Begegnungen und Trost am Wegesrand
Woher kommst du denn?
Er sagte: „Ich komme aus Cannstatt.“
„Da brauchst du nicht zu weinen“, sagten sie. „In Cannstatt gibt es Mineralbäder und die Wilhelma. Da brauchst du nicht zu weinen.“
Sie gingen weiter, und da war der Nächste, der weinte.
„Ja, woher kommst du denn?“ fragten sie.
„Ich komme aus Wangen.“
Dann trösteten sie ihn wieder: „Ach Mann, da ist der Gaskessel und der Großmarkt. Da weint man nicht.“
Sie gingen weiter, und dann kam wieder jemand, der weinte.
Sie fragten ihn: „Woher kommst du denn?“
Er sagte: „Ich komme aus Heslach.“
Dann setzten sie sich nieder und weinten mit ihm.
Verstehen Sie, egal woher sie auch kommen, ich grüße Sie.
Der Wunsch, zu dem zu führen, der selbst sprechen will
Ich habe heute Abend einen Wunsch für Sie, der mir heute Morgen gekommen ist. Ich rief jemanden an, um ihm vorab zum Geburtstag zu gratulieren. Am Telefon meldete sich seine Frau, und wir führten ein kleines Gespräch – Smalltalk, wie man heute sagt.
Dann sagte sie: „Sie wollen doch meinen Mann sprechen?“ Ich antwortete: „Ja, passen Sie auf.“ Doch sie sagte nicht: „Ich übergebe Sie“ oder „Ich verbinde Sie“, sondern „Ich gebe Sie durch.“ Das habe ich so noch nie gehört.
Ich stellte mir das so vor: Einen Pfarrer mit zwei Zentner Lebengewicht, den gibt sie durch. Und tatsächlich hat sie mich durchgegeben, und dann konnte ich mit ihm sprechen.
Ich würde Sie heute Abend alle gerne durchgeben. Sie sind hierher gekommen, nicht um irgendeinen Pfarrer zu hören, einen durchaus mittelmäßigen Theologen, sondern das ist mein Wunsch und mein Gebet für Sie: dass ich Sie durchgeben darf zu dem, der selbst reden will, auch an diesem Abend. Es ist mein Wunsch, es ist meine Bitte, dass wir ihn hören.
Eröffnung mit Gebet und Lied
Lassen Sie uns zu Beginn miteinander singen. Wir beginnen mit dem Lied 521, die Verse 1 bis 7.
Wir beten: Vater, wir brauchen dein Wort! Gib, dass wir deine Stimme hören können und jetzt alles andere abschalten. Du weißt, was wir heute schon gehört haben, was wir gesprochen haben und was uns bewegt, erfreut oder auch bedrückt.
Herr, auf vielen lastet so viel. Deshalb schenke uns jetzt in dieser Stunde der Gemeinschaft dein Wort und ein offenes Herz zu dir. Komm mit deinem Geist. Amen.
Das Bild vom Lebensschiff und der Suche nach Halt
Liebe Freunde,
Sie kennen das Bild, auch wenn wir zur Kategorie der Flachländer oder Flachlandtiroler gehören, die mit der christlichen Seefahrt, dem Wasser und dem Meer nicht viel zu tun haben. Wir haben den Neckar bis Blochingen begradigt und kanalisiert. Den Nesenbach haben wir unter dem Bräuninger verdolt.
Die meisten Brunnen haben wir abgeschaltet, sodass wir das Problem mit dem Wasser hier in Stuttgart einfach losgeworden sind. Bei uns gibt es allenfalls noch einen Sturm im Wasserglas oder ein Stürmchen auf dem Max-Eitzee. Aber von jenem Wellengang an der Nordsee oder gar von einem Land unter hören wir nur in der Zeitung oder sehen es auf dem Bildschirm.
