Dankbarkeit für Gottes Wirken im Leben des Paulus
Ich lade euch ein, mit mir den ersten Timotheusbrief aufzuschlagen. Wir sind gestern bis zu Vers 11 gekommen. Nun lese ich Vers 12 bis zum Ende des Kapitels. Anschließend werde ich Vers für Vers vorgehen, damit wir die einzelnen Gedanken des Paulus gut nachvollziehen können.
Also lese ich zuerst 1. Timotheus 1,12 bis zum Ende des Kapitels:
„Darum danke ich dem, der mir Kraft verliehen hat, Christus Jesus, unserem Herrn, dass er mich treu erachtet und in den Dienst eingesetzt hat. Ich war zuvor ein Lästerer, Verfolger und Frevler. Doch mir ist Erbarmen widerfahren, weil ich es unwissend und im Unglauben getan habe. Die Gnade unseres Herrn wurde über alle Maßen groß, zusammen mit dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus sind.
Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten, von denen ich der größte bin. Darum ist mir Erbarmen widerfahren, damit Jesus Christus an mir zuerst alle Langmut zeige. Er soll ein Vorbild sein für die, die künftig an ihn glauben und zum ewigen Leben gelangen.
Dem König der Ewigkeiten aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, allein weisen Gott sei Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Die Botschaft des Glaubens im Kontext der Irrlehre
Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Sohn Timotheus, gemäß den früher über dir ergangenen Weissagungen. Damit sollst du durch sie gestärkt für den guten Kampf des Glaubens kämpfen, indem du den Glauben und ein gutes Gewissen bewahrst.
Einige haben dieses Gewissen von sich gestoßen und dadurch im Glaubensschiffbruch Schaden erlitten. Zu ihnen gehören Hymenäus und Alexander, die ich dem Satan übergeben habe, damit sie gezüchtigt werden und nicht mehr lästern.
Wenn wir diesen Text lesen, scheint er zunächst keinen direkten Bezug zu dem zu haben, was wir gestern gelesen haben. Denn gestern ging es vor allem um die Lehrer: was sie tun, wo ihre Probleme liegen, wie sie die Bibel verdrehen und sich ethisch-moralisch, also im Alltag, nicht nach dem richten, was in der Bibel steht. Sie versuchen, eine Gesetzlichkeit aufzubauen, indem sie viele Gebote des Alten Testaments zur Erlösung hinzufügen und sagen: „Das musst du noch tun, und das musst du noch tun.“
Jetzt geht es plötzlich um etwas ganz anderes. Gerade die ersten Verse, die wir lesen, wirken wie ein Loblied auf Gott und die Erlösung. Ich habe mich gefragt, warum Paulus das gerade im Anschluss daran schreibt. Ich glaube, dass es durchaus einen Zusammenhang gibt. Er stellt nämlich den echten Glauben, so wie er ihn erlebt hat, und die echte Befreiung von der Sünde, so wie er sie erfahren hat, der Lehre der Irrlehre gegenüber.
In dem Teil, den wir gestern gelesen haben, wird dargestellt, wie die Irrlehrer, mit denen Paulus und Timotheus in Ephesus zu tun haben, denken, was ihnen wichtig ist und wo ihre Fehlinformationen liegen. Paulus legt aber nicht nur Wert darauf, Irrtümer aufzudecken, sondern stellt dem das Positive entgegen – die Alternative, nämlich so, wie er es erlebt hat und wie es echt sein sollte.
Diesen Eindruck habe ich besonders bei den Versen 12 bis 17 und 18 bis 20. Dort nimmt er noch einmal Bezug auf die Irrlehrer Hymenäus und Alexander, die wir schon vorher erwähnt haben. Ich glaube, das ist so eingebettet: Zuerst nennt er die Irrlehrer, dann zeigt er die Alternative, also wie es wirklich aussehen sollte. Am Ende kehrt er wieder zu den Irrlehrern zurück und sagt, dass er sie dem Satan übergeben musste, weil sie es eben nicht richtig begriffen haben.
Erwählung und Berufung trotz Unzulänglichkeit
Der grobe Aufbau des Textes ist wie folgt: Wenn wir uns die ersten Verse, insbesondere Vers 12, anschauen, entsteht der Eindruck, dass es sich zunächst um ein Danklied auf das Wirken Gottes im Leben des Paulus handelt. Paulus beschreibt hier, was Gott in seinem Leben getan hat.
Wir können die einzelnen Punkte genauer betrachten. Zuerst wird erwähnt, dass Gott Paulus erwählt hat. Paulus lobt Gott dafür: „Du hast mich erwählt.“ Damit ist gemeint, dass Gott ihn für den Dienst eingesetzt hat. Es handelt sich hier also um eine Erwählung für einen Dienst, nicht um die Erwählung zur Errettung.
Gott vertraut Paulus, obwohl dieser auf den ersten Blick nicht besonders geeignet erscheint, um sich für den Dienst Gottes einzusetzen. Wenn wir die nächsten Verse lesen, bekommen wir den Eindruck, dass Paulus derjenige ist, der am wenigsten geeignet ist. Doch Gott schenkt ihm sein Vertrauen, und dafür lobt Paulus ihn.
Paulus war jemand, der eigentlich seine Anhänger verfolgt hatte. Trotzdem ruft Gott ihn zum Glauben und setzt ihn zu einem besonderen Dienst ein. Es wirkt fast so, als würden Jesus beziehungsweise Gott und Paulus Seite an Seite zusammenarbeiten.
Außerdem dankt Paulus Jesus dafür, dass er ihn stark macht. Gleich zu Beginn heißt es: „Darum danke ich dem, der mir Kraft gegeben hat“, nämlich Jesus Christus. Paulus ist dankbar, weil Jesus ihn als treu erachtet hat. Dieses Vertrauen Gottes hat Auswirkungen auf Paulus' Leben.
Hier wird der Lob ganz konkret: Paulus hat Sündenvergebung erfahren, und er erkennt, dass Gott ihm Kraft gibt, ihn als treu achtet, ihn anerkennt, ihn gebrauchen will und ihm sogar einen speziellen Dienst übertragen hat.
Jeder Dienst erfordert Treue, Ausdauer und Bewährung, die Paulus auch gezeigt hat. Wenn wir das Leben des Paulus betrachten, lesen wir am Anfang des Galaterbriefes, dass er nicht sofort nach seiner Bekehrung zum großen Völkerapostel wurde. Es dauerte eine ganze Zeit, bis Gott ihn so verändert hatte, dass er diese Aufgabe erfüllen konnte.
Paulus verbrachte 14 Jahre in der Wüste in Arabien. Danach kam er als Mitglied der Gemeinde nach Antiochien. Dort begann er seinen ganz normalen Dienst, bevor er seine eigentliche Berufung erhielt.
Das heißt, es vergingen Jahre, fast Jahrzehnte, nach seiner Bekehrung, bis Paulus seine Berufung voll ausfüllen konnte. Es geschah also nicht sofort, aber Gott blieb ihm treu. Dafür ist Paulus dankbar.
Selbstreflexion und Demut angesichts der eigenen Vergangenheit
Dann beschreibt er in Vers 13 sich selbst, der er zuvor ein Lästerer, Verfolger und Frevler gewesen war. Ich weiß nicht, ob jemand von uns sich so anderen gerne vorstellen würde. Also: So bin ich gewesen. Bei ihm stimmt das ja.
Zuerst einmal Lästerer – was macht der? Der Lästerer zieht über andere her und verurteilt sie. Für manche Leute ist Lästern ja so eine Art Freizeitbeschäftigung. Weil das ja spannend ist, denn nicht nur, dass man die Fehler der anderen finden kann, sondern dadurch, dass man die Fehler der anderen findet, seien sie echt oder unecht, fühlt man sich selbst auch gleich schon besser. Denn derjenige, der andere beurteilen kann, fühlt sich ja besser. Er weiß ja richtig, wie es aussieht. Und da muss er dann schon gar nichts mehr tun. Allein, dass der andere schlecht ist, macht ihn schon zu einem besseren Menschen.
So ähnlich qualifiziert sich Paulus – so sei er früher gewesen. Das ist natürlich der Blick im Nachhinein. Das war in dem Moment ja gar nicht klar. Worin äußert sich das? Dieses Lästern erst mal über andere und dann auch über Gott, denn das steckt ja auch mit drin.
Er hat sich über andere gesetzt, indem er zum Beispiel all diejenigen, die Jesus nachfolgen würden, verurteilt hat. Die haben ja gar keine Ahnung, sie machen alles falsch, sie verstehen das ganze Alte Testament nicht, sie sind Irrlehrer. Dabei hat er sich über andere Menschen gesetzt. Hier war er Lästerer.
Lästerer, glaube ich, bezieht sich aber zum Teil zumindest an dieser Stelle auch auf Gott – lästern über Gott. Wo hat er das getan? Er war ja nicht der Gottlose, der aufgetreten ist: „Gott ist der Letzte, das brauchen wir ja alles nicht.“ So nicht. Aber über Gott gelästert hat er, indem er den Plan Gottes, nämlich die Erlösung durch den Tod Jesu, lächerlich gemacht hat.
