Liebe Gemeinde,
wer von uns kennt das nicht: die Angst vor dem Montag. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn das Wochenende zu Ende geht und der Alltag wieder in Sichtweite rückt – die Arbeit, die Schule, die Uni – dann geraten manche Menschen in eine schwierige Stimmung. Sie bekommen ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend.
Ähnlich ist es oft beim Urlaub. Wenn die angeblich schönsten Wochen des Jahres zu Ende gehen, können viele den anrückenden Alltag nur dadurch ertragen, dass sie gleich den nächsten Urlaub planen. Oder wie wir das manchmal gemacht haben: Wenn die Ferien vorbei waren, haben wir schon geschaut, wann die nächsten Ferien sind, und die Tage gezählt.
Alltag – das ist manchmal schwer. Alltag – das ist genau die Situation, in der sich die Jünger in unserem Predigttext befinden, einige Wochen nach den Osterereignissen und einige Tage vor Himmelfahrt. Die großen Stunden liegen hinter ihnen, das Staunen und der durchbrechende Jubel über die Wahrheit der Auferstehung. Langsam stellt sich die Normalität ein, es riecht nach Alltag.
Und das ist die Situation der Christen bis heute. Die Auferstehung Jesu ist in Kraft, sie ist wirksam und gut belegt. Niemand kann mehr daran zweifeln, dass der Herr Jesus auferstanden ist. Aber wir leben trotzdem in einer sehr alltäglichen Welt, in der man auf den ersten Blick nicht sieht, dass Jesus in ihr auferstanden ist.
Das ist unser Problem. Der Tod ist in dieser Welt nicht leblos und nicht untätig geworden. Die große Frage lautet: Gibt es wirklich im Alltag ein Leben mit dem Auferstandenen? Das ist die Frage.
Darauf gibt unser Predigttext heute Morgen eine sehr deutliche Antwort. Ich lade Sie ein, ihn mitzulesen.
Begegnung am See: Jesus zeigt sich den Jüngern
Im Johanniservangelium, wir befinden uns jetzt im Fortgang der Osterereignisse, Johannes 21, Verse 1 bis 14, da liegt Ihnen der Text sicherlich vor.
Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich in folgender Situation: Beieinander waren Simon Petrus, Thomas, der Zwilling genannt wird, Nathanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei weitere seiner Jünger.
Simon Petrus spricht zu ihnen: „Ich will fischen gehen.“ Sie antworten ihm: „So wollen wir mit dir gehen.“ Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. In jener Nacht fingen sie jedoch nichts.
Als es schon Morgen war, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. Jesus spricht zu ihnen: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Sie antworteten: „Nein.“ Er sagt zu ihnen: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“
Da warfen sie das Netz aus und konnten es nicht mehr ziehen, wegen der Menge der Fische. Der Jünger, den Jesus liebte, sagt zu Petrus: „Es ist der Herr!“ Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen an Land.
Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer, darauf Fische und Brot. Jesus spricht zu ihnen: „Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!“ Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land. Es war voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig an der Zahl. Obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.
Jesus spricht zu ihnen: „Kommt und haltet das Mahl!“ Niemand aber unter den Jüngern wagte ihn zu fragen: „Wer bist du?“ Denn sie wussten, dass es der Herr war.
Jesus kam, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso die Fische. Dies ist nun das dritte Mal – man kann auch sagen ein drittes Mal –, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Die neue Alltagssituation der Jünger
Wenn man sich in diesen Bericht hineinliest, spürt man förmlich die Umbruchssituation. Drei Jahre lang waren sie Tag für Tag mit Jesus zusammen – drei Jahre lang. Dann kam die Kreuzigung, die Auferstehung und danach die neue Situation.
Jesus ist auferstanden. Ja, sie hatten seine Nägelmale gesehen, sie hatten mit ihm zusammen gebratenen Fisch gegessen und sich völlig davon überzeugen können: Es ist der Herr. Und doch gab es Veränderungen. Der Herr war eben nicht mehr ständig sichtbar, nicht mehr ständig greifbar.
Vierzig Tage ist er ja noch nach der Auferstehung auf der Erde gewesen: der Herr Jesus. Er ist seinen Leuten immer wieder erschienen und hat diese Begegnungen genutzt, um die Jünger Schritt für Schritt auf die Zeit danach vorzubereiten. Das ist hochinteressant.
Johannes schildert drei Begegnungen Jesu mit dem ganzen Jüngerkreis unter anderem. Jede dieser Begegnungen hatte ihren ganz besonderen Akzent. In Johannes 20,19-23 überzeugt Jesus sie von der Wirklichkeit der Auferstehung: „Ich bin real auferstanden.“ Die zweite Begegnung, die geschildert wird, stellt vor allem Thomas in den Mittelpunkt. Da räumt Jesus Zweifel an der Auferstehung aus.
Und jetzt, hier in dieser dritten Begegnung, die Johannes schildert – das ist unser Bericht, unser Text – führt er sie wieder in die Zeit des Alltags hinein. Darum geht es. Er baut ihnen die Brücke für die Zeit, in der die Apostel in vielerlei Hinsicht – und das wird heute Morgen deutlich werden – in der gleichen Situation sind wie wir.
Die ersten beiden Treffen fanden noch am Tatort statt, in Jerusalem. Dieses Treffen, das wir uns heute anschauen, ist bereits für den Norden Israels geplant, also für Galiläa. Jesus hatte gesagt, er würde dort mit ihnen noch einmal zusammentreffen.
Das ist die Situation unseres Textes. Es gab bestimmt Absprachen vorher, und so sind sie jetzt für einige Tage zurück in Galiläa, im Norden, am See Sibirias, am See Genezareth – hier, wo sie hergekommen waren, hier, wo alles angefangen hatte.