Trotzdem wissen wir, wie das so zugeht: Wenn der Wind kommt, wenn die Wellen zu schlagen beginnen, wenn die Schiffe anfangen zu dümpeln, wenn die Brecher hereinschlagen oder gar die Masten tanzen wie toll. Dann sieht man, wie entweder die kleinen Schiffer, die draußen mit ihren Kuttern unterwegs sind, schnell auf den Heimathafen zufahren oder die Seeleute, die zu Hause sind, Eigentümer solcher Boote, schnell zum Hafen laufen, um dort angesichts des Sturmes und der Wellen ihre Boote zu vertäuen und zu verknoten.
Wohl dem Seemann, der beim Sturm eine Bohle findet, an der er sein Boot festmachen kann. So sind wir ja auch, wenn wir nicht an der Küste wohnen. So sind wir alle mit unserem Lebensschiff oder Lebensschifflein unterwegs. Manchmal sitzen wir auch im Kirchenschiff, und oft genug fängt es an, aus allen Löchern zu blasen.
Viele von uns befinden sich sogar mitten in einem Sturm. Wir werden verschaukelt, manchmal steht uns das Wasser bis zum Halse. „Wir kommen um“, schrien die Jünger. Wohl dem, der beim Sturm seines Lebens eine Bohle findet, um sich festzumachen.
Die Ich-bin-Worte als sichere Bohlen im Sturm
Und eine solche Bohle, ein solcher Bohlen, das sind ganz bestimmte Worte im Neuen Testament, nämlich die sogenannten Ich-bin-Worte.
Mit einigem Schrecken habe ich nämlich festgestellt, dass bei der Planung dieser Bibelstunden-Reihe, bei der es eigentlich darauf ankommt, das zu unterstreichen, was mir besonders wichtig ist, auch besonders wichtig ist, Ihnen noch einmal zu unterstreichen und mitzugeben, der Hinweis auf die Ich-bin-Worte buchstäblich ins Wasser gefallen ist.
Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, die Stelle, die ich für heute Abend angegeben habe, Matthäus 14, kurzerhand zu streichen – die Geschichte über den sinkenden Petrus –, weil wir vor nicht allzu langer Zeit genau diesen Text schon einmal hier besprochen haben.
So habe ich stattdessen ein Ich-bin-Wort eingefügt, exemplarisch für alle sieben, die wir brauchen, als die Bohlen für die Stürme unseres Lebens. Die Bohlen sind alle aus demselben Holz geschnitzt: Mutmacher im Sturm der Zeit.
Und so lese ich eines dieser Worte, das Sie gut kennen und das im Johannes 10 steht. Dort heißt es: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden. Ein Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und umzubringen. Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“ (Johannes 10)
Ergänzend dazu lese ich aus Lukas 13 eine gleichsam erste Auslegung, in der Jesus sagt: „Ringet danach, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht, durch die enge Tür! Denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht können, wenn der Hausherr aufgestanden und die Tür verschlossen hat. Dann werdet ihr draußen stehen und an die Tür klopfen und sagen: ‚Herr, tu uns auf!‘ Dann wird er antworten und zu euch sagen: ‚Ich kenne euch nicht, wo seid ihr her?‘“ (Lukas 13)
Vorbemerkungen zu den Ich-bin-Worten
Aber nun wollen wir noch einmal singen, und zwar Lied 271, die Verse vier bis sechs.
Zunächst zwei Vorbemerkungen zu diesen Ich-bin-Worten, zu diesen Mutmachern in den Stürmen unserer Zeit.
Erstens: Sie gehen auf Jesus zurück. Es gibt nämlich eine endlose Diskussion darüber, welche Worte tatsächlich von Jesus stammen und welche erst später in der Gemeinde entstanden sind und Jesus in den Mund gelegt wurden. Besonders gebildete Theologen – oder solche, die sich dafür halten – sprechen sehr schnell von Gemeindebildung. Besonders schnell tun sie das, wenn sie eingebildet sind.
