Heute Morgen habe ich ein kleines bisschen Angst, wenn ich an meine Predigt denke. Es könnte sein, dass dein persönliches Gottesbild durch die Predigt heute Morgen einen Knacks bekommt. Sollte das der Fall sein, möchte ich mich schon jetzt dafür entschuldigen.
Unter uns evangelikalen Christen gibt es so etwas wie ein Geheimnis. Es ist etwas, das man kaum wagt, offen anzusprechen, über das man nur selten redet. Und wenn wir doch darüber sprechen, fühlen wir uns meistens auch noch schlecht dabei. Dieses Geheimnis möchte ich heute Morgen einmal in der Predigt ansprechen und es zumindest versuchen.
Zwei Dinge haben mich dazu inspiriert: Zum einen waren es Gespräche mit Geschwistern, zum anderen ein Bibeltext, der mir vor einiger Zeit begegnet ist. Dabei dachte ich: „Wow, passt der eigentlich noch in dein persönliches Glaubenskonzept?“
Diesen Bibeltext wollen wir uns jetzt anhören. Ihr könnt ihn vorne an der Folie mitlesen. Er wurde mir von lieben Brüdern aus Spandau vorbereitet. Wir hören uns jetzt Psalm 88 an.
Wie ist das bei euch auf dem Bildschirm?
„Wer dient schwer an deinem Tor und mit allen deinen Modellen, hast du mich nie gegönnt, meine Kanten hast du von mir entfernt, hast du mich mir zum Abschalten geholt, ich bin angeschlossen.“
Habt ihr das Geheimnis erraten, über das ich heute predigen möchte? Es ist die Tatsache, dass wir manchmal an Gott verzweifeln. Wir verstehen ihn in seinem Umgang mit uns nicht mehr, besonders dann, wenn wir verletzt werden oder Not leiden. Wenn in uns das Gefühl aufkommt, Gott sei ungerecht oder vielleicht sogar gar nicht da.
Ich spreche von diesem Geheimnis eines unterschwelligen Unglaubens, der unter der Oberfläche der religiösen Zufriedenheit und des guten Lebens vieler Gläubiger verborgen liegt. Er krallt sich dort fest und kommt immer wieder hervor. Er erschreckt uns, wenn wir in Notlagen geraten oder wenn wir es erlauben, die ganze Brutalität der Verlorenheit dieser Welt an uns heranzulassen.
Die Herausforderung eines realistischen Glaubensbildes
Ich habe der Predigt heute den Titel gegeben: „Gib dem Kuschelgott die Kugel.“
Ich möchte damit beginnen, noch einmal über Psalm 88 nachzudenken. Psalm 88 ist der am wenigsten positive Psalm in der ganzen Bibel. Das habt ihr euch wahrscheinlich gedacht, nachdem ihr ihn gehört habt.
Ich habe mir schon vor einiger Zeit die Frage gestellt, ob so ein Lied oder besser gesagt so ein Gebet eigentlich in mein Bild von Christentum und Glauben passt – vielleicht auch in meine Glaubenspraxis. Kannst du dir vorstellen, so mit Gott zu reden? Kannst du dir vorstellen, dass du in eine Situation kommst, in der nur noch eine solche Sprache angemessen ist? Weil es tatsächlich keinen Hoffnungsschimmer mehr in deinem Leben gibt.
Ich gebe zu, dass Psalm 88 für mich, obwohl er so deprimierend ist von seinem Inhalt, ein eigentlich mutmachender Psalm ist. Mutmachend, weil er meinen Glauben und das, was ich an Erfahrungen in meinem Glauben mache, an die ganz reale Welt andockt. Als Christ bin ich dazu berechtigt, das Schlimme in der Welt tatsächlich noch schlimm zu nennen.
Ihr wisst, dass Psalmen geistliche Lieder sind, die man im Gottesdienst gesungen hat. Das ist hier nicht anders. Psalm 88 beginnt mit den Worten: „Ein Lied, ein Psalm von den Söhnen Koras, dem Chorleiter nach Machallat zu singen, ein Maskil von Heman dem Esrachiter.“
Wenn wir Psalmen lesen, brauchen wir zwei Dinge, damit wir sie richtig verstehen können. Das Erste ist, ihre Sprache zu verstehen. Psalmen sind als Lieder geschrieben, das heißt, sie benutzen eine ganz bewusst poetische Sprache. Eine poetische Sprache ist eine Bildsprache.
Bei Bildsprachen ist es immer so, dass wir, wenn wir sie übersetzen oder auslegen, extrem vorsichtig sein müssen. Ich gebe euch ein Beispiel: Ich sage zu meiner Frau: „Du bist für mich wie eine Rose.“ Dann meine ich nicht, dass sie Stacheln hat und nach einer Woche verblüht. Das ist nicht mein Gedanke dabei. So muss man auch bei der Auslegung von Psalmen die Sprache, die Poesie, immer mit in Betracht ziehen.
Es gibt aber einen zweiten Punkt, den wir bei den Psalmen berücksichtigen müssen, wenn wir sie lesen: Wir müssen ihre Funktion verstehen. Welche Funktion haben Psalmen?