Wir haben ja in unseren Studien über das Markus-Evangelium in der Bibelstunde ganz viel über den Dienst Jesu im Norden, in Galiläa, kennengelernt. Und jetzt nimmt er sie wieder mit hierher in den Norden.
Galiläa stand für die Jünger für Alltag. Da kamen sie her. Das war ihre Heimat. Die Situation war verändert, weil Jesus auferstanden war, und trotzdem war vieles genauso wie vorher. Man sah es Galiläa nicht unbedingt an, dass Jesus auferstanden war.
So ist das auch, wenn wir Christen werden. Eigentlich ist alles verändert. Die Grundposition unseres Lebens hat sich verändert, und doch ist vieles andere vom Alltag noch gleich: der Ort, in dem wir leben, die meisten Menschen, mit denen wir zu tun haben, das Haus, die Straße, die Herausforderungen, der Ärger – vieles ist noch gleich.
In ganz wenigen Tagen werden die Jünger in einer ähnlichen Situation sein wie wir heute. Dann wird Himmelfahrt sein, vierzig Tage nach Ostern. Jesus wird in Gottes für uns noch unsichtbare Welt zurückgehen. Er wird ihnen sagen: Ich bin immer bei euch, weil ich überall eingreifen kann als der allmächtige Gott. Ich werde eure Gebete hören, ich werde immer in eurer Nähe sein. Aber sie werden ihn nicht mehr in dieser direkten Weise sehen.
Das ist die Situation, und darauf bereitet Jesus sie vor. Es ist hochinteressant, wie ausführlich Johannes diese Szene beschrieben hat. Er war ja dabei. Auf den ersten Blick wundert man sich über die vielen alltäglichen Einzelheiten, die darin vorkommen – das werden Sie noch sehen. Aber genau darum geht es.
Johannes will sagen: Wenn wir mittendrin sind in den Einzelheiten unseres Alltags, dann ist Jesus auch da. Und das ist die große Frage, die wir immer wieder stellen: Gibt es das wirklich, Leben im Alltag mit dem Herrn Jesus, mit dem Auferstandenen? Oder sind das zwei verschiedene Welten – da der Herr Jesus und der Glaube, und auf der anderen Seite das, was wir so alltäglich zu bewältigen und zu tun haben?
Diese Frage hat sicherlich die Jünger auch umgetrieben. Und was tun sie? Sie tun zunächst mal das Naheliegende, in Vers 3: Sie gehen fischen.
Vers 3: Ja, sie waren beieinander und sind da am See Genezareth. Wahrscheinlich hatten sie noch einmal über alles gesprochen, was in der Vergangenheit gelaufen war. Dann sagt Petrus in Vers 3: „Gehen wir fischen!“ Er will fischen gehen, und sie sprechen zu ihm: „Gut, so wollen wir mitgehen.“
Manche Ausleger meinen, das sei ungehorsam gewesen. Petrus hätte missionieren sollen, und stattdessen geht er fischen. Aber das steht hier nicht. Er geht jetzt erst einmal fischen. Prinzipiell ist dagegen nichts zu sagen.
Wir können uns vorstellen, wie sie die alten Gerätschaften herausgeholt haben. Vielleicht hatten in der Zwischenzeit irgendwelche Mitarbeiter den kleinen Betrieb weitergeführt. Sie nehmen das Boot, die Netze, setzen sich hinein und fahren raus. Das ist alles wie früher.
Die Kollegen schließen sich an, aber Gottes zukünftige Apostel merken, wie sehr sie doch noch in dieser normalen Welt leben. Denn der Fischfang ist ein Schlag ins Wasser. Obwohl sie zur besten Zeit unterwegs sind – nämlich nachts – fangen sie nichts, wie hier steht.
Die erste Lektion: Jesus ist im Alltag gegenwärtig
Und dann dämmert der Morgen. Während der Morgen dämmert, hören sie, wie vom Ufer aus eine Person ihnen etwas zuruft. Wegen der Dämmerung können sie diese Person nicht sehen.
Sie sind hier, wie in Vers 8 angegeben, 200 Ellen entfernt, also etwa 90 Meter vom Strand. Doch da steht jemand und ruft, und man kann ihn hören, weil der Schall über das Wasser getragen wird. In jener Region kann man also vom Wasser des Sees Genezareth aus sehr gut hören, was jemand am Ufer sagt oder ruft.
So steht da jemand und ruft. Die Jünger rechnen in diesem Moment absolut nicht mit Jesus. Wenn man sich Vers 4 anschaut: „Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ In der Dämmerung, neunzig Meter entfernt, mussten sie ihn nicht unbedingt erkennen.
Der Rufer am Ufer erfasst sofort ihr Problem. Er ruft nämlich: „Kinder, habt ihr nicht zu essen?“ Und sie antworten zurück: „Nein.“ Er aber spricht zu ihnen: „Werft das Netz aus zu Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“
Sie befolgen seinen Rat, obwohl das gegen alle Fischererfahrung war. Doch es kann ja nichts Schlimmeres passieren, als es schon ist. „Lehrer, schlimmer geht’s nicht“, und sie tun es mit erstaunlichem Erfolg. Da werfen sie das Netz aus und können es nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
In Vers 7 spricht dann der Jünger, den Jesus lieb hatte – das ist die Selbstbezeichnung des Johannes, sein Zeugnis: „Ich bin Jünger, weil der Herr mich liebt.“ So nennt er sich selbst in seinem Evangelium. Er sagt zu Petrus: „Es ist der Herr.“ Johannes erkennt als Erster, dass es Jesus ist.
