelle zu vertrauen. Durchsetze deine Beschwörungen mit Gebeten. Ruf auf diese Weise das Feuer vom Himmel, das Feuer des Heiligen Geistes, herab, um sie zu erweichen und sie vor ihm zu schmelzen.
Rede, lieber Bruder, jedes Mal, als sei es dein letztes Mal! „Weine ein jedes Argument heraus und nötige sie gleichsam zu rufen: ‚Siehe, wer uns geliebt hat.‘“ Das ist Leidenschaft. Nun,
Unterschiedliche Charaktere im Dienst und gemeinsamer Eifer
Es sind nicht alle Menschen von ihrer Natur her so leidenschaftlich wie Georg Whitfield, und nicht alle sind solche Polterer wie Luther. Wir haben verschiedene, unterschiedlich geartete Charaktere. Johannes Calvin war das genaue Gegenteil von Luther. Er war eher unterkühlt, doch sein Leben wurde von einer beständig glühenden Glut verzehrt.
Mit ungeheurer Beharrlichkeit arbeitete er am Evangelium und verzehrte sich für dessen Verbreitung. Dabei wirkte er ganz zuchtvoll, scheinbar ruhig und gelassen. Doch in Wirklichkeit war er jemand, der eiferte um die Ehre und Herrlichkeit Gottes sowie um das Wohl seines Volkes.
Eigentlich können wir in dieser Sache gar nicht anders, als zu eifern. Auch wenn nicht alle so leidenschaftlich sind wie Whitfield oder so predigen wie Wolfgang Dück. Und sicher können nicht alle mit solcher Wärme sprechen wie Wilhelm Busch.
Aber Eifer für das Evangelium zu haben, das ist eigentlich etwas, das jedes Kind Gottes besitzt, wenn es offene Augen hat. Wir können doch gar nicht anders, als für diesen Gott und für dieses Evangelium zu eifern – und dann auch für die Menschen.
Der Auftrag gilt zur Zeit und zur Unzeit
Macht das zur Zeit und zur Unzeit, gelegene Zeit, ungelegene Zeit. Hier meint Paulus natürlich, dass wir das Evangelium predigen und für das Evangelium leben sollen – unabhängig davon, ob die Zeit, in der wir leben, das gerne hört oder nicht. Ebenso spielt es keine Rolle, ob es verboten ist oder nicht.
Das Christentum war wenige Jahre zuvor verboten worden, und das war eine Unzeit. Eine solche Unzeit war angebrochen, doch das bedeutete nicht, dass wir aufhören sollten, zu predigen – weder zur Zeit noch zur Unzeit.
Paulus meint natürlich nicht, dass wir das Evangelium im allerunpassendsten Moment den Leuten einfach aufnötigen sollen. Wenn zum Beispiel eine Hochzeit stattfindet, ist es sicher nicht unsere Sache, auf der Treppe zu warten, bis das Hochzeitspaar herauskommt, um die ganze Hochzeitsgesellschaft zu fotografieren und ihnen Traktate zu verteilen. Das wäre unsinnig und taktlos.
Mit „zur Zeit und zur Unzeit“ meint er vielmehr, dass wir auch dann für das Evangelium leben und diese Botschaft verbreiten sollen, wenn alle Welt dagegen ist. Selbst wenn es gefährlich oder verboten ist, sollen wir das Evangelium mit allen Mitteln verkünden.
Beispiel Georg Whitfield und seine Erweckungserfahrung
Ich zitiere noch einmal Georg Whitfield. Er schrieb 1739 in sein Tagebuch. Das war das Jahr, in dem die Erweckung in England wirklich begann. Gleichzeitig stellte sich fast die gesamte anglikanische Kirche gegen Whitfield. Sie verschloss ihm alle Kirchen und verweigerte ihm alle Kanzeln.
Damals schrieb er in sein Tagebuch: „Nie war der Widerstand größer, und nie richtete meine Predigt mehr aus. Ich hoffe, dass ich es jeden Tag besser verstehe, dass die Predigt des Evangeliums nie und nirgends fehl am Platz ist. Gott sei davor, dass sein Wort gebunden sein sollte, weil einige Kirchen ihre Kanzeln verweigern. Je lauter man mir zu schweigen befiehlt, desto lauter werde ich meine Stimme erheben wie eine Posaune, um den Menschen zu sagen, was sie tun müssen, damit sie ewig gerettet werden.“
Die zunehmende Ablehnung der gesunden Lehre
Vers 3 nennt einen weiteren Grund, warum wir arbeiten und nicht nachlassen sollen. Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen.
Deshalb arbeite heute! Denn die Zeit arbeitet in gewissem Sinne gegen uns. Immer weniger Menschen werden die gesunde Lehre ertragen und hören wollen.
Stattdessen werden sie sich Lehrer suchen, die ihnen nach dem Mund reden und ihre Ohren kitzeln. Sie wollen nicht mehr die klaren und auch schneidenden Wahrheiten des Evangeliums hören, sondern nur noch das, was ihnen schmeichelt und gefällt.