In dieser Hinsicht hat er gelästert. Gott hat einen guten Plan, wie er die Menschen retten will. Paulus stellt sich darüber und sagt: „Das ist doch alles Quatsch, das ist doch Unsinn, das gibt es hier gar nicht.“ Damit lästert er gleichzeitig auch über Gott. Also dieses Lästern.
Als Zweites wird dann übrigens Verfolgen genannt – also Verfolger. Und das ist ja in erster Linie gegen Menschen gerichtet. Wir wissen ja, wo wir in der Apostelgeschichte 9 nachlesen, die Bekehrungsgeschichte des Paulus. Da ist ja auch die Frage von Jesus an Saulus: „Saulus, warum verfolgst du mich?“ Dieses Verfolgen hat Jesus dann durchaus auch auf sich selbst bezogen, obwohl er ja nicht mehr leibhaftig auf der Erde war. Aber in erster Linie war das für Menschen hier auf der Erde.
Paulus war also nicht nur einer, der sich lustig gemacht hat über Gott und über andere Christen, sondern auch einer, der handfest zur Verfolgung von Christen übergegangen ist. Und das ja nicht gerade zimperlich. Wir lesen in der Apostelgeschichte, er hat Leute verfolgt, eingesperrt, bis hin dazu, dass sie bestraft wurden – möglicherweise sogar mit dem Tod – wegen Irrlehre vom Judentum.
Dann sagt er auch noch als Letztes: Er ist ein Frevler. Und was ist da so ein Frevler? Frevler wurden im Alten Testament Leute genannt, die mit Lust Gottes Ordnungen übertreten, die bewusst anderen Menschen wehtun wollen.
Hier ist so eine Reflexion, die Paulus wahrscheinlich erst im Nachhinein bewusst wird. Er hat irgendwie nicht nur für Gott andere verfolgt, sondern es hat ihm selbst auch gutgetan, so zu sehen: „Ich habe Macht über andere“ oder „Ich kann andere verfolgen und einsperren.“
Paulus stellt sich hier als großen Sünder dar. Jetzt ist natürlich die Frage, warum tut er das eigentlich? Können wir doch sagen: Paulus, schweige darüber, was du getan hast, ist ja alles peinlich. Dafür ist es jetzt schon einige Jahre her, also reden wir gar nicht mehr darüber.
Bei manchen Menschen, die erzählen, wie sie zum Glauben gekommen sind, kann man den Eindruck gewinnen, dass sie sich richtig freuen daran, wie spannend sie gelebt haben, bevor sie gläubig wurden. „Was habe ich da nicht alles tun können!“ Bei manchen Zeugnissen kennt ihr das vielleicht auch: Drei Viertel der Zeit ist die Beschreibung des Lebens, bevor sie gläubig geworden sind. Und dann kommen noch drei, vier Sätze – und das ist dann das Leben, nachdem sie Jesus kennen. Und jetzt ist es eigentlich langweilig geworden.
Das heißt: „Ich darf nicht mehr tanzen gehen, ich darf mir keine Freundin mehr aussuchen, wie ich will, betrügen darf ich auch nicht, stehlen und lügen auch nicht. Dann ist ja nicht mehr viel zu erzählen, oder?“
Das ist bei Paulus hier, habe ich den Eindruck, aber gar nicht so. Deshalb geht er auch gar nicht ins Detail. Das heißt, er schwelgt nicht in dem: „Dann habe ich die Leute genommen, gezerrt und ins Gefängnis geworfen.“ Er malt das nicht aus, es ist relativ knapp mit seinen drei Worten.
Ich habe den Eindruck, ihm ist es wirklich peinlich. Er trauert dem nicht nach. Er meint auch nicht, dass das irgendwie gut gewesen sei oder dass er dafür Sympathie verdient hätte. Das glaube ich ist es dabei nicht.
Die Bedeutung der Selbsterkenntnis und Dankbarkeit
Was ist es dann? Ich habe den Eindruck, dass es verschiedene Punkte gibt, die uns, wenn wir an unser Leben vor dem Glauben zurückdenken, wirklich eine Hilfe sein können.
Das erste ist, dass es uns vor Hochmut bewahrt, wenn wir immer im Auge behalten, wer wir eigentlich sind. Paulus hat das nicht vergessen. Deshalb bezeichnet er sich selbst auch als den Allerletzten und beschreibt das, was er vorher getan hat, als Kot und Unrat. Das tut er besonders im 2. Korintherbrief.
Wenn wir uns vor Augen führen, woraus uns Gott gerettet hat, wirkt das gegen unseren eigenen Hochmut. Denn wir Menschen neigen eher dazu, gut von uns zu denken. Das scheint uns irgendwie angeboren zu sein. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die schlecht von sich denken. Diese werden meist als krank bezeichnet, etwa wenn jemand in einer schweren Depression denkt: „Ich bin gar nichts, ich bin schlecht, das Leben hat keinen Sinn.“
Manchmal müssten wir solchen Menschen eigentlich zustimmen. Doch meist versucht man, sie aufzubauen, indem man sagt: „So schlimm ist es ja gar nicht, schau mal, du kannst ja auch noch etwas, du erbringst noch etwas.“ Dabei müssten wir manchmal gerade das sagen: Wir brauchen vielleicht genau diese Haltung, um nicht zu gut von uns zu denken – von dem, was wir aus eigener Kraft erreicht haben oder wo noch positive Ansätze bei uns sind.
Von solchen positiven Ansätzen spricht Paulus hier gar nicht. Er hätte ja auch sagen können: „Ich war ein fleißiger Student bei Gamaliel und habe es ernst gemeint. Na gut, ich habe nicht ganz verstanden, worum es geht, aber ich habe mich wirklich eingesetzt. Und guckt mal, was ich alles nicht getan habe: Ich habe mich nicht an Veranstaltungen beteiligt, bei denen es nur ums Betrinken ging.“ Das hätte Paulus sagen können. Tut er aber nicht. Stattdessen stellt er ganz ungeschminkt dar: Das alles war schlecht gewesen.
Manchmal brauchen wir diesen Blick, um zu erkennen, wer wir im Kern eigentlich sind. So fallen wir nicht in Hochmut hinein, weil wir glauben, was wir alles tun können und wer wir alles sind.
Eine zweite Sache steckt meiner Meinung nach auch darin: Wenn wir sehen, was wir früher ohne Gott gewesen sind, bringt das neue Dankbarkeit. Denn manchmal empfinden wir im Alltag nicht so viel Dankbarkeit, weil nichts Besonderes passiert. Es läuft einfach weiter, der Glaube bleibt ungefähr gleich.
Ich bin Jesus schon nah und komme ihm ein kleines Stück näher, aber es gibt keine tiefgreifende Lebenswende, bei der ich merke: Jesus hat mir Sinn im Leben gegeben, Jesus hat mir Sünde vergeben. Das weckt Dankbarkeit, wenn man darauf schaut, woraus uns Jesus herausgeholt hat.
Übrigens: Vielleicht gibt es hier auch manche, die denken: „Ich war ja gar nicht so schlimm, bevor ich gläubig wurde.“ Das gibt es natürlich auch. Wahrscheinlich besonders bei Menschen mit eher ruhigem und stillem Charakter oder bei denen, die in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen sind und nicht rebelliert haben. Aber mach dir keine Illusion: Auch du warst verloren, bevor du Jesus kennengelernt hast.
Sünde ist nicht nur Betrinken, zu schnelles Auto fahren oder mit Mädchen herumzumachen. Sünde kann vieles sein. Bei Paulus waren es ja nicht die offensichtlichen Sünden, sondern sein Hochmut, seine geistliche Überheblichkeit, sein Herabziehen anderer Menschen mit Selbstgerechtigkeit. Das waren seine großen Sünden.
Soweit wir wissen, war Paulus nicht unmoralisch. Auch du musst dir eingestehen: Wenn du aus einem frommen Umfeld kommst, hast du genauso Erlösung gebraucht. Du hast genauso gottlos gelebt – nur eben fromm-gottlos. Das gibt es auch, so wie die meisten Pharisäer fromm-gottlos waren.
Diese sind ebenfalls verloren. Manchmal werden sie von Jesus sogar stärker zur Rechenschaft gezogen als die „richtigen“ Sünder, also jene, die offiziell als Sünder angesehen werden.
Auch wenn du aus einem eher frommen Hintergrund kommst, sei dir bewusst, woraus Jesus dich gerettet hat. Das kann Dankbarkeit wecken.
Ich glaube außerdem, dass das manchmal motivieren kann, bewusst in Hingabe zu leben und bereit zu sein, sich für Jesus einzusetzen. Einerseits, damit andere Menschen von ihm hören. Andererseits auch aus Dankbarkeit ihm gegenüber: Er hat mich gerettet, und ich will mich ganz für ihn einsetzen.
Das haben wir gerade auch gesungen, oder? Ein Leben gegeben für den Herrn der Welt. So wollen wir uns für Jesus einsetzen.
Erbarmen und Gnade als Ausdruck göttlicher Barmherzigkeit
Ein vierter Punkt
Wichtig ist auch, dass es eine Ermutigung für andere sein kann, dass sie gerettet werden können – sozusagen nach dem Motto: Wenn Gott schon Paulus errettet hat, der ja ein ganz schlimmer Finger gewesen war, dann kann er auch andere erretten. Menschen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen und wissen, dass sie Sünde in ihrem Leben haben. Das sind, glaube ich, legitime Gründe, um davon zu sprechen, wie es bei uns war, bevor wir gläubig wurden. Oder bei Paulus sind das legitime Gründe, warum er davon noch einmal erzählt und es nach so vielen Jahren wieder hervorholt – wie schlimm er gewesen war.