Das ist die erste Lektion, die die Jünger über ihren neuen Alltag als Christen lernen: Jesus ist trotzdem da. Auch wenn sie jetzt nicht mehr täglich Seite an Seite mit ihm durch die Lande ziehen, auch wenn Jesus nach der Auferstehung nicht mehr ständig mit ihnen unter einem Dach wohnt und sie nicht mehr jeden Tag zusammen frühstücken, mittagessen und Abendbrot essen, auch wenn um sie herum alles nach der alten Arbeit riecht – nach den alten Fischernetzen und den alten Booten – hat er sie nicht aus dem Blick verloren.
Das ist die erste Lektion, die wir hier für den Alltag mit Jesus lernen: Jesus sagt, du bist in meinem Blick. Wenn Sie mitschreiben wollen, notieren Sie das: „Du bist in meinem Blick.“ Das ist der erste Punkt.
Dieser wunderbare Satz in Vers 4: „Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer.“ Er ist da, und er sieht sie genau.
Wir Christen haben oft ein ähnliches Lebensgefühl wie die Jünger. Wir wissen, dass Jesus da ist, wir wissen es im Kopf. Aber gleichzeitig rechnen wir nicht wirklich damit, dass er jetzt in diesem Augenblick wirklich bei uns ist. Es ist verrückt, aber so ist es oft. Wir strampeln uns ab in unserer Arbeit oder in der Familie, und der ganze Alltagskram wirkt uns oft zu banal, zu gewöhnlich, als dass wir mit Jesus rechnen würden.
In Vers 4b steht: „Die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ Und doch sagt Jesus: „Du bist in meinem Blick.“ Egal, ob du es merkst oder nicht, du bist in meinem Blick.
Wenn du dich abstrampelst und abmühst mit deinem Alltag, wenn du dich abkämpfst mit deiner Angst, wenn du in deiner Einsamkeit drinhängst, wenn du den Eindruck hast, dass dir alles über den Kopf wächst, oder wenn es dich einfach nur langweilt, weil scheinbar nichts Neues passiert – Jesus sagt: „Du bist in meinem Blick.“
Jesus blickt nicht nur auf unsere Situation, sondern auch durch unsere Situation hindurch. Er versteht sie. Das wird deutlich. Jesus zeigt den Jüngern: „Leute, ich weiß genau, wo euch momentan der Schuh drückt.“
Jesus formuliert das als rhetorische Frage, sodass die Antwort eigentlich schon klar ist, in Vers 5: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Und sie antworten: „Nein.“
Was mich hier wundert: Jesus kümmert sich um dieses Problem, obwohl es ein ganz harmloses ist. Die Jünger standen nicht vor dem Verhungern, sie kämpften auch nicht gegen das Ertrinken im See Genezareth. Sie hatten nur dieses Alltagsproblem mit dem missglückten Fischzug. Das war’s. Eigentlich nichts Schlimmes, eine alltägliche Situation.
Gerade da macht Jesus ihnen klar: „Du bist in meinem Blick.“ Was auch immer du gerade vor den Händen hast, ich sehe es.
Diese Zusage gilt auch uns ganz genauso. „Es kennt der Herr die Seinen und hat sie stets gekannt“, heißt es in einem alten Lied. Die Großen und die Kleinen in jedem Volk und Land lässt er nicht zugrunde gehen. Er führt sie aus und ein. Im Leben und im Sterben sind sie und bleiben sein. Er kennt uns.
Christen sind Menschen, die jede Sekunde im Blick ihres Herrn leben und in seiner Nähe sind. Egal, ob Sie jetzt eine Predigt hören, später mit der Familie am Mittagstisch sitzen, morgen früh mit dem Auto zur Arbeit, zur Uni oder ins Forschungslabor fahren, ob Sie mit Kollegen sprechen oder vor einem Stapel unbezahlter Rechnungen sitzen – was auch immer sein wird: Sie sind in seinem Blick.
Das ist nicht immer nur beruhigend, manchmal auch beunruhigend. Wir sind nämlich auch in seinem Blick, wenn wir krumme Touren machen, wenn wir schlechte Reden führen, wenn wir miese Filme sehen, wenn wir Dinge tun, sagen und denken, von denen wir wissen, dass er es nicht will. Auch dann sind wir in seinem Blick. Er ist da.
Halten Sie das fest: Das gilt für den Alltag mit Jesus – er sagt: „Du bist in meinem Blick.“ Johannes kapiert das als Erster diese Lektion und sagt sie an Petrus weiter. Das ist hochinteressant.
Johannes kapiert es als Erster, und Petrus handelt als Erster. In Vers 7 heißt es: „Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte: Es ist der Herr. Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt.“
Das heißt, er hatte mit freiem Oberkörper gearbeitet. Im Griechischen steht „gymnos“, was bedeutet, dass er bei der Wärme mit freiem Oberkörper gearbeitet hat. Und er warf sich ins Wasser. Petrus macht sich also auf den Weg.
Die zweite Lektion: Abhängigkeit und Geborgenheit in Jesu Hand
Und wir sehen jetzt ein zweites, was Jesus den Jüngern und uns deutlich macht: Alltag mit Jesus bedeutet nicht nur, du bist in meinem Blick, sondern zweitens, du bist in meiner Hand.
Du bist in meiner Hand, sagt Jesus den Jüngern in dieser Situation. Das heißt, du bist abhängig von mir. Du kannst nicht mal einen Fischzug ohne mich machen, Petrus, du bist in meiner Hand, auch in deinem Alltag. Du brauchst mich – und zwar nicht erst später, wenn ihr rausgehen werdet, um zu predigen und die ganze Welt zu missionieren. Nicht erst dann, nein, ihr braucht mich schon jetzt.
