Einführung: Die Geschichte der Kriegsgefangenen und die Stellvertretung Christi
Ich erzähle euch eine Geschichte von Kriegsgefangenen, die ich einmal gehört habe. Ob sie wahr ist oder nicht, weiß ich nicht genau, aber ich glaube schon. Auf jeden Fall geht es um Kriegsgefangene, die von Eroberern zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.
Eines Tages vermissen die Meister einen Spieß. Sie haben alles gezählt, und einer fehlt. Mit einem Spieß, denken sie, kann man wirklich viel Schaden anrichten. Es muss einer der Kriegsgefangenen gewesen sein, und sie wollen wissen, wer den Spieß gestohlen hat. Sie versammeln alle und bitten denjenigen, der es getan hat – es waren nur Männer –, sich zu melden.
Derjenige soll hingerichtet werden. Natürlich will sich niemand melden. Nach einiger Zeit, kurz bevor sie anfangen, alle hinzurichten, meldet sich einer der Kriegsgefangenen. Er wird abgeholt und hingerichtet.
Später stellt sich heraus, dass sie sich bei der Aufzählung der Spieße verzählt hatten. Alle Spieße waren tatsächlich da. Der getötete Kriegsgefangene hatte nichts gestohlen; er wollte einfach seine Mitgefangenen retten.
In der Geschichte waren eigentlich alle schuldlos, und das Urteil war ungerecht. Trotzdem war es eine schöne, selbstlose Geste. Wie viel mehr sollte uns die Stellvertretung Christi zum Staunen bringen, worum es heute insbesondere gehen wird!
Jesus, der Schuldlose, wird verurteilt, damit die Schuldigen ihrem verdienten Gericht entkommen. Eine erstaunliche Verurteilung und das Elend in Jerusalem – das ist, was uns heute beschäftigen wird. Das steht in Lukas 23,13-31. Ihr könnt die Stelle in eurer Bibel aufschlagen oder im Predigtblatt nachlesen, dort ist der Text abgedruckt.
Bevor wir anfangen, möchte ich beten: Vater, wir danken dir für diesen Morgen, den du uns geschenkt hast. Wir danken dir, Herr, für die wunderbaren Wahrheiten, die wir schon gesungen haben. Herr, wir danken dir, dass wir das Privileg haben, vor dich zu kommen und im Gebet zu dir zu treten.
Ich bitte dich, dass du uns jetzt beim Zuhören deines Wortes hilfst, dass du zu unseren Herzen sprichst und dass wir aufnahmebereit sind. Wirke dein Wunder in uns. In Jesu Namen, Amen.
Die Unschuld Jesu vor den Richtern
In der letzten Woche haben wir gesehen, dass Jesus vor die geistlichen Führer gebracht wurde. Diese fanden ihn schuldig der Gotteslästerung, obwohl er natürlich Gott ist und somit unschuldig. Dennoch erklärten sie ihn für schuldig.
Anschließend brachten sie ihn zu Pilatus. Pilatus konnte nichts Falsches an ihm feststellen. Danach wurde Jesus zu Herodes gebracht. Auch Herodes fand nichts, was Jesus falsch gemacht hätte, obwohl er ihn verspottete.
Nun sind wir wieder bei Pilatus. Ich lese die Verse 13 bis 15:
Pilatus aber rief die Hohenpriester, die Oberen und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: „Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt. Und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, derentwegen ihr ihn anklagt. Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient.“
Der Eindruck könnte entstehen, dass Pilatus beim Fall Jesu der Sache nicht wirklich auf den Grund gegangen ist, da alles sehr kurz berichtet wird. Doch Lukas komprimiert hier sehr viel und liefert nicht alle Details.
Pilatus ist hier sehr klar und unerschütterlich in seiner Überzeugung, dass Jesus schuldlos ist. Er ist der Sache wirklich nachgegangen und hat keine Schuld bei Jesus gefunden – weder er noch Herodes. Das sagt einiges aus, denn weder Pilatus noch Herodes waren gutmütige Menschen.
Im Lukasevangelium sehen wir zum Beispiel in Kapitel 13, wie Pilatus das Blut von Menschen mit Opfern vermischte (ihr müsst das nicht nachschlagen). Das zeigt seine aggressive Natur, die auch die Geschichte bestätigt. Pilatus war kein gutmütiger Mensch.
