Herr, jetzt wollen wir dieses große Wunder, das uns trägt, neu verstehen.
Wir gehen aus diesem Tag in der Freude über all das, was wir arbeiten konnten und was wir erlebt haben. Gleichzeitig tragen wir Sorgen und Dinge mit uns, die falsch gelaufen sind. Wir leiden unter dem, was wir falsch gemacht haben, und bitten um deine Vergebung.
Du aber musst uns am Abend neu den Weg weisen und zeigen, wie du uns segnen willst.
Danke jetzt für diesen Abend und deine Gegenwart. Amen!
Einführung in den Galaterbrief und seine Bedeutung
Der Galaterbrief führt uns in die Türkei. Das ist erstaunlich, denn die meisten oder sehr viele Briefe des Neuen Testaments sind an Gemeinden in der Türkei, also in Kleinasien, geschrieben. Dazu gehören auch etwa die Petrusbriefe, ebenso wie die Briefe an die Kolosser und Epheser sowie der Galaterbrief.
Für den Bibelleser ist das eigentlich gar nicht so wichtig, denn es handelt sich um Volksstämme im Inneren von Kleinasien. Wir wissen nicht genau, wann diese Gemeinden gegründet wurden oder ob Paulus sie auf einer Durchreise gegründet hat. Es könnte ähnlich sein wie bei Kolosse, wo Paulus nie persönlich war. Dort haben junge bekehrte Christen die Gemeinden ins Leben gerufen.
Wir sehen hier Gemeinden in der Anfangszeit, einen Aufbruch und ein neues Leben. Im Galaterbrief haben wir eine Streitschrift vor uns. Alle Briefe des Neuen Testaments sind im Streit geschrieben, aber dieser gehört zu den heftigsten überhaupt. Paulus verwendet sehr klare und deutliche Formulierungen.
Das ist wichtig, weil viele meinen, in der Gemeinde müsste immer Friede herrschen. Doch über Fragen des Glaubens muss man hart streiten. Es gibt Gegensätze, die man nicht einfach auflösen kann. In unserer heutigen friedlichen Zeit sind wir oft der Meinung, man müsse alles ertragen und tolerant sein. Doch darauf kann man sich nicht allein auf das Neue Testament berufen.
Wenn man zum Beispiel an die Johannesbriefe denkt, die viel von der Liebe sprechen: „Wer nicht in der Liebe bleibt, der ist nicht von Gott“, sagt Johannes. In diesen Briefen steht aber auch, dass man jemanden, der falsch von Jesus Christus lehrt, nicht mehr grüßen soll. Mit sehr klaren Worten wird gesagt, dass falsche Lehre in Glaubensdingen nach dem Neuen Testament etwas ganz Schlimmes ist.
Denn falsche Lehre zerstört die Gemeinden. Gerade heute, in einer Zeit, in der so viel Widersprüchliches über Jesus Christus in der Christenheit gelehrt wird, ist es besonders wichtig, wieder Klarheit zu gewinnen.
Der Briefkopf und die Einleitung des Galaterbriefs
Ich lese Vers 1 bis 10: Paulus, ein Apostel, nicht von Menschen und auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat, sowie alle Brüder, die bei mir sind, an die Gemeinden in Galatien.
Das ist der Briefkopf oben – der Absender und die Anschrift, wie wir sie von Geschäftsbriefen kennen. Nun folgt der Gruß, der in diesem Brief relativ kurz ausfällt: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsere Sünden dahingegeben hat, damit er uns errette von dieser gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen Gottes, unseres Vaters.
Dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium. Dabei gibt es doch gar kein anderes Evangelium, sondern nur, dass einige da sind, die euch verwirren und das Evangelium Christi verkehren wollen.
Aber auch wenn wir, also Paulus oder die Apostel, oder ein Engel vom Himmel, euch ein anderes Evangelium predigen würden, als das, welches wir euch gepredigt haben, so sei er verflucht.
Wie wir eben gesagt haben, so sage ich abermals: Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, das anders ist als das, welches ihr empfangen habt, der sei verflucht.
Das wird wiederholt, noch einmal unterstrichen.