Du brauchst mich sogar bei deinem ureigensten Handwerk der Fischerei. Du brauchst mich, um mit Computerproblemen fertigzuwerden. Du brauchst mich, um Griechisch zu lernen. Du brauchst mich, wo immer du bist: wenn du deine Kinder erziehst, wenn du mit deinem Seniorenkreis unterwegs bist, wenn du mit deinem ganz stinknormalen Alltag fertigwerden musst. Du brauchst mich, sagt Jesus. Du bist in meiner Hand – das ist hier gemeint.
Und wie oft geht mir das so, dass ich das zwar theoretisch weiß: An Gottes Segen ist allen gelegen. Das sagt sich schnell, es ist alles gelegen an Gottes Segen. Aber von meinem Lebensgefühl her gehe ich an die Sachen doch oft so ran, als ob ich mit meiner eigenen Intelligenz und meiner eigenen Geschicklichkeit – mehr oder weniger großer Geschicklichkeit – die Sache schon irgendwie hinkriegen würde. Ja, so geht es uns doch oft.
Unser Lebensgefühl spielt uns oftmals einen Streich. Das Sichtbare – das halten wir für die eigentliche, wirkliche Wirklichkeit. Das, was wir sehen, das, was wir berechnen können, das, was wir in Händen halten, meinen wir, sei die wirkliche Wirklichkeit. Dabei erliegen wir einer gewissen optischen Täuschung, so wie man sich auch täuschen kann im Hinblick auf die Temperatur. Es gibt ja diesen Ausdruck der gefühlten Temperatur.
Das heißt, es kommt einem wahnsinnig kalt vor, und in Wirklichkeit ist es gar nicht so kalt. Die gefühlte Temperatur entspricht nicht immer der wirklichen Temperatur. Das Ganze kann man nur klären durch ein entsprechendes Messinstrument, um zu klären, wie warm es nun wirklich ist. Wir können uns so schnell täuschen. Und genau so brauchen wir einen Maßstab, ein Messinstrument, um zu erkennen, was denn nun die wirkliche Wirklichkeit ist.
Und dieser Maßstab ist die Heilige Schrift. Die Heilige Schrift ist unser Thermometer, das uns sagt: Die wirkliche Wirklichkeit ist nicht nur das – und nicht in erster Linie das –, was du siehst mit deinen Augen. Sondern die entscheidende Wirklichkeit ist die, dass Jesus, der Auferstandene, bei dir ist und lebt und du in seiner Hand bist.
Und das macht Jesus seinen Leuten hier deutlich. Er sagt: Die wirklichen Entscheidungen fallen in der unsichtbaren Welt. Du bist in meiner Hand. Das hat der Herr ihnen ja schon vor der Kreuzigung mit anderen Worten beschrieben. In Johannes 15 hat Jesus gesagt: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Das heißt, du bist in meiner Hand. Ohne mich könnt ihr nicht mal fischen, ohne mich seid ihr nichts, ohne mich habt ihr nichts.
Aber ich meine es gut mit uns, und du bist in meiner Hand. Das ist also einmal eine Begrenzung: Wir sind abhängig vom Herrn. Aber das ist auch zugleich eine enorme Verstärkung, Beglaubigung und Ermächtigung. Denn wenn Jesus sagt: Du bist in meiner Hand, dann heißt das, mein ganzer Alltag ist umgeben von ihm und seiner Wirklichkeit.
Du bist in meiner Hand – das heißt, du bist eben immer in meiner Hand. Du bist abhängig von mir, aber du bist auch geschützt von mir. Der Alltag des Christen ist umgeben von der Allmacht des Christus. Das heißt jetzt nicht, dass er alle Hindernisse aus unserem Wege räumen würde, damit wir es nur noch bequem haben oder alle unsere Wünsche erfüllen würde, damit wir nur noch genießen können.
Aber es heißt eben, dass der Herr wirklich alles zu unserem Besten fügt und dass uns von Montag bis Sonntag und von Sonntag bis Montag nichts anderes begegnen kann, als in seiner Kontrolle liegt und letztlich an ihm vorbei muss.
Pastor Heinrich Giessen, der in den Sechzigerjahren die Berliner Stadtmission leitete, hatte in der Gedächtniskirche zu seiner Zeit Andachten eingeführt. Sie wissen, Gedächtniskirche in Berlin, mitten im Zentrum der Metropole, in der Hektik des Berliner Alltags ein paar Minuten Andacht mit Pastor Heinrich Giessen.
Und dann saßen sie da vor ihm: die Manager, die Schüler, die Studenten, die Hausfrauen, nach dem Einkauf die Rentner – sie saßen da alle. Und dann kam Heinrich Giessen eines Tages in dieser Andacht und sagte nur kurz: „Hausfrauen.“ Und alle Hausfrauen guckten sehr hoch. Giessen sagte: „Küche, Waschmaschine, Geschrei, Windeln, Dreck, Ärger – immer dasselbe, das ist ihre Lage.“ Und die Frauen nickten.
Dann sagte Giessen: „Manager.“ Und die Manager schauten alle auf. Giessen sagte: „Vier Telefone, Sekretärin, hübsche Sekretärin, neunzehn Stunden am Tag Arbeit, Gehetztsein, Termine, Herzbeschwerden – das ist ihre Lage.“ Und die Manager nickten.
Und dann ging es immer weiter, jeder war plötzlich dran. Wir können das endlos weiterführen: Ja, Schüler – Angst vor der nächsten Klassenarbeit, Streit mit Eltern zu Hause, Druck von der Clique, Alkohol, ungewisse Berufsaussichten, das ist eure Lage. Oder Rentner, Senioren – Kräfte werden weniger, Einsamkeit kommt, Lebenskreis immer weiter eingeschränkt, Angst vor Krankheit und Sterben, das ist ihre Lage.
Und dann, als die Andacht in der Gedächtniskirche fertig war, da richtete Giessen sich auf und sagte nur noch einen Satz: „Jesus spricht: Ich bin der Herr deiner Lage.“ Und damit war die Andacht beendet.