Der größte Teil der Bibel ist Gottes Reden zu den Menschen. Gott benutzt Menschen, um zu anderen Menschen sein Wort zu sagen. Das ist der größte Teil der Bibel. Bei den Psalmen ist das anders, und das müssen wir einmal verstanden haben. Die Psalmen sind in dem Sinn kein theologisches Werk, in dem Gott zu uns redet, sondern sie sind Reden von Menschen zu Gott.
Da haben Leute etwas erlebt, haben das Erlebte in Poesie gegossen und quasi ihre Gebete aufgeschrieben und vertont. Es ist das Reden von Menschen zu Gott. Deshalb hören wir in den Psalmen so Dinge wie das Klagen von Menschen in Phasen totaler Niedergeschlagenheit und Verwirrtheit. Oder wir hören ihren Dank in Zeiten der Begeisterung und des Glücks. Wir bekommen mit, wenn sie überschwänglich für Gott sind und ihn für seine Güte und seine Vorsehung loben. All das steckt irgendwo in den Psalmen mit drin.
Man könnte sagen, die Psalmen spiegeln die gesamte Bandbreite der menschlichen Erfahrungen wider. Auf der einen Seite nehmen wir den letzten Psalm – den kennt ihr alle: „Halleluja, lobet Gott in seinem Heiligtum, Halleluja, lobet Gott…“ Da kommt Begeisterung, Freude rüber. Das ist die eine Seite, das eine Ende des Spektrums.
Auf der anderen Seite haben wir Psalm 88: Todesangst, Gottesferne, Niedergeschlagenheit. Wie heißt es in Vers 14: „Ich aber, o Herr, schreie zu dir, und am Morgen möge dir mein Gebet begegnen. Warum, Herr, verwirrst du meine Seele? Verbirgst dein Angesicht vor mir?“
Ist euch aufgefallen – ich habe das mal im Hauskreis gemacht – dass ich die positiven Zeilen aus Psalm 88 raussuchen ließ? Da ist keine drin. Es ist der einzige Psalm, der negativ anfängt und negativ aufhört. Nicht ein halber Vers, wo man sagen würde, der ist positiv. Es ist nur am Boden, nur niedergeschlagen, nur fertig.
Weil ich denke, dass wir realisieren müssen, dass eine solche Emotion zu unserem geistlichen Leben dazugehören darf, möchte ich heute mit euch drei Fragen betrachten.
Die drei Fragen lauten: Welche Erwartungen hast du an dein Leben mit Gott? Was verändert sich eigentlich bei meiner Bekehrung? Und wie gehe ich richtig mit Verzweiflung um?
Das sind die drei Fragen, um die es heute gehen soll.
Erwartungen an das Leben mit Gott und die Realität der Glaubenserfahrungen
Erste Frage: Welche Erwartungen hast du an ein Leben mit Gott?
Kann sich die Kombo vorstellen, Psalm 88 mal im Gottesdienst zu spielen, so im Vorprogramm, ganz normal? Wir singen mal ein Lied, vorgeschlagen wird Psalm 88. Ich muss zugeben, ich kann es mir eigentlich nicht so richtig vorstellen.
Als mir das klar wurde, dachte ich: Da gibt es ein Lied in der Bibel, bei dem ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen kann, dass wir es im Gottesdienst singen. Die Menschen damals haben es gesungen, aber wir kriegen das eigentlich nicht mehr hin. Das ist ein bisschen ein Gag. Einige haben auch ein wenig gelächelt, als sie das gehört haben, weil es eigentlich nicht passt.
Da ist mir aufgefallen, dass wir in der modernen Gottesdienstmusik eine merkwürdige Einschränkung haben. Ich habe das mal versucht darzustellen: Das Spektrum der menschlichen Erfahrungen reicht auf der negativen Seite von Verzweiflung, Depression, Mutlosigkeit, Trauer, Enttäuschung, Todesangst bis hin zu Versagen. Das ist die negative Seite.
Darüber hinaus gibt es die positive Seite, wo es Zuversicht, Freude, Jubel, Dank, Hoffnung, Optimismus und Glauben gibt. Wenn ich mir die geistlichen Lieder des Alten Testaments anschaue, dann finde ich die gesamte Bandbreite wieder.
Auch bei den Psalmen ist das so: Hier wäre vielleicht Psalm 88, dort eher Psalm 150, aber auch viele andere. Und ich finde eine ganze Menge, die dazwischen liegen, wo sowohl das eine als auch das andere dabei ist.
Jetzt schaue ich mir das moderne Liedgut an. Ich weiß nicht, ob ihr das sehen könnt, und stelle einfach fest: Von Verzweiflung, Todesangst, Mutlosigkeit, Niedergeschlagenheit – also ihr könnt ja mal in unseren Liederblättern durchgehen und mir sagen, was ihr unter Verzweiflung einordnen würdet. Ihr findet nichts. Das ist erst mal merkwürdig.
Ich frage mich, warum das so ist. Meine Sorge ist, dass unser modernes Liedgut ein Symptom für eine Krankheit ist, die ich einfach mal Weltfremdheit nennen möchte. Das heißt, ich glaube, wir neigen dazu, unsere Augen vor der Realität zu verschließen und an der fixen Idee festzuhalten, dass wir zwar in einer gefallenen, kaputten Welt leben, aber an ihren negativen Erfahrungen keinen Anteil haben müssen.
