Einführung in das Sendschreiben an Thyatira und seine historische Einordnung
Heute Morgen also die Fortsetzung mit dem vierten Sendschreiben an Thyatira, das die Epoche von 600 bis 1517 beschreibt. Ihr merkt schon, das ist das Mittelalter, ganz grob gesagt das finstere Mittelalter, mit der Herrschaft der römisch-katholischen Kirche, mit der Inquisition und all diesen Dingen.
Thyatira, die Gemeinde ohne Zucht, wird beschrieben in Offenbarung 2,18-29. Der Name Thyatira bedeutet „fortgesetztes oder beständiges Opfer“. Das ist sehr wichtig: fortgesetztes oder beständiges Opfer. Wir werden gleich sehen, welche Bedeutung dieser Name hat.
Zuerst lesen wir die Vorstellung Jesu und das Lob an die Gemeinde in Vers 18 und 19: „Und dem Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe: Dies sagt der Sohn Gottes, der Augen hat wie eine Feuerflamme und Füße gleich glänzendem Erz: Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und dein Ausharren. Ich weiß, dass deine letzten Werke mehr sind als die ersten.“
Also zunächst ein kräftiges Lob: Der Herr Jesus anerkennt die Werke dieser Gemeinde, die Liebe, die da war, den Glauben, den Dienst und die Geduld. Und diese Werke sind sogar alle noch im Zunehmen begriffen; die letzten Werke sind mehr als die ersten. Aber dann folgt ein ebenso kräftiger Tadel.
Kritik an der Gemeinde Thyatira und die Bedeutung der Gestalt Isebel
Wir lesen Vers 20 bis 23:
„Aber ich habe gegen dich, dass du das Weib Isebel gewähren lässt, die sich eine Prophetin nennt und meine Knechte lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen. Und ich gab ihr Zeit, damit sie Buße tue, und sie will nicht Buße tun von ihrer Unzucht. Siehe, ich werfe sie aufs Bett und die, welche Ehebruch mit ihr treiben, in große Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken, und ihre Kinder werde ich mit dem Pesttod töten. Und alle Gemeinden werden erkennen, dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht, und ich werde euch einem jeden nach euren Werken geben.“
In diesem Tadel taucht wieder eine alttestamentliche Gestalt auf. Beim Sendschreiben an Pergamon war es der Bileam, dieser Meister der Vermischung, der den Rat gab, dass sich doch die Kinder Israel mit den Moabitern und den anderen heidnischen Kananitern vermischen sollten.
Hier erscheint die Gestalt der Isebel, eine Frau, die im Alten Testament eine unheilvolle Rolle gespielt hat. Sie war eine phönizische Königstochter aus Sidon und wurde die Frau des israelitischen Königs Ahab.
Isebel war dafür verantwortlich, dass in Israel ein heidnischer Gottesdienst eingeführt wurde, wie es ihn bis dahin nicht gegeben hatte. Sie führte nämlich den Baalskult in Israel ein und verführte das Volk zu mehr Götzendienst als je zuvor.
Durch Isebel kam ein neuer Gott und ein ganz neues Gottesdienstsystem in das Volk Israel – ein neuer Gott und ein neues Gottesdienstsystem.
Kirchengeschichtliche Deutung des Sendschreibens an Thyatira
Was bedeutet das kirchengeschichtlich gesehen? Glaubt mir bitte, ich möchte wirklich niemandes Gefühle verletzen, wirklich niemandes. Aber ich muss jetzt etwas sagen, das vielleicht den einen oder anderen auch von seiner Herkunft her berührt.
Ich glaube, Isabel ist ein sehr treffendes Bild für das, wozu sich die römisch-katholische Kirche im finsteren Mittelalter entwickelte. Ich weiß sehr wohl, dass viele von uns in dieser Kirche groß geworden sind oder zum Teil auch heute noch zumindest auf dem Papier in dieser Kirche beheimatet sind. Trotzdem muss ich sagen: Das ist ein Bild für das, was sich die römisch-katholische Kirche im Mittelalter geleistet hat.
Sie führte ein heidnisches Denken ein, das schließlich in Götzendienst mündete und geistliche Unzucht zur Folge hatte. Es entstand nach und nach ein religiöses System, das am Ende nur noch wenig Ähnlichkeit mit der Gemeinde des Neuen Testaments hatte.