Predige ich denn jetzt Menschen oder Gott zuliebe? Oder suche ich, Menschen gefällig zu sein? Wenn ich noch Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.
Die Herausforderung widersprüchlicher Lehren heute
Wir haben heute das Problem, dass in unseren Gemeinden sehr viel Widersprüchliches geglaubt und gelehrt wird. Es gibt Menschen, die sagen, im Religionsunterricht werde erzählt, die Bibel sei überhaupt nicht verbindlich. Sie behaupten, das seien alles nur alte Mythen. Andere wiederum sagen, Christus sei ein ganz normaler Mensch gewesen. Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
In der Theologie gibt es viele Ideen, die nicht aus dem Neuen Testament stammen, sondern aus den Köpfen von Menschen kommen. Wenn man das ernst nimmt, was hier steht – und das müssen wir –, dann muss man sich ganz ernsthaft damit auseinandersetzen: Was ist jetzt richtig? Was ist wahr? Worauf kann man sich verlassen?
Die Situation der Galater und ihre Abwendung vom Evangelium
Ein kurzer Ausblick: Was geschah damals bei Paulus, und was war mit den Galatern los? Es handelte sich um jungbekehrte Menschen. Warum wandten sie sich ab? Warum verließen sie das Evangelium? Was ist der Grund dafür, dass Menschen das Evangelium, so wie es in der Bibel steht, verlassen? Liegt es an Verblendung, an höherer Erkenntnis oder was genau steckt dahinter?
Wenn man das bei Menschen prüft, mit denen man in letzter Zeit diskutiert oder gestritten hat, zeigt sich Folgendes: Bei den Galatern war es eigentlich ein ernsthaftes Bemühen. Sie zweifelten nicht an der Göttlichkeit Jesu, so wie es manche tun und sagen: „Das kann ich nicht mit meinem Verstand erfassen.“ Es war also kein Problem des Verstandes.
Vielmehr waren sie sehr eifrige Menschen. Sie sagten: „Wir müssen doch selbst mit unserem Leben arbeiten. Es ist mir viel zu billig, dass ich mir die Sünden vergeben lasse. Da könnte man ja einfach so weitersündigen und dann wieder die Vergebung in Anspruch nehmen.“ Sie wollten ihr Leben selbst verändern. Sie wollten gute Väter sein, wahrhaftige Menschen, moralisch gute Menschen. Sie bemühten sich, das Gute zu tun.
Das ist das, was viele Nichtchristen um uns herum tun. Ich bin immer wieder überrascht. Man kennt auch solche Menschen, bei denen man denkt: „Da kann ich nichts erreichen.“ Das sind edle, humanistische Menschen, die sich für Liebe und Güte einsetzen. Sie glauben nicht an Christus, aber sie führen einen vorbildlichen Lebenswandel.
Für Christen stellt sich dadurch oft die Frage: Muss ich das mit meinem Leben nicht auch versuchen?
Kinderkrankheiten des Glaubens und der Kampf um den Glauben
Hans Brandenburg, ein großartiger Bibelausleger, hat in vielen seiner Schriften, die wir von ihm finden, sehr lesenswerte Bibelkommentare verfasst. Besonders wichtig ist eine seiner Schriften mit dem Titel „Kinderkrankheiten des Glaubens“.
Er erklärt darin, dass es beim Glaubensbeginn ähnlich ist wie bei Babys oder Kleinkindern. Ein Kleinkind kann zum Beispiel Keuchhusten bekommen und rote Flecken zeigen. Solche Krankheiten muss es durchmachen, bis es eine robuste Natur entwickelt hat. Das ist fast eine Stärkung des Organismus, die notwendig ist.
Brandenburg sagt, dass es im Christenleben Kinderkrankheiten gibt, die man durchlaufen muss. Diese Erfahrungen haben auch Sie vielleicht schon gemacht. Ich könnte Ihnen Beispiele von ganz bekannten Namen nennen.