Keine Anpassung des Evangeliums an menschliche Erwartungen
Sollen wir darauf Rücksicht nehmen? Sollen wir darauf Rücksicht nehmen, was die Menschen hören wollen, und das Evangelium entsprechend so abrunden, dass alle Kanten und Härten entfernt werden, damit es den Leuten schmackhaft wird?
Nein, wir sollen das Evangelium predigen. An der Substanz und an der Botschaft dürfen wir nichts abschwächen – auch dann nicht, wenn immer weniger Menschen bereit sind, es zu hören oder zu verstehen.
Die Realität der Abkehr von der Wahrheit und der Glauben an Fabeln
Nun ist es uns wohl allen klar, dass das, was hier steht, in unserer Zeit mit Händen zu greifen ist und wie es in Erfüllung gegangen ist.
Die Ohren von der Wahrheit abzuwenden und stattdessen an Fabeln zu glauben, ist eine verbreitete Haltung. Denn der Mensch glaubt immer an etwas. Glaubt er nicht an einen Schöpfer und die Schöpfung, dann glaubt er eben an die Selbstorganisation der Materie. Wenn er nicht glaubt, dass ein ewiger Gott aus dem Nichts schuf, was da ist, dann glaubt er, dass das Nichts eines Tages entschloss, etwas zu werden.
Das glauben die Leute. Das muss ein besonders glorreicher Tag gewesen sein, als das Nichts beschloss, etwas zu werden. Ja, irgendetwas glauben die Menschen immer.
Es ist wirklich so, dass die Natur das Vakuum verabscheut. Das ist ein alter physikalischer Grundsatz. Ich weiß nicht, ob hier irgendwelche Physiker unter uns sind: Die Natur verabscheut das Vakuum. Sobald ein Vakuum entsteht, drängt alles, was dieses Vakuum umgibt, danach, es zu füllen.
Wenn aber die Wahrheit – die Wahrheit des Christentums, die biblischen Wahrheiten, die Wahrheit des Evangeliums – abgelehnt wird, dann ziehen eben die Fabeln nach. Auch die ganzen Fabeln der Psychoanalyse gehören dazu. Diese wollen erklären, wie der Mensch sei.
Diese Fabeln sind nicht in der heidnischen Welt entstanden. Sie entstanden dort, wo die Menschen das Christentum kannten und eigentlich wussten: Das Problem des Menschen ist die Sünde. Darum ist er so verbogen und schief und hat all diese Schwierigkeiten – seine seelischen und anderen Probleme –, weil er ein Sünder ist. Nicht, weil in seiner Kindheit irgendetwas mit ihm passiert ist, von dem er vielleicht nicht einmal weiß, was es war.
Wenn man aber nicht glauben will, was man eigentlich weiß, dann wird man den Fabeln glauben.
Die Pflicht, das Wort gegen Fabeln zu verteidigen
Und weil das immer mehr zunimmt, sagt Paulus: Darum predige das Wort. Halte diesen Fabeln das Wort Gottes entgegen, die Wahrheit des Wortes Gottes.
Passe dich nicht den Erwartungen der Leute an. Komme ihnen nicht entgegen, indem du das verschweigst, was sie nicht hören wollen. Predige die Wahrheit, das Wort.
Aufforderung zur Nüchternheit und zum Durchhalten im Dienst
Und dann dieser Appell im Vers 5: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.“
Das sagt hier der Apostel uns allen: vollführe deinen Dienst. Das ist ein Befehl. Es ist uns aufgetragen, unseren Dienst zu vollführen.
Vorher sagte er: Sei nüchtern in allem, leide Trübsal. Das gefällt mir, wie er diese beiden Aufforderungen miteinander verbindet. Sei nüchtern und leide Trübsal, sei nüchtern und erleide Widerwärtiges.
Es ist unnüchtern – das haben wir am zweiten Abend gesehen – damit zu rechnen und zu erwarten, dass wir als Christen keine Schwierigkeiten, Anfeindungen oder Bedrängnisse haben.
Es ist unnüchtern. Wir sollen einfach nüchtern sein und die Dinge im Licht des Wortes Gottes sehen: wie diese Welt ist, wer der Fürst dieser Welt ist und wie diese Welt dem Evangelium gegenübersteht. Es ist einfach Feindschaft.
Darum wollen wir nüchtern sein und auch Widerwärtigkeiten erleiden.
Das Bild des Trankopfers und die Bereitschaft zum Dienst
Das Werk eines Evangelisten zu tun, ist nicht jedermanns Aufgabe. Aber am Evangelium mitarbeiten können, dürfen und sollen alle.
Die Verse 6 bis 8 geben eine weitere Begründung für die Aufforderung, dieses Werk zu tun. Paulus sagt zu Timotheus: „Vollführe deinen Dienst, denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt. Die Zeit meines Abscheidens ist jetzt gekommen.“
Jetzt muss das Zeugnis weitergeführt werden. Timotheus soll die Fackel übernehmen und das Zeugnis weitertragen, denn Paulus wird nicht mehr da sein.