Noch weniger war Herodes Antipas gutmütig. Er ließ Johannes den Täufer hinrichten, nachdem dessen Tochter bei einer Feier darum gebeten hatte. Es gibt auch weitere Hinweise im Lukasevangelium und außerhalb der Bibel, die zeigen, dass Herodes ebenfalls kein gutherziger Herrscher war.
Trotzdem erkennen beide: Diesen Menschen können wir nicht hinrichten. Er hat nichts getan.
In Vers 16 sagt Pilatus: „Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben.“ Hier ist noch nicht die Geißelung gemeint, die wir vielleicht aus Filmen kennen und die Jesus später als Vorbereitung auf die Kreuzigung erfahren wird. Es geht hier um eine geringere Züchtigung. Pilatus scheint die religiösen Führer mit dieser milden Strafmaßnahme beschwichtigen zu wollen.
Das funktioniert jedoch nicht. Stattdessen wird Jesus, der Schuldlose, verurteilt, und ein Schuldiger, von dem wir gleich hören werden, wird freigesprochen.
Die Freilassung Barabbas und die Verurteilung Jesu
Lies mit mir bitte Vers 18 und 19: Da schrien sie alle miteinander: „Hinweg mit diesem! Gib uns Barabbas los!“ Barabbas war wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden.
Wir lesen in den anderen Evangelien, dass Pilatus die Gewohnheit hatte, zum Passafest einen Gefangenen loszulassen. Pilatus sucht sich einen berüchtigten Gefangenen aus, der wegen eines Aufruhrs und eines Mordes im Gefängnis war. Interessanterweise war Barabbas sowohl für die Römer als auch für die Juden jemand, der den Tod verdient hatte.
Für die Römer war er wegen Aufruhrs schuldig. Das allein sollte dazu führen, dass er hingerichtet wird. Die Römer waren dafür bekannt, Aufrührer erbarmungslos niederzuschmettern. Für die Juden stand im Gesetz, dass Mörder hingerichtet werden sollen. Pilatus denkt also: Wenn ich Barabbas gegenüber Jesus aufstelle, werden die Leute spätestens dann mit ihren Forderungen aufhören. Barabbas ist ganz klar jemand, der den Tod verdient – nicht nur bei uns Römern, sondern auch bei ihnen.
Eigentlich ist das eine klare Entscheidung, ein No-Brainer. Doch das Volk ist verblendet. Sie wollen Barabbas, sie wollen den Schuldigen loslassen.
Lest mit mir bitte Vers 20 bis 23: Da redete Pilatus abermals auf sie ein, weil er Jesus losgeben wollte. Sie riefen aber: „Kreuzige, kreuzige ihn!“ Er aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: „Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient. Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben.“ Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, dass er gekreuzigt würde, und ihr Geschrei nahm Überhand.
Ein zweites und ein drittes Mal versucht Pilatus, das Volk zu überzeugen, dass sie eine unschuldige Person verurteilen wollen. Aber der Mob ist selten vernünftig. Menschen sind in der Lage, zu verrückten Sachen bewegt zu werden.
Es ist interessant, dass das eine Woche nach Palmsonntag geschieht, wo alle ihn zujubelten. Sie werden angestachelt von den geistlichen Führern der damaligen Zeit. Dieses wankelmütige Volk wird dazu bewegt, den Schuldigen loszulassen und den Schuldlosen zu verurteilen.
Pilatus versucht es, doch ihr Geschrei wird immer lauter. Sie lassen ihm keine andere Wahl.
Verse 24 und 25: Und Pilatus urteilte, dass ihre Bitte erfüllt werde, und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten. Aber Jesus übergab er ihrem Willen.
Jesus, der Schuldlose, wird verurteilt, und Barabbas, der für einen Aufruhr und einen Mord verantwortlich war, ist frei.
Die Betonung hier liegt darauf, dass immer wieder betont wird: Barabbas ist schuldig, Barabbas ist schuldig. Es wird auch gesagt, warum er schuldig ist: Aufruhr und Mord.
Sie lassen den frei, der einer ähnlichen Art von Straftat schuldig ist, mit der sie Jesus in Vers 2 der letzten Woche angeklagt hatten. Sie hatten ihn angeklagt wegen Aufhetzung. Und sie lassen jemanden los, der wegen Aufruhr ins Gefängnis geworfen wurde.
Es geht ihnen natürlich nicht um Gerechtigkeit. Sie wollen Jesus einfach loswerden.
