Wir befinden uns im Jakobusbrief, Kapitel 5. Ihr merkt, dass sich das Ganze dem Ende nähert. Wenn jemand einen guten Vorschlag hat, was wir daraus lernen oder nachahmen sollen, kann er das gerne mitteilen.
Die Frage, die wir heute gemeinsam betrachten wollen, lautet: Wie sieht die Antwort des Gläubigen eigentlich auf das Unrecht in der Welt aus?
Wenn ihr an die letzte Predigt zum Jakobusbrief denkt, ging es dort um die Reichen. Jakobus nimmt sich die Reichen vor, die in Üppigkeit leben und bereit sind, zu betrügen, um selbst noch reicher zu werden. Sie setzen ihr eigenes Recht rigoros durch und beugen dabei auch das Recht anderer.
Wir fragen uns: Wie können wir als Gläubige uns in einer Welt bewegen und zurechtfinden, in der dieses Unrecht passiert? Welche Gefahren gibt es für unseren Glauben?
Heute möchte ich über eine dieser Gefahren sprechen. Sie ist vielleicht nicht die größte, aber dennoch eine wichtige Gefahr: das Thema Geduld.
Die Bedeutung der Ankunft des Herrn für den Glauben
Jakobus Kapitel 5,7: „Habt nun Geduld, Brüder und Schwestern, bis zur Ankunft des Herrn!“
Der Begriff „Ankunft des Herrn“ wird heute nicht mehr so häufig verwendet und klingt etwas ungewohnt. Es handelt sich dabei um einen speziellen Begriff aus der Bibel, der auch als „Parusie“ bezeichnet wird, falls euch dieser Begriff einmal begegnet. Er bedeutet genau dasselbe.
Mit „Ankunft des Herrn“ meinen wir Christen, dass Jesus wiederkommt. Das ist eine sehr schöne Hoffnung. Jesus ist in den Himmel aufgefahren, aber er wird wiederkommen. Wir wissen nicht genau wann, aber wir wissen, dass es geschehen wird.
Diese Vorstellung, dass Jesus zurückkehrt, ist keine später von Christen erfundene Hoffnung, nachdem Jesus gegangen war. Sie stammt direkt von Jesus selbst. In Matthäus Kapitel 24, Vers 3 fragen ihn seine Jünger kurz vor der Kreuzigung: „Als er aber auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger für sich allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft?“
Hier sieht man, dass die Jünger bereits damit rechnen, dass Jesus wiederkommt. Vielleicht dachten sie sogar, dass er gar nicht richtig weggeht, sondern bald zurückkehrt. Auf jeden Fall sollte er, wenn er erst einmal gegangen ist, wiederkommen. Jesus erklärt ihnen dann, wie das sein wird, wenn er zurückkommt.
In Vers 27 sagt er: „Denn wie der Blitz ausfährt, von Osten bis nach Westen leuchtet, so wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein.“ Wenn Jesus wiederkommt, wird es jeder mitbekommen.
Das ist auch eine klare Abgrenzung zu den Zeugen Jehovas, die glauben, Jesus sei bereits vor etwa hundert Jahren unsichtbar wiedergekommen. Das ist nicht so. Wenn Jesus zurückkommt, dann wird es wie ein Blitz sein – plötzlich und für alle sichtbar. Alle werden sagen: „Huch, da ist er ja! Wunderbar!“
Die Unvorhersehbarkeit und das Gericht bei der Wiederkunft
Aber wie die Tage Noahs waren, so wird auch die Ankunft des Sohnes des Menschen sein. Noah, altes Testament. Was war denn da so besonders?
Denn wie sie in den Tagen vor der Flut waren: Sie aßen und tranken, sie heirateten und ließen sich verheiraten und dachten an nichts weiter bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging. Dann wird es spannend. Und sie erkannten es nicht, bis die Flut kam. Und alle Weckkräfte – so wird auch die Ankunft des Sohnes des Menschen sein.
Also merken wir: Wenn Jesus wiederkommt, wird das jeder mitbekommen. Es wird plötzlich geschehen, unerwartet und mit Gericht verbunden sein.
Paulus ergänzt das dann schön in 1. Korinther 15, wo wir heute schon ein paar schöne Zitate gehört haben. Vielen Dank für deinen Beitrag, der war wirklich schön. Aber 1. Korinther 15 enthält noch weitere Verse aus diesem wunderschönen Kapitel.