Am Sonntag haben wir ein Lied von Gerhard Herstegen gesungen. Wenn man seine Biografie liest, sieht man, wie er seinen Glaubensweg begonnen hat: Er war Kaufmannslehrling und hatte plötzlich den Wunsch, Gott ganz lieb zu haben. Er bemühte sich, Gott gehorsam zu sein. Was hat er gemacht? Er setzte sich in seine Stube und betete stundenlang, oft auch nachts. Dabei aß er nur Milchsuppe. Er schaute aus dem Fenster und kämpfte über Jahre hinweg so sehr mit seinem Glauben, dass er fast daran zugrunde ging und krank wurde.
Man muss sehr aufpassen, besonders Jugendleiter sollten darauf achten. Bei jungen Leuten gibt es oft eine Verkrampfung auf dem Glaubensweg. Sie versuchen in großer Radikalität und Verkrampfung, alles selbst zu schaffen.
Karl Heinrich von Bogatzky hat viele schöne Glaubenslieder geschrieben. Auch er durchlief eine ähnliche Entwicklung über viele Jahre. Er merkte, dass er Gott dienen wollte, aber je mehr er das wollte, desto mehr spürte er, dass er gar nicht wirklich lieb war. Er entdeckte, dass in seinem Herzen wilde Fantasien und böse Gedanken aufstiegen. So geriet er in Verzweiflung.
Was passiert da? Das hat jemand sehr gut beschrieben in einem der meistgelesenen Bücher der Welt: John Bunyans „Pilgerreise“. Darin geht es um einen Menschen, der den Weg des Glaubens mit Jesus Christus gehen will, aber in den Sumpf der Verzagtheit gerät.
Bunyan war 15 Jahre im Gefängnis, weil er aus Gewissensgründen mit der englischen Staatskirche gebrochen hatte. Er war ein mutiger Prediger aus Bedford. In seinem Buch beschreibt er, wie der Christ im Sumpf zunächst versucht, sich durchzukämpfen. Ohne eine Rettung von außen wäre er dort untergegangen.
Ein anderer erklärt ihm, dass dieser Sumpf sehr schlimm ist. Die Verantwortlichen haben schon 20 Wagenladungen Steine hineingeworfen, um einen Weg zu schaffen. Aber es ist kein Pfad entstanden. Der Sumpf ist wie zuvor, und jeder, der hineinkommt, findet keinen sicheren Boden mehr.
Bunyan will damit sagen: Das Schlimme ist, dass man sich mit Ordnungen, Gesetzen und Maßregeln beschäftigen kann, aber keinen guten Grund findet.
Die Verblendung durch das Gesetz und die wahre Rettung im Evangelium
Und das war das Problem bei den Galatern. Sie haben versucht, mit allen guten Gesetzen zurechtzukommen. Zuerst sagten sie: Das ist das jüdische Gesetz, das Reinheitsgesetz. Wenn wir das alles befolgen, wenn wir die ganzen Ordnungen des Alten Testaments einhalten, dann ist das doch gut. Dann werden wir ganz nah dran sein.
Vom Begreifen her müssen wir immer wieder sagen: Das ist eigentlich toll. Ich kenne das, wenn wir in einer Gruppe nach Israel reisen. Alle sind fasziniert und sagen: Mensch, wie die Juden, die strenggläubigen Juden mit den Schäfchenlocken da an der Klagemauer stehen, da können wir doch ein Stück davon abschneiden. Die meinen es doch so ernst. Und man muss immer sagen: Trotzdem ist das grottenfalsch.
Denn das ist nicht der Weg, auf dem man Gott erkennt. Das ist Verblendung. Ja, soll man dann einfach loslassen? Nein. Paulus sagt, ihr habt euch abwenden lassen, ihr habt euch abwenden lassen vom Evangelium.
Deshalb sagt er: Was ist denn das Evangelium? In Vers 4 steht es: Wir sind errettet von diesem argen Geschlecht. Ich kann mich aus meiner Lage nicht selbst befreien. Sie kommen aus ihrer Unreinheit, aus ihrer Sünde, aus ihrer Gebundenheit, aus ihrer Gottferne nicht heraus, indem sie sich selbst bemühen.
