Herr Präsident, liebe Freunde, herzlichen Dank, dass ich hier sein darf.
Ich wüsste nicht, was ich lieber täte, als am ersten Tag, nachdem ich nun auch zu den Senioren gehöre, hier in Bernhausen zu sein. Unsere Familie, die Familie vom Vater Gutbrot, also von meiner Frauseite, hat hier vor Jahren in der Felsenstraße Heimat gefunden. Bernhausen war für uns damit auch ein Stück Heimat.
Ich war einige Jahre im Degerlocher Bezirk, als Bernhausen noch gar nicht Dekanat war. Von 1971 an war ich in der Landessynode hier für diesen Degerlocher Kirchenbezirk verantwortlich.
Ich erinnere mich noch, dass er spät in der Nacht Otto Volz angerufen hat und gesagt hat: „Wolf, du bist bestimmt nicht gewählt.“ Doch dann wurden noch Bernhausen, Blatterhard und Bodenlander ausgezählt, und es hat schließlich gelangt.
Es gibt also viele Gründe, auch zu diesem Thema zu sprechen. Ä…
Das Leben als ständiges Neuland
Alter werden heißt, Neuland betreten. Kennen Sie eigentlich den Bischof Dibelius? Er hat oft die Hälfte seiner Vorträge damit verbracht, zuerst das Thema, das ihm gestellt wurde, zu kritisieren. So möchte ich auch sagen: Das Thema stimmt überhaupt nicht. Man betritt nicht erst Neuland, wenn man älter wird. Seit unserer Geburt betreten wir ständig Neuland, oder nicht?
Jeder von Ihnen hat gerne laufen gelernt. Was war das für eine Erfahrung? Wie froh waren unsere Eltern, als wir selbstständig laufen konnten und Neuland betreten durften. Ich bin im Jahr 1937 in die Schule gekommen. Wie habe ich mich gefühlt? Die Johannisschule in Stuttgart war Neuland für mich. Später hat mich die Messer auch gefreut, aber es war Neuland.
Die erste Liebe – wenn jeder von uns jetzt von seiner ersten Liebe erzählen würde, war auch das Neuland. Der erste Zahltag – vor meinem ersten Zahltag, ich war gerade froh, ich war beim Eppli, ich war bei der Paul-Stefan-Baufirma. Vor dem ersten Zahltag habe ich nur abends am Freitag ein Kniggebockerhaus gekauft. Wenn heute junge Leute hören, was ein Kniggebocker ist, wissen sie das oft gar nicht mehr. Das waren richtige Äpfelstählerhosen – das war wunderbar.
Also, solange wir leben, betreten wir Neuland. Älter werden ist nur insofern Neuland, als früher die Menschen gar nicht so alt wurden, wie wir heute werden dürfen. Wenn Sie mal im Gesangbuch nachlesen bei den Liederdichtern und Liederdichterinnen, dann werden Sie feststellen, dass diese im Durchschnitt nur 30 oder 35 Jahre alt wurden.
Stellen Sie sich mal vor: Mein Vater starb mit 57 Jahren. Damals galt das schon als sehr jung. Und ich darf schon acht Jahre älter leben. Ist es nicht wunderbar, dass wir älter werden dürfen und so viele Erfahrungen sammeln können?
Die Bedeutung der älteren Generation in der Gesellschaft
Es ist ein Problem, dass uns heute oft eingeredet wird, dass wir Ältere nicht mehr so gefragt sind. Der Oberbürgermeister Pitzer in Ulm hat mir einmal gesagt: Ich bekomme so viele Einladungen zu Vorträgen, dass ich jede Woche dreimal so viele Veranstaltungen besuchen könnte, wie ich überhaupt schaffen kann. Aber Sie werden sehen, mit dem Eintritt in den Ruhestand hört das völlig auf.
Unsere Gesellschaft ist in gewisser Weise unbarmherzig gegenüber älteren Menschen. Doch wir wollen nicht wehleidig sein. Früher hat man die älteren Leute ins Ausgedinge geschickt – das war auch nicht ideal, oder? In unseren Lesebüchern steht die Geschichte, dass man dem Großvater, weil er so oft seinen Teller heruntergeschmissen hatte, einen Holzdeller gab. Ein Enkelkind saß daneben und schnitzte an etwas herum. Der Vater fragte: „Woran schnitzt du denn?“ Das Kind antwortete: „Ich schnitze schon den Teller für dich.“
Das war eine geschickte Geschichte in unseren Lesebüchern. Sie sollte damals schon darauf aufmerksam machen, dass man älteren Menschen mit Ehrfurcht begegnen sollte. Sie sind nicht einfach am Rande, sondern haben eine wichtige Bedeutung.
Ich möchte uns allen sagen: Wir sollten nicht wehleidig sein, sondern ein großes Selbstbewusstsein entwickeln. Wenn ich an die Menschen denke, die mich geprägt haben, waren es überwiegend Leute über siebzig. Großonkel, Großtanten, Großväter und Großmütter, die mir mit großer Liebe die Bibelliebe vermittelt haben.
Die Kraft der Überlieferung und Erfahrung älterer Menschen
Wie konnte mein Großvater, meine Großmutter biblische Geschichten erzählen?