Die göttliche Gerechtigkeit trotz menschlicher Ungerechtigkeit
Wir beobachten also, dass der Text uns sehr klar machen will: Jesus ist absolut schuldlos. Das ist kein uneindeutiger Fall, kein Fall, den man so oder so auslegen könnte. Pilatus ist davon fest überzeugt, und Herodes hat ihn dabei bestätigt.
Auf der anderen Seite haben wir eine Person, die eindeutig schuld ist. Auch hier handelt es sich nicht um einen uneindeutigen Fall. Sowohl nach römischem als auch nach jüdischem Gesetz soll diese Person sterben.
Nun, was für eine Ungerechtigkeit, eine Verhöhnung des Rechts! Wie kann nur so etwas geschehen? Welche Tiefe erreicht hier die Verblendung der Menschen, zumindest derjenigen, die hier präsent sind? Man könnte meinen, dass das Böse gewinnt. Die Finsternis hat die Überhand, und das kann uns traurig und wütend machen, vielleicht vor allem hilflos, so wie sich zurzeit viele Menschen in Bezug auf den Krieg in der Ukraine fühlen. Menschlich gesehen ist das tatsächlich wirklich schlimm.
Sie sündigen hier gewaltig. Sie nennen das Gute böse und das Böse gut. Und noch mehr: Sie verachten und verurteilen den Gott, der sie geschaffen hat, dem aller Ehre gebührt, der ihnen Leben gab. Stattdessen lassen sie einen rebellischen Mörder, jemanden, der Leben nimmt, freisprechen. Menschlich gesehen ist das absolut schlimm.
Aber ich möchte auf das wunderbare Wirken Gottes in dieser ganzen Situation hinweisen. Egal wie schlimm es aussieht, Gott hat für keinen einzigen Moment die Kontrolle verloren. Denn obwohl die Ungerechtigkeit der Menschen hier sehr groß ist, wirkt Gott, um seine Gerechtigkeit zu offenbaren.
Wir müssen eines verstehen: Gott ist absolut heilig. Er erduldet in seiner Gegenwart nichts Böses, nichts Sündhaftes. Wir Menschen aber sind von Natur aus Sünder, wir sind Schuldige, Rebellen wie Barabbas. Wir lieben Gott und unsere Mitmenschen nicht, wie wir sollen. Gegen andere Menschen spüren wir oft Verachtung und Bitterkeit. Jesus hat das in Matthäus mit Mord gleichgesetzt – Mord im Herzen. Gegen Gott lehnen wir uns auf und wollen nicht, dass er über uns herrscht. Wir wollen selbst Herren sein.
Eigentlich sind wir, genauso wie Barabbas, für Aufruhr und Mord schuldig. Dafür verdienen wir Gottes Zorn. Und weil Gott heilig und gerecht ist, kann er Böses nicht übersehen – genauso wenig, wie ein guter Richter einen Straftäter ohne weiteres einfach freilässt.
Das ist also das große Problem, dem wir gegenüberstehen: Das Gericht muss vollstreckt werden, denn Gott ist gerecht. Das bedeutet für schuldige Menschen wie dich und mich, ewig verdammt zu sein.
Aber Gott hat Jesus als Sündopfer, als Stellvertreter für Sünder, hingestellt. So soll sein Zorn auf ihn fallen, während Sünder freigelassen werden, wenn sie eben diesen Stellvertreter annehmen. Somit ist Gott zugleich gerecht. Denn das Böse wird in Jesus gerichtet, und er spricht alle frei, die dieses Sühnopfer annehmen.
Auf den ersten Blick sehen wir die schlimme Ungerechtigkeit, die geschieht, als Jesus verurteilt wird. Aber Gott ist gleichzeitig dadurch am Wirken, um seine Gerechtigkeit zu offenbaren. Dadurch lässt Gott Sühnung wirken, oder in anderen Worten: eine volle Bezahlung für die Sünde der Menschen. Er macht gerecht und bleibt dabei gerecht.
Ob dieses Ereignis irgendetwas mit Barabbas gemacht hat oder nicht, wissen wir nicht. Wir hören nichts mehr von Barabbas. Aber dieser Fall ist eine wunderbare Illustration, eine bildliche Darstellung des stellvertretenden Opfers Christi.