Kann es sein, dass unser Liedgut deshalb vor allem die angenehmen Seiten des Lebens widerspiegelt? Die Zuversicht, die Leichtigkeit, das Nette im Glauben – all das finden wir in unserem Liedgut, weil wir uns das eigentlich wünschen. Gleichzeitig blenden wir ein Stück weit bewusst Erfahrungen aus, die wir doch täglich im Leben machen.
Gelingt es uns noch zuzuhören, wenn wir zum Beispiel im Buch Ruth von Naomi hören? Sie hat ihren Mann und ihre zwei Söhne im Land Moab verloren, kehrt nach Bethlehem zurück und spricht über Gott:
Ruth 1,20-21: "Nennt mich nicht Naomi, nennt mich Mara, denn der Allmächtige hat mir sehr bitteres Leid zugefügt. Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der Herr zurückkehren lassen. Warum nennt ihr mich Naomi, da der Herr gegen mich ausgesagt und der Allmächtige mir Böses getan hat?"
Oder lesen wir vielleicht tendenziell über das Schicksal von Hiob hinweg – immerhin der Mann, von dem Gott selbst sagt, dass es keinen zweiten wie ihn gab: gerecht, redlich, gottesfürchtig. Dann passiert es: Er verliert alles, erst seinen Besitz, dann seine Kinder, dann seine Gesundheit. Das Einzige, was ihm bleibt, ist seine Frau. Aber die, wie wir wissen, ist auch vom Teufel mit Bedacht zurückgelassen worden, um ihn zu quälen.
Passt Hiobs Schicksal – also wie es sich tatsächlich abgespielt hat – zu unseren Erwartungen von einem guten Leben mit Gott? Passt das noch? Ihr müsst euch das selbst fragen.
Oder wenn wir beim Apostel Paulus lesen, wie er beschreibt, was alles Negatives in seinem Leben vorkommt: Ängste, Schläge, Gefängnisaufenthalte, Hunger, ab und zu ein Unfall mit dem Schiff, ein bisschen auf dem Meer treiben, sich an einer Planke festhalten, Mühe, Kälte, Sorgen.
Wenn du das liest, wie geht es dir dann? Denkst du: Nur gut, dass ich kein Apostel bin? Und vielleicht klopfst du innerlich auf Holz, wie deine ungläubigen Nachbarn, damit dir das Glück treu bleibt?
Ist das unsere Haltung, wenn wir an unser Leben mit Gott denken? Haben wir vielleicht Angst davor, dass es uns schlecht gehen könnte, weil wir ahnen, dass in unserem Inneren ein falsches Denken kultiviert ist? Dieses falsche Denken darf einfach nicht an der Realität zerbrechen. Davor haben wir Angst.
Ich habe den Eindruck, zumindest ein bisschen, dass wir als Christen leicht in eine Anspruchshaltung gegenüber Gott kommen. Mindestens lebt eine ordentliche Portion Christen so, als hätten sie diese Anspruchshaltung.
Diese Anspruchshaltung lautet ungefähr so: Ich habe mich bekehrt, also habe ich jetzt ein Recht darauf, dass es mir gut geht. Und wenn schon nicht richtig gut, dann doch wenigstens ein bisschen besser als meinem ungläubigen Nachbarn.
Das Zweite: Ich habe mich bekehrt, also muss ich jetzt verstehen, warum mir Dinge so passieren. Vielleicht kann ich noch damit leben, dass ich nicht alles verstehe, was in der Welt passiert, aber wenn mir etwas Negatives zustößt, dann möchte ich schon wissen, warum.
Diese Haltung begegnet mir öfter mal. Man könnte die Frage stellen: Warum soll ein Mensch überhaupt glauben, wenn es ihm dadurch nicht wenigstens ein bisschen besser geht? Ist das nicht eine legitime Frage?
Meine Antwort ist hoffentlich deutlich: Wenn du diese Haltung hast, dann ist das, was du hast, kein Glaube. Dann hast du etwas verwechselt.
Jemand, der so rangeht und sagt: Ich bekehre mich und danach geht es mir gut, der hat nicht wirklich angefangen, Gott zu vertrauen, zu glauben. Der hat einen Deal mit Gott gemacht: Ich gebe dir mein Leben, und du gibst mir die Sonnenseite des Lebens zurück. Irgendwie so.
Das ist aber nicht Glaube. Glauben heißt, dass wir in eine Beziehung eintreten. Und auf der anderen Seite dieser Beziehung steht eine Person.
Deshalb noch mal meine Frage: Warum soll ich glauben, wenn mir das nicht ein besseres Leben hier auf der Erde bringt?
Ich habe zwei Gründe zusammengestellt, die für mich die bedeutsamsten sind.
Der erste Grund lautet: Du sollst glauben, weil Gott ist. Im Alten Testament stellt sich der Gott Israels mit seinem Bundesnamen Yahweh vor. Yahweh heißt „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich bin da“, kurzgefasst: „Ich bin, ich bin das eigentlich Existierende.“
Das Denken des Menschen kommt überhaupt nicht an Gott vorbei. Du denkst manchmal: Na ja, ich verstehe Gott nicht, deswegen kann es ihn nicht geben. Oder: Das ist für mein Denken irgendwie schlimm.
