Einführung und Überblick zum Titusbrief
Die nächsten vier Wochen sind rappelvoll, deshalb gibt es wieder kurz gehaltene Vorträge. Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und ihr hört die Vorträge zum Titusbrief von der Jugendpfingstfreizeit der Allgäuer Gemeinden. Wir beschäftigen uns gemeinsam mit dem Titusbrief.
Heute Abend wagen wir einen Einstieg und schauen uns die ersten vier Verse an. Für mich trägt der Titusbrief den Titel: „Hör auf zu quatschen und tu gute Werke – das Einmaleins des Glaubens für Gangster und Faulpelze.“
Kurz zusammengefasst ist das der Titusbrief – ein superpraktischer Brief aus dem Neuen Testament.
Paulus – der Verfasser und seine Berufung
Ich beginne mit dem Verfasser dieses Briefes, dem Apostel Paulus. Paulus oder Saulus – er hatte tatsächlich beide Namen. Es wird nicht aus einem Saulus ein Paulus; er trug von Anfang an beide Namen. Das war ganz typisch für Menschen, die in verschiedenen Kulturkreisen zu Hause sind.
Wenn ich nach Amerika gehe und jemandem sage, dass ich Jürgen heiße und mit einer Bärbel verheiratet bin, versteht das dort niemand. Aus Jürgen und Bärbel werden dann George und Barbara, und alles ist gut. So verhält es sich auch mit Saulus und Paulus: Es sind einfach zwei Namen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Deshalb spiegelt sich das auch in dem Namen wider, den er verwendet, je nachdem, in welchem Kulturkreis er sich bewegt.
Paulus beschreibt sich selbst als eine „unzeitige Geburt“. Das bedeutet, er ist der letzte echte Apostel, der berufen wurde. „Unzeitig“ auch im Sinne davon, dass seine Bekehrung vor Damaskus nicht so recht ins gewohnte Bild passt. Er ist ein Ausnahmetyp.
Im 1. Korinther 15,8-10 heißt es: „Zuletzt aber von allen, gleichsam der unzeitigen Geburt, erschien er auch mir.“ Hier beschreibt Paulus, wie Jesus ihm erschienen ist. Weiter sagt er in Vers 9: „Denn ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.“
Doch durch Gottes Gnade ist er geworden, was er ist. Das ist eine wichtige Botschaft: Alles, was wir sind, verdanken wir Gottes Gnade. Egal, wie und wann Gott dich berufen hat – wenn du das zulässt, kann Gott deine Geschichte komplett umschreiben. Er kann aus dir jemanden machen, der am Ende seines Lebens sagen kann: „Ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“
Dann kannst du dich am Ende freuen, wie Paulus, auf einen Siegeskranz, der auf dich wartet. Und...
Paulus’ Missionsreisen und die Rolle von Titus
Paulus wird hier berufen: Durch die Gnade bin ich, was ich bin, nämlich Apostel und Gemeindegründer. Die Apostelgeschichte beschreibt, wie Paulus mehrere Missionsreisen unternimmt – von Antiochia in Syrien, das heute ein Kriegsgebiet ist, hinein in das Gebiet der heutigen Türkei, weiter bis nach Griechenland. Am Ende, wenn man die Apostelgeschichte ganz durchliest, kommt er sogar nach Rom.
Paulus erscheint als Angeklagter in Rom, und damit endet die Apostelgeschichte. Wir befinden uns etwa im Jahr 62 nach Christus.
Man kann darüber streiten, aber wenn man dem Kirchenhistoriker Eusebius folgt und auch anderen frühchristlichen Autoren Glauben schenkt, dann war Paulus am Ende der Apostelgeschichte in Rom unter Hausarrest. Er kam jedoch noch einmal frei. Danach besuchte er Gemeinden im Mittelmeerraum, die er gegründet hatte oder zu denen er einen Bezug hatte.
Dabei muss er mit seinem Mitarbeiter Titus nach Kreta gekommen sein. Titus ist so einer von der ganz harten Sorte – das kann man gut studieren. Wenn Timotheus zu lax ist, dann schickt man Titus. Titus ist so etwas wie ein kleiner, fieser, dicker Pitbull-Hund. Man geht lieber einen Schritt zur Seite, weil man nicht gebissen werden möchte. Titus ist zuständig für die groben Sachen.