Mein Großvater, der „Chefbuch“, wenn er nach Stuttgart kam, sagte oft: „Rolf, begleitest du mich?“ Ich war damals vielleicht sieben oder acht Jahre alt. Dann gingen wir hinauf in den Hasenbergwald. Er hatte im CVJM Stuttgart gelernt, dass man immer aufrecht gehen muss. Schon als er 80 war, ging er aufrecht wie ein Garten-Grenadier. Das war gut für die Lungen, die damals noch keine Seniorengymnastik brauchten. Meist klemmt er seinen Spazierstock hinten hinein, damit er aufrecht ging. Während des Spaziergangs erzählte er mir Geschichten.
Er berichtete zum Beispiel, wie er als junger Kerl den Reichskanzler Bismarck in Bad Kissingen erlebt hatte – mit seinen großen Doggen. Für mich wurde Bismarck dadurch in den Geschichtsbüchern viel lebendiger. Das war etwas, was mir mein Großvater erzählte. Oder was er mir vom evangelischen Stuttgart des 19. Jahrhunderts berichtete: Wie neben der Stiftskirche die Bandgasse war, wo Hofküchenmeister Engelmann den ersten Jünglingsverein gründete. Er erzählte, in welchem Hinterhof die Bibelanstalt begann und dass nicht die Kirche Geld dafür gab, sondern Menschen im Land zusammenlegten. An jedem Ort wurde meist ein Kaufmann zum Menschen, der Brautpaaren zur Hochzeit eine Bibel stiftete.
Die Kirchengemeinden hatten kein Geld, um eine Bibel zu überreichen. Es waren Privatleute, die das taten. Wissen Sie, lauter solche Geschichten. Heute gehe ich oft mit jungen Pfarrerinnen und Pfarrern durch Stuttgart und erkläre ihnen etwas vom alten evangelischen Stuttgart des 19. Jahrhunderts. Das weiß ich nur vom Großvater.
Im Grunde genommen haben die Menschen, die uns geprägt haben – diese älteren Menschen –, das Gleiche gemacht, was wir eigentlich in der Bibel vor uns haben. Die Bibel wurde ja zuerst mündlich weitergegeben. Bevor die Apostel starben, sagte man: „Jetzt müssen wir es auch noch aufschreiben, sonst geht es verloren.“ Wichtige Traditionen können von älteren Menschen an jüngere weitergegeben werden.
Wartet nicht, bis ihr zwölf oder vierzehn seid, eure Enkel und Großnichten. Dann wollen sie nichts mehr von uns wissen. Ihr müsst früh anfangen zu sagen: „Komm, begleite mich mal.“ Und dann erzählen. Aus den Zeiten, aus den Erfahrungen.
Viele von den jungen Leuten würden heute nicht mehr so dumm reden über das Dritte Reich und die Nachkriegszeit, wenn wir ihnen erzählen würden. Wie gesagt, mein Großvater hat mich am 10. November 1938 mitgenommen zur brennenden Stuttgarter Synagoge. Hunderte von Stuttgartern standen dort. Keiner rief: „Denen geschieht es recht.“ Es war wie eine große Trauerversammlung, ein großes Bedrücktsein darüber, was hier passierte. Keiner konnte öffentlich sagen: „Das ist Unrecht.“
Aber das muss man den heutigen Leuten sagen: Die Württemberger hatten ein Gespür dafür, dass hier etwas geschah, was nicht recht war. Denn es wird immer so gesagt, „ihr könnt alles über euch ergehen lassen“. Erzählen aus vergangenen Zeiten ist etwas ganz Wichtiges.
Selbstbewusstsein und Akzeptanz im Alter
Ihr habt vorher gesagt, die Menschen durften früher gar nicht so alt werden, wie wir heute werden dürfen. In unserer Gemeinde in Schörndorf hatten wir ein altes Gemeindeglied. Er hat in der Nachkriegszeit die Jugendarbeit aufgebaut.
Wenn wir dann gesagt haben: „Vater Gammel, jetzt kommst du ja auch in unseren schönen Seniorenkreis“, da war er 84 Jahre alt, hat er gesagt: „He, ich sitze doch nicht bei den alten Frauen ab.“
Es ist falsch, wenn wir nicht mehr dazu stehen können, dass wir älter sind und dass es gewisse Begrenzungen gibt. Ich habe bis zum heutigen Tag meine Arbeit gern gemacht als Pfarrer. Aber seit ich 50 bin, habe ich gemerkt, dass ich manches jetzt nur noch mit Erfahrung mache, was ich früher mit Kraft getan habe.
Und jetzt, mit 65, bin ich froh, dass ich manches auch lassen kann, weil man nicht mehr alles so kann. Es ist ja am Schluss auch eine Last, wenn man sich selbst das Gesetz setzt: „Du musst eigentlich schaffen wie ein Junge.“ Nein, ich kann nicht mehr alles.
Früher, beim Umzug, habe ich alle Kisten getragen, jetzt vor einer Woche haben die Packer gesagt: „Oh, lasst es doch.“ Und ich war froh, weil ich gemerkt habe, mit meinem Kreuz geht das gar nicht mehr so.
Wir müssen froh sein. Denken Sie noch an früher, an unsere Jugendzeit, wie viele Menschen ich oft in der Heimat der Großmutter in Hülpen gebeugt laufen gesehen habe. Wie sind die alten Frauen ins Backhaus gegangen, wenn sie den Weg nicht so gut mehr gehört haben?