Die Bedeutung der Stellvertretung für unser Leben
Ich möchte diesen ersten Punkt hier anwenden. Erstens: Was wir hier sehen, ist, dass Gott immer die Oberhand hat, egal wie schlimm Menschen sich versündigen. Gott bringt seine Pläne zur Vollendung, auch in Situationen, in denen wir meinen könnten, er sei am weitesten weg. Wir lesen kein Wort von dem Vater hier – er ist am Wirken, er ist am Wirken. Das soll uns wirklich trösten, ermutigen und uns helfen, auch in schlimmen Situationen auszuharren.
Noch wichtiger und noch größer ist der Punkt, den wir hier sehen: Was Barabbas uns verbildlicht. Er verbildlicht die Lage von jedem von uns. Wir sind schuldig und geistlich verurteilt. Aber wie Jesus den Platz von Barabbas einnahm, sodass Barabbas vom physischen Tod befreit wurde, so nimmt Jesus den Platz aller ein, die an ihn glauben. Dadurch werden sie vom ewigen geistlichen Tod befreit. Und das ist das Herzstück des Evangeliums. Ohne Stellvertretung gibt es keine Vergebung unserer Sünden.
Was machst du mit dieser Tatsache? Vielleicht hörst du heute zum ersten Mal von Stellvertretung. Wirst du, nachdem du das gehört hast, Jesus dein Stellvertreter sein lassen, indem du deine Schuld an ihn abgibst? Oder behältst du lieber deine Schuld für dich selbst, sodass du weiterhin unabhängig von ihm leben kannst? Das hat aber schlimme Konsequenzen, denn die Schuld eines jeden Menschen muss beglichen werden. Darauf werden wir gleich im zweiten Teil des Predigttextes noch eingehen.
Ich möchte dich damit wirklich herausfordern. Bitte sprich mit mir nach dem Gottesdienst, wenn du mehr darüber hören willst und auch, wenn du mehr über diesen Stellvertreter erfahren möchtest, der dieses Opfer annehmen kann. Bitte sprich mich nach dem Gottesdienst an.
An dieser Stelle habe ich auch ein Wort an die Eltern unter uns. Ich ermutige euch wirklich, euren Kindern beizubringen, was Stellvertretung bedeutet. Ich finde, dass diese Geschichte dafür sehr geeignet ist. Sie bringt wirklich heraus, was Stellvertretung ist. Es ist absolut wichtig, dass unsere Kinder lernen, dass Jesus Christus ein Opfer für Sünder ist. Nutzt diese Geschichte, um euren Kindern das beizubringen.
Viele von euch haben Jesus als Stellvertreter angenommen. Ihr habt davon schon gehört, ihr wisst das, und soweit glaubt ihr das auch. Aber ich möchte euch trotzdem fragen: Macht diese Tatsache der Stellvertretung einen Unterschied in eurer Beziehung zum Herrn? Denn das sollte sie. Macht diese Tatsache euch dankbar, weil Gott dir so wohlgesinnt ist? Macht diese Tatsache euch demütig, weil ihr erkennt, dass ihr den Tod hättet erleben müssen, den Jesus für euch genommen hat? Macht diese Tatsache euch zuversichtlich, weil wirklich alles bezahlt ist und du wirklich frei bist? Oder kämpfst du immer noch mit Schuldgefühlen und verdammst dich selbst?
Lasst die Tatsache der Stellvertretung in unsere Herzen hineindringen, denn sie macht einen Unterschied in unserer Beziehung zum Herrn. Die Stellvertretung Christi ist unsere Rettungsleine und für Christen der Grund zur großen Erleichterung. Wir sind frei. Es macht uns zuversichtlich, dankbar und freudig. Lasst uns das wirklich beherzigen.
Das Elend in Jerusalem und die Bedeutung von Jesu Leiden
Der zweite Teil macht uns deutlich, warum dies eine solche Erleichterung für uns sein darf.
Wir sehen hier das Elend in Jerusalem, zum einen das Elend des verurteilten Jesus, aber noch stärker wird unser Blick auf das Elend der verurteilten Jerusalemer gelenkt. Jesus ist nun versiegelt, er soll gekreuzigt werden. Das ist ein schweres Urteil, eine der grausamsten Hinrichtungsmethoden der Römer und vielleicht sogar der Menschheitsgeschichte. Diese Strafe war wirklich den schlimmsten Straftätern vorbehalten.
Vor der Kreuzigung gab es gewöhnlich auch eine Geißelung, eine Auspeitschung. Ich erspare euch die Details, aber es war offenbar so schlimm, dass Verurteilte manchmal schon bei der Geißelung starben. Lukas erwähnt dies nicht, aber die anderen Evangelien bestätigen, dass Jesus ebenfalls gegeißelt wurde.