Während dieser Thyatira-Epoche, genau in dem Zeitraum von etwa 600 bis 1517, also bis zur Reformation, wurden in der römisch-katholischen Kirche zehn falsche Dogmen eingeführt. Dogmen sind fest zementierte Lehrsätze, die kein Mensch mehr ändern kann. Die katholische Kirche hat solche Dogmen, die so fest verankert sind, dass sie sie selbst nicht mehr ändern kann – es sei denn, sie würde sich selbst auflösen. Und das wird sie nicht tun.
Die zehn falschen Dogmen der römisch-katholischen Kirche im Mittelalter
Der Johannes zeigt uns auf einer Folie, welche zehn falschen Dogmen hier aufgestellt wurden.
Zum Beispiel das Dogma, dass die Rechtfertigung aus den Werken geschieht und nicht allein aus dem Glauben. Es wird gelehrt, man komme durch den Glauben an Jesus Christus und durch Werke in den Himmel – und nicht durch den Glauben an sein vollbrachtes Werk allein, wie es uns die Bibel lehrt.
Dann wurde das Dogma der Taufwiedergeburt aufgestellt. Dieses besagt, dass man bereits durch die Säuglingstaufe die Seligkeit erlangt, dass hier die Gnade Gottes eingegossen wird und die Erbsünde weggenommen wird. So lehrt es die römisch-katholische Kirche.
Leider hat Martin Luther hier nicht konsequent reformiert. Nachdem er eine Zeit lang die Kindertaufe abzulehnen schien, entschied er sich am Ende doch wieder für die Babytaufe.
Ich zitiere hier kurz aus einem Brief von einem evangelischen Pfarrer namens Reinhard Weber, der ein Buch über die Taufe geschrieben hat. Er war gegen die Kindertaufe und schreibt: Glaubt Luther nicht, wenn er die Babytaufe unseren einzigen Trost nennt und behauptet, der taufende Pfarrer gebe dem Baby den Glauben und das Himmelreich. Der Glaube erwächst in der Kraft des Heiligen Geistes aus dem Hören auf das Evangelium. Von Babytaufen, Sakramenten, eingegossener Gnade usw. hört man in der Bibel nichts bis etwa um das Jahr zweihundert.
Damals geschah aus Quellen, die dem Neuen Testament fremd sind, eine raffinierte satanische Verführung – ähnlich wie damals der Einbruch des heidnischen Baalskultes im alten Israel. Das Sakrament wurde zum Baal der Kirche. Erlösung geschieht nun durch den Sakramentsvollzug. Der Glaube des Teuflings ist gegenstandslos geworden.
Der Teufel hat in die Babytaufe so viel Pseudoheiligkeit hineingelogen, dass nur ein vom Geist Gottes Erleuchteter erkennen kann, wie hier das Verbot, den heiligen Gottesnamen missbräuchlich zu gebrauchen und zu lügen, übertreten wird. Fragt jeden, der euch fromm oder von Kirchenwegen überzeugen will, wo das geschrieben steht. Sie werden euch einige tausend Belege aus Menschenbüchern bringen, aber keinen einzigen aus der Heiligen Schrift.
Pfarrer Reinhard Weber, ein norddeutscher Pfarrer, wurde vor einem Jahr heimgerufen.
Wir sehen also: Taufwiedergeburt ist ein falsches Dogma der katholischen Kirche, das leider von Luther am Ende beibehalten wurde.
Drittens ist die Verehrung von Bildern zu nennen, die in der Bibel ganz deutlich abgelehnt wird. Auch hier hat Luther einen Fehler gemacht, als er den Katechismus aufstellte und die zehn Gebote darbrachte. Er entfernte das dritte Gebot, das die Verehrung von Bildern verbietet.
Dann das Zölibat, also die Trennung von Priestern und Laien. Im Jahr 1154 wurde dieses Kirchengesetz zum Dogma. Bis dahin durften Priester verheiratet sein. Aber um die Priesterschicht von den Laien abzuheben, wurde ihnen das Zölibat auferlegt.
Wir haben gesehen, dass die Werke der Nikolaiten – Volksbeherrscher – in Ephesus noch abgelehnt wurden. In Pergam wurde die Lehre der Nikolaiten geduldet, und es entstand ein Zweiklassensystem in der Gemeinde: Klerus und Laien. Dieses wurde weiter zementiert, indem der Klerus das Heiraten verboten wurde.
Im 1. Timotheusbrief schreibt Paulus von einer falschen Frömmigkeit, die gebietet, nicht ehelich zu werden. Das wurde hier erfüllt.
Zölibat, dann das Buchsakrament – ich will hier nur kurz eine Überbewertung der Ohrenbeichte erwähnen.