Der Ausdruck, den Paulus hier für sein Ende verwendet, ist sehr bildhaft: „Ich werde als Trankopfer gesprengt.“ Im Griechischen steht nur ein Wort, „spendomai“. Das bedeutet so viel wie „Ich werde ausgegossen“, und zwar als Gussopfer.
Das ist vergleichbar mit dem Gussopfer von Öl oder Wein, das den alttestamentlichen Opfern beigegeben wurde. Hier zeigt uns der Apostel ein sehr schönes und eindringliches Bild.
Er vergleicht sich mit einer Schale, die mit dieser Flüssigkeit gefüllt ist. Wenn man die Schale kippt, was passiert? Die Flüssigkeit läuft, fließt aus der Schale.
Dieses Bild steht für das Ende, für den Tod.
Die Haltung zum Tod und die Freude auf die Auflösung
Offensichtlich ist der Tod für den Apostel Paulus kein Schrecken. Für den Gottlosen hingegen ist der Tod der wahre Grund für Angst.
Wenn man eine Umfrage unter den Menschen machen würde, ob sie Angst vor dem Tod haben, würden wahrscheinlich neun von zehn oder sogar neunundneunzig von hundert sagen: Nein, ich habe keine Angst, denn der Tod ist ja noch so weit weg. Wenn man gerade viel Geld hat, sich ein Auto gekauft hat und am Wochenende eine Fahrt mit diesem Auto plant, dann hat doch niemand Angst vor dem Tod. Er ist einfach zu weit weg.
Ein ziemlich ehrlicher Mann sagte einmal auf humorvolle Weise in einem Interview, als man ihn fragte, ob er Angst vor dem Tod habe: Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod, ich will nur nicht dabei sein, wenn es passiert. Dieser Mann war Woody Allen, der jüdische Filmemacher. Er sagte: „Ich will nur nicht dabei sein, wenn es passiert.“
Warum ist der Tod für den Menschen ein Schrecken, wenn er doch unvermeidlich ist? Für den Gottlosen ist es nicht so schlimm, das Leben loslassen zu müssen. Es ist wie Wasser, das ausgegossen wird. Wasser kann nichts dagegenhalten, es fließt einfach und kann sich nicht festhalten oder sperren. Für den Gottlosen ist das Furchtbarste am Tod, dass er alle Kraft verliert, jede Beherrschung über sich selbst. Alles wird ihm genommen, und dann fällt er einfach. Wohin? Das ist das Furchtbare am Tod für den Gottlosen.
Hier sehen wir den Heiligen, der seinen Gott kennt. Für ihn ist der Gedanke an den Tod etwas, das ihn mit Freude und Wonne erfüllt. Der Tag wird kommen, an dem er endlich allen Widerstand verliert, auch den letzten, und sich vollkommen seinem Gott ergeben wird.
Ich hoffe, dass wir alle immer wieder beten und darum ringen. Es soll uns ein beständiges Brennen im Herzen sein: „Oh Gott, du weißt, ich will dir gefallen, ich will nach deinem Willen leben.“ Doch wir alle haben noch Widerstand in uns. Er zeigt sich immer wieder, auch wenn er mit den Jahren hoffentlich immer weniger wird. Aber es ist immer noch etwas, das sich dagegen sträubt, sich völlig dem Herrn auszuliefern.
Doch der Tag wird kommen, an dem jeder Widerstand hinweg sein wird. Dann werden wir wie ein Gussopfer, wie Wasser, das aus der Schale fließt, vollkommen im Willen Gottes aufgehen. Es ist wunderbar, das zu wissen. Für den Heiligen ist das kein Schrecken, sondern ein freudiges Wissen, dass ein solcher Tag kommt.
Die Zeit des Abscheidens und die Auflösung aller Fragen
Die Zeit meines Abscheidens ist gekommen. Das griechische Wort dafür ist Analysis – der Tag meiner Analysis, meiner Abscheidung. Analysis kann Abscheiden bedeuten, so wie es hier übersetzt wird. Man verwendet es zum Beispiel für ein Schiff, das im Hafen vor Anker liegt. Wenn die Anker gelichtet werden und das Schiff ausläuft, nennt man das die Analysis. Das Schiff löst sich vom Hafen – die Analyse.
Dieses Wort wurde aber auch für den Aufbruch verwendet. Wenn ein Lager die Zelte zusammenrollte und zum Marsch aufbrach, nannte man diese Auflösung des Lagers ebenfalls Analysis. Jetzt wird marschiert – Analysis.
In einem weiteren Sinne bedeutet Analysis auch Analyse. Dieses Wort verwendeten auch die Philosophen, etwa Platon und seine Zeitgenossen. Der Tod ist tatsächlich der Tag der Auflösung vieler noch unbeantworteter Fragen. In unserem Leben bleiben viele Fragen offen. Dabei meine ich vor allem die grundsätzlichen Fragen, die unbegreiflichen Tatbestände der Ratschlüsse Gottes.