Im Bild gesprochen: Wenn ein Ertrinkender im Meer merkt, meine Kraft reicht nicht mehr, ich schaffe es nicht bis zum rettenden Ufer. Ich werde immer schwächer, das Ufer rückt immer weiter weg, das Wasser zieht mich hinaus ins Meer. Dann ist es eigentlich egal, ob er Rückenschwimmen oder Brustschwimmen macht. Er geht unter, er kann sich nicht selbst befreien.
Paulus erinnert daran und sagt: Ihr lieben Galater, da müsst ihr wieder zurückkehren zum Evangelium, zum Anfangspunkt, wo ihr mal gestartet seid. Es gibt in eurem Leben keine Möglichkeit, euch aus eigener Kraft zu befreien.
Aber die Ordnungen sind doch so schön, sagen sie. Paulus antwortet: Das Evangelium ist die Grundlage des Lebens. Und jetzt muss man wieder auf dieses herrliche Wort des Evangeliums zuerst zurückkommen. Das ist ja ein Schlüsselbegriff und wird auch am nächsten Dienstag noch eine große Rolle spielen.
Das Evangelium als befreiende Botschaft
Was ist denn das Evangelium? Zuerst haben wir darüber gesprochen, welche Not damals bei den Galatern herrschte, wo der Irrtum lag und warum Paulus sich aufregte. Er regte sich auf, weil die Leute etwas aus eigener Kraft tun wollten und die Kraft des Evangeliums nicht kannten.
In unseren Gemeinden ist das heute natürlich umstritten. Wenn wir eine Umfrage in Stuttgart machen würden, selbst bei Kirchgängern in verschiedenen Kirchen, und fragen, was die Aufgabe eines Christen heute in unserer Welt sei, würden viele antworten, dass ein Christ sich für das Gute einsetzen soll. Viele würden sagen, Christen seien sozial engagierte Menschen. Es kämen also viele Antworten, die das Tun betonen. Ganz selten würde wohl jemand sagen: Wir sind Menschen, die ungemein beschenkt werden von Jesus.
Dabei ist genau das das Zentrum des Glaubens. Was steht denn im Neuen Testament? Was hat Jesus gemacht? Er kam zu Menschen, offenbarte sich als Heiland und Herr. Er kam zu armen Leuten, einer Ehebrecherin, einem Schwarzhändler, einem Kriminellen. Jesus kam als der Befreier zu Fischern, das waren ganz normale Leute, Lebenshandwerker. Ihnen verkündete Jesus die Gottesherrschaft.
Die Gottesherrschaft kommt nicht erst, wenn man sich ganz arg müht, zwanzig Kurse besucht hat oder auf der Leiter des Glaubens weitergekommen ist. Nein, heute, in dem Moment, wo jemand Vertrauen zu Jesus hat, bricht die Gottesherrschaft an. Was ist eine Gottesherrschaft? Das ist der Himmel, das neue Leben beginnt. „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“
Jesus sagt: Es geht spontan, in dem Moment, in dem jemand die Frohbotschaft des Evangeliums hört. Also das Evangelium ist etwas, das einbricht und mein Leben trägt. Was ist Evangelium? Das ist heute eine wichtige Frage. Noch wird in unseren Gemeinden, Bibelstunden und Hauskreisen das Evangelium gelehrt.
Evangelium – ja, das ist doch das Neue Testament. Manchmal meint man damit einfach eine Nachricht, die das Leben verändert. Zum Beispiel: Da waren arabische Terroristen in israelischen Gefängnissen, die freigelassen wurden. Irgendwann wird es passiert sein, dass jemand in die Zelle kam und sagte: „Es ist etwas ausgehandelt worden am Grenzpunkt Eretz, und nach diesem Abkommen werdet ihr übermorgen freigelassen.“ Das ist ein Evangelium – eine Botschaft, die das Leben dieser Leute auf den Kopf stellt.