Auch die Lehre vom Fegefeuer ist zu nennen: Im Fegefeuer soll Reinigung von lässlichen Sünden geschehen. Jeder Mensch muss nach dem Sterben ins Fegefeuer, dort werden lässliche Sünden weggeleutert.
Diese Unterscheidung ist sehr verhängnisvoll, denn die katholische Kirche unterscheidet lässliche und Todsünden. Lässliche Sünden bedeuten, dass man sich diese leisten kann – zum Beispiel an Karneval richtig über die Stränge zu schlagen. Das ist eine ganz schlimme Unterscheidung, die die Bibel nicht kennt.
Der Kern liegt bei Punkt sieben: die sogenannte Transubstantiationslehre. Ein Zungenbrecher, aber sehr wichtig. Sie meint die Wandlungslehre. Nach römisch-katholischer Sicht geschieht die Wandlung des Brotes in den Leib Christi und des Weines in das Blut Christi, wenn der Priester auf dem Altar das Glöckchen läutet und die Worte spricht: "Geheimnis des Glaubens".
Auch chemisch sagen sie, es sieht noch so aus wie Brot und Wein, aber es ist Leib und Blut Christi. Das ist natürlich nicht richtig. Das Abendmahl ist ein Gedächtnismahl. Wir haben das auch hier schon behandelt.
Jetzt verstehen wir den Namen Thyatira: fortgesetztes oder beständiges Opfer. Denn die römisch-katholische Kirche lehrt, dass bei jeder Eucharistiefeier – morgens werden Tausende weltweit gefeiert – der Leib Christi wieder unblutig geopfert und dem Herrn dargebracht wird.
Nach katholischem Verständnis ist das Götzendienst, heidnisches Denken, magisches Denken. Alles, was da hineingeflossen ist, ist nicht die Lehre der Bibel.
Achtens die Ablasslehre: Man kann durch Geld oder Werke eine Verkürzung im Fegefeuer erreichen, auch für andere Verstorbene.
Dann die Bußlehre, dass man Bußübungen tun kann – Ave Maria beten, Vater Unser beten –, um die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen.
Und schließlich die Marienverehrung. Teilweise wurde Maria göttlich verehrt. Zur Zeit von Ignatius von Loyola sprach man von einer Viereinigkeit: Gott Vater, Sohn, Heiliger Geist und Mutter Maria. Sie wurde auf die gleiche Stufe gestellt, was natürlich weder in ihrem Sinne noch im Sinne Gottes war.
Charakterisierung des Gottesdienstes im Mittelalter und Verheißung an die Überwinder
Wir sehen Thyatira als ein finsteres Mittelalter, in dem in der römisch-katholischen Kirche ein heidnischer Gott und vor allem ein völlig fremdes Gottesdienstsystem eingeführt wurde. Dieses System stimmt nicht mehr mit dem Neuen Testament überein.
Der Gottesdienst in der katholischen Kirche ist insgesamt sehr alttestamentlich geprägt. Das gesamte Gebäude ist aufgebaut wie der Tempel, mit dem Allerheiligsten vorne, das nur der Priester betreten darf. Er trägt ein Gewand, das dem des Hohenpriesters nachempfunden ist. Alles ist sehr auf das Sichtbare ausgerichtet – bis hin zum Weihrauch, der für den Geruch, das Ohr und das Auge eingesetzt wird. Es ist alles auf das Sichtbare ausgelegt.
Ein echter Katholik hat es daher schwer, wenn er einen solchen Raum betritt, denn alles ist so anders als in einer ehrwürdigen katholischen Kirche. Das verstehe ich sehr gut.
Ich möchte noch eine der Verheißungen aufgreifen, die den Überwindern in der Thyatira-Kirche gegeben wurden. Jesus sagt: „Wer überwindet, dem werde ich den Morgenstern geben“ (Offenbarung 2,28). Die Überwinder werden Jesus Christus selbst haben, denn der Morgenstern ist nach Offenbarung 22,16 niemand anderes als er selbst. Dort wird er als der helle Morgenstern bezeichnet.
Die Überwinder, die diesen Gottesdienst nicht mitmachen und sagen: „Nein, das ist nicht der biblische Gottesdienst und nicht die biblische Anbetung“, erhalten den Herrn Jesus selbst.
Die Christen in Thyatira sind somit eine Bedrohung für ein falsches religiöses System.