Ich sage dir etwas ganz anderes: Wenn du Gott verstehen könntest, dann wäre Gott nicht mehr Gott. Schon das Alte Testament spricht davon, dass seine Gedanken höher sind als unsere Gedanken.
Für mich ist die Unverständlichkeit Gottes, dass wir nicht mehr logisch alles nachvollziehen können, ein Beweis für Gott. Dafür, dass er tatsächlich der Andere ist, der meinem 1400 Gramm grauen Masse Grips haushoch überlegen ist.
Warum sollst du Gott glauben? Weil es ihn gibt, weil er da ist, und deswegen verdient er Glauben.
Der zweite Punkt: Es macht Sinn, Gott zu glauben, auch wenn das nicht bedeutet, dass es mir dadurch besser geht im Leben.
Weil Gott mich in Raum und Zeit geliebt hat. Kreuz und Auferstehung sind ein Beleg für die Liebe Gottes zu dir.
Und es ist diese Liebe, die Gott bewiesen und gezeigt hat, die ein Recht darauf hat, dass wir ihn wieder lieben und ihm vertrauen.
Das sind zwei Punkte.
Die Bedeutung und Folgen der Bekehrung
Aber schauen wir uns eine zweite Frage an, die sich aus der ersten ein Stück weit ergibt und diese weiterentwickelt: Was ändert sich denn jetzt eigentlich bei der Bekehrung? Also, Bekehrung – wie funktioniert Bekehrung?
Till hat mir das hier mal zusammengestellt, in zwei Teile. Zuerst einmal ist Bekehrung natürlich eine Entscheidung. Im oberen Teil, wo Himmel und Hölle steht: Der Mensch ist auf dem Weg Richtung Hölle, realisiert plötzlich, dass das der falsche Weg ist, hält inne und kehrt um. Das ist Bekehrung. Ich bin nicht mehr auf dem Weg in die Hölle, sondern ich bin jetzt auf dem Weg in den Himmel. Schön.
Schauen wir uns den unteren Teil an, da wird es ein bisschen komplizierter. Was heißt denn Bekehrung praktisch? Ich entscheide mich. Und zwar entscheide ich mich zu glauben.
Ja, was ist das denn bitte schön, eine Entscheidung zum Glauben? Kannst du das noch ein bisschen genauer sagen? Ja, kann ich. Zuerst einmal: Wenn du sagst, ich will glauben, dann entscheidest du dich zu einer Beziehung, und zwar zu einer Beziehung zu einer anderen Person. Deswegen steht das hier unten. Du sagst: Ich will von nun an mit Jesus Christus leben. Das ist die Entscheidung zur Beziehung.
Wenn du aber sagst, ich möchte mit Jesus leben, folgt daraus ganz automatisch, wenn du die Beziehung ernst nimmst und ihn wirklich lieb hast, dass du die Dinge, die beziehungsschädlich sind, aus deinem Leben streichst. Das machst du mit deiner Frau ja auch nicht anders.
Also, ich habe da auch so ein paar Dinge im Leben, die ich nicht mehr tue, weil meine Frau sie nicht mag. Ich könnte euch da ein paar Beispiele geben. Das bekannteste Beispiel ist die täglich frische Unterhose. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es absolut übertrieben ist, täglich die Unterhosen zu wechseln. Es ist reine Liebe, Schatz! Aber es ist klar: Auf der Ebene der Ehe will ich meiner Frau gefallen. Auf der Ebene der Gottesbeziehung ist es nicht anders, nur dass wir da einen Begriff haben wie Gehorsam, der uns nicht ganz so gut schmeckt wie Liebe, aber ich habe ihn trotzdem da hingeschrieben.
Gehorsam ist ein Ausdruck von Liebe. Dadurch, dass ich die Dinge tue, die meiner Frau gefallen, liebe ich meine Frau. Dadurch, dass ich die Dinge tue, die Gott gefallen, liebe ich Gott. Und deswegen ist die Entscheidung zum Glauben als Entscheidung zur Beziehung immer auch eine Entscheidung zum Gehorsam. Sonst lebe ich diese Beziehung nämlich nicht. Sonst sage ich nur, dass ich eine Beziehung habe, aber ich habe sie nicht.
Und in dem Moment, in dem ich bereit bin, gehorsam zu leben, komme ich logischerweise hier drüben an. Ich mache Erfahrungen mit Gott, weil mein Gehorsam mich in Situationen bringt, in denen dieser Gehorsam gefragt sein wird. Und aus Gehorsam kommt Erfahrung.
Weil ich gute Erfahrungen mache mit Gott, weil ich merke, sein Wort funktioniert, er trägt mich durch, verstärkt das wieder meine Beziehung, mein Vertrauen in Gott. So ist Glauben, Eintritt in eine Beziehung, so eine Spirale, die mich immer ein Stück weiter nach oben schraubt, wo ich immer mehr lerne, Gott zu vertrauen, ihn zu verstehen, ihn zu genießen, ihm näher zu kommen, dichter dran zu sein an dem, was er sich denkt.