Es ist eine Nachricht, für die man nichts tun kann, die man nicht bezahlt, sondern die man empfängt. Ein berühmtes Beispiel für ein Evangelium ist ein Bote, der von der Schlacht zurückkehrt und der Bevölkerung in der Stadt mitteilt: „Keine Angst mehr, es ist alles gelöst. Die Feinde sind geschlagen. Ihr braucht keine Angst mehr zu haben. Alles ist in Ordnung.“
Ich nehme gern dieses Beispiel, um es deutlich zu machen: Einer ist in großer Not. Er wird von einem Schuldner verklagt, weil er angeblich das Geld nicht zurückbezahlt hat. Er sagt, er hätte die Quittung, kann sie aber nicht finden. Es gibt Gerichtsverfahren, und der Richter sagt: „Wenn Sie nicht nachweisen können, dass Sie bezahlt haben, müssen Sie die 30 Mark eben noch einmal zahlen.“ Da steht er vor Gericht und fragt sich: „Was soll ich noch tun?“ Plötzlich geht die Tür auf, und sein Sohn kommt herein und sagt: „Vater, ihr habt die Quittung gefunden.“
Evangelium – jetzt ist er frei, muss nichts mehr zahlen, alles ist erledigt. Das Evangelium ist die lösende Botschaft, die Befreiung. Dieses Wort hat Paulus aufgenommen und gesagt: Das ist meine Lebensaufgabe. Ich möchte in der ganzen Welt das Evangelium verkünden – diese befreiende, lösende Botschaft.
In 1. Korinther 9 heißt es, da sagt Paulus: „Ich muss, ich muss, ich muss. Ich kann mir niemanden verbieten. Und wenn man mich ins Gefängnis sperrt, ich muss das Evangelium predigen, die befreiende Botschaft.“
Jetzt spürt man den Gegensatz: Die Korinther waren ganz verkrampft im Tun. Die Galater waren ebenfalls verkrampft im Tun. „Wir müssen doch etwas tun, wir müssen kämpfen, wir müssen uns mühen, man muss aktiv sein.“ Heute ist dieser Aktionismus in unserer Christenheit weit verbreitet.
Es ist oft bedrückend, wenn Christen untätig sind. Untätig sein widerspricht der Liebe. Aber es wird oft vergessen, dass gerade das Evangelium immer die größte Tat der Liebe auslöst. Wenn jemand das Evangelium wirklich begriffen hat, wird sein Leben plötzlich umgekrempelt.
Wer entdeckt hat, was Jesus an uns tut, ist so erfüllt von Freude und sagt: „Mein Leben ist mir neu geschenkt, ich muss es jetzt weitergeben, ich will es hingeben.“ Paulus hat immer wieder gesagt: Ein Christ kann nur von der empfangenen Freude leben, so wie die ersten Christen davon überwältigt waren.
„Ach, er hat mir alle Schuld erlassen, und Christus ist bei mir.“ Dann war eine Kraft da, die sie unaufhörlich laufen ließ und tätig werden ließ. Das war die Kraft der ersten Christen, die Kraft des Evangeliums.
Warnung vor der Abwendung vom Evangelium und die Kinderkrankheiten im Glauben
Und deshalb sagt Paulus: Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat. Warum habt ihr euren Glauben eigentlich so verdreht?
Das haben wir vorhin gesagt: Es sind Kinderkrankheiten. Ein Mensch, der zum Glauben kommt, erlebt einen ganz großen Moment, wenn ihm seine Schuld vergeben wird. Das kann ich gar nicht fassen – Jesus hat alles bei mir durchgestrichen.
Doch nach ein paar Monaten wird dieser Mensch plötzlich ganz gesetzlich. Er wird verkrampft, verurteilt alle anderen und sagt: „Ja, die machen es ja viel zu leicht.“ Dann blickt er auf andere herab und meint, er mache alles recht. Er lebt nicht mehr aus der Freude der empfangenen Vergebung.
Das ist immer nur der Grund dafür, dass man gar nicht mehr sieht, wie sehr man selbst im Sumpf der Verzagtheit steckt. Je länger jemand Christ ist, desto mehr muss er sagen, dass das, was Paulus schreibt, richtig ist: Ich kann mich aus dieser gegenwärtigen Welt gar nicht selbst retten.
Was meint Paulus mit dieser „gegenwärtigen argen Welt“? Jetzt haben wir so eine schöne Sommerlandschaft, heute ist ein herrlicher Sommertag. Was meint Paulus damit? Schnell ins Schwimmbad, wandern oder gut zu Abend essen – wir genießen das Leben in vollen Zügen.