Dann lesen wir hier, nachdem er das aufgezählt hat: „Aber mir ist Erbarmen widerfahren.“ Interessant finde ich den Nachsatz: „weil ich es unwissend, im Unglauben getan habe.“ Auf den ersten Blick könnte das so wirken, als ob Paulus sagen wollte: Wenn ich keine Ahnung habe, dann macht es auch nichts, wenn ich falsch handle. So klingt es ja, als wolle er Erbarmen erfahren, weil er es unwissend und im Unglauben getan hat.
Ich glaube allerdings, dass Paulus das gar nicht so sehr hervorheben will. Vielmehr stellt er hier seine Position im Vergleich zu den Irrlehrern dar. Die Irrlehrer wissen nämlich Bescheid, und das, was sie tun, ist dadurch eigentlich noch schlimmer. Außerdem haben sie es nicht bereut. Paulus hingegen hat bereut und eingestanden, was er falsch gemacht hat.
Ein kleines bisschen steckt da aber, glaube ich, auch eine Wahrheit drin, die Paulus im Römerbrief ziemlich zu Anfang deutlich macht. Dort sagt er, dass wir unterschiedliche Verantwortung für das haben, was wir tun, gemessen an der Erkenntnis, die Gott uns gegeben hat.
Paulus erwähnt das, wenn er sagt: Alle Heiden wissen, dass es einen Gott gibt. Sie sind schuldig, weil sie ihn nicht geehrt und angebetet haben. In der nächsten Stufe sagt er: Die Juden, das Volk Israel, haben eine noch größere Verantwortung. Sie haben nicht nur das Gewissen, das ihnen sagt, dass sie falsch handeln. Sie haben nicht nur die natürliche Offenbarung in der Natur, wo Gott ihnen entgegentritt. Sie haben auch die Offenbarung durch die Propheten, die Gesetze, und sie haben sich nicht daran gehalten. Das ist eigentlich noch viel schlimmer.
Genauso war es auch im Leben Jesu, weshalb er die Pharisäer stärker verurteilte. An vielen Stellen sagt er: „Ihr habt doch die Schrift, lest doch nach, was da steht, wie ihr handeln sollt.“ Sie hätten es wissen können und wissen müssen.
So, glaube ich, gilt es schon ein Stück weit: Umso mehr wir wissen, umso mehr Gott uns offenbart hat, umso größer ist die Verantwortung für das, was wir richtig oder falsch tun. Und das gilt natürlich auch umso mehr, je länger wir Christen sind. Gott setzt dann nicht mehr denselben Maßstab an uns an wie vor dem Zeitpunkt, als wir ungläubig waren.
Das würdet ihr für eure Kinder ja auch nicht tun, nehme ich an. Wenn euer zweijähriges Kind das Glas vom Tisch wirft, weil es unachtsam war und nicht richtig koordinieren kann, wie das so geht, werdet ihr wahrscheinlich anders damit umgehen, als wenn euer siebzehnjähriges Kind das tut. Denn ihr erwartet etwas anderes.
Oder wenn es darum geht, die Spülmaschine auszuräumen, und euer siebzehnjähriges Kind immer noch sagt, es weiß nicht, wie das geht, würdet ihr wahrscheinlich auch anders reagieren, als wenn ein zweijähriges oder dreijähriges Kind das sagt.
Klar, umso älter, umso mehr Wissen, umso mehr Fähigkeiten, umso größer auch die Verantwortung und die Herausforderung, vor der wir stehen. Ich glaube, das ist es, was Paulus hier auch ausdrücken will: Damals war ich noch in einer anderen Situation, und ich habe das getan mit dem Wissen, das ich eben noch nicht hatte. Ich hatte dieses Wissen noch nicht, und jetzt hat Gott es mir offenbart.
Im Vergleich zu den Irrlehrern müssten diese es eigentlich wissen, denn sie sind ja in der Gemeinde, haben die Predigt gehört und waren möglicherweise sogar bekehrt. Paulus sagt also: „Ich habe es unwissend und im Unglauben getan.“ Das ist natürlich ein schöner Hinweis auf das Erbarmen.
Dieses Erbarmen kann bedeuten, dass er hier die Sündenvergebung meint. Später kommt er ja noch einmal ganz genau auf die Sündenvergebung zu sprechen, in Vers 15, wo er sagt, dass Jesus gekommen ist, um Sünder zu retten.
Dieses Erbarmen könnte allerdings auch meinen, dass Gott Erbarmen hatte, indem er Paulus nachgegangen ist. Denn das, was Gott tut, ist ja nicht nur, dass er uns die Sünden vergibt, sondern dass er erst einmal Paulus nachgegangen ist, indem er ihn vor Damaskus blind gemacht hat, indem er ihm in Damaskus erschienen ist. Das ist ja auch schon Erbarmen.
Gott hätte ja auch sagen können: „Na gut, Paulus, du hast jetzt so lange studiert, mach doch, was du willst, ist ja deine Sache, du gehst ja verloren.“ Erbarmen kann manchmal schon darin liegen, dass Gott Paulus oder uns früher oder heute nachgeht, dass er Geduld mit uns hat und nicht beim ersten Mal, wenn wir versagen, gleich aufgibt.
Auch das kann schon Erbarmen sein. Erbarmen muss an dieser Stelle also nicht unbedingt Sündenvergebung bedeuten.
Die Gnade Gottes als Grundlage der Umkehr
Vers 14: „Und die Gnade unseres Herrn wurde über alle Maßen groß, samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus sind.“
Die Gnade Gottes wurde groß, und Paulus erzählt hier gerade von seiner Umkehr, seiner Bekehrung und seinem veränderten Lebenswandel. Ich glaube, darauf bezieht er sich in erster Linie. Die Gnade Gottes wurde über alle Maßen groß durch das, was er im Leben des Paulus getan hat. Das ist, wie ich bereits sagte, der Grund, warum er überhaupt davon berichtet. Er will darauf hinweisen: Gott ist so groß, wenn er mich errettet hat, dann kann er auch dich erretten. Gott hat mein Leben grundlegend verändert.
Diese Errettung geschieht im Leben meistens in mehreren Stufen. Einerseits ist es Gott, der uns nachgeht. Das bezeichnet man auch als Erwählung. Gott sagt: „Ich will dich retten, ich will, dass du mein Kind wirst.“ Er zwingt niemanden dazu, das anzunehmen. Doch diese Erwählung zeigt sich darin, dass Gott uns immer wieder mit der Bibel konfrontiert oder uns im Herzen anspricht. Wir merken plötzlich, wie leer und hohl wir innerlich sind und wie sehr unser Leben eigentlich falsch läuft.
Das Zweite, was dabei passiert, ist das eigene Ja-Sagen. Wenn ich auf Paulus schaue, war es so: Paulus begegnet Jesus, und ihm wird klar, dass sein Leben falsch läuft. Doch das allein hätte noch keinen neuen Paulus gemacht, der vom Saulus zum Paulus wird. Was es brauchte, war, dass Paulus auch selbst sagte: „Ja, ich will diese Veränderung. Ja, Jesus, du hast recht, ich bin falsch, ich habe gesündigt.“
Was wir bei der Geschichte des Paulus sehen und worauf er sich hier, glaube ich, auch bezieht, wenn er von der Gnade des Herrn spricht, ist, dass Gott häufig andere Menschen gebraucht, damit wir zu ihm finden. So war es auch bei Paulus: Gott schickte jemanden, der ihn ansprach, der ihn in die Gemeinde hineinführte und ihm die Liebe Gottes mit eigenen Worten weitergab.
Wenn wir das heute Morgen lesen, sollten wir genauso mitsprechen können: „Die Gnade des Herrn wurde über alle Maßen groß, als er mich gerettet hat.“ Das sollte auch bedeuten, dass wir ab und zu diese Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, indem wir Gott danken für das, was er getan hat – dass er uns nachgegangen ist. Aber vielleicht auch ganz bewusst danken für die Menschen, die Gott gebraucht hat, damit wir zur Umkehr gekommen sind.
Ich vermute, dass kaum jemand heute einfach so zum Glauben gekommen ist, sondern dass Gott auch andere Menschen gebraucht hat. Durch sie hat er sich verherrlicht, indem sie uns den Glauben nahegebracht haben. Das mag ein Prediger gewesen sein, vielleicht dein Vater oder deine Mutter, deine Schwester oder dein Bruder, dein Freund oder deine Freundin, ein Arbeitskollege oder jemand anderes. Meistens braucht Gott andere Menschen dazu, und wir können dankbar für diesen Weg Gottes sein.
Erstens, weil er uns direkt anspricht und uns den Spiegel vor Augen hält, wer wir eigentlich sind. Zweitens, weil er andere Menschen schickt, damit wir die Wahrheit erkennen und ein neues Leben anfangen können. Und schließlich auch für das kleine Stück, das wir selbst beigetragen haben, indem wir an der entscheidenden Stelle Ja gesagt haben.