Doch auch persönliche Rätsel und Fragen bleiben oft unverständlich. In unserem Leben geschehen Dinge, die wir nicht begreifen. Vieles verstehen wir nicht und können nicht nachvollziehen, wozu dies oder jenes gut sein sollte.
Es kommt ein Tag der Auflösung, an dem all diese Rätsel gelöst werden – wenn wir beim Herrn sind. So sieht Paulus diesem Tag gefasst und sogar freudig entgegen: „Jetzt ist der Tag meiner Ablösung gekommen.“
Das Zeugnis von Nicholas Ridley und die Hoffnung auf Frieden nach dem Tod
Einer der Märtyrer unter Maria der Blutigen, der katholischen Herrscherin Englands, war Nicholas Ridley. Er versuchte, die Reformation wieder zu unterdrücken. Ridley wurde am 16. Oktober 1555 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Er schrieb einem Mitgefangenen, dass zur gleichen Zeit Hunderte verhaftet, in Kerkern festgehalten und verhört wurden. Jeder, der bei den Lehren der Reformation blieb, wurde einfach verbrannt.
Ridley schrieb damals: „Wir wollen den Tod nicht fürchten, der uns kein Leid tun kann, außer unserem Fleisch für einen Augenblick weh zu tun. Unser Glaube, der im Wort Gottes befestigt und verankert ist, sagt uns, dass wir alsbald nach dem Tod in Frieden sein werden, in den Händen Gottes, in Freuden und Trost. Wir werden aus dem Tod geradewegs in das Leben eingehen.“
Daher nennt Paulus sein Ende nur eine Auflösung oder Ablösung. Er meint damit genau diese Stelle. Und...
Der gute Kampf, der vollendete Lauf und der bewahrte Glaube
Paulus kann im Vers 7 sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“
Schon einige Jahre zuvor – genauer gesagt, ungefähr im Jahr 57, also etwa zehn Jahre vor seiner ersten Gefangennahme – hatte er diesen Vorsatz geäußert. In Apostelgeschichte 20,24 heißt es: „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den mir der Herr Jesus gegeben hat, zu verkündigen, das Evangelium der Gnade Gottes.“
Das war sein Vorsatz, der Grundsatz, nach dem er lebte. Und jetzt, am Ende, kann er sagen: „Ich habe den Lauf vollendet.“ Wir beneiden ihn alle, diesen Mann, der das so sagen konnte: „Ich habe den Lauf vollendet.“
Hier geht es nicht darum, dass er einfach nur bis zum Schluss gläubig geblieben ist und nicht verloren gegangen ist. Solche kümmerlichen Lehren hat Paulus weder geglaubt noch je gelehrt. Nein, es ging ihm darum, dass er den Dienst und den Auftrag, den ihm Gott gegeben hatte, vollendet hat.
Gott hat uns allen einen Lauf und einen Auftrag gegeben, den wir vollenden sollen. Vollführe deinen Dienst! Ich weiß nicht, ob wir dieses Verlangen auf dem Herzen tragen, diesen Wunsch, und ob wir schon gebetet haben: „Oh Gott, hilf, dass ich den Lauf vollenden kann.“
Manche denken dabei vielleicht, dass es sicher ist, dass sie im Himmel ankommen. Das meint der Apostel aber nicht, ich sage es noch einmal: Die Sache der Errettung liegt in den Händen des Herrn. Es geht darum, dass wir den Dienst und den Auftrag vollenden.
Glücklich, glücklich ist dieser Mann, der das sagen kann: „Ich habe den Lauf vollendet.“
Die Bedeutung des Kampfes und der kurzen Lebenszeit
Ich habe den Kampf gekämpft, es war Kant. Aber wie schön ist es für den, der den Kampf gekämpft hat.
Ich habe irgendwo einmal ein Plakat von ihm gesehen. Der Spruch lautete ungefähr so: Wir haben die ganze Ewigkeit Zeit, unsere Siege zu feiern, aber nur ein sehr kurzes Leben, um die Siege zu erringen. Das stimmt.
Wir haben ein sehr kurzes Leben, um die Siege zu erringen. Jetzt ist die Zeit des Kampfes, nicht die Zeit des Feierns.
Doch Feiern wird heute sehr großgeschrieben. Es gibt ganze Bücher mit Titeln wie „Nachfolge feiern“ und ähnliche. Nachfolge ist jedoch keine Feier. Das ist eine völlig falsche Vorstellung.
Nachfolge ist Kampf, ein Marsch, Arbeit – so spricht der Apostel.
Die Bewahrung der Glaubenslehre als zentrales Anliegen
Ich habe den Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt. Hier sagt Paulus nicht, dass er gläubig geblieben sei.
Jemand, den ihr gut kennt, sagte einmal zu diesem Vers Folgendes: Nein, Paulus sagt hier nicht, dass er bis zum Schluss gläubig geblieben sei. Dann fügte er hinzu: Der Herr bewahre uns vor einer solchen Mickymaus-Auslegung der Heiligen Schrift. Wahrscheinlich wisst ihr jetzt, wer das war.