Das Sendschreiben an Sardis: Die Gemeinde ohne Leben und die Reformation
Gehen wir einen Schritt weiter zur Kirche von Sardis. Johannes, wenn du die andere Folie noch einmal kurz zeigen kannst.
In Offenbarung Kapitel 3, Verse 1 bis 6 wird das Sendschreiben an die Gemeinde von Sardis gerichtet. Diese Gemeinde wird als eine ohne Leben beschrieben. Ich folge hier der Deutung von Arnold Fruchtenbaum, der die Kirche der Reformation mit der anschließenden Orthodoxie in Verbindung bringt. Diese Zeitspanne liegt ungefähr zwischen 1517 und 1648, man kann auch bis etwa 1700 sagen, ohne sich über ein paar Jahre zu streiten.
Sardis bedeutet „diejenigen, die entkommen“. Das ist interessant, denn eben haben wir die Kirche Thyatira kennengelernt, die im Mittelalter durch ihren Götzendienst geprägt war. Sardis hingegen bezeichnet diejenigen, die entkommen sind. Das ist ein treffender Name für die, die durch die reformatorische Lehre von der Gnade allein, von Jesus Christus und dem Glauben allein diesem Götzendienst und der Finsternis entkamen.
Jesus Christus stellt sich vor dieser Gemeinde als der vor, der sieben Geister hat. Das steht im Gegensatz zur Kirche ohne Geist, der toten Sardes-Kirche ohne den Heiligen Geist.
Dann folgt unmittelbar der Tadel. In Offenbarung 3,1 lesen wir: „Ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, du lebst und bist tot.“ Ein sehr kurzer Tadel, aber mehr braucht man nicht zu sagen: Du bist tot. Das ist eine zutreffende Beschreibung für die Kirche der Reformation, wie sie sich später sehr bald entwickelte.
Der Anfang war wunderbar unter Martin Luther und seinen Mitarbeitern, aber es dauerte nicht lange. Die Bewegung entwickelte sich sehr bald zur Sardes-Kirche. Denn die Reformationsbewegung brachte zwar in den folgenden Jahren viele Korrekturen an Rom und auch gute Glaubensbekenntnisse hervor, trotzdem fehlte den verschiedenen protestantischen Kirchen die geistliche Kraft. Sie waren tot.
Gründe für das Scheitern der Reformation und die Problematik der Staatskirchen
Warum? Ich habe mich wirklich mit der Frage beschäftigt: Warum hatte die Reformation, die so gut begonnen hatte, keine nachhaltige Durchschlagskraft? Sie breitete sich ja wie ein Feuer über halb Europa aus, vor allem in Nordeuropa, Großbritannien, Schottland und so weiter. Warum hatte sie keine echte Durchschlagskraft?
Die Antwort lautet: Weil sie das Grundübel nicht beseitigte, nämlich die Verbindung von Kirche und Staat. Dieses Grundübel begann bereits in Pergamon, als die römisch-katholische Staatskirche entstand. Die Reformation beseitigte dieses Problem nicht.
Nachdem sich die Protestanten von Rom getrennt hatten, wurden sie erneut zu Staatskirchen. In Deutschland und Skandinavien wurde die lutherische Kirche zur Staatskirche. In England wurde die anglikanische Kirche zur Staatskirche, in Schottland die presbyterianische Kirche, in der Schweiz die Calvinisten und Reformierten – alle wurden sie zu Staatskirchen.
Die Reformatoren waren trotz all ihrer Verdienste nicht konsequent in der Gemeindefrage. Sie führten das Volk aus Ägypten, aber sie ließen es gemeindemäßig in der Wüste zurück. Sie führten es nicht nach Kanaan in eine echte biblische Gemeindestruktur – wenn ich das mal so bildlich sagen darf.
Und, ihr Lieben, was Pergamon zum Schaden wurde, als die römisch-katholische Staatskirche entstand, musste auch Sades Verderben bringen. Weil es Staatskirchen waren, wurden die Kinder einfach getauft und somit ohne persönlichen Glauben Mitglieder der Kirche. So kam es, dass im Laufe der Zeit der größte Teil der Kirche aus Ungläubigen bestand – und so ist es bis heute geblieben.
Schaut: Die beiden großen Kirchen haben bis zum heutigen Tag ein territoriales Gemeindeverständnis. Territorial heißt: Jeder, der in diesem Dorf wohnt und römisch-katholisch oder evangelisch getauft wurde, gehört zu der Gemeinde.