Wir können heute noch viele von uns aufrecht gehen sehen, gerade weil wir mehr Rücksicht nehmen können auf unsere Begrenzung. Sagen Sie dazu Ja!
Wir haben dafür einen ganz anderen Garten, und das habe ich schon angedeutet, nämlich einen riesigen Erfahrungsschatz.
Die Weisheit der Älteren im Umgang mit Herausforderungen
Ich war ja mehrfach in Ulm. Ich habe als junger Vikar dort angefangen – frisch, fromm, fröhlich, frei. Ich kam aus Amerika und meinte, ich könne alles. Dann kam ich in die erste Schulklasse und scheiterte völlig. Die Schüler haben immer auf der Nase herumgetanzt, um auszutesten, ob sie mit dem „Fickerle“ nicht fertig werden.
Einer der Schüler war besonders schwierig. Der alte Onkel Albrecht, ein Lehrer von 78 Jahren, sagte, so schwierig wie dieser Schüler habe er es in der Schule noch nie gehabt. Er griff den allerschwierigsten heraus und meinte: „Dem gibst du zwanzig Pfennig und sagst, kauf mir zwei Brezeln.“ Das ist schon lange her, als man für zehn Pfennig noch Brezeln kaufen konnte, nicht wahr? Ab dem Zeitpunkt, wenn du ihm die Ehre gibst, dass er für dich Brezeln einkaufen darf, kannst du ihn um den Finger wickeln.
Nun ja, das war das Geheimnis. Dann sagte er: „Nachdem er am Zappeln ist, stehst du einfach am Anfang der Schulstunde neben ihm, legst deine Hand auf seine Schulter und wirst merken, dass er ganz ruhig wird.“ Warum? Wenn ein alter Mesner in Ulm bei Taufen dabei war, hat er die Kinder zusammengetrommelt, weil die unvernünftigen Paten meinten, sobald sie das Kind auf den Arm nahmen, bis es beruhigt war. Oft kam es vor, dass das Kind dann ganz aus der Ruhe geriet und schrie.
Da kam der alte Mesner Ziegler und nahm das Kind auf seinen Arm. Die Ruhe, die er ausstrahlte, übertrug sich auf das Kind, das dann einschlief – lächelnd wie ein Säugling. Das sind nur kleine Erfahrungen.
Aber in den Kulturen Afrikas, Asiens und auch im alten Griechenland und Rom war es so, dass die älteren Menschen, der sogenannte Gerusia, der Rat der Alten, das letzte Wort hatten. Man wusste, dass die alten Menschen aufgrund ihrer Lebenserfahrung das beste Urteil fällen konnten.
Es tut uns manchmal weh, wenn wir heute nicht mehr gefragt werden. Doch wir sollten Selbstbewusstsein haben und sagen: Dann sollen sie ihre Dummheiten machen. Vielleicht kommen sie am Ende doch zu uns und fragen, wie man es richtig macht.
Wir besitzen einen großen Schatz an Lebenserfahrung, der uns anvertraut wurde. Wir haben auch einen großen Schatz an Erlebnissen.
Erinnerungen und gelebte Gemeinschaft
Ach, wenn ich hier auf die Filter komme, denke ich daran, wie mir verhungerte fünf Chefbuchbuben da unten in Stuttgart im Talkessel begegneten. Meine Mutter hat gesagt: Fahr da mit der Filterbahn aufs Filter und schau, ob du ein paar Krautköpfe bekommst.
Ja, hier auf der Markung Bernhausen haben uns ein paar Landwirtsfrauen mit viel Liebe einige Köpfe überlassen, obwohl sie damals ja bewirtschaftet waren. Ob sie das heute wohl noch dürfen? So haben wir etwas von der Güte der Menschen erfahren. Das hat uns doch auch geprägt, sodass wir hoffentlich auch wieder weitergeben können, wenn andere etwas brauchen.
Ich werde oft eingeladen, jetzt beim Jugendwerk und bei Jugendmissionstagen, um von alten Zeiten zu erzählen, wie es früher im Jugendwerk war oder bei der Weltmission. Manchmal komme ich mir schon vor wie ein geschichtlicher Onkel, aber ich merke, wie immer mehr junge Menschen dazukommen.
Es gab eine Zeit, da haben sich junge Menschen überhaupt nicht für das interessiert, was gestern und vorgestern war. Das wird anders. Wir sollten nur anfangen zu erzählen. Die christliche Gemeinde sollte auch Möglichkeiten schaffen, gerade in Jugendkreisen immer wieder einen älteren Menschen einzuladen und ihn zu befragen: Wie war das früher? Wie sind wir denn ins Geschäft in Häslach gekommen?
Ich habe Ihnen schon erzählt, dass die Kinder von Walkersbach zwei Stunden ins Geschäft laufen mussten und den ganzen Tag lang zehn Stunden gearbeitet haben. Danach sind sie wieder zwei Stunden zu Fuß zurückgelaufen. Da gab es gar keine Straßen nach Walkersbach, sie sind im Sommer im Bachbett gelaufen. Das können sich junge Leute heute gar nicht mehr vorstellen. Sie brauchen ihre Mountainbikes, um ihre Kraft überhaupt hinauszubringen.