Und die Leute gingen bestürzt aus der Gedächtniskirche hinaus und fragten sich: Ist das wahr? Ist das wahr? Gibt es wirklich einen Gott, der sich um mein kleines Leben kümmert und der der Herr meiner Lage ist? Gibt es einen Gott, der sich um meine Alltagsprobleme schert und der bei mir eingreifen kann?
Und genau das will der Herr Jesus den Jüngern in dieser Situation deutlich machen: Du bist in meiner Hand, du bist abhängig von mir, aber in dieser Abhängigkeit bist du auch geborgen. Das heißt, wenn sie mit Jesus Christus leben, dann steht das felsenfest über ihrer ganzen nächsten Woche: Du bist in meiner Hand.
Und das ist jetzt die Frage: Wie reagieren sie darauf? Was löst das bei ihnen aus? Als Petrus das begreift, da hält es ihn nicht mehr draußen im Boot. Er schmeißt sich ins Wasser, impulsiv wie er ist, lässt er die Fische Fische sein und schwimmt zu Jesus ans Ufer.
Es reicht ihm also nicht, da normal mit dem Boot dahin zu rudern, sondern er schwimmt Jesus voraus entgegen. Aber das ist auch interessant: Hier steht, er hat sich das Obergewand drübergezogen und dann ist er ins Wasser gesprungen und die 90 Meter hat er dann zurückgelegt. Vielleicht so halb geschwommen, dann am Ende wird er gelaufen sein.
Wieder so ein interessantes Detail: Johannes war dabei, er hat es gesehen, er erinnert sich daran. Warum zieht Petrus sich das Obergewand an? Man könnte doch denken, er packe es irgendwie ins Boot und sage: Pass drauf auf, ich schwimme schon mal los. Ich denke, weil er begriffen hat: Auch wenn Jesus mittendrin ist in meinem Alltag, bleibt er doch Jesus, bleibt er doch Gottes Sohn.
Das ist nicht so eine plumpe Vertraulichkeit. Petrus will wenigstens das Obergewand bei sich haben. Also Respekt und Liebe zu Jesus – das gehört zusammen. Da tut eins dem anderen keinen Abbruch.
Und auch die anderen Jünger kommen dann schnell hinterher. Sie machen das Netz wahrscheinlich außen am Boot fest und ziehen es an Land. Kaum angekommen, erleben sie schon die nächste Überraschung, Vers 9: Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Jesus hat für sie das Frühstück vorbereitet.
So hochinteressant! Wir können uns alle vorstellen, wie das so ist, wenn wir zum Beispiel eine Nachtfahrt hinter uns haben. Und dann kommen wir übermüdet irgendwo an und werden empfangen mit duftendem Kaffee und frischen Brötchen. Das ist eine Nachricht, das ist ein Willkommen.
Und genauso macht es Jesus hier mit seinen Jüngern. Das ist auch eine Predigt ohne Worte. Jesus will ihnen einprägen in diesen Minuten, als sie vom Rudern und vom Schwimmen wahrscheinlich noch ganz schön schwer atmen und die Spuren der Arbeit noch an ihren Händen kleben: Alltag mit Jesus heißt auch, du bist in meiner Fürsorge.
Die dritte Lektion: Jesus sorgt fürs tägliche Leben
Und das ist das Dritte: Du bist in meinem Blick, du bist in meiner Hand, du bist in meiner Fürsorge. Diese Worte können Sie sich auch aufschreiben. Wenn Sie zu Jesus gehören, dann gilt das auch für Sie.
Wer mit Jesus lebt, kann sich darauf verlassen, dass Jesus sich um ihn kümmert und weiß, was er braucht. Er hat einmal gesagt: In der Bergpredigt sind die Haare auf eurem Haupt gezählt. Das ist bei manchen schwerer und bei manchen leichter, aber sie sind gezählt. Und das betrifft auch ganz praktische Dinge.
Manche Leute denken, es sei gar nicht erlaubt, lächerlich oder übertrieben, mit ganz gewöhnlichen, normalen Anliegen zu Jesus zu kommen. So als ob Jesus Christus nur für die klassischen religiösen Anliegen zuständig wäre und das andere müssten wir schon gefälligst mit uns selbst ausmachen. Vielleicht kennen Sie auch diesen verbreiteten Spruch: „Gott hat keine Hände, wir sind seine Hände; Gott hat keine Füße, wir sind seine Füße“ usw. Das ist Unsinn.
Hier in der Morgenfrische am See zeigt Jesus genau das Gegenteil. Noch bevor sie ihren Fisch an Land ziehen, hat er ein Frühstück für sie vorbereitet. Er hat das Feuer angezündet, das Brot besorgt und schärft ihnen diese Lektion ein: Auch jetzt, wo ich auferstanden bin, auch jetzt, wo ich nicht mehr tagtäglich mit euch durch die Lande gehe, will ich trotzdem für euren Alltag sorgen. Du bist in meiner Fürsorge, sagt Jesus.
Das gilt für deine Haushaltskasse, wenn dein Auto kaputt ist und du nicht weißt, wie du die nächste Rechnung bezahlen sollst. Es gilt, wenn dein Arbeitsplatz plötzlich in Gefahr gerät, wenn eine Krankheit kommt, mit der du nicht gerechnet hast. Es gilt, wenn du Schwierigkeiten hast, mit deinem Alleinsein fertig zu werden, wenn die Kinder plötzlich Schulprobleme mit nach Hause bringen, und du nicht weißt, wie das in den nächsten Wochen gelöst werden soll. Es gilt, wenn du Angst vor der Führerscheinprüfung hast oder dich ärgerst, weil du durchgefallen bist und die nächste Prüfung wartet. Es gilt bei Klausuren, Forschungsprojekten oder was auch immer.