Das ist eigentlich Bekehrung. Wenn ein Mensch in diesem Sinn zu Gott umkehrt, dann wird er in der Sprache der Bibel ein Kind Gottes. Er bekommt seine Sünden vergeben, er bekommt ewiges Leben geschenkt, er bekommt den Heiligen Geist und damit Zugang zu Gottes Führung und Belehrung. Aber das ist alles nicht unser Thema heute.
Unser eigentliches Thema ist: Wie sieht das denn bitte auf der emotionalen Seite aus? Wie fühle ich mich denn dabei, wenn ich so ein Gläubiger bin, in so einer Beziehung drin? Und da ist es leider – oder soll ich sagen, so ist es halt – so, dass wir nicht mit unserer Bekehrung automatisch auf der Sonnenseite der Gefühlswelt herauskommen.
Ich muss es eigentlich anders sagen: Es ist nicht nur so, dass die Bandbreite unserer emotionalen Erfahrungen gleich bleibt. Die Bibel spricht davon, dass wir als Gläubige eher auf der Seite der jetzt für euch von vorher negativen Erfahrungen noch dazugewinnen.
Du wirst Christ und plötzlich erlebst du Ablehnung. Hattest du vorher nicht. Du warst vorher irgendwie einfach mit dabei, das war einfach cool. Ja, die alle haben dich gemocht, alle fanden dich lieb und nett. Und jetzt sowas?
Dann fangen die Leute an, über dich zu spotten. Ha, auch so ein Fundi geworden, ja, so ein komischer. Was, das glaubst du? Das ist nicht dein Ernst, oder? Du warst doch immer so ein Vernünftiger, du kannst doch nicht an so einen Blödsinn glauben!
Vielleicht geht es sogar in Richtung Verachtung. Wenn du einen muslimischen Hintergrund hast, kommen vielleicht Schläge dazu, Drohungen, vielleicht verstößt dich deine Familie. Es wird am Arbeitsplatz schwieriger. Du gehst zu deinem Chef und sagst: Also, hören Sie mal her – man muss das natürlich freundlicher sagen, als ich das jetzt mache, aber sinngemäß wird es doch so bleiben – hören Sie mal her, ich habe mich jetzt bekehrt, ich werde Sie nicht mehr am Telefon verleugnen, ich werde jetzt die Wahrheit sagen. Viel Spaß!
Und es gibt andere Dinge, unter denen Menschen leiden. Geschwister von uns leiden darunter, dass sie keinen Ehepartner haben. Hey, das ist eine Not, und ich weiß, dass es eine Not ist. Und wisst ihr, woher die Not kommt? Sie kommt nicht daher, dass es nicht Männer oder Frauen gäbe, die irgendwie in Betracht kommen. Aber als Christ soll es ein gläubiger Partner sein. Und da ist die Auswahl irgendwie deutlich kleiner und deutlich schwieriger. Das ist eine echte Not.
Wie gehen wir damit um? Wir merken: Ich bekehre mich. Und wir fangen irgendwie bei Psalm 150 an, und dann wachen wir irgendwann auf und stellen fest: Oh Backe, auch am anderen Ende tut sich emotional doch eine ganze Menge.
Das Angebot Gottes im Blick auf unser Leben – und das ist euch, denke ich, klar, aber ich will es einmal sagen – heißt nicht: Ich bringe dir Spaß. Das ist nicht Gottes Angebot.
Was Gott tut, ist Folgendes: Er sagt, ich zeige dir, was wirkliches Leben ist, und dann lass uns gemeinsam in eine kaputte Welt gehen. Lass uns die Augen aufmachen vor einer wirklichen Hoffnungslosigkeit, die in dieser Welt herrscht, und lass uns Menschen aus ihrer Verlorenheit retten.
Das ist Gottes Angebot an dich. Und deswegen heißt unser Angebot, wenn wir in die Welt hinausgehen, nicht: Komm zu Gott und dein Leben wird schön. Sorry, das könnte ich nie so formulieren. Aber ich könnte formulieren: Komm und lass dich versöhnen mit Gott. Spring, solange du noch kannst, ab von dem Zug, der in die Hölle rast.
Das ist mein Angebot an die Menschheit.
Die Kraft des Glaubens im Umgang mit der Welt
Inwiefern hilft mir eine Beziehung zu Gott dann aber doch in dieser Welt? Macht sie nur alles schlimmer? Oder gibt es da doch irgendwie noch Hoffnung? Ich denke, es gibt drei Dinge, die ich dazu sagen kann.
Die Überschrift lautet: Gott ändert nicht die Welt, in der du bist. Aber was Gott tut, ist, dass er deinen Umgang mit der Welt ändert – und zwar ganz eklatant an drei Punkten.
Erstens: Als Christ stehe ich dieser Welt und ihrer Not nicht mehr allein gegenüber. Gott geht mit.
Zweitens: Als Christ weiß ich, dass diese Welt, in der ich jetzt lebe, nicht alles ist. Oder anders formuliert: Das Beste kommt noch. Wenn ich hier diesseits der Ewigkeit nicht das neueste Handy, den Traumpartner, den coolen Job, Gerechtigkeit, Ausgeglichenheit, Gesundheit, diverse Talente oder irgendetwas habe, dann weiß ich ganz genau: Das Beste, das Eigentliche kommt noch.