Bei den Ich-bin-Worten verstummen diese Diskussionen jedoch weitgehend. Man kann das mit einem Beispiel vergleichen: Im Delikatessengeschäft hier in Stuttgart gibt es Ureis als Partygag – nicht aus der Eismaschine, sondern aus 3000 Jahre altem oder 20 Jahre altem Packeis aus Grönland. Merken Sie sich das für Ihre nächste Party. So wie es Ureis gibt oder Urgestein, zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb, wo man mit einem kleinen Hammer das Gestein herausklopfen kann – eine besonders interessante Ruhestandsbeschäftigung dort oben auf der Alb. Und ebenso wie es Urelefanten gibt, wie im Rosensteinpark, so gibt es eben auch Urworte der Bibel. Die Ich-bin-Worte sind solche Urworte der Bibel. Diese Bohlen stecken ganz tief im Urgestein der Bibel, unbeweglich und sicher. Daran kann man sich festmachen: Ich bin.
Also: Die Ich-bin-Worte gehen auf Jesus zurück. Das ist die erste Vorbemerkung.
Die zweite Vorbemerkung: Sie weisen auf Jesus hin. Normalerweise muss das Wort „ich“ im Griechischen nicht besonders extra ausgedrückt werden, denn es ist in der Verbalform bereits enthalten. Wenn es aber ausdrücklich vorangestellt wird, wie hier, liegt der Ton darauf. Der eindeutige Ton lautet: Ich bin die Tür, ich bin das Licht, ich bin das Brot. Also nicht: Ich öffne die Tür, oder ich backe das Brot, oder ich bringe das Licht, sondern: Ich bin es selbst, höchstpersönlich.
Diese Bohle ist nicht aus Holz, an der wir uns festmachen, sondern sie ist aus Fleisch und Blut. Jesus hat sich in die Stürme der Welt gewagt. Im schwersten aller Stürme, dem Todessturm auf Golgatha, ist er hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Er selbst ist also der sicherste Halt, der Mutmacher par excellence. Alle anderen Mutmacher, von denen wir bisher gesprochen haben und die uns oft schon Mut gegeben haben, waren letztlich nur schwache Zeichen, schwache Hinweise auf den, der einen allein halten kann.
Wer sich an ihn hält, ist gehalten, und wer sich an ihn bindet, ist gebunden. Wer sich an ihn festklammert, der ist geklammert in Zeit und Ewigkeit.
Eigentlich kenne ich gar keinen anderen Mutmacher als diesen Namen: Jesus Christus.
Die Tür als Schutz und Zugang
Jesus sagt: „Ich bin die Tür.“ Er meint das heute Abend für mich so: Ich bin die offene Tür. Die enge Tür, die vordere Tür – aber ich bin auch die verschlossene Tür.
Zuerst sagt er: „Ich bin die offene Tür.“ Wer, wie ich am Anfang erwähnte, schon manchmal am Meer war, der hat in den letzten Wochen besonders mitgezittert, wenn davon die Rede war oder im Bild gezeigt wurde, wie die Fluten hochgingen, die Deiche sich vollsaugten und zu bersten drohten. Mit unwahrscheinlicher Mühe und für uns unvorstellbarer Kraft ist jenes sogenannte Polderland dem trutzblanken Hans, dem Meer, abgetrotzt worden.
Ganz ähnlich müssen wir uns damals die Schafspferche vorstellen. Die Hirten stellten kein Holzgatter im Viereck auf, so wie es zum Beispiel oben auf dem Hohenzollern oder an irgendeiner Stelle in unserem Land üblich ist. Sie trieben die Herde nicht einfach hinein, schlossen das letzte Loch, legten sich lebend in den zweirädrigen Karren und genossen ihr Schäferstündchen nach dem Hirtenstress.
Damals waren alle Wälle aus Erde aufgeworfen, genau wie bei einem Polderland. An einer Stelle befand sich eine Öffnung, durch die die Tiere hinaus- und hineingehen konnten. Wenn abends oder nachts alle Tiere drinnen waren, legte sich der Hirte quer vor den Eingang. Er war im wortwörtlichsten Sinn die Tür. Nur über ihn hinweg ging es hinein oder hinaus.