Damals haben sie keine Mountainbikes gebraucht, da hat man seine Kraft anderswo eingesetzt. Erzählen! Die Zeit und die Erfahrungen, die uns anvertraut sind, sind wichtig. Dieses Erzählen hat auch eine große Bedeutung.
Die Bedeutung von Gemeinschaft und Gespräch
Wir wissen ja sehr wenig voneinander. Früher gab es Milchhäusle, da erfuhr man sofort, wer krank war oder wer gestorben ist. Man führte Gespräche auf dem Bengle vor dem Haus, über den Zaun hinweg.
Wenn ich als Prälat durch die württembergischen Städte und Dörfer gefahren bin und nur nach der Straße fragen wollte, traf ich abends um sieben Uhr kaum noch jemanden. Ab sieben Uhr wollte jeder „Peter Hane in Häute“ sehen, und anschließend blieb man vor dem Fernseher sitzen.
Wir haben keine Zeit mehr füreinander und leben aus der Konserve des Fernsehens. Fangen Sie wieder an zu erzählen, meine Frau hat gesagt: Mit Eintritt in den Ruhestand wird der Fernseher auf die Bühne gestellt. Mal sehen, wie lange man durchhält.
Aber schon die ersten Tage freuen wir uns darüber, wie viel Zeit wir füreinander haben, auch zum Gespräch. Der Fernseher ist unser Feind, er nimmt uns Zeit und raubt uns die Fantasie.
Wisst ihr, wenn sie erzählt, wie man früher ins Geschäft gegangen ist in Walgersbach, könnt ihr euch das vorstellen? Mit unserem Kopf wird da nicht das Bildliche geliefert, sondern wir müssen uns mit unserer Vorstellungskraft etwas vorstellen.
Erzählen Sie weiter. Schreiben Sie auch auf, was Sie erlebt haben.
Ich bin gerade beim Umzug. Es war notwendig, von der großen Pfarrhausbühne sehr viel wegzuschmeißen, bevor wir in die Ruhestandswohnung gezogen sind. Bisher war es so, dass alle Onkel und Eltern, als die Mutter in Hülbe gestorben ist, gesagt haben: „Ihr habt ja die Kiste oben, mit den alten Fotoalben und mit dem Brautbrief, den der Vater der Mutter geschrieben hat.“ Jetzt musste ich sortieren.
Es war herzbewegend für mich, all das zu lesen. Man muss es gerade so sagen: Ich wusste nur, dass mein Vater im Dritten Reich schwere Zeiten hatte. Er wurde als Lehrer entlassen, aber wir wussten nie genau warum.
Jetzt habe ich zum ersten Mal gelesen, dass er im Dezember 1932, zwei Monate vor der Machtergreifung, in einer amerikanischen Zeitschrift einen Artikel geschrieben hat, warum er Adolf Hitler ablehnt. Und daran hat er nie gerüttelt, trotz fünf Kindern.
Da bin ich als 65-Jähriger zum ersten Mal auf die Wurzeln meiner eigenen Geschichte gestoßen.
Die Kraft des Aufschreibens und Dankbarkeit
Und das meine ich: Es wäre wichtig, dass wir aufschreiben, was wir Gott zu danken haben. Ob andere es lesen, ist gar nicht so wichtig. In einer unserer schönen Chorele heißt es doch:
„Ach ja, wenn ich überlege, mit was Güte und Freundlichkeit
Du durch so viel Wunderwege mich beschützt die Lebenszeit,
so weiß ich kein Ziel zu finden, noch den Grund hierfür zu ergründen.
Tausendtausendmal sei dir, großer König, Dank dafür.“
Schreiben Sie einmal zusammen, wofür Sie Gott danken möchten.
Was war die Wirtschaftskrise 1932 für eine Notzeit, in der man nicht wusste, wo man das Geld hernehmen sollte oder eine Arbeitsstelle finden konnte? Was waren das für schwere Zeiten 1945, als so viele Frauen und Mütter nicht wussten, ob ihr Mann noch lebte, ob er vermisst war oder ob er zurückkommen würde? Denken Sie an die Stunden, in denen sie mit dem Köfferchen wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Schreiben Sie das auf!
Man müsste sich manchmal lange überlegen, wie damals unser Lehrer war. Ach ja, das fällt einem ein: Als ich in die Schule kam, in die Johannisschule – ich habe es vorher erwähnt – waren wir eine Modellklasse. Es war die erste Klasse in unserer Johannisschule, die gemischt war, also mit Buben und Mädchen.
Wir hatten einen guten Lehrer. Die einfache Strafe war eine Tatze, schlimmer waren zwei Tatzen, noch schlimmer war der Hosenspann, und das Allerschlimmste war, zum Mädchen-Bank-Nachsitzen geschickt zu werden. Meine Frau sagt, das habe sie bis heute geprägt und ihr eine tiefe innere Verletzung gegeben.
Also, aufschreiben! Die heutigen können sich das gar nicht vorstellen. Wissen Sie noch, wie die Hefte damals aussahen, mit denen wir geschrieben haben? Was für eine Not es war, wenn man einen Tintenfleck machte – das weiß die heutige Generation gar nicht mehr.
Schreiben Sie es auf! Es wird Ihnen plötzlich eine Welt in der Erinnerung auftauchen, die schöner ist als jeder Fernseher und viel interessanter.