Paulus sagt vielmehr, dass er die Glaubenslehre bewahrt habe. Darum geht es in diesem ganzen Brief. Es geht um etwas viel Größeres. Die Sache des persönlichen Heils liegt in Gottes Händen, das ist nicht der Kummer des Paulus.
Sein Kummer war – und das sollte auch unser Kummer sein –, dass wir die Glaubenslehre bewahren. Deshalb wollen wir diese bewahren, damit wir etwas haben, das wir in dieser Welt verkündigen können: das Evangelium. Denn nur das Evangelium ist die Kraft Gottes.
Ein dem Menschen angepasstes und zurechtgebogenes Evangelium ist nicht die Kraft Gottes. Darum müssen wir den Glauben bewahren, die Glaubenslehre kennen, uns darin vertiefen und diesen Glauben lehren und verkündigen.
Möge es uns gegeben sein, dieses Verlangen zu haben und dass es uns zu einem ganz dringenden Ernst wird, die Glaubenslehre zu bewahren. Ich habe den Glauben bewahrt.
Die Krone der Gerechtigkeit als Lohn für Treue
Und dann kann er sagen: Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit.
Das ist natürlich der Lohn für Treue im Dienst. Er spricht hier nicht von der Errettung, denn die Rettung ist keine gerechte Vergeltung. Die Rettung ist Gnade – ganz und vollständig aus Gnade.
Paulus sagt: Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag.
Das ist der Lohn für Treue im Dienst, für das Erfüllen des Auftrags. Und da wird er uns wirklich belohnen.
Die Liebe zum Kommen Christi als Antrieb für den Dienst
Und wir haben vorgestern schon ein wenig darüber nachgedacht. Darum will ich nur noch zu folgendem Ausdruck etwas vermerken: Nicht allein mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben, das Kommen Jesu Christi lieb haben und sich danach sehnen, dass er kommt, gilt: Herr, ich will bei dir sein.
Wann erscheinst du endlich in dieser Welt, dass deine Ehre offenbar wird? Der Herr wird belohnen, denn gerade diese Liebe zum Herrn und zu seinem Kommen treibt sie an, für ihn zu leben, ihm zu dienen und für seine Sache einzutreten.
Letzte Anweisungen und persönliche Grüße
Dann folgen die Verse 9 bis zum Schluss des Kapitels mit einer Reihe kurzer Bemerkungen und Anweisungen. Es handelt sich um kurze Anmerkungen zu verschiedenen Personen und schließlich um Grüße.
In den Versen 9 bis 22 heißt es: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen. Denn Demas hat mich verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen. Kreszenz ist nach Galatien gereist, Titus nach Dalmatien. Lukas ist allein bei mir.
Nimm Markus und bringe ihn mit dir, denn er ist mir sehr nützlich zum Dienst. Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, ebenso die Bücher, besonders die Pergamente.
Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan. Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.
Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich. Es werde ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht werde und alle, die aus den Nationen hören möchten. Und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.
Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich, welchem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
Grüße Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth. Trophimus habe ich krank in Milet zurückgelassen. Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen.
Es grüßen dich Eubulus, Pudens, Linus, Claudia und alle Brüder. Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist. Die Gnade sei mit euch.
Reflexion über Treue und Untreue im Dienst
Das ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Namen und Bemerkungen. Vor einigen Jahren habe ich mich gefragt, wo mein Name hier erscheinen würde, welchen Platz ich ausfüllen würde und was Paulus über mich gesagt hätte.
Demas hat Paulus verlassen, weil er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat. Er hat Paulus verlassen, weil es ihm einfach zu extrem, zu einseitig oder zu fixiert war. Demas dachte, das Leben bietet doch auch noch anderes, nicht nur immer das Evangelium. Deshalb ging er nach Thessalonich.
Dann nennt Paulus Crescens und Titus, ohne die Ursache zu nennen. Wir nehmen aber an, dass sie im Auftrag des Evangeliums unterwegs waren: Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.
Danach erwähnt Paulus Lukas. Lukas ist allein bei Paulus geblieben. Es freut einen einfach, das so zu lesen. Lukas steht zum Apostel, bleibt bei ihm. In Kolosser 4,14 nennt Paulus ihn den geliebten Arzt, den geliebten Lukas.
Tatsächlich macht Treue froh. Untreue hingegen ist verächtlich und erbärmlich. Treue ist etwas Schönes und steht einfach zum Apostel, auch wenn andere ihn verlassen.
Ich weiß nicht, was Paulus über dich oder mich gesagt hätte. Dann nimmt Paulus Markus und sagt: „Bring ihn mit dir, er ist mir nützlich zum Dienst.“ Das ist eine ungeheure Empfehlung. Paulus betont, dass Markus nützlich zum Dienst ist.