Und wenn Jesus die Tür für uns ist, so wie er hier sagt, dann gibt es nichts, das an uns herankommen kann, außer über ihn hinweg oder außerhalb seiner Zulassung. Da mag der Sturm noch so hochkommen, da mögen die Wasser noch so hoch steigen, da mag mir heute Abend das Wasser bis zum Hals stehen – immer wieder gilt: Es kann mir nichts geschehen, als was er vorhergesehen hat. Jedes Unglück, auch jedes Glück, jedes Leid, auch jede Freude, jedes Weinen, auch jedes Lachen muss zuerst an ihm vorbei.
Das ist der biblische Hintergrund für das Abendlied, das wir hier in Württemberg gerne singen: „Hirte deiner Schafe, der von keinem Schlafe etwas wissen mag, sei die Nacht auch auf der Wacht.“
Dieses Bild ist mir immer wieder tröstlich: Vor dem Eingang, vor diesem Schutzwall, der ja eine Öffnung hat und eigentlich auch für alle aufsteigenden Wasser und Stürme offen ist, liegt der Herr selbst. Und es kann nur das an mich herankommen, was an ihm vorbei oder über ihn hinweg kann.
Die Tür als Zugang zum Vater und der Absolutheitsanspruch Jesu
Aber nun müssen wir noch eine Schaufel tiefer graben. Er sieht sich nicht nur als die Tür zwischen drinnen und draußen, sondern auch zwischen droben und drunten. Er kann also nicht nur den Ausgang freimachen, sondern auch den Aufgang.
Durch ihn haben wir den Zugang zum Vater (Philipper 2,8). Jesus erschließt den Weg zu Gott; kein anderer kann das. Das ist der Absolutheitsanspruch Jesu, an dem wir uns immer wieder stoßen. Wer diesen Anspruch kippt, der kippt das ganze Evangelium, für das viele unserer Väter gelitten und selbst gestorben sind.
Sehen Sie, ich bin die Tür. Gegenwärtig beobachte ich auch innerhalb der Kirche neue Bauarbeiten. Der Eingang wird vergrößert. Dieser Eingang wird vergrößert: Jesus, die Tür, wohl. Aber Mohammed, auch Buddha, alle drei oder alle fünf oder alle fünfzig – die liegen miteinander in der Öffnung. So muss man sich das vorstellen. Es gibt eben verschiedene Zugänge, und es gibt verschiedene Aufgänge.
Und das demonstrieren und praktizieren wir im interreligiösen Gespräch – so heißt das heute. Das interreligiöse Gespräch bedeutet, dass ein Paar im Eingang liegt. Diese ist dabei, aber die anderen eben auch. Wer das als intolerant abtut, hat das alles nicht verstanden, was wir mit dem Absolutheitsanspruch Jesu sagen.
Personen- und Sachtoleranz im Glauben
Ich möchte es noch einmal erklären, weil es mir so wichtig ist. Sehen Sie, es gibt eine Personenintoleranz. Diese bedeutet, dass wir zum Beispiel gegen jeden Menschen, der um uns herum wohnt, tolerant sein müssen. Das ist auch richtig. Es ist Gottes Gebot und Ausdruck von Nächstenliebe.
Die Personenintoleranz verlangt von uns Toleranz gegenüber jedem, der um uns herum lebt. Wir sollen tolerant sein, auch gegenüber dem Türken, dem Koreaner oder dem Indonesier. Das ist von Gott geboten.
Aber es gibt auch eine Sachtoleranz, und dort ist Intoleranz geradezu verlangt. Wie meine ich das? Stellen Sie sich vor, ein Kaufhaus brennt und es herrscht Panik. Ich bin mittendrin, kenne den Ausgang und weiß, wo es hinausgeht. Aber ich kann doch nicht so intolerant sein und sagen: Freunde, das ist der Notausgang, dort geht es hinaus. Dort ist die Trennung.