Jeder, der in diesem Stadtteil wohnt – bei uns in Karlsruhe verlief die Grenze unserer Kirchengemeinde genau mitten durch die Straße, in der wir wohnten – jeder, der auf der einen Seite wohnt, gehört zu dieser Gemeinde, und der andere zu der anderen Gemeinde, territorial eben. Auf dem Stadtplan wird die Gemeinde so bestimmt.
7384 Evangelische gehören zu dieser Kirchengemeinde, und die anderen zu der territorialen. Es wird überhaupt nicht gefragt, ob sie gläubig sind. Da können Atheisten darunter sein, da können Menschen sein, die in allen möglichen Sünden leben – das spielt keine Rolle. Sie gehören territorial zur Kirchengemeinde.
Die Bibel dagegen hat ein personales Gemeindeverständnis. Die, die den Herrn Jesus Christus als ihren Erretter und Herrn haben und mit ihm leben, gehören zur Gemeinde – ganz gleich, wo sie wohnen. Das ist ein ganz großer Unterschied.
Bis heute gibt es also in Europa Staatskirchen, die zum Teil auf dem Papier gute Glaubensbekenntnisse haben, aber zum größten Teil aus Menschen bestehen, die geistlich tot sind – Menschen, die den Namen Christen tragen, wie es vorhin schon einmal fiel.
Wie steht es bei uns heute Morgen? Sind hier alle, die in diesem Raum sind, geistlich lebendig geworden? Sind sie durch den Herrn Jesus Christus zu einem neuen geistlichen Leben auferweckt worden?
Auch in einer biblischen Gemeinde, wie wir uns jetzt nennen, können durchaus Besucher sein, die den Herrn Jesus noch nicht kennen. Wenn das so ist, steht heute Morgen nichts im Wege, ihn kennenzulernen.
Das Sendschreiben an Philadelphia: Die Gemeinde ohne Tadel und die Missionsbewegung
Gehen wir weiter zu dem schönsten aller Sendschreiben, das für uns auch das ermutigendste ist, nämlich zu Philadelphia. Ich freue mich, dass hier nicht nur dunkle Dinge und Negatives vorkommen, sondern dass das Sendschreiben an Philadelphia etwas ganz Ermutigendes enthält.
Es ist die Gemeinde ohne Tadel. Kirchengeschichtlich deute ich sie auf die angloamerikanische Erweckungsbewegung und auch auf Teile des Pietismus. Diese Epoche umfasst etwa die Zeit von 1700 bis 1900, also rund zweihundert Jahre.
Lesen wir einmal den Anfang des Sendschreibens an Philadelphia, ab Vers 7 in Kapitel 3: „Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Dies sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, der öffnet und niemand wird schließen, und schließt und niemand wird öffnen: Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand schließen kann; denn du hast eine kleine Kraft, und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.“
Das sind wunderbare Aussagen über die Gemeinde von Philadelphia. Sie ist die Gemeinde ohne Tadel. Nur Philadelphia und Smyrna erhielten keinen Tadel, alle anderen Gemeinden wurden getadelt und zur Buße aufgefordert.
Philadelphia ist die Kirche der großen Missionsbewegung. Eine offene Tür, eine kleine Kraft, das Wort bewahrt und den Namen nicht verleugnet – das sind ihre Merkmale. Philadelphia steht für die Epoche der großen Missionsbewegung.
In der Zeit von 1700 bis 1900 gab es so gut wie keinen Ort auf dieser Erde, an den Missionare nicht gehen konnten. Stellt euch das einmal vor: So gut wie kein Ort, an dem nicht ein Missionar willkommen war, ersehnt und erwünscht. Er durfte predigen und wirken für den Herrn.
Sogar China stand dem Evangelium offen, weit offen. Durch Wesley, Finney, Moody, Torrey, Gosner, David Livingstone, Hudson Taylor und viele andere kamen unzählige Menschen zum Glauben. Ich glaube, dass in dieser Zeit Millionen von Menschen errettet wurden und zur Gemeinde hinzugefügt wurden.
Ganze Länder öffneten sich für das Evangelium – Afrika, China. Als Hudson Taylor nach Inland-China ging, war er der erste Missionar dort. Er betete, dass, wenn er einmal die Augen schließen sollte, tausend Missionare in Inland-China tätig sein würden. Und als er starb, waren mehr als tausend Missionare im Inland von China.
Ich habe noch einen kennengelernt, der mit Hudson Taylor zusammen dort im Dienst stand: den alten Bruder Witt. Dieter, du kennst ihn auch. Ja, das sind wunderbare Dinge, die dort geschehen sind. Krankenhäuser wurden gebaut, soziale Einrichtungen entstanden, das Evangelium verbreitete sich, und viele, viele Menschen wurden errettet.