Die Gnade wurde über alle Maßen groß samt dem Glauben und der Liebe, die in Jesus Christus sind. Glauben und Liebe werden hier noch einmal besonders hervorgehoben. Der Glaube wurde groß in Jesus. Warum? Weil das Leben Jesu der Ausdruck eines absoluten Vertrauens war. Selbst dort, wo Jesus sterben sollte, sagte er: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“
Das Wort Glauben bedeutet auf Deutsch Vertrauen. Im Leben Jesu sehen wir dieses Vertrauen ganz besonders groß. Ebenso die Liebe. Jesus sagt: „Wer hat größere Liebe als die, dass er sein Leben gibt für seine Freunde?“ Wenn Paulus hier von der Errettung spricht und sagt, dass die Gnade des Herrn besonders groß geworden ist, dann geschieht das insbesondere durch den Glauben und die Liebe, die in Jesus Christus sind.
Dabei geht es nicht um die Liebe, die wir haben, oder den Glauben, den wir besitzen, sondern um den Glauben und die Liebe, die Jesus hatte. Dadurch wurde die Gnade Gottes ganz besonders groß. Ich glaube, wir können dieses Vertrauen Jesu darin sehen, wie er immer wieder auf Gott hingewiesen hat. Er hat nicht aus sich selbst entschieden, sondern stets danach gesucht, was Gott in seinem Leben will.
Die Liebe zeigt sich darin, dass Jesus bereit war, auf alles Eigene zu verzichten. Er verließ das Himmelreich und war bereit, für uns zu sterben.
Die Glaubwürdigkeit der Botschaft von Jesus als Retter
Dann kommen wir zu Vers 15: "Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert."
Wir könnten lange darüber spekulieren, was mit "dem Wort" gemeint ist. Man könnte es auf die Bibel beziehen und sagen: Glaubwürdig ist die Bibel und aller Annahme wert. Das würde hier aber nicht passen. Denn welches Wort glaubwürdig ist und aller Annahme wert, erklärt Paulus gleich danach: Es ist das Wort, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen er der größte ist.
Paulus sagt also, dass genau dieses Wort aller Annahme wert und glaubwürdig ist. Warum? Weil es überprüft ist, sich bewährt hat und Paulus es selbst erlebt und erfahren hat. Deshalb erwähnt er es hier. Wenn danach noch einmal gesagt wird, das sei aller Annahme wert, dann ist das eigentlich nur eine Doppelung. Glaubwürdig und aller Annahme wert sein meint hier genau dasselbe.
Es ist aller Annahme wert, weil es sich im Leben des Paulus genauso vollzogen hat. So passt das plötzlich in den Zusammenhang: Paulus spricht hier von seiner Erfahrung mit Jesus, nicht von seinen Werken oder von der Erfüllung der alttestamentlichen Gebote.
Ganz klar ist also: Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Das ist nicht nur eine allgemeine theologische Feststellung, sondern etwas, was Paulus in seinem eigenen Leben erfahren hat. Deshalb kommt er direkt danach wieder auf sein Leben zu sprechen: "Von denen ich der größte bin."
Diese Wahrheit, dass Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, ist heute in unserer Zeit eine der am stärksten verschwiegene oder sogar schamhaft verdrängte Wahrheiten. Wenn man heute viele Theologen aus evangelischen, katholischen, orthodoxen oder anderen Kirchen trifft, auch aus mancher Freikirche, dann ist die Vorstellung, dass Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünde zu vergeben, oft irgendwie unannehmbar.
Im letzten Jahr hat ein deutscher evangelischer Bischof gesagt, der stellvertretende Sündentod Jesu sei nicht unbedingt ein Glaubensinhalts für einen evangelischen Christen. Ein evangelischer Christ müsse also nicht unbedingt glauben, dass Jesus für die Sünde gestorben sei. Das sei ja so archaisch, blutrünstig und legendär – das brauche man heute nicht mehr. Gott vergebe einfach so; er müsse nicht seinen Sohn quälen, damit wir Vergebung bekommen.
Solche Aussagen hört man heute durchaus in kirchlichen Kreisen relativ weit verbreitet. Dabei merken wir, wie diese Wahrheit, die uns vielleicht selbstverständlich erscheint – dass Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten – heute gar nicht mehr so selbstverständlich ist.
Heute predigt man eher: Gott ist in seiner großen Liebe, der vergibt allen einfach so. Und rein menschlich betrachtet wäre mir so ein Gott auch sympathischer. Ich würde auch fragen: Warum diese ganze Sache mit Jesus? Warum muss er leiden? Ich wünsche Jesus kein Leiden. Ich würde mir wünschen, dass er, wie Elija, direkt in den Himmel entrückt wird – kein Leiden, keine Krankheit, kein Tod.
Aber die Frage ist: Gibt es so eine Erlösung überhaupt? Wenn es sie gäbe, hätte Gott sie sicher gewählt. Aber Gott wusste, dass es für Schuld auch Strafe geben muss, dass Schuld bezahlt werden muss. Sonst wäre Gott selbst als Richter ungerecht. So würden wir das auch empfinden.
Stellt euch mal ein ganz banales Beispiel vor: Ihr fahrt zur Bibelschule und überschreitet die Geschwindigkeit. Ihr wisst, dass auf der Ostwestfalenstraße einige Blitzer stehen. Dann bekommt ihr einen Brief mit einem Foto, in dem steht: Du musst bezahlen. Ihr schreibt zurück und bittet um Erlass. Der Sachbearbeiter sagt: "Auch dir erlasse ich, du bist mir sympathisch, du siehst nett aus." Und dem anderen nicht.
Was würdet ihr dazu sagen? Ist das gerecht? Wenn du Schuld auf dich geladen hast, muss dafür bezahlt werden, sonst ist es nicht gerecht. Ein Verbot macht ja auch nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das Falsche gibt. Wenn es egal ist, ob du das Richtige oder Falsche tust, dann ist das Verbot sinnlos.
Ähnlich ist es bei Gott. Gott kann nicht einfach sagen: "Schwamm drüber", ohne ungerecht zu werden. Denn das hieße, er duldet und akzeptiert Ungerechtigkeit. Das geht nicht. Diese Ungerechtigkeit muss erst einmal ausgelöscht oder neutralisiert werden, und dafür ist Jesus gekommen.
Deshalb ist der Tod Jesu am Kreuz traurig und grausam gewesen, zweifellos. Aber er war notwendig, damit unsere Schuld vergeben wird. Die einzige Alternative, die die Bibel nennt, ist, dass wir irgendwann vor dem himmlischen Gericht stehen. Dort wird Gott uns alles auflisten, was wir getan haben – das Gute und das Böse.
Dann werden wir nicht für das Gute verurteilt, sondern für das Böse. Das ist übrigens bei menschlichen Gerichten genauso. Wenn du vor einem Gericht stehst, kannst du nicht sagen: "Ich habe ja regelmäßig meine Großmutter besucht und die Bibelschule Brake gespendet, deshalb muss ich keine Strafe für das zu schnelle Fahren bezahlen."
Ihr könnt das gerne mal probieren – so ein Einspruch wäre eine Möglichkeit. Oder ihr sagt: "Ich bin schon zehnmal nach Brake gefahren und nie geblitzt worden, also wägen Sie das doch auf zehnmal richtig gefahren und einmal falsch gefahren auf." Ich vermute, niemand wird sich auf so einen Vergleich einlassen.
Genauso ist es mit Gott. Wenn du in deinem Leben nie gelogen hast, wird dir Gott keinen Vorwurf machen. Er wird sich freuen, ähnlich wie Jesus dem reichen Jüngling begegnet ist. Der reiche Jüngling fragt: "Was muss ich tun?" Es werden ihm Gebote genannt, und er antwortet, dass er sie alle von Jugend an gehalten hat.
Jesus ist nicht böse auf ihn, sondern freut sich darüber. Aber warum wird der reiche Jüngling vor Gott verurteilt? Weil er sein Herz an seinen Reichtum gehängt hat. Das war sein Problem. Er hat viele andere Dinge gut gemacht.
So wird es auch in deinem Leben sein: Du hast viele Dinge gut gemacht, aber auch Fehler begangen. Für diese wirst du verurteilt, und dafür muss bezahlt werden. Entweder bezahlst du selbst, und die himmlische Strafe heißt ewige Verdammnis, oder jemand anderes bezahlt für dich – und das ist Jesus.
Das ist es, was Paulus hier meint: Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Er ist nicht in die Welt gekommen, um sich bejubeln zu lassen, sondern um Menschen die Möglichkeit zu geben, in Ewigkeit bei Gott zu sein.
Paulus bezieht das insbesondere auf sich und sagt: Genauso ist es mir ergangen, so habe ich es in meinem eigenen Leben erfahren. Deshalb sagt er: "Von denen ich der größte bin."
Geduld und Vorbildfunktion Jesu in der Errettung
Vers 16: Aber darum ist mir Erbarmung widerfahren, damit an mir zuerst Jesus Christus alle Langmut erzeige – zum Vorbild für die, die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben.