Diese Erfahrung muss doch jeder selbst machen. Wir müssen Toleranz üben und jedem seinen Weg finden lassen. So wird gesagt: „Liebe Freunde, das ist das Falsche und das Gefährliche.“
Es gibt nur einen Zugang zu Gott. Es gibt nur einen einzigen Eingang, und auf diesen nicht hinzuweisen, das ist Sünde. Wenn wir also sagen: Jesus ist die Tür, Jesus ist die einzige Tür, Jesus ist Ihre einzige Tür hinaus und hinauf, dann bin ich nicht intolerant. Sondern dann bin ich im größten Maße barmherzig mit Ihnen und mit mir.
Alles andere hilft dir nicht. Seien Sie wach in den nächsten Jahren an dieser Stelle, an dieser Verbreiterung, dieser Tür. Wir kippen damit das ganze Evangelium. Schön.
Die enge Tür und ihre Bedeutung
Und nun zweitens: Ich bin die enge Tür.
Der Begriff weitet sich. Es ist hier nicht nur an Stalltüren gedacht. Diese Bilder schieben sich übereinander, sondern eben auch an Haustüren. Auch an Haustüren ist hier gedacht.
Machen Sie mit mir einen Spaziergang rund um Stuttgart oder in Stuttgart und schauen Sie sich einmal die Türen bedeutender Häuser an. Gehen Sie mit mir zum Beispiel auf die Solitude. De la Dupier hat sie, glaube ich, um 1770 für Herzog Eugen als Lustschloss erbaut. Wenn Sie davor stehen, gehen Sie die Treppen hinauf. Links und rechts und oben erwartet Sie ein großer Eingang, der hineinführt in die Halle.
Dieses Haus, dieses Schloss, ist bestimmt durch seine Treppen und die großen Türen. Große Häuser werden durch große Türen auch bestimmt.
Dann gehen Sie mit mir herunter. Gehen Sie bitte am großen Haus des württembergischen Staatstheaters vorbei, erbaut 1910 von Professor Littmann. Wieder diese Freitreppen, und wenn ich richtig gezählt habe, sind es gleich sieben Türen nebeneinander.
Dann gehen Sie rüber zum Bahnhof, 1920 erbaut von Albonats. Nach allen Seiten gibt es große Türen, durch die Sie hinaus- und hineingehen. Häuser sind bestimmt durch große Türen.
Nun ist das Reich Gottes ja nicht nur eine Solitude, nicht nur ein großes Haus oder ein Staatstheater, nicht nur ein großer Hauptbahnhof, sondern ein Bau mit einem himmelweiten Dach. Größer kann man es sich überhaupt nicht vorstellen.
Wenn große Bauherren große Türen gebaut haben, so muss dieser große Bauherr dieser Welt erst recht eine Riesentür eingefügt haben.
Der, der das Reich Gottes uns zeigt, der, der uns hinführt und sagt: „Freunde, dort hinein müsst ihr“, der sagt: „Ich bin die Tür“ und fügt hinzu: „Ich bin die enge Tür, ich bin die kleine Pforte.“
Warum? Warum keine großen Türen im Reich Gottes? Warum die kleinen Pforten? Warum solch kleinkariertes Bauen?
Aus drei einfachen Gründen:
Erstens kann man in das Reich Gottes nur einzeln eintreten. Man wird dort nicht im großen Haufen mitgezogen. Man wird in diesem Haus nicht mitgeschwemmt, so wie wenn man vor einem Kaufhaus steht zur Zeit des Winterschlussverkaufs. Dann geht es auf und alles zieht hinein, und man wird mitgezogen, man rudert mit, und nachher wühlt man mit. So, wie es eben alle tun, ist man dabei.
So wird keiner mitgezogen, auch nicht mit der Familie. Mit der Familie wird man nicht mitgezogen. Auch nicht mit einer noch so schönen oder lieben Stiftsgemeinde. Niemand wird mit hineingezogen.
Es muss jeder einzeln durch die enge Tür.
Das tut uns ja so weh, dass wir Kinder nicht mitnehmen können. Das tut ja so weh, dass ich meine Konfirmanden nicht mitnehmen kann. Das tut ja so weh, dass ich nicht eine ganze Bibelstunde hineinbringen kann und sagen kann: „Herr, hier hast du sie, hier nimm sie auch an.“
Nein, jeder Einzelne muss durch die Tür und sagen: „Herr, hier bin ich.“ Nur Einzelne gehen hinein.