Was Lukas jedoch macht, ist, dass er andeutet, dass Jesus schon sehr schwach ist. In Vers 26 lesen wir: „Und als sie ihn abführten, ergriffen sie einen Mann, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, und legten das Kreuz auf ihn, damit es Jesus nachtrage.“ Das weist darauf hin, dass es üblich war, dass der Verurteilte sein eigenes Kreuz trug. Jesus scheint jedoch nicht in der Lage zu sein, dies selbst zu tun. Er ist offenbar sehr schwach. Deshalb trägt Simon von Kyrene das Kreuz.
Vers 27 beschreibt weiter das Elend von Jesus Christus. Ihm folgte eine große Volksmenge und Frauen, die klagten und ihn beweinten. Eine große Menge, besonders Frauen, beklagten und betrauerten Jesus. Das zeigt uns, dass die Aufforderung, Jesus zu kreuzigen, nicht von allen kam. Zum einen zeigt es das, aber es zeigt uns auch, dass das Leid und Elend Jesu wirklich eine schreckliche Szene gewesen sein muss. Der Text sagt, dass viele ihn beklagten. Es muss wirklich schrecklich gewesen sein.
Jesu Selbstlosigkeit und der Blick auf das kommende Gericht
Zwei Dinge sind für uns deshalb bemerkenswert. Erstens wird die Qual Jesu sehr knapp beschrieben. Details sind äußerst sparsam, nur das Nötigste wird erwähnt.
Zweitens lenkt Jesus selbst die Aufmerksamkeit der weinenden Menge und auch der Leser weg von seinem eigenen Leid. In Vers 28 heißt es: Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: „Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder.“
Das ist auf der einen Seite bewundernswert, weil wir hier die wunderschöne und beeindruckende Selbstlosigkeit von Jesus Christus sehen. Trotz seines Leids kümmert sich Jesus weiterhin um die Menschen. Das ist weit entfernt von Selbstmitleid. Jesus kennt Selbstmitleid nicht. Man kann nur über die Selbstlosigkeit Jesu staunen.
Wir könnten voll Verständnis dafür haben, wenn Jesus an dieser Stelle die Menschen nicht mehr im Blick hätte. Doch nein, er hat sie weiterhin im Blick. Besonders möchte Jesus die Menschen auf das Leid Jerusalems hinweisen. Er nimmt die Menschen hier besonders in den Blick – worum es ihm wirklich geht. Ich glaube auch, das ist der Grund, warum Lukas so sparsam mit Details ist. Er will deutlich machen: Das, was mit Jesus geschieht, geschieht um eurer Willen. Eure Aufmerksamkeit soll darauf gerichtet sein.
Bedenkt vielmehr, was mit euch geschieht und wovon euch Jesus rettet.
Dunkle Tage kommen auf Jerusalem zu. So dunkel und so fürchterlich wird dieses Gericht sein, dass Werte plötzlich auf den Kopf gestellt werden. Vers 29 sagt: „Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in der man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leibe, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht genährt haben.“
Nicht die fruchtbare Frau ist die gesegnete Frau, wie es sonst in der Bibel üblich ist, sondern die Unfruchtbaren und Kinderlosen. Diese Umkehrung der Werte kommt nicht aus Kinder- oder Familienfeindlichkeit zustande, sondern weil die Tage so schrecklich sein werden, dass es besser wäre, keine Kinder in solchen Zeiten zur Welt zu bringen. Sonst ist nur noch Leid vorprogrammiert.
Eine solche Einstellung ist heute gar nicht fremd. Aus Angst vor Entwicklungen in der Welt entscheiden sich viele Paare tatsächlich dafür, keine Kinder zu bekommen – wegen düsterer Prognosen. Wie viel mehr gilt das, wenn es sich nicht nur um Prognosen handelt, sondern um ein echtes, zerstörerisches Gericht, das bald hereinbricht.
Das Bild, das das noch einmal unterstreicht: „Dann werden sie anfangen zu sagen zu den Bergen: Fallt über uns! Und zu den Hügeln: Bedeckt uns!“ Hier wird Hosea zitiert, den wir schon in der Textlesung gehört haben. Die Menschen fordern die Berge und Hügel auf, sie zu bedecken. Mit anderen Worten: Sie möchten lieber von gewaltigen Felsen zertrümmert werden, als das kommende Gericht zu erleben.