Ich finde es auch schön, dass Paulus ausdrücklich sagt, er habe sich einmal ziemlich über Markus empört und ihn eigentlich abgeschrieben. Er sagte damals: „Nein, der kommt nicht mehr mit, den kann ich nicht brauchen.“ Jetzt aber sagt Paulus, Markus sei nützlich zum Dienst. Er legt Wert darauf, dass niemand schlecht von Markus denkt. Markus war offensichtlich nützlich zum Dienst, sonst hätte Paulus das nicht gesagt.
Die Bedeutung von Mitarbeit und Bereitschaft im Dienst
Vers zwölf: Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. Das war keine Kleinigkeit, von Rom nach Ephesus zu reisen. Aber Tychikus ließ sich senden.
Hätten wir uns senden lassen? Wochenlang mit dem Schiff unterwegs, alles liegenlassen – gerade wenn man hier an etwas arbeitet, das noch nicht abgeschlossen ist, und dann schon wieder wegmuss. Würden wir uns senden lassen?
Können wir unsere eigenen Interessen zurückstellen, zugunsten höherer Interessen?
Praktische Hinweise und menschliche Fürsorge
Und dann, das finde ich auch so schön, merkt man, dass Paulus tatsächlich – wie Harold St. John sagt – ein wirklich vollendeter Gentleman im allerbesten Sinn ist. Er weiß, dass es für Timotheus nicht leicht sein wird, Ephesus zu verlassen. Timotheus ist ja in Ephesus, und Paulus drängt ihn eindringlich, zu kommen.
Er weiß, dass es für Timotheus schwer ist, die Gemeinde dort zurückzulassen. Das sind ja Schwierigkeiten und Probleme. Paulus hat daran gedacht, dass er Psychikus nach Ephesus geschickt hat. So konnte Timotheus mit weniger Sorgen gehen.
Und dann, in Vers 13, erwähnt Paulus den Mantel, den er in Troas bei Karpus zurückließ. Wahrscheinlich geschah das bei seiner Verhaftung, weil es so schnell ging, dass er nicht einmal sein persönliches Reisegepäck mitnehmen durfte. Paulus bittet Timotheus, den Mantel mitzubringen, denn es ist Winter oder der Winter naht, und dann wird es kalt.
Paulus ist eben kein Fakir und auch kein Buddhist, dessen Ideal es ist, für alle Empfindungen unempfindlich zu werden und erhaben über allem zu stehen. Paulus konnte weinen und freute sich über die Tränen anderer. Er wusste, was es heißt, Hunger und Durst zu leiden und zu frieren, und sagt deshalb auch: „Du, ich friere, bring mir den Mantel.“
Das Christentum ist keine asketische Religion. Es macht uns nicht unempfindlich und entrückt uns nicht von menschlichen Empfindungen. Im Gegenteil, es lässt uns womöglich noch viel tiefer empfinden als zuvor.
Dann bittet Paulus auch um Bücher, besonders um Pergamente. Er war offensichtlich jemand, der bis an sein Lebensende ein Lernender blieb.
Warnung vor destruktiven Personen und Umgang mit ihnen
Und Verse 14 und folgende: Hier muss Paulus von Alexander dem Schmied sprechen. Das ist wirklich traurig. Muss es denn so etwas geben? Muss es das wirklich geben, dass es Menschen wie Alexander gibt, die nichts Besseres zu tun wissen, als Paulus zu quälen? Sie wissen nichts Gescheiteres, als ihm Böses zu tun.
Im Volk Gottes gibt es solche Leute, die nichts Besseres wissen, als andere zu quälen und Leid zuzufügen. Genau das hat dieser Alexander hier getan. Wir wissen nicht genau, was geschehen ist, aber Paulus sagt, dass Alexander ihm viel Böses angetan hat – ihm persönlich, ja. Tatsächlich hat er dem Apostel persönlich Schaden zugefügt.
Jetzt sagt Paulus: „Der Herr vergelte ihm nach seinen Werken.“ Es gibt tatsächlich Fälle, in denen auch Christen, sogar ein Mann Gottes wie Paulus, nicht sagt: „Der Herr rechne es ihm nicht zu.“ Hier bittet er wirklich, dass der Herr es vergelten möge.
Wir sollten jedoch nicht denken, Paulus sei hier rachsüchtig – das ist er nicht. Sonst hätte er Briefe geschrieben und gesagt: „Nehmt diesen Mann fest, bringt ihn vor Gericht.“ Nein, das macht Paulus nicht. Er sagt einfach, man solle ihn dem Herrn überlassen. Der Herr wird ihn zu seiner Zeit auf seine Weise richten.
Paulus sagt: „Ich weiß nichts anderes mehr zu sagen.“ Es gibt solche Menschen, mit denen man einfach nicht weiterkommt. Wir können nur sagen: Der Herr wird ihn an seinem Tag auf seine Weise anfassen und vergelten.