Vers 20: Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt. Da war die Sache: Jesus lebt, er ist auferweckt aus den Toten. Und dann wird er beschrieben als der Erstling der Entschlafenen, der Erstling, der Erste, der auferweckt worden ist.
So geht es weiter in Vers 22, 1. Korinther 15,22: Denn wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden, jeder aber in seiner eigenen Ordnung. Die Auferstehung geschieht schrittweise, nicht alle auf einmal, sondern Schritt für Schritt, so wie es passt.
Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling Christus, dann die, welche Christus gehören bei seiner Ankunft. Das heißt, wenn Jesus wiederkommt, dann werden wir auferstehen.
Es ist nicht nur plötzlich und unerwartet, jeder wird es mitbekommen, sondern tote Christen werden auferstehen. Ich weiß nicht, worauf du hoffst oder mit welcher Sicherheit du nach vorne schaust, aber das ist genau der Punkt: Jesus wird wiederkommen. Ich weiß nicht wann, wer weiß das?
Und wenn er wiederkommt, dann geht es so richtig los.
Letzter Vers zu dieser Ankunft des Christus, zu diesem kleinen Exkurs: 1. Thessalonicher 2,19. Denn diese Zeit, wenn Jesus wiederkommt und wir auferstehen, ist eine ganz besondere Zeit für uns, und wir können uns wirklich darauf freuen.
Also 1. Thessalonicher 2, 9-10: Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Ruhmeskranz, nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?
Das ist ein Vers, der jetzt aus dem Zusammenhang gerissen ist, vergebt mir das. Aber Paulus stellt sich hin und fragt die Thessalonicher: Überlegt mal, wenn der Herr wiederkommt, was machen wir dann eigentlich?
Ein Ding, das wir tun, wenn der Herr wiederkommt und wir auferstehen und vor ihm stehen: Wir ziehen einen Strich unter unser Leben, ziehen ein Resümee und überlegen, wie wir dieses Leben eigentlich gelebt haben.
Paulus würde sagen: Wenn ich dann an euch denke, seid ihr für mich Hoffnung, Freude, Ruhmeskranz.
Das heißt, wenn Jesus wiederkommt, dann ist das ein Moment, in dem wir zurückblicken und uns über das, was wir erreicht haben, freuen werden.
Das gehört einfach dazu, weil wir dann wissen, dass vielleicht in der Hoffnung nicht nur Gewissheit, sondern auch ein bisschen Hoffnung mit dabei war, mit ein paar Prozent Zweifel und Nichtgenauwissen.
Aber wenn du vor ihm stehst, weißt du: Es ist einfach alles genau so, wie es in der Bibel steht.
Und dann denkst du zurück und denkst an die guten Dinge, die du richtig gemacht hast. Und da möchte Jesus uns hinbringen: Wenn er wiederkommt, dann sollen wir uns freuen.
Geduld als notwendige Haltung bis zur Wiederkunft
Das Schwierige ist, dass es bis dahin manchmal wirklich schwierig werden kann. Deshalb brauchen wir Geduld. Und genau darum geht es in Jakobus 5,7: „Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn!“
Zum Thema Ankunft des Herrn kommt jetzt ein schönes Bild. Man müsste Bauer sein, um das wirklich zu verstehen. Ich lese es euch vor: „Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfängt.“
Das ist für uns heute kaum nachvollziehbar, oder? Wenn ich Lust auf die köstliche Frucht der Erde habe, gehe ich einfach zu Edeka. Bei uns um die Ecke hat ein neuer Laden aufgemacht, da kann ich wahrscheinlich bis 24 Uhr einkaufen gehen. Das ist die köstliche Frucht der Erde.
Aber damals, vor allem in Palästina, war das ganz anders. Dort gab es einen Spätregen, der lustigerweise im Frühling fällt. Man muss sich das mal umdrehen: Der Spätregen findet im Spätfrühling statt, und der Frühregen im Spätherbst. Das ist ein Phänomen, das Palästinenser kennen, wir hier aber nicht.
Es regnete dort zweimal im Jahr kräftig, und das war nötig für die zwei Ernten, die man einfahren konnte. Wenn du Bauer bist, kannst du an dieser Stelle tatsächlich nur eines tun: warten. Du kannst den Regen nicht herbeiführen, du kannst nur warten. Das kann ein sehnsuchtsvolles Warten sein, in der Hoffnung, dass bald etwas passiert. Aber es bleibt eben ein Warten.