Zweitens nur gebeugt, nur gebeugt. Deshalb ist die Pforte klein.
Hocherhobenen Hauptes soll sich keiner trauen. Nicht mit stolzer Brust und Stolz geschwellter Brust stolziert man ins Reich Gottes hinein wie die Pharisäer. Dort geht man und sagt: „Herr, sei mir Sünder gnädig.“
Nur gebeugt.
Drittens nur mit leeren Händen.
Vollgepackt soll sich auch keiner trauen. Man wankt nicht unter der Last hinein. Vorher wird die Sorge abgegeben.
Ich stelle mir das so ähnlich vor, wie wenn man im Flugzeug eincheckt. Dann stellt man den Koffer hin, und auf einmal ist er nicht mehr da, er ist einfach schon weg. Dann gehe ich ohne alles Gepäck hinein.
So, Freunde, wird es sein.
Natürlich muss ich den Koffer loslassen, sonst geht er nicht weg. Ich muss ihn hinstellen und sagen: „Hier ist er.“
Sie haben Riesengepäck, manche haben Riesenkoffer. Lassen Sie es doch los!
Mit all dieser Last – Ihrem Haus, Ihrem Geld, Ihren Sorgen – kommen Sie nicht hinein. Stellen Sie sich ab und sagen: „Herr, nimm es du weg, trag du es.“ Man kommt nur so hinein.
Ein Ausleger fügte an dieser Stelle an: Die Hirten damals an den Ausgängen hätten abends einen Stock genommen und ihn ganz tief gehalten, damit die Tiere langsam gehen mussten und die Hirten sehen konnten, ob dieses Tier gesund und nicht verletzt ist.
Der Hirte will sehen, ob das Tier abends gesund und unverletzt ist.
Kennen Sie das Lied: „Dies Kind soll unverletzt sein“?
Ihr Hirte, Ihr Herr, der will sehen, dass Sie abends unverletzt sind, dass Sie ruhig schlafen können. Er will Wunden verbinden.
So sollen wir hinein durch die enge Tür.
Ich bin sie. Trete dort ein.
Die vordere Tür und der Ausschluss von Nebeneingängen
Und drittens: Ich bin die vordere Tür. Bauherren von großen Häusern planen ja nicht nur große Türen vorne, sondern es gibt immer noch andere Eingänge.
Als ich am Sonntag in der Predigt an Blankenese in Hamburg dachte, erinnerte ich mich auch an meine ganze Studentenzeit. Das ist ein Zeichen des hohen Alters, wenn man ganz zurückdenkt an die Jugendzeit. Verstehen Sie? Immer, wenn Sie von früher erzählen, sind Sie alt.
Damals wohnte ich in diesem schönen Viertel vor Ort, in einem Gemüsegeschäft, genauer gesagt in einem Bananengeschäft. Es war großartig: Wenn dort etwas übrig blieb, und das blieb oft übrig, stellten sie es immer auf die Studentenbude. Ich war tatsächlich eine umweltfreundliche Entsorgungsanlage.
Eines Samstags bot ich mich manchmal an, der Frau, die dieses Geschäft mit ihrer Tochter betrieb, auch zu helfen. Das war auch notwendig, denn die reichen Leute in dieser Umgebung bestellten per Telefon, und dann musste man es ihnen bringen. So ging ich eben mit meinen Bananenkörben hauptsächlich durch die Straßen zu den Villen.
Dabei ging ich natürlich nicht vorne hinein, über den roten Teppich. Stattdessen musste ich hinten herein. Hinten herein kommt das Dienstpersonal. Dort kam einem nicht der Herr Konsul entgegen, sondern die dicke Küchennudel, die mir die Ware abnahm und mir oft einen Rest aus der Küche zuschob.