Wir überlassen es dem Herrn. Wir nehmen das Urteil nicht selbst in die Hand. Wir regen uns auch nicht mehr darüber auf. Es tut zwar weh, es hat wehgetan, aber wir überlassen Alexander und die ganze Sache jetzt dem Herrn.
Warnung und Schutz vor schädlichen Personen
Im Vers 15 sehen wir, dass dieser Mann unverbesserlich war. Er hat unseren Worten sehr widerstanden – nicht nur meinen, sondern unseren. Mehrere haben offensichtlich versucht, ihn zur Einsicht zu bringen. Doch er war immer überzeugt, immer im Recht. Er widersetzte sich sehr stark.
Dann sagt Paulus zu ihm: „Hüte dich auch du!“ Ja, es gibt solche Menschen auch innerhalb des Volkes Gottes. Man kann nur sagen: Geh aus dem Weg! Hüte dich vor ihm. Lass dich nicht auf ihn ein. Er wird dich schädigen, ausnutzen und dir Böses tun. Er wird dich vor seinen Karren spannen, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Nein, hüte dich vor ihm!
Nicht einmal der Apostel wusste, was er tun oder sagen sollte. Alle Versuche fruchteten nichts. Man konnte nichts mehr mit ihm erreichen. Es gab keine anderen Wege mehr. Ja, so etwas gibt es auch.
Umgang mit Versagen und Sünde unter Brüdern
Betrachten wir nun Vers 16. Dort macht Paulus wichtige Unterschiede, an denen man erkennen kann, wo man unterscheiden muss. In diesem Vers spricht er auch von Versagen oder von Sünde unter Brüdern.
Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei. Natürlich war das eine Sünde. Sie haben Paulus einfach allein gelassen. Das war lieblos und unbrüderlich.
Doch was sagt Paulus? Er sagt, dass es ihnen nicht zugerechnet wird, weil er zwischen Sünden unterscheiden konnte. Es gibt Sünden, die wir einander aus Schwäche zufügen. Wir sündigen oft aneinander. In solchen Fällen müssen wir mit dem Apostel Paulus sagen können: „Das rechne ich ihnen nicht zu.“ Wir sollten es einfach vergessen, ablegen und gar nicht mehr aufgreifen.
Anders verhält es sich, wenn Menschen beharrlich Böses tun, einfach destruktiv und böse handeln. Das ist etwas anderes. Oft können wir das nicht unterscheiden. Jemand hat sich irgendwie an uns versündigt, hat vielleicht unbedacht oder unvorsichtig etwas gesagt. Dann tragen wir es ihm die ganze Zeit nach, bis er es geklärt hat und auf den Knien vor uns gerutscht ist.
Das zerstört Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit. Wir müssen einander Dinge verzeihen können, auch wenn uns Unrecht geschieht. Wenn es aus Schwachheit oder Unachtsamkeit geschieht, dann müssen wir wirklich von Herzen sagen: „Das rechne ich ihnen nicht zu.“ Möge der Herr das ganz tilgen und wegnehmen, so dass es ihnen nicht zugerechnet wird.
Ja, sie ließen ihn allein.
Die Gegenwart und Hilfe des Herrn in schwierigen Zeiten
Und dann steht im Vers 17: „Der Herr aber stand mir bei, der Herr war eben da.“
Diese Stelle sollte man eigentlich noch pointierter übersetzen. Das griechische Wort „Parästäl“, ein sogenannter Aorist, müsste man so übersetzen, dass der Herr sich nicht nur auf die Frage richtet, sondern dass er mir tatsächlich zur Seite trat.
Das hält genau diesen dramatischen Augenblick fest: Die Brüder ließen mich allein, und da stand ich, musste mich verantworten. In diesem Moment kam der Herr und trat mir zur Seite. Der Herr trat mir zur Seite. Was für ein Herr, wie wunderbar! Er lässt uns nicht allein.
Der Herr trat mir zur Seite und stärkte mich. Er stärkte mich so sehr, dass ich vor diesem Tribunal, das quasi allmächtig war, bestehen konnte. Dieses Tribunal verfügte über Millionen von Menschen und konnte mit einem Wink der Hand Menschenleben auslöschen.
Er stärkte mich nicht, damit ich mich verteidigen oder herausreden konnte – ganz sicher nicht. Sondern damit durch mich die Predigt vollbracht werde.
So hat Paulus in dieser Situation auf irgendeine Weise den Spieß umgedreht. Er stand da und musste sich vor einem Richter verantworten. Doch offensichtlich konnte die Sache so umgekehrt werden, dass am Ende den Leuten bewusst wurde: Ihr steht vor einem Richter und müsst euch vor ihm verantworten.
Paulus konnte ihnen das Evangelium predigen, und alle aus den Nationen wollten hören. Zudem musste er ja diesen Brief auch noch schreiben.
Ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen. Es kam nicht zur erwarteten sofortigen Verurteilung und Hinrichtung. Deshalb konnte er diesen Brief noch schreiben. Das musste auch so sein, um seinen Dienst zu vollenden und diesen Brief noch zu verfassen.