Genau das vergleicht Jakobus hier mit unserem Leben. Christsein ist ein Marathonlauf. Ich glaube, wir kennen alle Freunde, die in den letzten Jahren aufgegeben haben, diesen Lauf zu laufen. An dieser Stelle möchte ich darum bitten, dass man diese Freunde nicht von den Gebetslisten streicht.
Ich weiß, dass es manchmal schmerzt, für Menschen zu beten, mit denen man zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre Christsein geteilt hat, die heute nichts mehr von Gott wissen wollen. Dennoch ist es wichtig, weiter für sie zu beten. Und dabei sollte man darauf achten, die eigene Festigkeit nicht zu verlieren.
In Vers 8 heißt es: „Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen! Denn die Ankunft des Herrn ist nahegekommen.“ Wir brauchen befestigte Herzen. Aber was ist ein befestigtes Herz? Ein befestigtes Herz ist ein Herz, das nicht zweifelt, das treu mit Gott geht. Es ist stark und tief verwurzelt in der Liebe zu dem Herrn Jesus und in der Liebe zueinander.
Wenn es hier heißt: „Denn die Ankunft des Herrn ist nahegekommen“, finde ich den Begriff fast ein bisschen schwierig im Neuen Testament. Er ist zwar einfach zu erklären, aber er wirkt wie eine Mogelpackung – nicht wirklich getäuscht, aber es klingt im ersten Moment so. Wenn ich lese, es sei nahegekommen, denke ich: Dann müsste es jetzt bald so weit sein.
Aber „nahe“ in der Bibel bedeutet nicht „schnell“, sondern nur, dass das nächste heilsgeschichtliche Ereignis, auf das wir warten, die Ankunft des Herrn ist. Wir warten nicht auf etwas anderes. Die Tatsache, dass zwischen Jakobus und uns ungefähr zweitausend Jahre liegen, verschiebt das Ereignis nicht weiter. Es bleibt nahe, es ist immer noch das nächste Ereignis.
Allerdings bedeutet „nahe“ nicht „schnell“. Manchmal ist die Bibel in solchen Ausdrücken etwas eigenartig. Vor allem, wenn man an die Evangelien denkt. Dort sagt Jesus zum Beispiel: „Das Reich Gottes ist nahegekommen.“
Ich kann euch das an einem schönen Vers zeigen: Matthäus 4,17: „Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahegekommen.“
Was meint er damit? Dass das Reich der Himmel genau eine Bekehrung weit entfernt ist. Es ist nahe. Es steht vor dir, du kannst zugreifen. Mir geht es so, wenn ich das hier lese, dass ich das am liebsten auch auf die Parusie, die Ankunft des Herrn, übertragen würde und denken würde: „Nahe, so schnapp zu!“
Das Problem ist aber: Wenn das Reich Gottes vor dir steht, kannst du wirklich zuschnappen. Es ist eine Bekehrung weit entfernt. Einmal Buße tun, einmal vor Gott zerbrechen – und mit dem Glauben trittst du in sein Reich ein.
Wenn es aber um die Ankunft des Herrn geht, können wir nichts tun außer warten. Da kann man nicht zuschnappen, da kann man nicht anschieben. Wir können nur ein festes Herz bewahren und viel Geduld haben. Dann schauen wir, wann der Herr wirklich wiederkommt.
Warnung vor Ungeduld und gegenseitigem Seufzen
Und auf dem Weg dahin stellt sich für mich jetzt die Frage: Okay, wenn Geduld so wichtig ist, woran erkenne ich eigentlich, dass mir die Geduld ausgeht? Also, woran merkt man, dass man in einer falschen Haltung lebt im Blick auf die Ankunft des Herrn?
Da kommt dann Jakobus 5,9 ins Spiel. Dort heißt es: „Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Das ist eine der Top-drei-Stellen aus dem Neuen Testament, die ich streichen würde, wenn ich drei Stellen frei hätte, die ich streichen dürfte. Das ist einer von den drei Tops.
Warum? Nun, ich hatte gerade in der letzten Woche so einen Tag, an dem mir die lieben Geschwister in den Gemeinden, in denen ich diene, einfach ein Stückchen zu viel waren. Ich predige wirklich gern das Wort Gottes. Es macht mir bis heute morgen noch viel Freude. Ich habe noch einmal für mich darüber nachgedacht, als ihr auf meinem Schreibtisch saßt. Es macht mir wirklich viel Spaß, und ich betrachte es als ein großes Privileg, hier vorne stehen zu dürfen und das, was Gott mir zum Teil beigebracht oder im Studium geschenkt hat, einfach an euch weiterzugeben.