Das ist großes Elend, das über Jerusalem kommen wird. Warum? Jesus hat das schon früher in Lukas klargemacht. In Lukas 19 spricht er davon, dass sie die Zeit ihres Heils nicht erkannt haben. Weil sie Jesus Christus verkannt haben und den einzigen Weg der Errettung verworfen haben.
Wenn sie dieses Opfer, diesen Weg der Errettung ablehnen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als dem Zorn Gottes ausgeliefert zu sein. Das bringt Vers 31 zum Ausdruck: „Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am Dürren werden?“
Ein Theologe hat dieses Bild so zusammengefasst: Wenn Gott erlaubt, dass sein gerechter Sohn die Kreuzigung erlebt, welches Los müssen dann die ungerechten Jerusalemer und diejenigen, die ihn kreuzigen, erwarten? Wenn es dem Unschuldigen in der Zeit der Gnade so ergeht, wie viel mehr dem Schuldigen in der schlimmen Zeit des Gerichts?
Jerusalem soll dem Gericht verfallen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Zorn Gottes einbricht. Tatsächlich ist es eingetreten, als die Römer Jerusalem im Jahr 70 nach Christus grausam zerstörten. Es war wirklich grausam – ganze Geschichtsbücher berichten davon. Jesu Worte wurden bestätigt.
Doch selbst das, liebe Leser, war nur ein Vorschatten des Endgerichts, das über alle kommen wird, die in Rebellion verharren und Gottes Errettungsweg ablehnen.
Der Aufruf zur Umkehr und zur Verkündigung des Evangeliums
Und deswegen möchte ich nochmals darauf beharren: Es geht um den Ausweg für die Verurteilten, um den Ausweg für die Verurteilten. Jesus geht diesen Weg, damit verurteilte Menschen einen Ausweg haben.
Deshalb richtet Jesus die Aufmerksamkeit der Leute nicht auf sich selbst, sondern auf das kommende Gericht. Nicht auf sein eigenes Leid, sondern auf ihr eigenes Leid. Er will die Menschen wachrütteln. Jesus ruft uns hier zu: Trauert nicht um mich, sondern trauert um euch selbst und um alle, die noch nicht mein Heil angenommen haben.
Denn es gibt nur zwei Wege: Entweder tragen wir selbst die Konsequenzen unserer Rebellion, was eine ewige bewusste Erfahrung von Gottes Zorn bedeutet, oder wir lassen durch Glauben Jesus als stellvertretendes Opfer für uns gelten.
Ein anderer Theologe hat das einmal treffend formuliert: Jesus sucht hier nicht Sympathie, sondern Bekehrung, nicht Mitleid, sondern Buße. Er lässt sich verspotten, schlagen, verurteilen und auspeitschen. Und wie wir in den kommenden Tagen auch hören werden, lässt er sich kreuzigen – weil die Menschen sonst keinen Ausweg haben, sondern nur die Erwartung eines schrecklichen Gerichts.
Jesu Leid war sehr groß, aber absolut notwendig.
Auch diesen Punkt möchte ich zum Schluss noch betonen: Wenn wir über das Leid Jesu nachdenken, dann lassen wir uns wirklich nicht um ihn trauern. Er lebt, er ist zur Rechten Gottes. Wir müssen nicht um ihn trauern, und er will das auch nicht. Vielmehr will er, dass wir unseren Blick auf unsere eigene Verlorenheit richten.
Ich hoffe und bete, dass das uns alle dazu führt, sein Opfer anzunehmen. Dass das uns dazu führt, Jesus und seine Errettung zu ergreifen, indem wir unser Vertrauen auf ihn setzen.
Noch einmal die Einladung: Sprich mit mir nach dem Gottesdienst, wenn du mehr wissen möchtest. Die meisten von euch haben das schon gemacht.
Dieser Text ruft uns dazu auf, um Menschen zu trauern, die noch wegen Unglaubens dem Gericht Gottes verfallen sind. Das ist der Aufruf an uns Christen. Im Lichte dieses Gerichts sollen wir zur Tat bewegt werden.
Lasst uns unsere Augen öffnen für die Verlorenheit der Menschen um uns herum. Sie sind in unseren Familien, sie sind in unserer Nachbarschaft, sie sind unsere Arbeitskollegen, sie sind in unserer Stadt und auch in anderen Ländern. Sie brauchen diesen Ausweg, diesen Rettungsweg, zu hören!