Und tun Sie es in großer Dankbarkeit, wie Gott Sie geführt hat. Unser Leben ist in mehr Güte Gottes eingewickelt, als wir oft denken können.
Begegnungen und das Lernen von anderen
Als Pfarrer hat man die Gelegenheit, viele Besuche zu machen. Ich habe immer gern Besuche gemacht. Was habe ich dabei gelernt? Wenn mir die Leute aus Bessarabien von den Kukuruzfeldern erzählten, von der großen Batschka oder vom Wein, der dort angebaut wurde, oder wenn jemand in der Stuttgarter Gegend in Stellung war, habe ich immer etwas Interessantes erfahren.
Ich habe oft erlebt, dass sich jemand besonders gut benahm und sagte: „Herr Pfarrer, darf ich Sie hereinbitten in die Stube? Wollen Sie nicht bitte Platz nehmen?“ Man konnte fast überall hingehen. Die Person war irgendwo in Stuttgart oder in Cannstatt in Stellung gewesen. Dabei hat sie unheimlich viel für ihr Leben gelernt.
Einmal habe ich eine alte Dame gefragt, die im Haus Daimler in Cannstatt lebte. Das war, als Gottlieb Daimler schon gestorben war, aber seine zweite Frau noch lebte. Mich hat interessiert, denn Gottlieb Daimler hat mit Gott gerechnet, er hat gebetet. Ich fragte sie, ob man im Haus Daimler auch zu Tisch gebetet habe. Sie antwortete, dass das nie etwas geheißen habe, das habe aufgehört. Doch wenn sie vom Haus Daimler erzählte, dann ist dieses Haus für mich lebendig geworden.
Es lohnt sich, Menschen auch danach zu fragen, woher sie kommen und wo sie gelebt haben. Unsere jungen Pfarrer sagen oft, sie wüssten nicht, worüber sie sprechen sollen. Doch man kann einfach fragen: „Woher kommen Sie? Haben Sie Geschwister gehabt?“ Jeder Mensch fühlt sich geehrt, wenn er von sich selbst erzählen darf.
Die Bedeutung von Zuhören und Gemeinschaft im Alter
Und deshalb möchte ich Ihnen auch sagen: Manchmal haben Sie als ältere Menschen ein bisschen mehr Zeit als andere, manchmal aber auch gar nicht. Paul Heiland, für viele von Ihnen ein bekannter Name, war Bezirksleiter des Jugendwerks in Tegerloch. Als er in den Ruhestand ging, sagte er, er nehme jetzt das Wort aus dem Jakobusbrief ernst: Der rechte Gottesdienst bestehe darin, Witwen und Waisen in ihrer Trübsal zu besuchen.
Er hat sich ein Programm vorgenommen, das viele Besuche bei Verwitweten umfasst. Oft sind die Witwer schlimmer betroffen als die Witwen. Witwen können sich meist selbst helfen, Witwer hingegen nicht. Die Besuche sind oft sehr wichtig, denn viele Witwer sind endlos einsam und wünschen sich mehr als nur einen Stammtisch. Sie brauchen eine persönliche Ansprache, jemanden, der zuhört.
Einer meiner ersten Besuche in Korntal war bei Frau Pfarrerin Grünzweig. Das hatte ich schon lange vorgehabt. Ihr Mann, Fritz Grünzweig, war vor acht Jahren gestorben. Ich wollte ihr einfach mal einen Blumenstrauß vorbeibringen, hatte aber nie die Zeit dafür gefunden. Ich kam ungeschickt kurz vor zwölf Uhr. Sie sagte: „Wenn Sie schon kommen, möchte ich Ihnen noch so viel von Fritz erzählen.“
Das Gespräch dauerte eine Stunde, in der ich ihr zuhörte, obwohl ich eigentlich von den schweren Leidenstagen erzählen wollte. Am Ende sagte sie, sie sei dankbar, dass ich ihr zugehört hatte. Wir haben miteinander gebetet.
Sie haben eine große Aufgabe, Seelsorgerinnen und Seelsorger zu sein. Dabei müssen Sie nicht immer zuerst sprechen. Überlegen Sie sich vorher, was Sie vielleicht zum Schluss für ein Bibelwort sagen möchten, zum Beispiel: Jesus spricht, „Ich bin bei euch alle Tage“ oder „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst“. Aber ansonsten reicht es oft, einfach zuzuhören.
Die Rolle der Kirche und Gemeinschaft im Alter
Der Bundeskanzler Schmidt hat einmal zur Frage der Kirchensteuer gesagt: Wenn die Kirchensteuer wegfällt und die Kirche nicht mehr ihre Mitarbeiter anstellen kann, müssen wir ein Heer von Sozialarbeitern auf Staatskosten beschäftigen. Diese Sozialarbeiter wären sozusagen der Kitt der Gesellschaft.
Wir Eltern könnten der Kitt der Gesellschaft hier in Bernhausen sein, indem wir uns überlegen, welcher einsame Mensch uns brauchen könnte. Hängen Sie sich nicht zu sehr an jüngere Menschen. Das ist immer unsere Gefahr als Ältere: Wir denken, der 52-Jährige müsste das, was ich ihm schreibe oder an Anliegen habe, hören. Stattdessen sollten Sie nach Menschen Ausschau halten, die noch etwas älter sind als wir, die uns brauchen, und nach Jüngeren, die Anteil nehmen.