Du bist in meiner Fürsorge, sagt Jesus. Ich sehe deine Situation und ich weiß, was du brauchst.
Spurgeon hat einmal gesagt: Es ist für einen Vater nichts Kleines, was sein Kind bewegt. Und das gilt für unseren Vater im Himmel ganz genauso.
Es gibt eine Begebenheit, die das hervorragend belegt und illustriert. Der Missionar Karl Studd – also S-T-U-D-D geschrieben – war in Afrika. Er wurde älter und bekam Probleme mit seinen Zähnen. Der gute Missionar brauchte eigentlich ein Gebiss, aber er bekam keines. Er musste seine Missionsarbeit tun und ernährte sich zeitweilig vorwiegend von Wassersuppen. Das muss grausig gewesen sein.
Man legte ihm nahe, in die Heimat zu reisen und sich behandeln zu lassen. Aber Studd wusste: Es geht jetzt nicht. Ich muss hier bei meinen Leuten bleiben, es ist momentan keiner da, der mich vertreten kann. Und dann sagte er: Wenn Gott es für nötig hält, dass ich neue Zähne bekomme, wird er schon dafür sorgen.
Wenige Monate später kam der Zahnarzt Back vor das Heimatskomitee dieser Mission und bot ihm seine Dienste für Innerafrika an. Im Heimatskomitee wurde gesagt: Tut uns leid, Sie kommen zehn Jahre zu spät, Sie sind zu alt. Daraufhin verkaufte der Zahnarzt seine Praxis und ging auf eigene Kosten nach Afrika, weil ihn die Missionsgesellschaft nicht senden wollte.
Dann ließ er sich einige Zeit an der Kongomündung nieder, versorgte die Leute dort mit zahnärztlicher Hilfe und verdiente sich das Geld für die Weiterfahrt. Unterwegs im Inneren Afrikas begegnete er im Boot einem Eingeborenen. Sie können es sich denken: Es war der Missionar Karl Studd.
Sie waren ganz begeistert, einen Christen zu treffen. Sie beteten zusammen und tauschten sich über ihre Situation aus. Dabei kam natürlich das Problem mit dem Gebiss zur Sprache. Back sagte: Das ist überhaupt kein Problem, ich habe alles dabei, was wir brauchen. Gott hat mich offensichtlich nicht nur nach Afrika geschickt, um das Evangelium zu verkünden, sondern auch, um Missionar Studd ein Gebiss zu bringen. Ich habe alles dabei, ich werde es Ihnen anfertigen.
Studd sagte später: Ist das nicht unvorstellbar? Gott schickt einen Zahnarzt in das Innere Afrikas, um nach den Zähnen seines Kindes zu sehen, das ihn braucht.
Du bist in meiner Fürsorge, sagt Jesus. Du bist in meiner Fürsorge.
Das geht natürlich nicht immer so dramatisch, aber es gilt grundsätzlich. Wir können daran lernen, was es bedeutet, im Alltag mit Jesus zu leben und dass wir uns auf seine Fürsorge wirklich verlassen können. Manchmal können wir das kaum glauben, wie groß diese Fürsorge ist.
So wirkt es auch bei den Jüngern. Es hat fast den Anschein, als wolle Jesus sie noch einmal ermutigen, das auch anzunehmen. Vers 12: Als ob Jesus sagen wollte: „Nun frühstückt doch mal.“ Vers 12: „Kommt und haltet das mal.“ Und als die Jünger dann da sitzen, kommt Jesus, bedient sie (Vers 13), gibt ihnen das Brot und händigt ihnen die Fische aus.
Er will deutlich machen: Du bist in meiner Fürsorge. Wieder sehen wir diese Nähe zu Jesus und das Staunen über seine Fürsorge. Das ist begleitet von großer Ehrfurcht.
Alltag mit Jesus zu leben bedeutet eben nicht, eine plumpe Vertraulichkeit ihm gegenüber an den Tag zu legen. Wir wissen immer noch: Er ist der Herr. Und das gehört beides zusammen.
Aus Vers 12 hören Sie richtig die Scheu heraus. Jesus spricht zu ihnen: „Kommt, haltet das mal.“ Niemand aber unter den Jüngern wagte ihn zu fragen, wer du bist, denn sie wussten, dass es der Herr war.
Verstehen Sie? Dieser Respekt, diese Scheu wird deutlich vor dem Wunder der Auferstehung. Ja, es war derselbe Jesus, mit dem sie drei Jahre lang unterwegs gewesen waren. Zugleich war diese besondere Hoheit Jesu für sie jetzt noch deutlicher spürbar.
Diese ganze Situation unterstreicht noch einmal, wie wichtig es für die Jünger war, dass Jesus ihnen jetzt half, mit dieser neuen Situation fertig zu werden. Auch in dieser neuen Hoheit und Allmacht bin ich doch ganz nah dran an deinem Alltag.
Du bist in meinem Blick, du bist in meiner Hand, du bist in meiner Fürsorge.
Liebe Gemeinde, auch wir brauchen diese Vergewisserung dringend. Ja, wir müssen nicht diese Umbruchssituation mitmachen wie die Jünger. Unsere Schwierigkeit liegt eher darin, dass wir Jesus Christus noch nie mit unseren eigenen Augen sehen konnten. Das ist eher unsere Schwierigkeit.
Und dass bestimmte Leute uns immer wieder einreden wollen, Jesus sei auch nur ein sterblicher Mensch gewesen und gar nicht wirklich auferstanden, das ist eher unsere Schwierigkeit.