Was ist diese gegenwärtige arge Welt? Es ist der Sumpf, der in uns allen steckt, solange wir leben. Ein Sumpf, der gegen Gott arbeitet. Jeder von uns hat zu kämpfen damit, dass wir keine Lust auf das Gesetz Gottes haben, keine Freude am Bibellesen, dass wir uns gegen Gott auflehnen. Tief in uns drin steckt der Hass und die Leidenschaften.
Wir sind ein Teil dieser Welt – nicht der schönen Welt, wie Gott sie geschaffen hat, in der man noch den schönen Glanz sieht, sondern dieser Welt des Widerspruchs, des Antichristlichen, die in meinem Herzen steckt.
Es war immer wieder die Versuchung von Christen, mit strengen Vorschriften, Vermahnungen oder Paragraphen einzuengen. Es war immer wieder die Versuchung, eine reine Gemeinde zu bilden, in die niemand mehr aufgenommen wird, der falsch ist. Doch dann sitzt man eigentlich nur noch allein da, weil es ja gar keinen mehr gibt, der wirklich echt ist.
Deshalb sagt Paulus: Wie habt ihr euch abwenden lassen von diesem einen Anfang? Es gibt doch gar kein anderes Evangelium als das eine.
Die Einzigartigkeit des Evangeliums und seine Bewahrung
Dieses Wort aus Galater 1,8-9 war damals bei der Bekenntnisbewegung das Motto: „Kein anderes Evangelium!“ Mit dieser Kundgebung in der Westfalenhalle hat mir das immer sehr gefallen.
Die Bekenntnisbewegung wurde oft dafür angegriffen, doch eins hatte sie für sich: Sie hatte das Evangelium, das Neue Testament für sich. In der Christenheit gibt es keine andere frohe Botschaft.
Was hat es in der Zwischenzeit gegeben? Da gab es die Befreiungstheologie, eine Theologie der Revolution und vieles mehr. Doch es war nie das Evangelium. Das Evangelium bleibt die uralte Tatsache. Es wird auch im Jahr 2000 genau so der Kern sein, wenn wir der Welt verkünden: Gottes Liebe sucht dich. Du darfst in deiner Gottesferne umkehren. Jesus Christus ist der, der dir die Schuld vergibt.
Heute haben wir immer wieder das Problem, dass der moderne Mensch das nicht verstehen kann. Das kann überhaupt niemand verstehen. Das kommt ja später in Vers 12 und 13, den wir am nächsten Dienstag betrachten, zum Ausdruck. Da heißt es, Paulus: Das kann man mit dem Verstand nicht erfassen. Das muss Gott uns offenbaren. Gott muss uns eine Enthüllung schenken. Er muss den Riegel wegnehmen, er muss uns überwältigen, damit wir es begreifen können.
Wir sind Menschen, die es gar nicht verstehen können, obwohl es eigentlich so klar ist, so sonnenklar, dass ein Mensch das Evangelium begreift. Das kann nur der Heilige Geist durch eine Erleuchtung tun.
So war es auch bei Paulus. Er hat sich lange dagegen gewehrt. Da tobte ein Sturm in ihm. Er sagte: Das kann doch nicht wahr sein, was die Christen verkünden! Er hatte eine Feindschaft dagegen.
Dass in unserer Zeit noch einmal so etwas geschieht, dass in furchtbarer Weise eine Abwendung vom einen Evangelium des Heils kommt, ist traurig. Wir sagen: Es gibt kein anderes Heil, keine andere Rettung für einen Menschen, als dass er von der Vergebung Jesu herkommt.
Wir sagen heute immer wieder: Wir evangelisieren. Wie machen wir das, dass wir den Menschen erreichen? Das ist die Versuchung. Ich finde es toll, dass wir das versuchen. Wir müssen das irgendwie übersetzen, wir müssen uns verständlich machen.
Doch mir passiert immer wieder der Fehler, dass wir beim Übersetzen plötzlich eine Sprache sprechen, mit der wir dem Menschen die Sache erklären wollen, aber die Sache selbst nicht mehr in uns haben.