Wie gesagt: Großneffen, Großnichten, Enkel – Sie müssen früh anfangen, sie heranzuziehen. Sechs- und Siebenjährige sind besonders aufnahmebereit und leisten guten Dienst. Sonst sitzen sie mittags vor dem Kinderprogramm im Fernsehen und bleiben bis spätabends davor, was nicht gut ist. Nehmen Sie sie mit und zeigen ihnen auch etwas.
Mein Großvater hat mich gelehrt, die Stimmen der Vögel zu unterscheiden und einzelne Pflanzen kennenzulernen. Wir haben so viele Erfahrungen, mit denen wir junge Leute auf das Leben und auf die Schöpfung Gottes hinweisen könnten.
Geistliche Kraft und Lebensfreude im Alter
Zum Nach-vorne-Leben gehört, dass wir nicht nur einiges hinter uns haben, sondern auch einiges vor uns. Dazu gehört auch, dass ich Ihnen als Pfarrer und Seelsorger sagen muss: Ich bin erschrocken, wie viele Menschen innerlich leer sind.
Mein Sohn ist jetzt in Tübingen in der Universitätsklinik und lag mit einigen anderen zusammen auf der Wachstation. Dort wurde der alte Pfarrer Doktor Witte neben ihm gelegt. Er sagte, dass es etwas ganz Besonderes ist, wenn man mit einem Bibelvers beten und einen Gesangbuchvers miteinander durchgehen kann.
Nach uns kommt eine Generation, die in der Schule nicht mehr gesungen hat. Sie kennen das Lied „Die güldene Sonne“ oder „Morgenglänzende Ewigkeit“ und „Geh aus, mein Herz“ kaum noch. Sie kennen überhaupt keine Volkslieder mehr. Überlegen Sie einmal, wenn Ihnen ein Verszipfel einfällt – denn da sammle ich die Fülle von den ewigen Schätzen ein –, in welchem Lied steht er denn überhaupt? Zum Beispiel: „Halleluja, schöner Morgen, schöner als man denken kann.“ Wie heißt das Lied überhaupt? Schlagen Sie es auf und gehen Sie es jetzt durch, auch Ihre alten Lernlieder.
Wachen Sie auf, mein Herz, und singe, so viele Verse wie möglich! Die werden Sie nicht verschmähen. Sie können damit etwas in Ihr Herz säen. Denn wissen Sie, zur Gabe habe ich ja nichts Besseres.
Gehen Sie jetzt durch und trainieren Sie unseren Geist. Man sagt immer „Altengymnastik“, das ist gut und recht für unsere Knochen. Aber wir müssen auch unseren Geist trainieren – nicht nur mit Rätseln. Wir haben so viel mitbekommen. Tun Sie sich von den geistlichen Gaben etwas ein.
Ich erschrecke immer wieder bei meinem persönlichen Bibellesen, wie viele Bibelworte ich bis jetzt überlesen habe, die ich noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen habe. Nehmen Sie es neu auf und tun Sie sich etwas von den Schätzen der ewigen Welt ein, die mit Ihnen gehen.
Wissen Sie, wie ein großer Orgelklang, wenn Sie einmal schwer krank sind? Ein Gemeindeglied in Schörndorf hat gesagt: „Herr Schäffuch, ich bin schwer krebskrank, Kriegerwitwe, und ich habe bloß vor einem Angst – vor dem Morgen, wenn es deutlich wird, jetzt ist ganz aus.“
Und der Morgen kam. Der Oberarzt hat mich gerufen: „Frau Sowieso bittet Sie, dass Sie kommen.“ Ich bin zögernd ins Krankenzimmer gegangen, weil ich Angst hatte. Dort sah ich eine ausgetrocknete, vom Krebs verzehrte Frau mit strahlenden Augen. Sie sagte: „Herr Schäffuch, ich wollte Ihnen bloß eines sagen: Seitdem in der Nacht mein Knochen gebrochen ist und der Arzt gesagt hat, jetzt geht es zu Ende, ist mit einem Mal so viel an Bibelworten und Gesangbuchversen da, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie im Kopf hatte. Ich bin wie eingehüllt in Gottes Gegenwart.“
Aber darauf muss man sich auch vorbereiten, damit das von Gott abgerufen werden kann.
Oder ich denke an eine andere Kranke. Der Pfleger sagte, sie habe gar keinen Wert mehr auf der Intensivstation. Sie hörte nichts mehr. Es war abends, und ich habe ihr den Vers gesungen: „Hirte deiner Schafe, der von keinem Schlafe etwas wissen mag.“ Sie ist danach wieder gesund geworden und sagte: „Herr Schäffuch, ich weiß gar nicht, ich war ganz tief im Dunkeln drin, und dann hat irgendjemand ‚Hirte deiner Schafe‘ gesungen.“ Sie wusste nicht, dass ich es war. Und plötzlich ist in ihr all das wieder aufgewacht, was an Gaben Gottes in ihr war, auch neue Kräfte.
Tun Sie sich etwas ein, besser als jedes Medikament: Bibelworte, geistliche Zusammenhänge, Gesangbuchverse. Und nutzen Sie auch das Angebot unserer Gemeinschaften.