Drittens: Als Christ kann ich darauf vertrauen, dass der, der Himmel und Erde gemacht hat und mich geliebt hat, mich auch bis zum Schluss lieben wird. Ich darf darauf vertrauen, dass Gott weiß, was er tut.
Das sind drei Wahrheiten, die mir persönlich im Umgang mit dieser Welt sehr, sehr wichtig geworden sind: Du bist nicht allein, das Beste kommt noch, und Gott weiß, was er tut.
Deswegen kann Paulus auch im 2. Korinther 4,7-11 seine Lebenssituation so beschreiben:
„Wir haben aber diesen Schatz – und das ist das Evangelium – in irdenen Gefäßen, damit die überragende Größe der Kraft von Gott sei und nicht aus uns. In allem sind wir – hört euch das an – in allem sind wir bedrängt, aber nicht erdrückt; keinen Ausweg sehend, aber nicht ohne Ausweg; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht vernichtet; allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde.
Denn ständig werden wir, die Lebenden, dem Tod überliefert um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar werde.“
Paulus will sagen: Mein Leben ist in der Tat kein Zuckerschlecken. Aber bei all dem Druck, den ich in meinem Leben erfahre, da finde ich in mir eine Kraft, die mich durchhalten lässt. Und je mehr ich meine eigene menschliche Kraft dahinschwinden sehe, desto mehr stelle ich fest, dass da eine andere Kraft in meinem Leben ist, die mich aufrecht hält und die mich meinen Dienst vor Gott zu Ende bringen lässt.
Das ist Paulus.
Wenn Leid zum Erfahrungsschatz der Christen dazugehört, dann möchte ich noch eine dritte Frage beantworten, nämlich: Wie gehe ich richtig mit Verzweiflung um?
Umgang mit Verzweiflung als Spiegel des Gottesbildes
Dein Umgang mit Verzweiflung
Zunächst muss ich definieren, was ich unter Verzweiflung verstehe. Für mich sind das Situationen, die dich emotional im negativen Sinn überfordern. Verzweiflung ist der Zustand, in dem du dir jede erdenkliche Situation vorstellen kannst, in der du merkst: „Ich bin eigentlich mit meiner eigenen Kraft am Ende. Das geht mir zu weit. Ich bin fast oder schon jenseits meiner Belastungsgrenze.“ Du weißt nicht mehr, was du noch denken oder fühlen sollst. Wie gehst du mit solchen Situationen um?
Das Erste, was mir auffällt, ist: Der Umgang mit solchen Situationen offenbart unglaublich viel von deinem Gottesbild. In einer solchen Lage wirst du feststellen, ob das Bild, das du von Gott hast, eine Projektion deiner eigenen Wünsche ist. Das heißt, ob du dir deinen Gott quasi selbst aus deinen Traumvorstellungen zusammengestrickt hast, wie Gott sein sollte. Oder ob du bereit bist, Gott tatsächlich Gott sein zu lassen.
Du wirst merken, ob du Gott zum Kuschelgott gemacht hast. Kuschelrock-CDs kennt man ja – das ist eigentlich kein richtiger Rock, sondern etwas Weiches, Sanftes. So ein Kuschelgott ist ein anschmiegsamer, weicher, netter Gott, wie ein Kissen, in das man sich kurz vor dem Einschlafen hineinschmiegen kann. Nicht zu warm, nicht zu kalt, einfach nur nett.
Der Punkt ist: Verzweiflung wird dein Gottesbild herausarbeiten. Wenn du also den Gedanken hast, dass dein Kuschelgott nur den Job hat, dich glücklich zu machen, wirst du in einer solchen Situation, wie sie vermutlich im Psalm 88 beschrieben wird, erfahren, wie du wirklich zu Gott stehst. Du wirst merken, ob er für dich noch der Allmächtige ist, der Andere, der Überlegene, die Majestät im Himmel. Ich sage es bewusst auch: der Unfassbare, der sich unserer Bewertung einfach entzieht. Darf Gott das für dich noch sein?
Ihr kennt sicher alle das Buch Hiob. Man liest es regelmäßig durch und weiß, wie es ausgeht. Wie geht es euch, wenn ihr das Buch lest? Mir geht es jedes Mal so, dass ich mich über den Schluss ärgere. Hiob muss ja durch das ganze Buch hindurch: erst die ganzen Probleme, dann machen seine Freunde alles noch schlimmer. Am Ende hätte ich gedacht, dass Gott ihm wenigstens aus purer Höflichkeit die Sache erklärt oder sich vielleicht entschuldigt. Aber jeder, der das Buch gelesen hat, weiß: Gott tut es nicht.
Gott begegnet Hiob, aber er stellt ihm nur Fragen – kapitelweise Fragen. „Warst du dabei, als ich all das hier gemacht habe?“ Hiob bekommt keine Antworten, sondern eine Frage nach der anderen. Mit jeder Frage wird etwas klarer: Ich bin der Schöpfer, und du bist das Geschöpf. Jede Frage offenbart diese Distanz noch ein Stückchen mehr. Am Ende steht Gottes Erhabenheit, seine Gewaltigkeit, seine Absolutheit einfach da.
Und weil Hiob ein schlauer Kerl ist – schlauer als viele moderne Menschen – tut er das einzig Richtige: Er sagt, er lege seine Hand auf den Mund, sagt nichts mehr und hat seine Lektion verstanden. Vielen Dank.