Das könnte man hier relativ kurz fassen. Er sagt noch einmal: Mir ist Erbarmung widerfahren – genau dasselbe, was er auch schon in Vers 13 gesagt hat: Mir ist Erbarmung widerfahren. Hier ist die Sache aber noch viel eindeutiger. Beim ersten Mal könnte es sein, dass die Erbarmung ihm nachgegangen ist. Hier ist die Erbarmung ziemlich deutlich. Es geht um Sündenvergebung, denn von denen hat er ja gerade vorher gesprochen. Jesus ist gekommen, um Sünder zu retten.
Hier hat Paulus einen ganz selbstlosen Blick. Wir könnten ja jetzt erst mal den Eindruck haben oder selbst auch sagen: Ja, Jesus hat Barmherzigkeit mit mir gehabt, damit ich gerettet werde. Das sagt Paulus hier an dieser Stelle gar nicht. Er ist nämlich gar nicht so selbstzentriert, so ichzentriert, so individualistisch, wie das uns als Menschen erst mal angeboren ist. Sondern er sagt: Nein, eigentlich hat Gott mich ja nur gerettet, damit ich ein Vorbild für andere bin, damit auch andere zum Glauben kommen.
Das ist eine interessante Perspektive. Eine, die jetzt nicht diesen Egoismus noch fromm tauft und sagt: Okay, erst mal ging es ihm in meinem Leben nur um mich, und jetzt ist Jesus auch gekommen, damit ich gerettet werde. Sondern bei Paulus sagt er, er hat mich schon gerettet, aber warum? Damit es zum Vorbild für andere dient, damit andere sehen, was Großes Gott tun kann. Wenn er das tun kann, dann kann er auch deine kleinen Sünden noch wegnehmen.
Bist du ein Verfolger der Christen gewesen, hast du Christen umgebracht, ins Gefängnis geschmissen, hast du Gott gelästert? Nein, da siehst du: Wenn Gott so einen schlimmen Menschen retten kann, dann kann er dich auch retten, dann kann er deine Sünden auch vergeben. Das ist die Argumentation, die Paulus hier hat. Er sagt dann auch: Meine Errettung ist gar nicht in erster Linie für mich, ich bin es gar nicht wert, sondern er hat mich nur errettet, damit andere ermutigt werden und sehen, wie groß die Liebe Gottes ist.
Er ist ein Vorbild für andere. Wenn er mit mir Geduld hat, also mit Paulus Geduld hat, dann auch mit anderen. Und dann sagt er: die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben. Also in dem Moment, als Paulus gerettet worden ist, da waren die anderen ja noch nicht gläubig. Deshalb sagt er in dem Moment, er hat mich gerettet, weil er wusste, dass dadurch, dass er Paulus rettet, auch andere gerettet werden würden in der Zukunft.
Hier ist wieder seine Perspektive, sein Vergleich mit dem: „Das bin ich, also ich predige euch jetzt nur, damit ihr gerettet werdet.“ Die falschen Irrlehrer, die wir vorher gehabt haben, predigen in erster Linie für sich selbst. Sie wollen selbst gut dastehen, zeigen, wie perfekt sie sind, sie kennen das Alte Testament und leben genauso, wie es ihren Vorstellungen entsprechend ist – durch diese Gesetzlichkeit, die sie aufbauen.
Das ist bei Paulus hier nicht der Fall. Und wenn dann steht „zum ewigen Leben“, gibt uns das, glaube ich, die Perspektive, dass unsere Errettung, unser Christsein sich nicht erfüllt in dem Leben, das wir hier auf der Erde führen. Wahrscheinlich gerade in unserer westlichen Kultur, die so stark auf die Gegenwart und den Genuss der kurzen Lebenszeit, die du hier auf der Erde hast, fixiert ist, ist diese Wahrheit umso wichtiger.
Denn was hier drinsteht, ist jetzt nicht mehr nur, dass uns die Sünden vergeben sind, wir uns besser fühlen und es uns besser geht. Jetzt können wir besser unsere Probleme bewältigen, er hilft uns auch bei unseren Schwierigkeiten – sei es Arbeitslosigkeit, Ehe, Kinder oder sonst irgendetwas. Sondern eigentlich ist der Glaube ausgerichtet auf das ewige Leben.
Die eigentliche Perspektive ist: Wir wollen ewig bei Gott sein, und dafür hat er uns gerettet. Also Gott hat uns hier auf der Erde nicht gerettet, damit wir ein bisschen besser leben können, damit wir unsere Minderwertigkeitskomplexe oder Depressionen überwinden können. Das ist mehr eine Nebensache. Und die kann kommen oder auch nicht.
Gott hat uns auch nicht gerettet, damit wir hier gesund werden oder reich werden oder sonst irgendetwas. Zahllose Christen leben zu dem Zeitpunkt, an dem wir hier leben, auf der Erde und sind bitterarm, bitter verzweifelt, leiden an schweren Krankheiten, und Gott rettet sie nicht. Und wir können dann ja sagen: Wie schlimm, Gott tut das nicht, der hat das doch versprochen. Nein, das hat er gar nicht versprochen.
Das Wesentliche, auf das es ankommt – und das ist das, was Paulus hier sagt – ist: Er rettet uns für das ewige Leben. Das ist die eigentliche Perspektive. Ich vermute, dass umso älter wir werden, umso stärker uns diese Perspektive bewusst wird, weil wir merken, dass das Leben so schnell vorbei geht. Und so letztendlich total erfüllt ist das hier nicht.
Es gibt mal so ein paar schöne Stunden, ein paar schlechte und ein paar gewöhnliche. Das ist einfach der normale Alltag. Und dann geht das vorbei. Wenn ich mir jetzt euch anschaue oder mich selbst anschaue, dann weiß ich: Einige von euch kenne ich schon seit zehn Jahren, mit einigen war ich ja in der Freizeit schon noch länger zusammen. Die Zeit ist vergangen und ihr werdet sie nicht mehr zurückholen können.
Gehen wir mal noch zwanzig Jahre weiter, dann werden viele von uns hier nicht mehr auf der Erde sein. Dann werden wir schon tot sein. Und dann ist es wichtig, dass wir nicht unseren ganzen Glauben nur auf diesseits konzentriert haben, sondern dass wir nicht vergessen, dass das eigentlich auf das ewige Leben, auf die Ewigkeit ausgerichtet ist. Und das will er uns hier deutlich machen.
Lobpreis und Ehre Gottes als Ziel der Erlösung
Dann Vers 17: Dem König der Ewigkeiten, dem unvergänglichen, unsichtbaren, allein weisen Gott sei Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Hier haben wir noch einmal ein Loblied auf Gott. Warum? Weil er all das getan hat. Er hat Paulus gerettet, Jesus gesandt, um die Menschen in Liebe zu retten. Er zeigt Gnade, gibt Kraft, hat Erbarmen und vieles mehr.
All das wird hier noch einmal hervorgehoben. Vielleicht kann man auch etwas genauer sagen, was darin steckt: Selbst deine Erlösung ist kein Selbstzweck. Letztendlich dient deine Erlösung auch zum Lob Gottes. Das wird hier deutlich gemacht.
Es geht hier vor allem um die Erlösung von Paulus und darum, dass durch ihn andere errettet werden. Und das geschieht letztlich zur größeren Ehre Gottes.
Die Verantwortung des Timotheus im geistlichen Kampf
Kommen wir nun zu einem anderen Abschnitt. Der Teil dazwischen beschreibt, wie Gott mit Paulus umgeht: Er rettet ihn, vergibt ihm, geht ihm nach, offenbart ihm die Wahrheit, gibt ihm Kraft für sein Leben, beruft ihn, schenkt ihm Vertrauen, gebraucht andere Menschen und erwählt ihn. All diese Dinge tut Gott – und zwar nicht nur für Paulus, sondern auch für andere, damit sie sehen, wie großzügig und vergebungsbereit Gott ist.
Gott tut dies nicht, damit das irdische Leben für Paulus perfekt läuft, sondern damit er auf das ewige Leben vorbereitet wird. Nun blickt Paulus zurück und wendet sich wieder den Irrlehrern zu, die ganz anders handeln.
Zuerst spricht er zu Timotheus: „Dieses Gebot vertraue ich dir an.“ Hier stellt sich die Frage, welches Gebot gemeint ist. Wenn wir die Jugendstunde besuchen würden, könnten wir lange vorher nachlesen, aber es steht nicht direkt von einem Gebot. Gebot verstehen wir meist als „du darfst das nicht“. Aber was genau ist hier gemeint?
An dieser Stelle kann man den Begriff „Gebot“ auch als „Botschaft“ verstehen. Das heißt: Diese Botschaft vertraue ich dir an. Welche Botschaft? Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Gott ist barmherzig, auch mit den schlimmsten Sündern. Diese Botschaft vertraue ich dir an.
Paulus nennt Timotheus „mein Sohn“, obwohl er nicht sein leiblicher Sohn ist. Er meint damit, dass Timotheus ihm im Anliegen, Jesus nachzufolgen, so innig verbunden ist. Timotheus handelt so, wie es eigentlich sein sollte, deshalb nennt Paulus ihn Sohn, gemäß den früher über ihn ergangenen Weissagungen.
Paulus vertraut ihm diese Botschaft der Errettung an, weil Timotheus treu ist – er ist eben sein Sohn, und weil früher Weissagungen über ihn ausgesprochen wurden. Weissagungen bedeutet Prophetien. Offenbar gab es zu der Zeit, als Timotheus berufen wurde, Prophezeiungen, die ihn für seinen Dienst berufen haben.