Schau auf die Sache! Ich möchte das immer jemandem erklären. Dann fange ich an, ich verteidige es, ich gebe etwas dazu. Aber irgendwo muss ich es doch sagen. So wie wir die vier geistlichen Gesetze sagen: Ich bin ein Mensch, der unter Sünde lebt. Es gibt nur einen Weg zu Gott: das Bekenntnis meiner Schuld, in der Buße die Vergebung durch das Blut Jesu, der für mich gestorben ist, und das neue Leben, das Christus in mir wohnt – das ist das Evangelium.
Dieses Evangelium, von dem wir am Sonntag bei der Gründung der Gemeinde gesprochen haben, ist das, was in aller Welt zum Wachstum der Gemeinde führt, auch in unserem Land.
Es ist noch nie ein Mensch anders zum Glauben an Jesus gekommen als durch diese Erkenntnis, durch das eine Evangelium. Es gibt keinen anderen Weg zu Christus.
Manche sagen, sie möchten schweigen. Tun wir das? Wir können nicht schweigen. Das Einzige, was Paulus erwähnt, ist, dass die Ehefrau nicht vor dem Mann predigen soll. Aber das Einzige, was Paulus hat, ist das Wort.
Sonst müssen wir es immer irgendwann einmal erklären. Wir können lange neben einem Menschen leben, aber irgendwann müssen wir ihm sagen: Du, das war für mich die befreiende Nachricht, wie Jesus in meinem Leben die Schuld vergeben hat.
Es gibt gar kein anderes Evangelium als dieses eine.
Die ernste Warnung vor falscher Lehre
Nun geht Paulus so weit und sagt: Wenn jemand ein anderes Evangelium predigt, so steht im Griechischen das Wort „anathema“, was bedeutet, dass dieser verflucht sei. Sie wissen, dass dieses Wort in der Kirchengeschichte das schlimmste war, wenn die Kirche etwas verbannt hat. Es wurde auf den Index gesetzt, wie man es nannte. Das war die Bannung eines Menschen.
Die Kirche hat dieses Wort benutzt und hat sogar Martin Luther wegen seiner Evangeliumsverkündigung mit dem päpstlichen Bann belegt. Das ist eine ernste Sache. Das Anathema – ich würde sagen, ich bin kein Apostel und deshalb sehr vorsichtig mit dem Gebrauch dieses Wortes – zeigt, dass man in keiner Weise damit spielen darf. Man kann nicht sagen, das sei alles nicht so schlimm und man wolle doch lieb zu den Menschen sein. Man muss klar sagen: Hier ist eine ganz gefährliche Grenze überschritten, wenn man einem Menschen furchtbar schuldig wird, indem man ihn vom Glauben wegführt.
Wenn das Evangelium verdreht wird zu einer anderen Lehre, die den Menschen erdrückt und ihm das Heil vorenthält, ist das eine große Gefahr. Durch die Jahrhunderte war es immer wieder so, dass, wenn dieses Evangelium neu entdeckt wurde, plötzlich Menschen zum Glauben kamen. Zum Beispiel in der Zeit von Matthias Claudius oder Johann Georg Hamann, oder in der Erweckungsbewegung.
Wir haben vorhin das Lied von Krumacher gesungen, aus der Familie Krumacher. Dort hat alles begonnen, im Siegerland, in einer Wohnstube. Der Erste ist zum Glauben gekommen und hat erkannt: Ich stehe vor Gott mit meinen Fehlern. Man kann das nur an sich selbst entdecken, so wie es auch Luther an sich selbst erlebt hat, was Buße bedeutet.
Andere erzählen davon, und die Menschen sind von diesem Wort getroffen. Sie lesen gemeinsam die Bibel. In unserem neuen Gesangbuch ist jetzt ein schönes Lied von einem Engländer namens Lyte enthalten – ich hoffe, dass man den Namen richtig ausspricht, L-Y-T-E. Aber man weiß sowieso nicht genau, wie man ihn im Englischen ausspricht. Das Lied heißt „Herr, bleib bei uns“, ein Abendlied, das im Süddeutschen Rundfunk oft gespielt wurde.