Gemeinschaften als geistliche Übungsstätten
Als ich als junger Bub in Hülken in die Stunde musste, hat meine Großmutter immer gesagt: In der Stunde geht man. Nicht, dass man gelegentlich kommt, sondern man geht in der Stunde. Da gehört man dazu.
Das fiel uns Kindern schon schwer, das war eine harte Kost. Wir dachten immer, da sind nur die alten Leute in der Stunde. Heute sind es in Hülbe etwa achtzig Leute, und es sind immer nur alte Leute. Das sind schon die Enkel derjenigen, die damals alt waren.
Die Gemeinschaften sind auch für ältere Menschen gedacht, die bewusst im Glauben nochmals Fortschritte machen wollen. Es ist eine Art Altengymnastik für Menschen. Sonst kann man Cvd oder Hauskreis besuchen, aber die Gemeinschaften sind ein Vertiefungsprogramm für Leute, die geistlich weiterkommen wollen.
Ich habe das gerade in den letzten Tagen erlebt: Die Zeitung hat die Auslieferung vergessen. Auf die Zeitung kann man lange verzichten, denn da steht eigentlich immer das Gleiche drin. Und schauen Sie auf ihren Geist. Die Zeitung benimmt sich wie der Papst, als wüsste sie alles. Sie ist der Oberrichter, egal ob es um Wirtschaft oder Sport geht. In der Politik erst recht. Es gibt so einen schlechten Geist.
Gelegentlich kann man mal hineingucken, besonders wenn man nach einer Woche schaut, was passiert ist. Meist ist es dann schon vorbei. Aber nehmen Sie die Bibel als das Hausbuch und das Lebensbuch.
Neben den Stunden gibt es auch andere Kreise. Meine Frau war in den letzten sechs Jahren verantwortlich für den Gustav-Adolf-Kreis Ulm. Das Durchschnittsalter lag bei 82 Jahren. Dabei hat meine Frau mit ihren 58 Jahren das Durchschnittsalter noch etwas gesenkt. Es waren also überwiegend ältere Menschen.
Diese 25 Frauen hatten einen großen Horizont. Sie wussten, was Jambala in Indien ist, was in Peru passiert und wie die Lage der Evangelischen in Spanien ist. Natürlich machten sie nebenher ihre Handarbeiten. Aber wenn am ersten Advent Opfer im Ulmer Münster für Gustav-Adolf gesammelt wurden, kamen vielleicht sechshundert Mark zusammen. Und wenn der Gustav-Adolf-Kreis seinen Baz Sarg veranstaltete, kamen 18 Leute zusammen.
Verstehen Sie, diese Menschen waren dran. Sie hielten eine Aufgabe lebendig. Es gibt so viele Kreise in Schorndorf. Die wichtige Aufgabe der Karmel-Mission, die in islamischen Gebieten arbeitet, wäre ohne diesen Kreis von zwanzig älteren Herren und Damen nicht möglich. Diese werden immer wieder abgerufen, wenn ein großer Versand ansteht – Tausende von Briefen. Das Durchschnittsalter dort liegt auch bei etwa 81 oder 82 Jahren.
Aber was für einen Horizont haben diese Menschen! Ich werde gebraucht, wenn es um Nigeria und Pakistan geht.
Suchen Sie sich einen Kreis, in dem Sie mit Ihren Gaben gebraucht werden.
Vorbereitung auf das Lebensende und Nachlassregelung
Eines habe ich wieder aufgeschrieben, das habe ich vom Schwiegervater Gutbrot gelernt, als er ganz plötzlich gestorben ist. Das ist ja auch eine interessante Geschichte gewesen.
Er hat, als er in Metzingen lebte, schon einmal eine Sprechstörung gehabt. Es war alles im Kopf da, aber er konnte es nicht mehr weitersagen. Das konnte man noch mal beheben. Als es das zweite Mal kam, hat er morgens bei der Andacht gesagt: „Lieber Gott, hol mich auch, bevor ich vertacke.“ Und ich sage, immer nach zwei Stunden hat er Gottes Gebet erhört. Er wollte nur mit der Leiter Lampen aufschrauben und ist runtergefallen.
Man darf Gott auch darum bitten, dass er uns holt. Und dann war es für uns Kinder so, dass wir uns gefragt haben: An wen müssen wir denn jetzt schreiben? Bei dem großen Bekanntenkreis, den er hatte, sollte man die Stuttgarter Zeitung oder das Metzinger Tagblatt informieren?
Da sind wir an den Schreibtisch gegangen und da war eine Mappe für den Fall seines Todes. Darin war ein Schuttkuvert adressiert. Alles war vorbereitet. Man musste nur noch eine Briefmarke draufkleben und Traueranzeigen einschreiben. Und da stand drauf: „Nichts in der Stuttgarter Zeitung, bloß in Metzingen.“ Außerdem war angegeben, was der Trauertext sein soll und wer die Beerdigung machen soll – all die schwierigen Geschäfte für die Angehörigen.
Das habe ich für mich übernommen, schon vor zehn Jahren, als ich 55 war. So oft ich die Mappe in meinem Schreibtisch sehe, ist das sehr gut. Es lehrt mich, zu bedenken, dass ich sterben muss. Man soll keine Angst davor haben, sondern es gehört auch zu meinem Leben. Es ist der Übergang. Ich möchte dort zur ewigen Welt Gottes gehören.