Die Antwort Gottes auf das Leid Hiobs ist nicht eine Rechtfertigung Gottes, sondern die Konfrontation Hiobs mit der Andersartigkeit, mit der göttlichen Majestät Gottes. Gott sagt: „Ich bin Gott, bitte nimm das zur Kenntnis.“
Wir haben es an dieser Stelle sogar noch ein Stück leichter. Wisst ihr, warum? Wenn Hiob die Güte Gottes hätte sehen wollen, dann hätte er in die Schöpfung schauen können. Er hätte an den guten Zusammenhängen der Schöpfung erkennen können: Gott ist gut. Und ich denke, das ist auch der Kern dessen, was Gott tut. Er zeigt Hiob die Schöpfung, die guten Zusammenhänge. Indem er ihm die ordentlichen, schönen, praktischen Zusammenhänge zeigt, erkennt Hiob: Ja, stimmt, Gott ist gut. Was tue ich hier eigentlich?
Wir haben nicht nur die Schöpfung, wir haben Golgatha. Golgatha beweist, wie sehr Gott uns geliebt hat. Von daher würde ich formulieren: Gott hat es überhaupt nicht nötig, uns noch einmal zu beweisen, wie lieb er uns hat. Das hat er schon getan. Wir haben es nötig, ihm zu beweisen, dass wir ihn lieben.
Zeiten der Verzweiflung sind Zeiten, in denen wir das tun können.
Praktische Hinweise zum Umgang mit Verzweiflung
Wie gehe ich richtig mit Verzweiflung um? Ich habe ein paar Punkte zusammengestellt.
Die wichtigste Lektion aus Psalm 88 ist, dass es ein Klagen vor Gott gibt – und zwar ein Klagen, das kein Anklagen ist. Der Herr Jesus hat uns das vorgemacht. In Hebräer 5,7-8 heißt es über den Herrn Jesus: „Der hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als Flehen mit starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tode retten kann, und ist um seiner Gottesfurcht willen erhört worden.“
Wow, ich hoffe, das ist der Jesus, den ihr anbetet: ein Mann, der mit starkem Geschrei und Tränen im Gebet Gott gesucht hat. Nicht nur einmal in Gethsemane, sondern das war seine Haltung. Er hat seine ganze Verzweiflung, Angst, Furcht und seinen Schmerz immer wieder Gott gebracht und wird damit unser Vorbild.
Du darfst das! Du musst deinen Schmerz nicht in dich hineinfressen. Du musst nicht mit aufgesetzter Fröhlichkeit durch die Gegend laufen. Du darfst weinen. Du darfst vor Gott schreien, vor Gott schluchzen, du darfst heulen. Wo könnten wir das tun, wenn nicht bei unserem Vater im Himmel?
Und noch etwas: Wir dürfen miteinander weinen, schluchzen und heulen. „Weint mit den Weinenden“, heißt es in der Bibel, nicht „klopft ihnen jovial auf die Schulter und raunt ihnen ins Ohr: Es wird schon wieder.“ Nein, nimm dir Zeit zum Mitweinen.
Die zweite Lektion aus Psalm 88 ist, dass – egal wie die Umstände sind, auch wenn ich keinen Ausweg mehr sehe, ja sogar wenn ich den Eindruck habe, Gott ist gegen mich – ich Gott um seiner selbst willen vertraue. Ich vertraue ihm, weil ich weiß, wie er ist.
Wenn du zu mir kommst und sagst: „Jürgen, ich habe deine Frau gestern mit einem anderen Mann Hand in Hand im Mariendorfer Park spazieren gehen sehen“, dann werde ich dir anlächeln und sagen: „Du spinnst.“ Das tue ich nicht, weil ich ihren Terminkalender so genau kenne und weiß, dass sie gestern Nachmittag in Spandau mit den Kindern gebastelt hat. Das tue ich allein, weil ich meine Frau kenne und weiß: Nein, sie ist treu, sie würde das nie tun.
Das ist Vertrauen, das ist letztlich Glauben. Und ich denke, in der gleichen Weise können wir Gott begegnen. Er, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn hat sterben lassen für uns, der an einer so zentralen Stelle seines und unseres Lebens nicht versagt hat, sondern seine Liebe bewiesen hat – das ist doch der, dem wir auch in allen anderen Situationen unseres Lebens vertrauen können, oder? Ich denke zumindest, so sollte es sein.
Deshalb ist es richtig, an Gott festzuhalten und die Gemeinschaft mit anderen Christen zu suchen. Statt Gott anzuklagen und innerlich aufzugeben, darf ich Gott vertrauen. Ich darf immer wieder zum Kreuz blicken und dort persönlich Sicherheit erfahren. Ich darf das.
Ich habe auch noch hinzugefügt: In allem Dank sagen. Die Bibel spricht in meinen Augen nicht davon, dass wir für alles Dank sagen sollen, sondern in allem. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Das heißt: In jeder Situation meines Lebens gibt es Dinge, für die ich dankbar sein kann, und die darf ich nicht vergessen.