Wer wird es ihnen sagen?
Lasst uns in Gotteskraft aktiv werden und zeugnishaft leben! Ja, ladet eure Freunde zu Gottesdiensten ein! Nutzt den Christianentdeckerkurs, der immer wieder angeboten wird! Man kann auch selbst zu Hause für die Nachbarn evangelistische Hauskreise starten oder quasi einen Mini-Christenentdeckerkurs bei sich zu Hause machen und Freunde einladen.
Manche Leute, das weiß ich aus der Vergangenheit, haben während ihrer Mittagspause bei der Arbeit für die, die wollten, also es ist nichts gezwungen, ein Bibelstudium quasi während des Mittagessens angeboten.
Für manche von euch könnte auch ein Dienst im Ausland in Frage kommen. Wir haben schon länger keinen Missionar ausgesandt. Warum ist das so? Natürlich ist das nicht für jede Person der richtige Weg, aber lasst euch zumindest die Frage stellen: Kommt das für dich in Frage?
Sprich die Ältesten an, damit wir gemeinsam mit dir prüfen können, ob das der richtige Weg für dich ist.
Aber egal, ob hier vor Ort oder im Ausland: Lass dich von dieser Stelle zur Tat bewegen – mach irgendetwas!
Die Herausforderung, Leid für den Rettungsweg in Kauf zu nehmen
Und dazu brauchen wir, glaube ich, noch eine Herausforderung und vielleicht auch eine Ermutigung aus diesem Text.
Wir lernen oder sehen hier, wie Jesus schreckliches Leid in Kauf nimmt, damit Menschen einen Rettungsweg haben. Ich möchte uns die Frage stellen: Sind wir bereit, Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, damit Menschen über diesen Rettungsweg erfahren?
Christen seit Jesus haben das unvergleichbare Leid Christi als Motivation genommen, um schwierige Dinge zu tun, damit Menschen von dem Rettungsweg Christi erfahren. Ich gebe euch zwei Beispiele.
Paulus sagt in Kolosser 1,24: „Jetzt freue ich mich in meinen Leiden, die ich um eurer Willen erleide, und ich erfülle meinerseits in meinem Fleisch, was noch an Bedrängnissen des Christus aussteht, um seines Leibes willen, welcher die Gemeinde ist.“ Paulus sieht sich selbst als jemanden, der die Leiden Christi erfüllt oder fortführt – die Verlängerung sozusagen des Leidens Christi.
Das bedeutet nicht, dass das Leiden Christi unvollkommen war – überhaupt nicht! Was es bedeutet, ist, dass Christi Leid uns ein Muster für das christliche Leben gibt. Das war Paulus. Und jetzt, näher zu unserer Zeit, der Chinamissionar und Gründer der Missionsgesellschaft WEC, die in England beheimatet ist: Charles Studd. Er hat Folgendes gesagt: „Wenn Jesus Christus Gott ist und für mich starb, dann kann für mich kein Opfer für ihn zu groß sein.“
Von dem Leid Christi motiviert, nehmen Christen Schwierigkeiten in Kauf. Es fällt uns schwer, Zeugnis für Christus zu sein und auch von seiner Errettung zu sprechen. Mir geht es auch so, ich bekenne das vor euch.
Aber ich hoffe und bete, dass die Leiden Christi an unserer Stelle und das ewige Leid der Menschen, die Jesu Rettungsweg nicht kennen oder anerkennen, uns zur Tat motivieren. Möge Gott uns dazu das Wollen und das Vollbringen schenken.
Schlussgebet
Lass uns beten. Vater, wir staunen über diesen wunderbaren Rettungsweg, den du in Jesus Christus vollbracht hast, Herr. Es ist die Stellvertretung, von der wir so viel profitieren.
Herr, wenn es hier Menschen gibt, die das noch nicht angenommen haben, dann zeige ihnen bitte, dass dies wirklich der einzige Rettungsweg ist. Für den Rest von uns, die wir es bereits angenommen haben, bitten wir dich, dass du uns zur Tat motivierst. Herr, lass uns dankbar sein, vor allem demütig und zuversichtlich in dir.
Du hast so Wunderbares für uns getan. Herr, gib uns ein Vorbild für unser Leben, damit Menschen, die diesen Rettungsweg noch nicht kennen, davon erfahren und sich uns anschließen.
Das bete ich in Jesu Namen, Amen.