Die Missionare hatten nur eine kleine Kraft, denn sie wurden nur von einer kleinen Minderheit unterstützt. Im Glauben durften sie dennoch Großes vollbringen.
Die Bedeutung von Vers 9 im Sendschreiben an Philadelphia und heutige Einordnung
Und interessant ist Vers 9, über den sehr viel gerätselt wird und zu dem manchmal auch dummes Zeug geschrieben wird. Vers 9 lautet: „Siehe, ich übergebe dir aus der Synagoge des Satans, von denen, die sich Juden nennen und es nicht sind, sondern lügen; siehe, ich werde sie dahin bringen, dass sie kommen und sich niederwerfen vor deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“
Die naheliegendste Deutung dieser Aussage ist, dass die Juden, die aus der Synagoge Satans kommen, dem Herrn Jesus zu Füßen fallen. Dies wird oft so verstanden, dass genau in dieser Epoche die Judenmission begann, und zwar hier in Deutschland. Von dort aus ging sie über England nach Amerika. Um das Jahr 1900 haben sich etwa eine Viertelmillion Juden bekehrt, ungefähr 250 Juden kamen zum Glauben – genau in dieser Zeit.
Es gibt noch eine andere Deutungsmöglichkeit: Zu dieser Zeit entstanden leider auch die bekanntesten Sekten, die es heute weltweit gibt, nämlich die Zeugen Jehovas, die Mormonen, die Christliche Wissenschaft und die Siebenten-Tags-Adventisten. Alle diese Gruppen entstanden in dieser Zeit. Ein gemeinsames Kennzeichen dieser Sekten ist der Anspruch, die wahren Juden zu sein, entweder die 144.000, wie es die Zeugen Jehovas behaupten, oder die zehn verlorenen Stämme Israels. Dies ist ein gemeinsames Merkmal dieser Sekten und könnte vielleicht auch eine Andeutung hier von der Synagoge Satans sein.
Was auch immer hier gemeint ist: Viele Menschen sind in dieser Zeit zum Glauben gekommen. Ich muss noch etwas ganz nüchtern hinzufügen: Wir leben heute nicht im Philadelphia-Zeitalter, wir leben nicht in der Zeit dieser großen Erweckung und Missionsbewegung. Wir leben, wie wir gleich sehen werden, im Zeitalter von Laodizea.
Das heißt, wir werden keine weltweite Erweckung mehr erleben, wie es zum Beispiel viele Geschwister aus der Pfingstbewegung erwarten – noch eine weltweite Erweckung, in der sich Joel 3 falsch auslegen lässt. Nein, das werden wir nicht mehr erleben dürfen. Aber durchaus lokale Aufbrüche.
In manchen Gebieten, auch jetzt in Indonesien und Afrika, gibt es Gegenden, wo der Herr im Augenblick ganz groß wird. Und hier bei uns in Europa, glaube ich, wird es auch noch hier und da zu Aufbrüchen kommen, dass Kreise entstehen, Gemeinden sich bilden, vielleicht auch eine Bewegung wie im Salzburger Land oder in anderen Regionen.
Aber keine weltweite Erweckung mehr.
Lasst uns wirken, hier in unserem Bereich, so lange noch Tag ist, wie im Philadelphia-Zeitalter, indem wir auch wissen, dass wir eine offene Tür vom Herrn haben. Wir dürfen noch wirken, es herrscht Religionsfreiheit.
Wir haben am Mittwochabend gesehen, unter welchen Verhältnissen die Geschwister im Osten dort evangelisiert haben. Es war sehr bewegend, was wir an diesem Abend gehört und gesehen haben.
Wir haben eine kleine Kraft, aber wir wollen das Wort behalten und den Namen Jesu nicht verleugnen.
Das Sendschreiben an Laodizea: Die Gemeinde ohne Herrn und die Kirche des Abfalls
Kommen wir zum letzten Sendschreiben, dem an Laodizea. Wenn wir es kurz charakterisieren, ist es die Gemeinde ohne Herrn. Es steht für die antichristlich geprägte Generation der Endzeit, etwa von 1900 bis zur Gegenwart. Wie lange diese Zeit noch andauert, wissen wir nicht. Laodizea steht für die Kirche des Abfalls.