Diese finden wir beispielsweise auch in 1. Timotheus 4,14 erwähnt: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir verliehen wurde durch Weissagung unter Handauflegung der Ältestenschaft.“ Dasselbe lesen wir auch in 2. Timotheus 1,6. Offenbar kamen die Ältesten der Gemeinde zusammen, legten Timotheus die Hände auf, und andere prophezeiten, dass er für den Dienst Gottes ausgewählt sei.
Welche Rolle spielen diese Weissagungen? Sie sind hier eigentlich nicht der entscheidende Grund für Timotheus’ Dienst, sondern begleiten seine Berufung. Gott hat ihn erwählt, wie Paulus am Anfang deutlich macht, wo er sich selbst beschreibt: „Ich bin von Gott dazu bestimmt.“
An den beiden genannten Stellen wird auch erwähnt, dass Timotheus eine Geistesgabe erhalten hat. Die Aufforderung lautet: „Vernachlässige nicht die Gabe, die in dir ist, durch Handauflegung und Weissagung.“ Nun stellt sich die Frage: Was war das für eine Gabe? Konnte Timotheus in Zungen reden oder heilen?
Wenn wir den Kontext lesen, wird deutlich, dass es wohl nicht um solche Gaben geht. Was würde es im Kampf gegen die Irrlehrer helfen, wenn man in Zungen reden kann? Ziemlich wenig. Paulus meint eher eine Leitungsgabe. Gott hat Timotheus befähigt, zu leiten, anzuleiten und auch Beurteilungen zu sprechen.
Vielleicht war es auch die Gabe der Geisterunterscheidung, wobei diese hier nicht einmal nötig war, denn die Sache war ziemlich klar: Paulus schreibt, es ist vollkommen klar, dass es sich um Irrlehrer handelt. Es könnte auch eine Lehrgabe gewesen sein – eine Begabung, die es ermöglicht, die Leute so klar zu lehren, dass sie unterscheiden können, was wahr und was falsch ist, damit sie sich nicht durch falsche Propheten verführen lassen.
Gott hat das vorher angekündigt. Das bedeutet nicht, dass jeder von uns prophetische Mitteilungen erhalten haben muss, wenn er gläubig wird oder mit Gaben des Heiligen Geistes begabt wird. Aber bei Timotheus war das offenbar so. Er soll sich an diese Berufung erinnern. Warum? Weil es ihn motiviert und stärkt für die Aufgaben, die Gott für ihn vorgesehen hat.
Das ist auch für uns wichtig. Wenn du einmal einen Tiefpunkt in deiner Berufung erlebst – und du fragst dich vielleicht: „Welche Berufung habe ich denn? Ich bin ja kein Missionar in Papua-Neuguinea.“ – dann bedenke: Berufung bedeutet nicht nur, im sogenannten vollzeitigen Dienst zu stehen.
Berufen ist jeder Christ, nur mit unterschiedlichen Aufgaben. Dem einen ist die Aufgabe gegeben, Gemeinde zu leiten oder zu lehren, dem anderen Seelsorge zu machen, einem anderen, Kinder im Glauben zu erziehen, wieder einem anderen, am Arbeitsplatz treu zu sein und ein Vorbild für Jesus zu sein. Die Berufung ist unterschiedlich.
Denk daran: Gott hat auch dich berufen – nicht nur wenige, die irgendwo in der weltweiten Mission sind. Er hat dich berufen. Erinnere dich daran, denn wenn Kampf und Auseinandersetzung kommen, brauchst du diese innere Gewissheit. Du machst das nicht nur, weil es dir Spaß macht. Sonst kannst du schnell frustriert werden.
Die Kinder entwickeln sich nicht so, wie du denkst, und schon bist du frustriert. Dein Chef ist nicht begeistert von dir oder entlässt dich sogar – du bist frustriert. In der Gemeinde sind nicht alle dankbar und jubeln dir zu, weil du Bibelarbeit oder Kinderstunde gemacht hast. Stattdessen erlebst du oft Undankbarkeit und Kritik an Stellen, die nicht so gut liefen.
Dann denk daran: Gott hat dich berufen. Du machst das nicht nur als Hobby oder um Beifall zu bekommen. Gott hat dich berufen. Deshalb sagt Paulus das auch zu Timotheus: „Denk daran, du bist berufen.“ Wenn du jetzt im Kampf bist, vergiss das nicht.
Denn in diesem Kampf wirst du Angriffen ausgesetzt sein. Hier steht: „Erinnere dich an die früheren Weissagungen, damit du durch sie gestärkt für den guten Kampf des Glaubens kämpfst.“ Es hat einen Zweck, sich daran zu erinnern – nicht einfach nur so.
Dieser Kampf, in dem wir sind, ist lebenslang. Timotheus hatte damals in Ephesus gegen die Irrlehrer zu kämpfen, und dieser Kampf hörte nicht auf. Genauso ist es bei uns. Ihr müsst realisieren, dass ihr ständig in einem geistlichen Kampf steht.
Im Epheserbrief finden wir dazu die Anweisung zur geistlichen Waffenrüstung. Wie sollen wir mit dem geistlichen Kampf richtig umgehen? Glaube, Heil und die Bibel spielen dabei eine wichtige Rolle. Das ist aber nicht das Thema dieses Textes. Wir sind in dieser Auseinandersetzung.
Wogegen kämpfen wir? Manchmal gegen unsere eigene Sünde. Wir kämpfen gegen unsere Schwächen, gegen uns selbst und unsere Charakterschwächen. Meistens sind gerade unsere Charakterstärken auch gleichzeitig unsere Schwächen, an denen wir arbeiten müssen.
Der Machertyp neigt dazu, losgelöst von Gott zu handeln – das kann eine Anfechtung sein. Der eher träge Typ ist manchmal angenehm, weil er die Dinge locker sieht, aber das kann auch eine Trägheit sein, die lähmt. Unsere Stärken sind oft auch Schwächen, und daran müssen wir arbeiten – das ist ein Kampf.
Im Jakobusbrief heißt es, wir kämpfen gegen die Lüste des Fleisches – das meint das, was in uns steckt. Dann gibt es den Kampf gegen Menschen, die uns von außen angreifen. Das sind manchmal Ungläubige, denen wir das zutrauen.
Da gibt es böse Ungläubige, die sagen: „Was bist du für ein schlimmer Kerl? Jesus stimmt doch alles nicht, du bist lächerlich.“ Es gibt aber auch nette Ungläubige, die nicht alle so sind. Solche Angriffe gibt es immer wieder.
Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Vorfall im letzten Jahr an der Bibelschule Brake: Zwei Schülerinnen wurden im Jemen getötet. Das war eine starke Attacke von Leuten, die nicht gläubig sind und denen das egal ist. Heute erinnert sich kaum noch jemand daran, es war nur eine Pressemeldung.
Wenn jemand gegen Christen eingestellt ist, macht er noch mehr Druck, egal ob es wahr ist oder nicht. Es gibt Ungläubige, die den christlichen Glauben bekämpfen. Das betrifft uns auch. Wir sollen keine Illusionen haben.
Vor dem letzten Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen sagten die Linkspartei und die Grünen offen, dass sie, wenn sie an die Regierung kommen, christlichen Schulen den Garaus machen wollen. Das passt nicht zu ihrer Überzeugung. Das ist ärgerlich und wird nicht von heute auf morgen passieren, aber es zeigt, dass es Gegner gibt.
Auch heute sind nicht alle Menschen lieb und nett. Es gibt Leute, die den christlichen Glauben bekämpfen. Damit haben wir zu tun.
Dann gibt es aber auch Kämpfe gegen andere Gläubige. Manchmal ist das erschreckend. Wir haben nicht nur die bösen Ungläubigen und unsere eigene Sünde, sondern auch Angriffe von anderen Christen.
Das gibt es leider immer wieder in christlichen Gemeinden. Zum Teil, weil biblische Aussagen verdreht werden, zum Teil aus Egoismus: „Ich will mich durchsetzen.“ Dann wird nicht offen gestritten, sondern mit Bibelversen argumentiert, um den anderen fertigzumachen.
Oder es liegt daran, dass jemand nicht sympathisch ist, und man versucht, ihn zu meiden oder auszuschließen. Das ist noch viel schlimmer.
Ich fand es erschreckend, als mir Stephan Holthaus von der EFDH in Gießen sagte, dass die meisten Schreiben gegen die Anerkennung bei dem Wissenschaftsministerium von Christen kamen. Das waren zwei dicke Ordner voller Protestschreiben.
Da dachte ich: „Man hat schon genug Schwierigkeiten mit Ungläubigen, und jetzt kommen auch noch viele Gläubige, die dagegen opponieren.“ Zur Anerkennung der FDH kann man stehen, wie man will. Man kann sagen, es ist nicht alles perfekt und es gibt Gründe, die Anerkennung kritisch zu sehen.
Aber solche Dinge sollte man intern klären, hoffentlich mit guter Motivation, nicht aus Neid oder Missgunst. Wenn man sich dann an andere gesetzliche Stellen wendet, um es Christen schwerer zu machen, ist das enttäuschend und frustrierend.