Sehen Sie, große Häuser haben Hintertüren, Seitentüren, Nebentüren, Kellertüren. So denken wir, muss es ja auch bei Gott sein. An seinem Hause muss es ganz ähnlich sein.
Da gibt es doch ganz sicher nicht nur den Haupteingang, von dem ich eben gesprochen habe, sondern auch die Nebentür der guten Werke. Spenden, die Besuche, die ich gemacht habe, waren doch nicht umsonst. Blutspunkte sind wie ein „Sesam, öffne dich“ für diese Nebentüren. Die Nebentüren der guten Werke müssen doch eigentlich genügen, um auch hineinzukommen.
Oder es gibt die Seitentür der billigen Gnade. Weil es Jesus das Leben gekostet hat, habe ich ein Freiticket. Er macht mir das Türchen schon auf, durch das ich schlüpfen kann – eine Seitentür der billigen Gnade.
Oder die Kellertür für Spätheimkehrer. Die Lebenstage sind so randvoll gewesen, dass ich einfach keine Zeit hatte und keine Zeit blieb für die Ewigkeit. Aber jetzt bin ich alt geworden und kurz vor dem Ende. Der Wunsch ist, selig zu sterben. Der liebe Gott wird schon noch ein Kellertürchen offenhalten.
Täuschen wir uns nicht! Und das ist der Ernst dieser „Ich bin“-Worte Gottes: Sein Bau hat keine Nebeneingänge, er hat keine Schlupflöcher, er hat keine Hintertürchen. Niemand kann damit rechnen, dass Gott ausgerechnet wegen mir einen Sondereingang aufschließt.
Er hat einen Eingang geschaffen, ohne Schild „Zutritt verboten“, ohne Aufschrift „Only for white people“, nur für weiße Leute, ohne Aufkleber „Personaleingang“. Einen Eingang offen für alle, die ihr mühselig und beladen seid.
Und dort müssen wir hineinkommen, dort müssen wir rein. Wer durch die Hintertür steigen will, der versteigt sich. Andere wollten dies tun. Aber dies waren die Diebe und Räuber, die sich hineindrängen wollten und sich das ewige Leben aneignen.
„Mit ihnen habt nichts gemein“, sagt dieser Herr. Diebe und Räuber sind heute solche, die sagen, es geht auch ohne Jesus hinein, zum Beispiel die Esoteriker. Esoteriker sind nach dem Neuen Testament Räuber.
Oder Pantheisten, die sagen: Über die Natur komme ich schon hinein. Pantheisten sind Räuber und Diebe.
Es gibt nur diesen Haupteingang: Jesus, die enge Pforte, durch die ich gehen muss.
Die verschlossene Tür und das endgültige „Zu spät“
Ich bin die Tür – aber, und das ist das Entscheidende, ich bin die verschlossene Tür. Auch das schwingt hiermit mit und darf nicht überhört werden.
Sehen Sie, es ist klar: Wir denken immer an offene Türen. Wenn irgendwo ein Bau steht und die Türen sind geschlossen, wissen wir, dass das nur für eine bestimmte Zeit so ist. Während der Bauzeit sind die Türen geschlossen, doch danach gehen sie wieder auf. Geschlossene Türen sind immer nur zeitlich begrenzt.
Hier jedoch ist es nicht eine Frage der Zeit. Alle Bauherren bauen Türen, die nicht für immer ins Schloss fallen. Gott aber baut Türen, die eines Tages für immer ins Schloss fallen.
Jesus erinnert an dieser Stelle an die Sitte, die zu Beginn eines Festes damals herrschte: Zu Beginn eines Festes wurden die Haustüren geschlossen. Wenn die Erdkerzen angezündet waren und die Musik intoniert wurde, und das Fest begann, dann wurden die Türen zugemacht und verschlossen.
Einige hatten sich verspätet, keuchten heran, nahmen das letzte Treppchen und klopften. Doch drinnen ertönte die Stimme: „Ich kenne euch nicht.“ Die Gäste schnappten nach Luft, schüttelten die Köpfe, zogen die Einladung heraus und trommelten.