Man wünscht sich, dass es als Melodie gespielt wird. Die Geschichte dazu: Ein junger Mann will Medizin studieren, bekommt aber keinen Studienplatz. Schließlich macht er aus Verzweiflung Theologie. So ist er als junger Pfarrer in einer Gemeinde. Eines Tages muss er einen Kollegen im Nebenort besuchen, der im Sterben liegt.
Der sterbende Pfarrer sagt plötzlich: „Ich kann nicht sterben, das ist eine ganz schlimme Sache in meinem Leben. Ich kann mit niemandem darüber sprechen.“ Der junge Pfarrer Lütz weiß auch nicht, was er machen soll, weil er selbst nichts geglaubt hat. Er ist verzweifelt und fragt sich schließlich: „Nehmen wir einfach mal die Bibel her und lesen.“
Dann fingen beide an, obwohl sie Theologen waren – der eine im Sterben, der andere als junger Seelsorger –, das Evangelium zu begreifen. Der alte Pfarrer starb im Frieden, und der junge Pfarrer fand ein Evangelium, das ihn tief berührte. Von diesem Tag an wollte er nichts anderes mehr predigen als dieses Evangelium.
Denn er wollte den Menschen zeigen: Jesus ist der, der deine Schuld vergibt. Die ganzen anderen Fragen, wie man heute als Christ in der Politik handeln soll, erfordern Weisheit und Erkenntnis Gottes. Aber das Evangelium, aus dem heraus wir neue Menschen werden und errettet werden von der bösen Welt, kann nur aus dem Evangelium selbst kommen.
Das ist in Vers 4 beschrieben: Dieser Jesus Christus mit seinem Frieden und seiner Gnade sei bei euch.
Die apostolische Autorität des Paulus und die Grundlage des Glaubens
Jetzt muss ich noch etwas zu den ersten Versen sagen. Paulus beschreibt dort kurz, in welcher Autorität er das als Apostel tut. Er betont, dass die Verkündigung des Evangeliums nicht auf irgendeinem menschlichen Auftrag beruht.
Auch wurde sie nicht von irgendeinem Kreis von urchristlichen Verantwortlichen oder Funktionären beauftragt. Vielmehr kommt diese Autorität direkt von Christus selbst und von Gott, dem Vater. Die apostolische Autorität ist die Grundlage unseres Glaubens.
Wir sagen immer wieder: Unsere Gemeinde ist gebaut auf dem Fundament der Apostel und der Propheten. Das Wort, das uns die Propheten als Wort Gottes gesagt haben, und das, was uns die Apostel offenbart haben, ist für uns das verbindliche Wort.
Paulus sagt, dass er diese Verkündigung nicht in euer Urteil oder eure Kritik geben lässt, weil er sie vor seinem Herrn verantwortet. Sie unterliegt nicht eurer Prüfung oder Beurteilung.
Es ist beeindruckend, wie Paulus hier argumentiert – gerade auch für unsere heutige Zeit. Er sagt, das ist die Basis, und ohne diese gibt es kein Evangelium. Selbst wenn Engel vom Himmel kämen – egal mit welcher Autorität sie auftreten – könnten sie das, was in der Offenbarung Jesu Christi geschieht, nicht auslöschen.
Es ist gut, dass wir das heute wieder haben. Es dient uns als Korrektur und als Hinweis.
Abschluss: Die Freude am Evangelium und der Dienst aus Dankbarkeit
Mit was möchte ich Sie in diese Nacht entlassen? Es ist eine große Freude für uns, dass Jesus sich uns zeigt. Es ist ein Geschenk, das ich empfangen und aus dem ich leben darf – aus der Freude.
Am Sonntag hörten wir das schöne Wort, in dem Paulus sagt, dass wir tüchtig gemacht sind, dass wir die Geheiligten sind. Er hat uns durch seine Vergebung heilig gemacht. Wir sind brauchbar zum Dienst. Er hat uns aus dem Machtbereich der Finsternis versetzt.
Durch diese große Botschaft des Evangeliums wird der Dienst möglich. Aus Dankbarkeit und Freude darf ich ihm dienen.