Also macht euch darauf gefasst: Im geistlichen Leben habt ihr nicht nur Auseinandersetzungen mit bösen Ungläubigen, sondern auch mit Christen untereinander.
Das war übrigens auch bei den Irrlehrern so. Sie verstanden sich als Christen und sagten: „Jetzt musst du aber noch das Gebot halten, sonst bist du der Ungläubige.“
Ich erinnere mich an eine Spätaussiedlergemeinde in Horn-Bad Meinberg, die sehr traditionsbewusst ist. Dort gibt es die Überzeugung, dass Frauen unbedingt Röcke tragen müssen. In unserer Gemeinde in Detmold ist das kein Zwang: Frauen dürfen Röcke tragen, aber niemand wird ausgeschlossen, wenn er keine trägt.
Ein junges Mädchen aus dieser Gemeinde kam zu uns in den Gottesdienst. Der Gottesdienst war fromm und gut. Doch zu Hause wurde sie vom Vater verprügelt, weil sie in die „Welt“ gegangen sei. Seine Argumentation: Wenn Frauen Hosen tragen, ist das die Welt, und eine Frau ohne Rock geht verloren.
Er sagte das offen und prügelte seine Tochter, damit sie von diesem Irrweg umkehrt. Das zeigt, dass es auch unter Christen Streit gibt, der eigentlich nicht sein müsste.
Dieses Mädchen ist fromm, lieb und geht freiwillig am Sonntag in den Gottesdienst – aber halt in den „falschen“ Gottesdienst, weil dort Frauen Hosen tragen. Das ist ein Kampf unter Christen.
Ich will hier nicht das große Thema „Sollen Frauen Hosen oder Röcke tragen?“ aufmachen. Das können wir gesondert in einer Fragerunde behandeln. Aber ich hoffe, wir sind uns einig, dass das nicht der entscheidende Faktor im christlichen Leben ist.
Solche Kämpfe gehören zum guten Kampf des Glaubens. Und letztlich kämpfen wir natürlich auch gegen den Teufel.
Der Teufel versucht, uns von Gott wegzubringen. Diese Realität wird heute oft verschwiegen, weil der Teufel mit Pferdefuß und Schwefelgestank als Märchen abgetan wird. Dabei ist der Teufel nicht lieb und nett, sondern versucht, Menschen zu verführen.
Auch gegen ihn müssen wir kämpfen. Der gute Kampf des Glaubens umfasst also den Kampf mit uns selbst, mit Ungläubigen, mit Gläubigen und mit dem Teufel.
Damit du gestärkt wirst für den guten Kampf des Glaubens, wird nun beschrieben, wie dieser Kampf aussehen kann: Indem du Glauben und ein gutes Gewissen bewahrst.
Glauben heißt, auch in schwierigen Situationen und Kämpfen nicht das Vertrauen auf Gott und Jesus zu verlieren. Das ist das Schlimmste, was du tun kannst. Ohne Jesus wird es nur schlimmer.
Auch wenn dir der Glaube manchmal Mühe macht, wirf das Vertrauen auf Gott nicht weg. Paulus sagt das zu Timotheus für alle Auseinandersetzungen, in denen er sich befindet – auch wenn keine Perspektive mehr sichtbar ist.
Denk daran: Gott hat dich viele Jahre bewahrt, ist dir nachgegangen und hat sich als treu erwiesen, auch wenn keine Menschen mehr da waren. Halte daran fest, egal was kommt.
Das gute Gewissen bedeutet, so zu leben, dass dein Gewissen dich nicht ständig verurteilt. Wenn Gott dir innerlich zeigt, dass etwas falsch ist, dann tue es nicht mehr. Wenn er dir zeigt, was du tun sollst, dann tue es.
Wenn du in einen Kampf gerätst, wird genau das, worauf dich dein schlechtes Gewissen aufmerksam macht, oft zum Stolperstein. Du spürst die Entfernung zu Gott, weil Sünde in deinem Leben ist, die du nicht ausgeräumt hast.
Vielleicht bist du in guten Zeiten nicht dem nachgegangen, was Gott dir vor die Füße gelegt hat, sei es Bibellesen, Beten oder Einsatz für den Glauben. In schlechten Zeiten, wenn der Kampf kommt, ist das noch schwerer.
Wenn du dir jedoch ein gutes Gewissen bewahrt hast und der Teufel dich angreift, wenn Ungläubige sagen: „Du bist der Allerletzte“, dann trifft dich das nicht so hart. Du hast vor Gott ein reines Gewissen, weil du in guten Zeiten versucht hast, so zu leben.
Deshalb bewahre dir das gute Gewissen, solange du kannst. Wenn Gott dich im Gewissen auf etwas aufmerksam macht, lass es sein. Wenn er dich warnt, höre darauf.
Pflege dein Vertrauen zu Gott, vergiss es nicht. Das wird dir im Kampf helfen.
Manche haben das nicht getan. Der Heilige Geist hat ihnen gezeigt, dass etwas falsch ist, aber sie haben es trotzdem getan und haben das Vertrauen von sich gestoßen. Darum erlitten sie Schiffbruch im Glauben.
Schiffbruch bedeutet wörtlich, dass ein Schiff auf Grund läuft oder an einen Felsen stößt und zerstört wird. So kann es auch im geistlichen Leben gehen: Du bist mit Jesus unterwegs, achtest nicht auf dein Gewissen und Vertrauen, und wenn eine schwierige Situation kommt, bist du manövrierunfähig.
Du kannst nicht mehr weiter, stößt auf und erleidest Schiffbruch.
Die Gemeindezucht als Schutz und Erziehung
Und jetzt werden noch zwei Personen genannt, die ernannt wurden. Unter ihnen sind Hymenäus und Alexander, die ich dem Satan übergeben habe.
Diesen Hymenäus und Alexander finden wir auch an anderer Stelle, nämlich im 2. Timotheus 2,17. Dort wird Hymenäus noch einmal erwähnt. Ich lese das gerade mal vor: 2. Timotheus 2,17: „Und ihr Wort frisst um sich wie ein Krebsgeschwür; zu ihnen gehören Hymenäus und Philethos.“ Wenn ich den Vers davor lese, steht dort: „Die unheiligen, nichtigen Schwätzereien meide, denn sie fördern nur noch mehr die Gottlosigkeit.“
Also gehören Hymenäus und Philethos zu denen, deren Worte wie ein Krebsgeschwür um sich greifen. Hymenäus war offenbar ein Störenfried in der Gemeinde, ebenso wie Philethos. Wenn Paulus hier Hymenäus und Alexander nennt, sind das nicht die einzigen Störenfriede. Plötzlich gehört auch Philethos mit dazu.
Hymenäus war jemand, der das Vertrauen auf Gott verloren hat. Er hat sich den leeren Schwätzereien hingegeben, die wir schon gestern gelesen haben. Alexander wird nicht mehr mit Namen erwähnt. Möglicherweise ist er derselbe Alexander, der in 2. Timotheus 4,14 genannt wird. Dort heißt es: „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr vergelte ihm nach seinen Werken! Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.“
Alexander der Schmied wird hier noch einmal genannt. Vielleicht ist es derselbe Alexander, wir wissen es nicht genau. Auf jeden Fall war auch er jemand, der gegen Paulus gekämpft hat.
Von beiden wird gesagt, dass sie im Glauben gut begonnen haben, aber die Grundprinzipien des Glaubens nicht beachtet haben. Diese Grundprinzipien sind Vertrauen und gutes Gewissen. Deshalb haben sie Schiffbruch erlitten.
Am Ende steht eine schwierige Stelle: „die ich dem Satan übergeben habe.“ Ich frage mich, was das genau bedeutet. In Kommentaren finden sich unterschiedliche Interpretationen. Im Grunde genommen unterscheiden sich die Antworten nach einem Grundprinzip: Geht es darum, jemanden dem Teufel ganz und gar zu übergeben oder nur partiell und für ein bestimmtes Ziel?
Wenn man sagt, dass jemand dem Teufel vollkommen übergeben wird, könnte das bedeuten, dass Paulus für sich die Verheißungen Jesu in Anspruch genommen hat: „Was ihr binden werdet auf Erden, das wird auch im Himmel gebunden, und was ihr lösen werdet auf Erden, wird auch im Himmel gelöst.“ So könnte man das interpretieren.
Man könnte sagen: Diese Personen haben es so weit getrieben, dass jetzt Schluss ist. Ihre Sünden werden nicht mehr vergeben, sie sind dem Teufel ausgeliefert. Diese radikale Sicht, bei der es plötzlich auch um das Heil geht, halte ich für unwahrscheinlich. Denn immer, wenn Paulus mit seinen Gegnern zu tun hat, ist sein erstes Ziel, dass sie umkehren und nicht ewig verloren gehen. Deshalb würde ich das an dieser Stelle eher nicht so sehen.
Es könnte sein, dass sie dem Einfluss des Satans für eine gewisse Zeit oder nur partiell ausgesetzt sind – so wie bei Saul. Gott hat ihm einen bösen Geist geschickt, also wurde er in gewisser Weise dem Satan übergeben. Saul hätte umkehren und seine Sünden bereuen können, was er an dieser Stelle jedoch nicht tut.