Timotheus ist eher etwas weicher, fast schon ein Weichei. Titus hat solche Probleme nicht. Den schickt man hin, und dann rappelt es im Karton. Es ist klar, wo der Hammer hängt und was zu tun ist.
Die Entstehung der Gemeinden auf Kreta und ihre Herausforderungen
Die Frage lautet also: Wann ist das passiert? Jetzt wissen wir, dass Paulus an Titus schreibt. Paulus ist Apostel, Titus sein Mitarbeiter. Titus wird als jemand von der etwas gröberen Sorte beschrieben – den braucht es auch. Ich hatte ja einmal gesagt: Ein Glaube für Gangster und Faulpelze. Die Kreter waren schon, wenn man in die Geschichte schaut, ein Seeräubervolk. Sie waren bekannt dafür, dass sie sich gegenseitig in den Stadtstaaten die Köpfe eingeschlagen haben. Das war ihre Art.
Und jetzt entsteht dort trotzdem eine Gemeinde. Wann genau das passiert ist, wissen wir nicht. Aber ich möchte euch mal aus der Apostelgeschichte Kapitel 2, Verse 1 bis 11 vorlesen. Hört mal zu! Es kann nämlich schon sehr früh gewesen sein, dass auf Kreta tatsächlich Gemeinden entstanden sind.
„Als der Tag des Pfingstfestes erfüllt war, waren alle an einem Ort beisammen. Plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, als führe ein gewaltiger Wind daher, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen. Sie wurden alle mit heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer von jeder Nation unter dem Himmel.“
Es war gerade ein großes Fest, überall waren Leute nach Jerusalem gekommen, an Pfingsten. Als dieses Geräusch entstand, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, weil jeder Einzelne sie in seiner eigenen Mundart reden hörte. Das sind jetzt die, die sich im Obersaal getroffen hatten. Sie entsetzten sich alle und wunderten sich und sagten: „Sind nicht alle diese, die da reden, Galiläer?“
Das ist klar, logisch. Du kommst irgendwo an, findest ein Quartier in Jerusalem. Dann rumpelt es irgendwie, du denkst: „Ups, fällt hier gleich die Hütte ein.“ Du gehst auf die Straße und stellst fest, dass dort jemand in schönstem Allgäuer Dialekt das Evangelium predigt und Gott preist. Du denkst: „Ich bin doch falsch, ich bin doch hier in New York, wo kommt der denn her?“ Das macht doch gar keinen Sinn. Was macht man? Man bleibt natürlich stehen.
In Vers 8 hören wir: „Wir hören sie in jeder unserer Mundarten, in der wir geboren sind.“ Dann folgt eine Liste: Parther, Meder und dann steht da „Kreter“. Das heißt, an Pfingsten sind Leute aus Kreta, also Juden von der Insel Kreta, in Jerusalem dabei.
Man kann sich vorstellen, dass sie das gehört haben. Danach kommt die Pfingstpredigt, und es bekehren sich Hunderte, sogar Tausende. Das ging dann eine Weile so weiter. Es kann gut sein, dass eine Handvoll gläubiger Judenchristen aus Kreta irgendwann wieder nach Hause fahren und sagen: „So, wir bauen jetzt Gemeinde.“
Jahre später, also 30 oder 35 Jahre später, sind Gemeinden auf Kreta entstanden. Paulus und Titus sind dort, erleben diese Gemeinden. Weil Paulus dann weg muss und Titus zurückbleibt, schreibt Paulus dem Titus noch einen Brief, worum er sich bei diesen Gemeinden kümmern soll.
Die Reife der Gemeinden und die Schwerpunkte des Titusbriefs
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bekehrte Menschen nach dem Pfingstfest nach Hause gehen und dort bereits eine Gemeinde gründen. Trotzdem fällt beim Titusbrief eines besonders auf: Die Gemeinden sind selbst noch sehr unreif.