Laodizea bedeutet „das Volk spricht Recht“. Das Sendschreiben beginnt ohne Lob. Alle übrigen sechs Gemeinden erhielten zumindest ein Wort der Anerkennung, Laodizea hingegen nicht, weil der Herr hier überhaupt nichts mehr anzuerkennen hat. Er geht sofort zum Tadel über.
Wir lesen die Verse 14 bis 17 in Offenbarung 3: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist.“ Vers 15: „Ach, dass du kalt oder heiß wärest!“ Weil du aber lau bist und weder heiß noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Weil du sagst: ‚Ich bin reich geworden und brauche nichts‘, und nicht weißt, dass du elend, bemitleidenswert, arm, blind und bloß bist, rate ich dir, von mir im Feuer geläutertes Gold zu kaufen, damit du reich wirst, und weiße Kleider, damit du bekleidet wirst usw.“
Laodizea wird hier als lauwarm, elend, jämmerlich, arm, blind und bloß beschrieben. Der schlimmste Tadel steht in Vers 20: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe.“ Nicht innen, sondern außen. Sonst könnte er nicht eintreten. Der Herr steht bei dieser Gemeinde draußen vor der Tür. In dieser Ausprägung der Christenheit ist er nicht mehr gegenwärtig. Er steht draußen, aber er steht noch an der Tür und klopft. Das ist das Ermutigende.
Laodizea ist einfach die Kirche des Abfalls, die sich unschwer mit der Kirche dieses Jahrhunderts identifizieren lässt. Es gäbe viele Belege dafür, doch hier muss ich mich kurz fassen. Abfall bedeutet das Abweichen von einer Wahrheit, die man aufgrund der Mitgliedschaft in einer bestimmten Kirche oder Vereinigung zu besitzen vorgab, aber nicht hat.
Paulus hat das sehr treffend beschrieben: „Sie haben eine Form der Gottseligkeit, verleugnen aber deren Kraft.“ Man hat noch so einen Deckmantel von Christentum, eine Art Zuckerguss darüber gestreut, aber darunter ist Heidentum. „Krawattenheiden“ haben das manche Leute genannt. Von diesen soll man sich abwenden – ein wichtiger Zusatz, den Paulus noch anführt.
Zusammenfassung der sieben Sendschreiben und Gemeindezeitalter
Ich möchte noch einmal zusammenfassen, und zwar mit Worten von Arnold Fruchtenbaum, von dem ich viele Anregungen erhalten und den ich häufig zitiert habe. Johannes, du hast die Zusammenfassung auch auf der Folie, sodass wir die sieben Sendschreiben und die sieben Gemeindezeitalter auf einen Blick sehen können.
Die Ephesuskirche findet man in der jungen Kirche der zweiten Generation, die die Glut der ersten Liebe verloren hat. Dem Herrn geht es um die erste Liebe – „Hast du mich lieb?“
Den Smyrna-Typ können wir auch heute überall in den islamischen Ländern und an Orten antreffen, wo Christen um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Das ist der Smyrna-Typ der Gemeinde. Den gibt es jetzt.
Die Pergamonkirche existiert in den Ländern Europas, die eine Staatskirche haben.
Der Typ der Gemeinde von Thyatira zeichnet sich deutlich in der römisch-katholischen Kirche ab. Ich bestreite nicht, dass dort wiedergeborene Christen darunter sind. Denen wird der Herr auch den Weg zeigen, da bin ich ganz gewiss.
Die Kirche von Sardis findet man oft in den hochkirchlichen und orthodoxen Kirchen. Diese haben ein gutes und schriftgemäßes Glaubensbekenntnis, aber kein geistliches Leben in sich. Hierzu gehören auch Kirchen, die zwar auf der Bibel gründen, aber infolge des Mangels an geistlicher Kraft kein wirkliches Leben haben. Das können auch Freikirchen oder Gemeinschaften sein – all das gehört unter Sardis.
Die Philadelphia-Kirche findet man in Denominationen und unabhängigen Kirchen, die viel für die Missionsarbeit opfern, mit Kraft und Eifer evangelisieren und von denen viele Gemeindeglieder zum Dienst bereit sind.
Trotzdem herrscht heute offensichtlich die Laodizea-Kirche des Abfalls vor. Es lässt sich kaum leugnen, dass die Mehrheit der derzeitigen Kirchen dem Abfall nachgegeben hat oder selbst ein Teil davon geworden ist.
Aber der Herr steht noch an der Tür, und auch heute können ganze Kreise und Gemeinden wieder zurückkommen zu dem Herrn und zu seiner schriftgemäßen Wahrheit. Das ist nicht unmöglich.