Das Problem ist, dass gerade das Negative unsere Gedanken gefangen nimmt und uns zwingt, nur das Negative anzuschauen. So verzweifeln wir über einen negativen Punkt, dass wir all das Positive in unserem Leben nicht mehr sehen und nicht mehr dankbar sein können.
„Sagt in allem Dank, freut euch im Herrn.“ Es gibt so unglaublich viel, was Freude bringt, und das dürfen wir auch in Phasen der Niedergeschlagenheit immer wieder bedenken.
Und dann vergesst nicht die drei Punkte:
- Wir stehen der Welt nicht allein gegenüber, Gott geht mit.
- Diese Welt ist nicht die einzige Welt, das Beste kommt noch.
- Gott weiß, was er tut.
Das sind zentrale Wahrheiten, die in Zeiten der Niedergeschlagenheit extrem wichtig werden.
Schlimm wird es, wenn statt Dank und Freude in unserem Leben Murren herrscht – vielleicht zusammen mit seinem Lieblingsbegleiter, dem Unglauben.
Ich kenne die Geschichte vom Volk Israel: Sie werden befreit aus der Sklaverei, kommen in die Wüste und erleben ein Wunder nach dem anderen. Und was passiert dann? Jedes Mal, wenn es ein neues kleines Problem gibt, womit reagieren sie? Mit Murren. „Schon wieder nichts zu essen, schon wieder ist das Wasser bitter, hier ist langweilig, man muss immer im Kreis laufen.“ Und was ihnen alles einfällt: „Wir wollen auch mal führen, Mose da vorne macht seinen Job nicht richtig.“ Und was sie sonst noch sagen: „Wir hätten gern wieder Knoblauch und Zwiebeln, früher war alles besser.“ So ein Blödsinn.
Was zeigt sich an der Stelle? Dass sie einfach ungläubig sind. Murren offenbart, wie vielleicht keine andere Haltung, Unglauben. Deshalb warnt uns die Bibel auch sehr eindrücklich davor, wenn wir anfangen zu murren.
Jetzt merkt ihr schon, das ist eine Spannung: Auf der einen Seite darf ich Schmerz und Klagen zu Gott bringen – ich soll das sogar vielleicht tun. Das wäre meine Behauptung: Tu es, weine, schreie und heule vor Gott. Lass deinen Schmerz raus.
Auf der anderen Seite gibt es da das Murren und den Unglauben. Damit soll ich überhaupt nichts zu tun haben.
1. Korinther 10,10 sagt im Blick auf die Israeliten: „Murrte auch nicht, wie einige von ihnen murrten und von dem Verderber umgebracht wurden.“ Tut es nicht!
Der Judasbrief schreibt über die gottlosen Sünder: „Diese sind Murrende, die mit dem Schicksal hadern.“
Nein, mit dem Schicksal hadern heißt nicht nur, dass Gott nicht gut mit mir meint, oder dass früher alles besser war, oder dass ich mich nicht hätte bekehren sollen. Das sind Gedanken, die einem da durch den Kopf gehen können. Das ist eine ganz gefährliche, böse Haltung.
Murren ist in der Bibel kein Kavaliersdelikt, sondern eine Form von Rebellion.
Zusammenfassung und Ermutigung für den Glaubensweg
Kommen wir zum Schluss. Es ging mir heute Morgen darum, unseren Glauben an Gott und die Erfahrungen, die wir als Gläubige in der Welt machen, zusammenzubringen. Drei Fragen waren mir dabei wichtig.
Welche Erwartungen hast du an ein Leben mit Gott? Mein wesentlicher Punkt war: Der Glaube ist kein Deal, den du mit Gott machst, sondern der Eintritt in eine Beziehung zu dem Gott, der ist und der dich nachweislich mehr geliebt hat, als du ihn jemals zurücklieben können wirst.
Zweitens: Was ändert sich bei meiner Bekehrung? Es ändert sich unglaublich viel. Die wesentlichen Dinge des Lebens verändern sich. Emotional geht es eigentlich erst richtig los, weil Gott dich als Teil seiner Rettungsmannschaft in eine defekte Welt hineinschickt.
Es sind drei Dinge, die uns helfen können, diese zusätzlichen negativen Erfahrungen aufzufangen: Erstens, wenn wir daran denken, dass wir in der Situation nicht allein sind. Gott geht mit – egal, wie es bei dir aussieht. Zweitens, dass wir immer daran denken: Das Beste kommt noch. Und drittens, dass wir nie vergessen, dass Gott weiß, was er tut.
Und wenn Verzweiflung kommt – wie gehe ich dann mit dieser Verzweiflung um? Das war die dritte Frage. Mein Punkt dabei war: Du darfst deine Klage vor Gott ausschütten, du darfst deinen Schmerz hinausschreien, du darfst das, was in dir drinsteckt, auch wirklich zeigen. Aber hüte dich davor, Gott anzuklagen und zu murren.
Danke Gott in allem. Freu dich an den Dingen, die dir niemand mehr wegnehmen kann.
Mein Gebet ist für jeden Einzelnen von euch, dass eine solche Einstellung euch durch die Stürme des Lebens trägt, die kommen werden und die, wie ich denke, im Moment stärker über unsere Gemeinde hinwegfegen als noch vor zwei, drei, vier Jahren. Möge sie euch durch diese Stürme hindurchbringen.