Es könnte auch bedeuten, dass die betreffende Person einfach aus der Gemeinde ausgeschlossen wird. Sozusagen: „Ich übergebe dich dem Satan.“ Sie ist dann nicht mehr im Schutzraum der Gemeinde, wo andere für sie einstehen, für sie beten und mit ihr im Glauben gehen. Das könnte ebenfalls gemeint sein.
Ähnliches gab es auch bei den Juden, wo jemand aus der Synagoge ausgeschlossen werden konnte. Diese Person war dann schutzlos, hatte keinen direkten Kontakt mehr zu Gott in der Synagoge und wurde im Alltag oft gemieden. Das könnte hier gemeint sein.
Es könnte auch heißen, dass Paulus die Person den Nichtchristen übergibt. Paulus sagt ja, dass der Teufel der Herrscher dieser Welt ist und im Luftraum herrscht. So könnte es bedeuten: „Du bist raus aus der Gemeinde und raus aus dem Schutzraum, den Gott dir gegeben hat.“
Eine weitere Möglichkeit ist, dass es sich um eine Bitte um körperliche Züchtigung handelt. Sozusagen: „Ich gebe dem Teufel freien Raum, damit er dich durch Krankheit oder Leiden zum Umdenken bringt.“ In diese Richtung deutet insbesondere der Nachsatz „damit sie gezüchtigt werden und nicht mehr lästern.“
Gezüchtigt werden heißt hier gestraft werden. Aber Züchtigung wird in der Bibel auch als Erziehungsmittel gesehen. Sie soll nicht nur Strafe sein, sondern ein Ansatz zum Umdenken, zum Neudenken und zum richtigen Handeln.
Auch hier könnte „dem Satan übergeben“ also nicht bedeuten, dass sie ewig verloren gehen, sondern dass sie eine schwere Zeit durchmachen, um umdenken zu können und damit sie nicht mehr lästern.
Das Lästern war besonders problematisch, weil es als Vertreter der Gemeinde geschah. Wenn ein Ungläubiger falsche Lehren verbreitet, ist das schlimm, aber es lästert weder Gott noch die Gemeinde. Wenn das aber innerhalb der Gemeinde geschieht, steht das öffentlich so da: „Das sind die Christen, so sind die Christen, so leben die Christen, so lehren die Christen.“ Das lästert Gott noch mehr. Das soll hier eingeschränkt werden.
Die Frage, die sich uns heute stellt, ist: Können wir das heute auch machen? Übergeben wir heute Menschen dem Satan? In der Weise, dass wir sagen: „Nein, Heil ist jetzt weg“ – das glaube ich nicht. Einen solchen Auftrag sehen wir in der Bibel nirgends, und vom Heil steht auch kein Wort.
Aber in der Form von Gemeindezucht zu sagen: „Für eine Zeit lang müssen wir Leute, die auf nichts anderes hören, aus der Gemeinschaft der Christen ausschließen“ – das glaube ich schon.
Warum? Zum einen, damit diese Leute merken, dass es ernst ist. Es gibt manche in der Gemeinde, die hören auf nichts. Da kannst du dir den Mund wund reden, und sie hören trotzdem nicht zu. Dann ist es manchmal nötig, sie aus der Gemeinschaft auszuschließen.
Zum anderen ist es auch zum Schutz der übrigen Gemeindemitglieder. Denken wir an die Irrlehrer, die hier genannt werden. Sie haben sich als Lehrmeister aufgespielt, sind öffentlich aufgetreten und haben gesagt: „So und so will Gott das.“ Hätte man sie nicht ausgeschlossen, hätten sie viele andere in der Gemeinde mitverführt.
Auch das ist nötig: zum Schutz der Gemeinde, zum Umdenken des Ausgeschlossenen und damit das Bild der Gemeinde in der Öffentlichkeit klar bleibt. Wenn man sagt: „Wir sind Christen“, und die Ungläubigen schauen hin und sagen: „Ihr lebt doch genauso wie alle Ungläubigen“, dann ist das Zeugnis schlecht.
Es soll deutlich werden, dass Christen anders leben und anders sind. Auch zum Zeugnis nach außen ist es notwendig, Menschen, die vollkommen danebenliegen, aus der Gemeinde auszuschließen.
Allerdings ist der Ausschluss nicht das Mittel, um jemanden loszuwerden und alles für beendet zu erklären. Das Ziel der Gemeindezucht ist immer, die Leute zurückzuholen, dass sie zur Einsicht kommen, umkehren und wieder zurückkehren.
Das heißt, man muss natürlich auch mit ihnen sprechen. Vielleicht nicht jeder, aber zum Beispiel die Ältesten sollten den Kontakt so weit wie möglich aufrechterhalten.
Das ist in unserer Zeit problematisch, einerseits weil es unzählige Gemeinden gibt und jemand einfach in eine andere Gemeinde gehen kann, wenn er will.
Andererseits steht Gemeindezucht immer in der Gefahr, dass ein Ältester oder Verantwortlicher seine Machtposition eigennützig missbraucht und Leute ausschließt, die er einfach nicht mag – ohne dass es um Wahrheit geht.
Natürlich sagt das keiner so offen. Deshalb muss hier sehr genau geprüft werden, ob ein Ausschluss wirklich nötig ist oder nicht.
Manchmal liegt die Schwierigkeit auch darin, dass heute kaum noch jemand wagt, einem anderen zu sagen, dass das, was er denkt, sagt oder glaubt, falsch ist. Wir leben in einer Zeit des Pluralismus und Individualismus, in der man sagt: „Glaub doch, was du willst – mehr oder weniger.“
Deshalb ist es ein schwieriges Feld, zu sagen: „Das ist moralisch nicht in Ordnung“ oder „Das ist nicht in Ordnung.“ Das ist sicherlich eine weitere Schwierigkeit.
Wie führen wir Gemeindezucht durch und mit welcher Motivation? Die Antwort darauf werde ich jetzt nicht geben, weil sie im Text nicht steht. Das wäre hier nur eine Aufforderung von Paulus: „Ich habe das getan.“
An dieser Stelle möchte ich nun mit euch beten und lade euch ein, mitzubeten.
Gebet um Kraft und Weisheit im Glaubenskampf
Vater im Himmel, vielen Dank, dass du Menschen wie Paulus nachgegangen bist – und nicht nur ihm, sondern auch uns. Danke, dass du Erbarmen mit uns hattest, selbst dann, wenn wir von dir wenig oder gar nichts wissen wollten, wenn wir falsch gehandelt haben, bevor wir dich kannten. Du bist uns nachgegangen, durch andere Menschen, aber auch ganz persönlich. Du hast unseren Willen und unser Denken verändert.
Danke, dass du selbst solche schlimmen Menschen wie Paulus gerettet hast. Paulus, der Christen getötet, angegriffen und ins Gefängnis geworfen hat, der dich lächerlich gemacht hat. Danke, dass du ihm vergeben hast. Dadurch zeigt sich deine große Liebe für uns.
Danke, dass du uns als wertvoll erachtest und dass wir deine Mitarbeiter sein dürfen. Du gibst uns Kraft für den Alltag, so wie Paulus es schreibt. Danke, dass du uns erwählt hast und uns eine Aufgabe in unserem Alltag gegeben hast.
Danke, dass du auf die Erde gekommen bist, um hier für uns zu leiden und zu sterben, damit unsere Schuld vergeben wird. So wissen wir, dass wir nicht nur hier auf der Erde mit dir leben dürfen, sondern dass wir eine Ewigkeit vor uns haben. Eine Ewigkeit, in der wir mit dir zusammen sein werden, wo all die Probleme, die uns hier Kopfschmerzen bereiten, weg sein werden und mit denen wir nichts mehr zu tun haben.
Wir bitten dich, dass du uns Kraft gibst für den guten Kampf des Glaubens. Wer uns auch immer angreift – sei es unsere eigene Schwäche, die Ungläubigen, die Gläubigen oder der Teufel – lass uns bei dir stehen und festhalten an dem Vertrauen zu dir. Lass uns immer wieder sehen, was du in unserem Leben getan hast. Hilf uns, an einem guten Gewissen festzuhalten, damit wir aufmerksam werden, wo du uns auf Fehler hinweist. Lass uns die schlechten Dinge lassen und die guten tun, damit wir vorbereitet sind auf schwierige Situationen.
Wir bitten dich auch um Weisheit im Umgang mit schwierigen Menschen in der Gemeinde, mit denen, die auf dem falschen Weg sind und das nicht einsehen. Gib uns Weisheit, zu erkennen und zu unterscheiden, wo jemand einfach nur eine andere Meinung hat, die legitim ist, und wo es wirklich etwas gibt, das deinem Wort völlig widerspricht.
Gib uns Mut und Liebe, auf diese Menschen zuzugehen und sie darauf aufmerksam zu machen, damit ihnen geholfen wird. Lass nicht zu, dass du vor den Menschen verlästert wirst oder andere in der Gemeinde verführt werden.
Hilf uns, nicht selbst zu solchen Menschen zu werden, die anderen Anstoß geben oder die weg von dir kommen, auch wenn wir mal gut angefangen haben.
Danke, dass du uns in solchen Situationen nicht allein lässt, sondern uns durch deinen Heiligen Geist Beistand gibst.
Amen.