Aber hören Sie, was ihnen da drinnen einfiel: „Sie können doch nicht! Wir sind nicht irgendwer, wir sind extra eingeladen, wir gehören dazu. Hier ist das Büttenpapier, nun machen Sie keinen Unsinn und machen Sie schnell auf!“
Doch die Stimme sagte: „Ich kenne euch nicht.“ Und sie ließen nicht los, sie wollten hinein, aber es war zu.
Liebe Freunde, das ist der Ernst dieses Wortes, das mir schier den Atem nimmt: Dass es die Tür einmal ins Schloss fällt. Es gibt ein Zu-spät.
Verspätete werden kommen und klopfen: „Wir sind eingeladen worden!“ Doch damals in der Bibelstunde, damals beim Gottesdienst in Stifts, da haben wir schon verstanden, was der Prediger gesagt hat: „Hier sind die Papiere!“ Und Jesus sagt: „Ich kenne euch nicht.“
Verspätete werden kommen: „Wir sind doch gar nicht ausgetreten, wir haben unsere Steuer bezahlt.“ „Ich kenne euch nicht.“
„Herr, wir waren einmal fünf Jahre lang bewährte Mitarbeiter in der Gemeinde und gehörten sogar zum Mitarbeiterkreis.“ „Ich kenne euch nicht.“
Die Bedeutung des Kennens und das Ringen um Gemeinschaft
Kennen Sie noch den Ernst des Evangeliums?
Wenn mein Nachbar sagt: „Ich grüße Sie nicht“, was ist daran schlimm? Und wenn mein Kind sagt: „Ich mag dich nicht mehr“, dann ist das schlimmer. Wenn aber meine Frau sagt: „Ich liebe dich nicht mehr“, dann ist das am schlimmsten.
Aber am allerschlimmsten ist es, wenn dieser Herr sagt: „Ich kenne dich nicht.“ Das ist die Höhle, das ist die tiefste Not.
Kennen meint die innigste Gemeinschaft, das Festhalten aneinander. Wer so an ihm bleibt, der hört: „Ich kenne dich.“ Das wäre der größte und schönste Augenblick meines Lebens.
Und ich rechne damit. Nein, ich bin gewiss, dass ich in jener letzten Stunde, in der mich der Herr ruft und ich vor der letzten Tür stehe, jene Stimme hören darf: „Ich kenne dich.“
Lassen Sie uns darum ringen und beten, dass der Herr uns kennt. Alles andere ist umsonst.
Gebet um Bewahrung und Gemeinschaft
Wir wollen beten. Vater, darum ringen wir an diesem Abend, dass du unseren Namen in dein Gedächtnis schreibst, damit dieser Name nicht verloren geht – auch wenn wir verloren sind. Immer wieder verlieren wir uns, Herr.
Du kennst ja auch unsere Sorgen, unsere Arbeit, unsere Verzweiflungen und unsere Ängste vor dem, was morgen wieder kommt. Herr, vergiss uns nicht und vergiss unseren Namen nicht. Vergiss auch den Namen unserer Kinder nicht. Vergiss den Namen unserer Kranken und Alten nicht.
Vergiss den Namen derer nicht, die um deines Namens willen heute Nacht leiden. Vergiss den Namen derer nicht, die in der Hoffnung auf dich sterben. Herr, halt uns fest!
Nun wollen wir singen, Lied 570, Verse 8 bis 10.
Abschließende Hinweise und Segenswünsche
570, 8-10
Am Ausgang liegen noch einmal solche roten Zettel aus. Es handelt sich um die Einladungen, die beim letzten Mal verteilt wurden: „Islam – Umgang mit Muslimen“, ein Seminar am Samstag, 4. März.
Außerdem sind Karten für die Vesperkirche erhältlich. Gutscheine für die Vesperkirche können anschließend ebenfalls erworben werden.
Und nun gehen Sie unter dem Segen und dem Frieden Gottes. Der Herr segne uns und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden. Amen.
Seien Sie von Gott behütet. Gott befohlen.