So wie man manchmal einen Umzug macht, ist auch das Sterben ein Umzug, bevor es in die neue Heimat geht. Aber das soll jetzt meinen Angehörigen leicht gemacht werden. Es gehört auch dazu: Machen Sie Ihr Testament.
Als Pfarrer habe ich erlebt, wie viel Not es durch Erbschaftsgeschichten gibt! Ich habe erlebt, dass Kranke wunderbar geheilt wurden von schwersten Krankheiten. Aber ich habe nie erlebt, dass Gott eine verfahrene Erbschaftsgeschichte geheilt hat.
Da sind oft die Mitglieder der Familie, der eine auf der einen Seite, in der Stadtkirche in Schöndorf nah beieinander sitzend, die andere auf der anderen Seite, aber sie sprechen nicht mehr miteinander. Welche Kleinigkeiten! Die einen wollen den Sklavier erben, die anderen sagen: Nein, wir nehmen das alte Zeug, und ihr bekommt dafür das Geld. Jeder denkt beim Erben, er sei schlecht weggekommen.
Der, der das Häuschen bekommt, denkt: Ich bin schlecht weggekommen. Ich kriege das alte Zeug. Die, die das Geld bekommen, sagen: Und die, die das Häuschen bekommen, kriegen das Geld. Sie können nichts besser tun, als ihr Geld, sofern sie eines haben, auch für christliche, missionarische Werke zur Verfügung zu stellen.
Und zu der Erbfolge bald zu sagen: Ihr erbt nicht so viel, dann gibt es nicht so viel Krach. In Indien gibt es die Sitte der Witwenverbrennung, bei der nicht nur die Witwen verbrannt werden, sondern auch das ganze Eigentum, damit niemand Streit ums Erbe hat.
Gut, so brauchen wir es nicht gerade zu machen. Aber sorgen Sie rechtzeitig dafür, dass der Nachlass geordnet ist.
Engagement und Anlaufstellen im Alter
Noch zwei Punkte:
Als meine Mutter im Alter nach Hülben zog, in das Haus der Väter, sagte sie: Jetzt soll meine Wohnung, die kleine Wohnung, eine Anlaufstelle sein für alle Menschen, die einen anderen Menschen brauchen.
Ich bin tief bewegt. Meine Frau war in Ulm, wo wir am Anfang Schwierigkeiten hatten, eine solche Anlaufstelle. Als Prälat ist man dort überhaupt nicht in der Gemeinde drin, wenn man vorher Gemeindepfarrer war. Meine Frau wurde eine Anlaufstelle für Menschen, die nicht alle Tassen im Schrank haben oder bei denen der Schraublocker ist – also ein bisschen die Komischen.
Bodelschwing hat gesagt: Halbe Narren sind wir alle, ganze Narren sperrt man ein. Aber die Dreiviertelsnarren machen mir die größte Freude. Also die Leute, die ein bisschen komisch sind.
Diese Anlaufstelle ist für solche Menschen gedacht. Sie sind oft sehr einsam, und plötzlich entdecken sie Werte bei diesen Menschen.
Es gibt unheimlich viele Aufgaben, die auf uns als ältere Menschen warten.
Die Kraft des Briefeschreibens und Anteilnahme
Eine letzte Aufgabe: Briefe schreiben. Wie können denn gerade in den letzten Tagen ein paar Briefe nicht dankbar und voller Anteilnahme helfen?
Dr. Fritz Laubach hat geschrieben: „Rolf, das wird ein großer Übergang zum Ruhestand sein, wenn du plötzlich nicht mehr gebraucht wirst und den Eindruck hast, sie wollen dich gar nicht mehr.“ Ich werde nicht wissen, dass er nach Bernhausen eingeladen wird oder wie Hannes Kuhn krank wurde.
Anteilnahme zeigen – ein paar Sätze liebenden Verstehens oder Erzählen. Wie vielen Menschen, die einsam sind, tut es gut, wenn wir etwas erzählen!
Den kranken Menschen, die lange im Krankenlager liegen, muss man sagen: Dieses Jahr gibt es so viele Sauerkirschen, und die Spatzen holen sie herunter. Man erzählt ihnen Dinge, die sie sich im Krankenlager vorstellen können.
Früher waren auf unserem Kirchplatz Kinder, die mit dem Reif spielten. Jetzt sind die ausländischen Kinder wieder da und fangen mit den Spielen an. Etwas, wo es wuselt, wo man sich etwas vorstellen kann – davon erzählen, weitergeben.
Erzählen, was sie zum Mittagessen eingekauft haben, wem sie begegnet sind, was sich am Ort ergeben hat – anderen Menschen Anteil geben.
Und ja, niemals den Eindruck haben, ich bin auf die Seite gestellt.
Neuland im Alter als neue Chance
Neuland betreten bedeutet, dass wir in einem neuen Terrain, in einem neuen Gebiet neue Aufgaben erkennen. Diese liegen uns oft mehr zu Füßen, als wir es ahnen.
Ich danke Ihnen, dass Sie so lange zugehört haben. Nun bin ich gespannt darauf, wie ich mich gemeinsam mit Ihnen in diesem Neuland des Älterwerdens bewegen werde.