Zuversicht und Lobpreis trotz schwieriger Umstände
Und dann diese Zuversicht – die letzten Worte des Apostels, die wir besitzen: „Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und mich bewahren für sein himmlisches Reich.“ Das ist die wunderbare Gewissheit, die er hat.
Dann sagt er: „Ihm sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Ja, das war das beständige Brennen im Herzen dieses Mannes. Sein Gott soll verherrlicht werden, Christus, sein Retter, soll erhöht werden.
Er hatte das schon aus seiner ersten Gefangenschaft geschrieben: „Ob ich jetzt hingerichtet werde oder am Leben bleibe – wie es auch kommt, Christus soll gepriesen werden, sei es durch Leben, sei es durch Tod.“
Ihm sei die Herrlichkeit – das könnte man über das ganze Leben des Apostels sagen. Christus soll gepriesen werden.
Persönliche Grüße und die Bedeutung der Gemeinschaft
Und dann redete er von einzelnen Geschwistern, die er persönlich kennt, und erwähnt auch Geschwister in Rom. Er grüßt Prisca und Aquila, die ja in Ephesus sind, und das Haus des Onesiphorus. Erastus blieb in Korinth, und Trophimus hat er in Milet krank zurückgelassen.
All diese Nachrichten interessieren natürlich Timotheus. Wie geht es den anderen Mitarbeitern? Was tun sie? Wo sind sie? Dann sagt Paulus wieder: Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen.
Anschließend folgen einige Grüße: Es grüßen sich Eubulus und Pudens, Linus und Claudia. Nun, wir können in irgendeinem Lexikon nachschlagen, auch im Großen Brockhaus, doch ich weiß nicht, ob dort etwas über Eubulus, Pudens, Linus und Claudia steht. Im Geschichtsunterricht haben wir auch nichts von ihnen gehört.
Paulus sitzt in der Hauptstadt der Welt, in Rom, und während er diese Zeilen schreibt, steht Rom auf dem Höhepunkt seiner Macht im ersten Jahrhundert. Von allen Seiten dieses schier endlosen Reiches kommen Meldungen von weiteren Siegen der römischen Legionen, von weiteren Provinzen, die dem Reich angegliedert wurden. Feldherren ziehen in diese Stadt ein, und ihnen wird zugejubelt. Triumphbögen werden aufgerichtet, und ganz Rom und die ganze Welt reden davon. Die Geschichtsbücher haben die Kunde davon festgehalten.
Paulus schreibt überhaupt nichts davon. Hier sehen wir, wie der inspirierte Apostel eben von den Dingen schreibt, die Gott wichtiger sind als alles in der Welt. Für Gott, den Vater, und seinen Sohn Jesus Christus sind die vom Herrn Erkauften mehr wert als alle Reiche der Welt. Ihm sind ein Pudens, ein Eubulus, ein Linus und eine Claudia unendlich viel mehr wert als alle Cäsaren, alle Feldherren und alle Legionen Roms.
So sieht Gott die Dinge, und von denen redet Paulus. Das sind die, die sein Herz bewegen, weil sie zum Volk Gottes gehören – das Wohlergehen des Volkes Gottes. Und das ist das Zweite, was man über das Leben des Paulus schreiben könnte, im Vers 22: Die Gnade sei mit euch.
Diese beiden Wünsche, die Paulus hier ausspricht – ihm sei die Herrlichkeit (Vers 18) und die Gnade sei mit euch (Vers 22) – haben diesen Mann sein Leben lang regiert: Gottes Ehre und das Wohlergehen der Geliebten Gottes.
Was ich so schön finde an diesem Brief, wenn wir bedenken, wie es diesem Paulus ergeht: Es ist eine ganz undankbare Lage, in der er sich befindet. Leute haben sich von ihm abgewandt, Gemeinden, die durch ihn gegründet worden sind, werden von falschen Lehrern infiltriert, persönliche Feinde tun ihm Böses, und er wird bald hingerichtet.
Wenn wir diesen Brief lesen, dann merkt man: Dieser Brief ist nicht voll von Paulus. Er ist voll von Christus, er ist voll vom Evangelium. Hier redet ein Mann nicht von sich und will, dass alle an ihn denken, wie es ihm schlecht geht und wie ungerecht er behandelt wird – überhaupt nicht.
Ja, Paulus ist wirklich ein Mensch in Christus, ein Mensch in Christus – so nennt er sich an einer Stelle. Und das erquickt uns einfach, so etwas zu lesen. Es ist wie ein Widerhall aus dem Himmel, der uns hier durch den Apostel ans Ohr dringt. So anders als alles Menschliche und als alles, was Menschen tun oder empfinden.
Ja, das ist der letzte Brief des Apostels, sein letztes Wort an Timotheus, sein letztes Wort an die Gemeinde. Und wir wollen diese beiden Sätze noch einmal lesen, und damit schließe ich: Ihm sei die Herrlichkeit und die Gnade sei mit euch.
Abschlussworte: Gottes Ehre und das Wohl der Gläubigen
!