Woran erkennt man das? Man erkennt es daran, dass die angesprochenen Themen typische Einsteigerthemen sind. Es geht um grundlegende Fragen der Organisation, zum Beispiel darum, dass Titus Älteste einsetzen soll. Außerdem geht es um den Schutz der Gemeinde vor jüdischen Irrlehrern und um Glaubensgrundlagen. Deshalb trägt der Brief auch den Titel „Einmaleins des Glaubens“. Es werden ganz grundlegende Dinge behandelt: Was muss ich im geistlichen Leben verstanden haben? Vor allem, wenn ich ein alter Mann, eine alte Frau, ein junger Mann oder eine junge Frau bin, was muss ich da verstanden haben?
Der schöne Titusbrief ist so gestaltet, dass er nicht überfordert. Es gibt kaum ein Thema im Titusbrief – vielleicht ein halbes – bei dem man nicht sagen würde: Das ist simpel. Und das ist gut so. Denn ich habe sowieso die Sorge – und wer meinen Podcast hört, weiß, dass das heute Thema war –, dass wir oft viel zu intellektuell an die Sache herangehen. Dabei fallen die wirklich wichtigen Dinge, nämlich die Lebensveränderung, ganz schnell hinten runter. Wir machen uns zu viele Gedanken über vermeintlich wichtige Fragen.
Ich bin froh, dass ihr so ein schönes, praktisches Thema gewählt habt.
Die Bedeutung der Basics im geistlichen Leben
Frage: Warum sollte man sich mit so einem Brief beschäftigen, wenn er eigentlich nur Basics vermittelt?
Nun ja, genau weil geistliches Leben zu 90 Prozent aus Basics besteht. Ehrlich. Das klingt vielleicht komisch, aber wenn du die kleinen Propheten nicht aufzählen kannst, wäre das zwar schön, aber es ist eher nice to have – verstehst du? Es ist nicht zwingend notwendig. Du musst nicht einmal, wenn ich Zephanja erwähne, sofort wissen, wo du nachschlagen musst. Das ist wirklich nicht nötig. Toll, oder?
Ich würde dir zwar nahelegen, das zu können, aber wirklich wichtig ist, dass dein Charakter Jesus ähnlich ist. Vielleicht stellst du dann irgendwann fest, dass Jesus auch einen lässig-souveränen, coolen Umgang mit der Bibel hatte. Und dann habe ich dich schon wieder an der Angel und nehme dich mit.
Grundsätzlich geht es im geistlichen Leben darum, einen geistlichen Charakter zu entwickeln – und nicht darum, dass wir uns in der Bibel supergut auskennen. Charakter ist Pflicht, Bibel ist Kür. Manchmal machen wir es andersherum: Wir denken, wir müssen uns in der Bibel gut auskennen, und dann kommt der Charakter irgendwie hinterher. Nein, du musst dich um deinen Charakter kümmern. Und während du das tust, brauchst du auch ein bisschen Bibel. Aber gar nicht so viel.
Ich rede mir gerade selbst ins Gewissen – hey, ich bin ja der Bibellehrer, darf ich das eigentlich so sagen? Aber ich möchte den Fokus da lassen, wo der Herr Jesus ihn hinlegt. Und der Herr Jesus sagt manchmal schräge Dinge wie: „Macht den Baum gut.“ Woran erkennt man einen guten Baum? An der guten Frucht. Und was ist Frucht im geistlichen Leben? Das ist das, was ich denke, sage und tue – das soll gut sein.
Wenn du dann, wie gesagt, auch noch die Reihenfolge der kleinen Propheten kennst, kannst du vielleicht irgendein Bibelquiz gewinnen. Aber im Himmel interessiert das eigentlich niemanden. Wenn du jedoch einen guten Charakter hast, wenn du lernst, deinen Zorn zu beherrschen, deine Selbstsucht und Disziplinlosigkeit zu überwinden, wenn du jemand wirst, mit dem man gerne zusammen ist, weil er lobt und liebt, dann hast du wirklich etwas gelernt.
Deshalb ist der Titusbrief zwar eine Wiederholung ganz banaler Themen, aber für uns – egal wie alt wir sind – immer wieder gut.
Abschluss und Ausblick
Das war es für heute. Mein Tipp: Lies das Kapitel im Titusbrief, das heute dran war, noch einmal in Ruhe durch. Lass dich von Gottes Geist inspirieren.
In der nächsten Episode geht es mit dem Titusbrief weiter. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