Wie eine Gemeinde in der ersten Liebe bleiben kann
Zum Schluss eine letzte Folie:
Ich habe mir in den letzten zwei Wochen wirklich Gedanken gemacht, während ich das hier auf Papier brachte. Die Frage war: Wie kann eine Gemeinde in der ersten Liebe bleiben?
Wir sind noch sehr jung. Andere, die aus etablierten Gemeinden zu uns kommen, haben den Eindruck, bei uns herrsche noch erste Liebe. Ich sage das nur mal so. Andere haben diesen Eindruck manchmal, so haben wir es wiederholt gehört. Wir kennen uns ja besser untereinander, aber andere nehmen wahr, dass bei uns noch erste Liebe ist.
Wenn das so wäre, hat das sicherlich auch schon Luft nach oben. Aber wenn es so ist, wie kann das bleiben? Wie kann eine Gemeinde möglichst lange in der ersten Liebe bleiben?
Antwort:
Eine Gemeinde kann nur so weit in der ersten Liebe stehen, wie auch möglichst viele Gemeindeglieder den Herrn Jesus brennend lieb haben. Eine Gemeinde besteht aus lauter einzelnen Gliedern. Je mehr von uns den Herrn wirklich brennend lieb haben, desto mehr wird das auch in der Gemeinde sichtbar.
Darum lass dich heute Morgen noch einmal fragen – und ich will mich auch vom Herrn fragen lassen: Hast du mich lieb? Hast du mein Wort lieb? Meine Gemeinde?
Wie wurde Missionar Butler in Afrika gefragt: Fließt dein Becher über? Und er musste Buße tun, der Missionar.
Zweitens bleibt die Gemeinde in der ersten Liebe, indem sie eine betende Gemeinde bleibt und immer mehr wird. Die Gebetszusammenkünfte sind der Gradmesser des geistlichen Lebens in der Gemeinde – nicht unbedingt der Sonntagsbesuch. Die Gebetszusammenkünfte, nicht nur freitags, überall dort, wo gebetet wird.
Drittens bleibt die Gemeinde in der ersten Liebe, indem sie missionarisch lebendig bleibt. Eine leidenschaftliche Jesusliebe wirkt immer auch als leidenschaftliche Retterliebe. Wenn wir einmal meinen: „Ach ja, jetzt sind wir aber genug, jetzt sind die Stühle besetzt, und lass doch die anderen zur Hölle fahren, Hauptsache wir kommen in den Himmel“, dann ist die Gemeinde sicherlich nicht mehr in der ersten Liebe.
Viertens bleibt die Gemeinde in der ersten Liebe, indem sie keine unbiblische Verbindung eingeht. Das ist mir auch wichtig geworden: Weder zum Staat noch zu anderen Machtinstitutionen. Das können auch große Verbände, Bünde und Ähnliches sein, die eine Machtposition darstellen wollen.
Wir brauchen biblische Strukturen. Strukturen schaffen zwar kein Leben, aber falsche Strukturen können geistliches Leben verhindern oder zunichte machen.
Darum lasst uns alles daran setzen, dass wir persönlich und auch als Gemeinde in der ersten Liebe bleiben. Wir wollen zusammen aufstehen und miteinander beten.
Schlussgebet und Bitte um Bewahrung in der ersten Liebe
Geliebter Herr Jesus, wir wissen, dass wir das überhaupt nicht selbst schaffen können. Weder in unserem Glaubensleben mit dir noch im Gemeindeleben können wir in der ersten Liebe zu dir stehen oder bei dir und deinem Wort bleiben. Das können wir nicht aus eigener Kraft, und wir können uns auch nicht selbst bewahren.
Aber wenn wir dir unsere leeren Hände und unsere Unfähigkeit entgegenstrecken, bist du es, der in uns wirken will.
Herr, wir haben jetzt die Sendschreiben im Überblick betrachtet und gesehen, wie sich alles entwickelt hat. Herr Jesus Christus, bitte schenke uns, dass wir als Gemeinde Philadelphia wirklich Gemeinde sein können – in der Liebe zu dir und auch brennend für dich und deine Sache.
Herr, lass uns erkennen, wenn wir irgendeinem anderen Gemeindetyp gleichen, und hilf uns, uns davon zu lösen – persönlich und auch als Gemeinde.
Wir danken dir, dass du uns dein Wort gegeben hast, das uns als Spiegel dient und zugleich heilende Kraft für unser Leben mit dir ist. Amen.