Diese Schwierigkeit hatten die Jünger nicht. Sie hatten ihn gesehen. Aber umso wichtiger ist es auch für uns, dass uns das Neue Testament immer wieder vor Augen führt: Jesus ist wirklich Gottes Sohn, er ist wirklich auferstanden und er ist wirklich in der Lage und willens, deinen Alltag fest in seinen Händen zu halten. Und er ist wirklich da, auch wenn du es manchmal nicht spürst.
Er ist der Herr an deiner Seite. Es besteht eine echte Lebensverbindung zwischen dir und deinem Herrn Jesus Christus.
Die vierte Lektion: Teilhabe am Dienst Jesu
Und dann gibt es noch eine letzte Sache, die Jesus den Jüngern über den neuen Alltag zeigt. Das wollen wir zum Schluss betrachten. Jesus sagt ihnen: „Du bist in meinem Dienst.“ Das ist das Vierte: Du bist in meinem Dienst.
Denn schauen Sie: Als die Jünger aus dem Boot steigen und Jesus fürsorglich alles vorbereitet hat, was macht er da nicht? Er übergeht nicht die Fische, die sie selbst mitgebracht haben. In Vers 10 heißt es nämlich: Er hat alles vorbereitet, und dann spricht Jesus zu ihnen: „Bringt auch von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ Er selbst sorgt für das eigentliche Essen, aber sie dürfen ihre Gaben mitbringen. Er bezieht sie mit ein und macht ihnen deutlich: Jawohl, ich will euch beteiligen. Er würdigt sie dadurch, dass sie auch etwas zum Mahl beitragen dürfen.
Wissen Sie, Jesus Christus hätte unseren Dienst nicht nötig. Er bräuchte von keinem von uns den Dienst. Er kann sein Reich bauen ohne mich und ohne Sie. Das ist für Jesus Christus eine Kleinigkeit, er braucht uns nicht, das wissen wir. Aber er will mit uns bauen. Er würdigt uns, indem er uns einbezieht. Er sagt: Komm, komm, mach mit, komm, diene mir. Er will ausdrücklich deinen Dienst und meinen Dienst. Das ist die größte Ehre, die es für uns gibt – dass wir im Reich Gottes dienen dürfen.
Indem er uns in diesen Dienst nimmt, wird das Verhältnis zwischen ihm und uns natürlich auch immer enger. Und Petrus lässt sich das nicht lange sagen. Er ist als Erster beim Boot, und so holen sie die reiche Beute wirklich ein. In Vers 11 heißt es: „Und Petrus stieg hinein, zog das Netz an Land voll großer Fische – hundertdreiundfünfzig –, und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.“ Das ist ein Riesenfang!
Wir wundern uns über diese Zahlenangabe, aber das ist wieder so ein Detail des Augenzeugen. Ja, vielleicht hat einer gesagt: „Oh, das ist ja enorm, lass uns doch mal zählen.“ Und dann haben sie angefangen zu zählen und gesagt: „Jetzt wollen wir wissen, wie viele es sind.“ Am Ende kam die Zahl 153 heraus. Und das haben sie sich gemerkt, vielleicht auch irgendwie aufgeschrieben.
Wissen Sie, Jesus hatte drei Begegnungen mit den Jüngern in bestimmten Zusammenhängen, und dann kamen noch mehrere dazu. Doch drei schildert Johannes besonders präzise: Sieben Jünger sind dabei, zweihundert Ellen ist das Boot vom Strand entfernt, und hundertdreiundfünfzig Fische werden gefangen. Das sind ganz genaue Zahlen und Angaben, die Johannes hier macht.
Ich bin fast sicher, in diesem Moment haben sich Petrus und Co. an eine Sache erinnert, die schon drei Jahre zurücklag. Wissen Sie, welche? Lukas 5 berichtet davon. Da gab es eine ähnliche Situation: Sie hatten die ganze Nacht gefischt, vergeblich. Dann kam Jesus und verschaffte ihnen einen großen Fangerfolg.
Damals hatte sich Petrus so erschrocken vor der Macht Jesu. Jesus hatte ihn gleich in den Dienst genommen und gesagt: „Petrus, pass auf, von jetzt an wirst du Menschen fischen, von jetzt an wirst du Menschen herausfischen aus dem Meer ihrer Sünde und Verlorenheit.“ An diesen Satz musste Petrus jetzt einfach gedacht haben. Das ist gar nicht anders möglich.
So braucht Jesus das hier gar nicht zu wiederholen, diesen Auftrag. Jetzt geht ihr und werdet Menschenfischer. Das war ganz klar, was demnächst den Alltag von Petrus und seinen Leuten ausmachen würde. Geht hin und werdet Menschenfischer. Das würde ihren Alltag mit Jesus ganz entscheidend bestimmen.
Sie würden rausgehen, losmarschieren, öffentlich predigen und zur Umkehr zum Auferstandenen einladen. So wie unter den 153 Fischen sicherlich die verschiedensten Arten und Exemplare waren, so würden die Jünger auch in Zukunft das rettende Netz des Evangeliums über viele verschiedene Menschen werfen.
Und das würde ihren Alltag mit Jesus bestimmen: alle Völker zu Christus rufen. Das heißt es auch für uns: Alltag mit Jesus bedeutet, du bist in meinem Dienst. Du bist berufen, Menschenfischer zu sein. Du bist berufen, Menschen herauszuretten aus dem Meer der Sünde und Verlorenheit.
Walter Lüthi hat das so schön ausgedrückt. Er sagte, was für eine Ermutigung dieses volle Netz für Petrus sein musste. Du wirst, wie die Jünger bei ihrem Dienst als Menschenfischer, noch manchen Schweißtropfen vergießen, noch manchen Seufzer ausstoßen, du wirst noch manche Nacht durchwachen, du wirst noch genug auf dein eigenes Unvermögen stoßen. Und dennoch steht über deinem Dienst diese Verheißung, dass er nicht ins Leere läuft.
Wenn du bereit bist, Jesus zu dienen, dann wird er dafür sorgen, dass du nicht im Trüben fischst. Die Ewigkeit wird es an den Tag bringen, was du beitragen durftest, um Gottes Rettungsnetz mit Menschen zu füllen.
Liebe Gemeinde, was für ein Alltag wird uns hier in Aussicht gestellt! Nicht für eine ferne Zukunft, sondern schon jetzt gilt das: Alltag mit Jesus. Und diese vier Zusagen, die Jesus seinen Leuten in dieser Begebenheit macht, die macht er durch sein Wort uns heute Morgen genauso.
Wenn Sie zu Jesus Christus gehören, dann sagt er Ihnen: Du bist in meinem Blick. Du bist in meiner Hand – das heißt, du bist abhängig von mir, aber darin geborgen. Du bist in meiner Fürsorge und du bist in meinem Dienst. Du darfst und sollst Menschen fischen für die Ewigkeit.
Einladung zum Leben mit Jesus im Alltag
Es gibt viele Menschen, die sich nach einer intensiven Beziehung zu Jesus sehnen. Doch manchmal haben sie den Eindruck: „Mein Alltag erdrückt mich so sehr, dass von Jesus im Alltag nicht mehr viel übrig bleibt.“ Was kann man in so einer Situation tun?
Es gibt nur eine Möglichkeit: Sagen Sie es dem Herrn Jesus selbst. Er hat die Macht, Ihr Leben zu verändern. Nutzen Sie die Anlaufstellen, die Jesus Ihnen gibt. Er lädt uns ein, jeden Tag zu ihm zu beten. Er lädt uns auch ein, sein Wort zu lesen – auch wenn es nur in kleinen Portionen ist, jeden Tag. So will er die Verbindung zwischen ihm und uns stärken. Das bietet er uns an.
Darum bitten Sie Christus darum, dass er aus Ihnen einen richtigen Straßenbahnchristen macht. Wissen Sie, was ein Straßenbahnchrist ist? Hier in Hannover gibt es noch an einigen Stellen Straßenbahnen, nicht nur U-Bahnen. Über den Schienen verlaufen Stromleitungen, die Oberleitungen. Solange die Straßenbahn Kontakt mit der Oberleitung hat, hat sie Kraft und fährt – auch wenn es steil bergauf geht. Die Straßenbahn bleibt nicht stehen.
Und so sind die Straßenbahnchristen. Sie haben beständigen Kontakt mit der Oberleitung, also den Kontakt zu Jesus Christus. Sie beten zu ihm, vertrauen auf ihn. Darum ist ihr Alltag von Jesus geprägt. Auch wenn steile Anstiege und Durststrecken kommen, bleibt ihre Straßenbahn in Bewegung.
Das Gegenteil der Straßenbahnchristen sind die Autochristen. Was meinen Sie, wer das ist? Das sind die, die einmal auftanken an der Tankstelle – vielleicht im Gottesdienst oder im Hauskreis – und dann wieder in den Alltag düsen. Sie fahren, solange sie mit der Kraft klarkommen. Wenn die Kraft nachlässt und der Sprit ausgeht, kehren sie zurück zur Tankstelle, um aufzutanken.
Diese Autochristen erfahren aber nie die Freude eines echten Alltags mit Jesus. Das ist wirklich den Straßenbahnchristen vorbehalten, die ständig mit der Oberleitung verbunden sind und so Tag für Tag von Jesus begleitet und bewahrt werden.
Manchmal spüren wir diese Verbindung auch nicht, aber wir dürfen darauf vertrauen, dass sie da ist. Wir dürfen den Herrn immer anrufen. Darum möchte ich Ihnen – aber auch mir selbst – ans Herz legen: Lassen Sie uns darum beten, dass der Herr uns immer mehr zu solchen Straßenbahnchristen macht, die die Verbindung mit ihm immer regelmäßiger suchen.
Dann werden wir staunen – wie die Jünger –, wie fürsorglich und liebevoll Jesus Christus auf uns eingeht, mitten im Alltag. Unser Respekt und unsere Ehrfurcht vor Jesus werden wachsen, mitten im Alltag. Gleichzeitig werden wir merken, dass Jesus Christus unser Freund ist.
Es stimmt, was ein irischer Christ, Joseph Scriven, im 19. Jahrhundert über seinen Alltag mit Jesus gedichtet hat. Er hatte große Ehrfurcht vor dem auferstandenen Herrn. Er wusste, Jesus ist Gottes Sohn, der heilige Retter, vor dem wir uns beugen müssen und dürfen, den wir anzubeten haben. Und dieser Herr ist zugleich unser lieber Freund, der uns durch den Alltag trägt.
So hat Joseph Scriven dieses Lied geschrieben:
„Welch ein Freund ist unser Jesus, oh, wie hoch ist er erhöht!
Er hat uns mit Gott versöhnt und vertritt uns im Gebet.
Wer mag sagen und ermessen, wie viel Segen uns entgeht,
wenn wir uns nicht zu ihm wenden und ihn suchen im Gebet?
Wenn des Feindes Macht uns droht und manch Sturm rings um uns weht,
brauchen wir uns nicht zu fürchten, stehen wir gläubig im Gebet.
Da erweist sich Jesu Treue, wie er uns zur Seite steht,
als ein mächtiger Erretter, der erhört ein Ernstgebet.
Sind mit Sorgen wir beladen, sei es früh oder spät,
hilft uns sicher unser Jesus, fliehen zu ihm wir im Gebet.
Sind von Freunden wir verlassen und wir gehen ins Gebet,
oh, so ist uns Jesus alles: König, Priester und Prophet.“
Der Herr ist wirklich da – und das gilt auch für die neue Woche, die vor Ihnen liegt. Amen.