Aber es gibt Tage, da könnte ich die lieben Geschwister ungespitzt in den Boden rammen. Und genau wenn so ein Tag da ist, dann weiß ich, dass meine Haltung ganz falsch ist – weil es diesen Vers gibt. Ihr ahnt schon, ich habe diesen Vers vor wahrscheinlich anderthalb Jahrzehnten auswendig gelernt, damit ich mir das immer vor Augen halte. Wenn ich auf so eine geballte Ladung aus Überempfindlichkeit, Besserwisserei, Unzuverlässigkeit und Ungehorsam stoße, dann halte ich mir immer wieder vor Augen: „Seufzt nicht gegeneinander, Brüder!“
Auf der einen Seite steht manchmal wirklich das Gefühl: „Ihr könnt mich alle mal!“ Vielleicht glaubst du das nicht, aber das gibt es wirklich, wenn du an einem Tag zu viel Negatives mitkriegst. Und auf der anderen Seite steht dieser Vers. Ich brauche diesen Vers, damit ich es nicht zulasse, dass in meinem Herzen so ein Grummeln überlebt. Das darf dort gar nicht sein.
Gestern, wir waren im Urlaub – wir sind vier Wochen weg, werden OM in Südafrika ein bisschen unterstützen und dann noch ein bisschen Urlaub machen – haben wir unsere Kleidung imprägniert mit so einem stinkenden Zeug namens „No Bite“. Der Name sagt es ja schon: Das ist wirklich stinkendes Giftzeug, das man außen auf der Kleidung hat. Warum? Weil sich die Kopffliege sonst niederlässt. Das ist die Idee: Fliege killen, bevor sie ein Loch gefunden hat, Fliege killen oder Mücke killen, bevor sie stechen kann.
Und dieser Vers ist so ein „No-Bite“-Vers. Du hast in dir dieses Grummeln, dieses „Mee“, und du merkst, dass es eigentlich mehr möchte. Es möchte dich dazu bringen, dass du anfängst zu klagen, dich zurückziehst von den Geschwistern, nicht mehr in den Gottesdienst gehst oder vieles andere machst. Und dann kommt dieser Vers und sagt: „Seufzt nicht gegeneinander, Brüder!“
Er wird noch ein bisschen deutlicher, damit wir begreifen: Das ist kein Kavaliersdelikt. „Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Boah, wenn du dich fragst, wer der Richter ist: Siehe, der Richter steht vor der Tür. Das hatten wir ja eben. Der Richter ist Jesus.
Er wünscht sich in unserem Leben eine Einstellung, die ganz anders klingt. Sie klingt etwa so, wie es in einem messianischen Psalm geschrieben steht. Und auch diesen Vers solltest du dir merken. Wenn ihr damit ein Problem habt: Jakobus 5,9 auswendig lernen und dann Psalm 16,3.
Das ist nämlich die Einstellung des Messias, der auf die Erde kam und zu Recht im Leben von jedem genug gefunden hätte, um zu sagen: „Mit dir will ich nicht.“ Und wie ist die Einstellung des Messias zu den Gläubigen? Psalm 16,3: „An den Heiligen, die auf Erden sind, an den Herrlichen ist all mein Wohlgefallen.“
Manchmal stelle ich mich vorne in der Gemeinde hin und denke mir: Aha, ihr seid die Herrlichen. Gut, das mit den Heiligen nehme ich euch ab, aber das mit den Herrlichen, hm... Und jetzt sagt der Messias: An denen ist all mein Wohlgefallen.
Damit ich das hinkriege, muss ich mir vorneweg verbieten zu seufzen. Sonst geht das einfach nicht. Ich muss die richtige Perspektive einnehmen. Und deswegen ist die Freude aneinander Pflicht und nicht Kür. Sie ist Ausdruck echten Glaubens. Sie ist Ausdruck davon, dass ich weiß, ich werde mit euch die Ewigkeit verbringen. Wir sind gemeinsam auf dem Weg, Gott hat uns zusammengestellt, und wir sind tatsächlich dazu berufen, einander an dieser Stelle mit bedingungsloser Liebe zu lieben und zu dienen.
Die Herausforderung der Geduld im Alltag und im Umgang mit anderen
Und das Verrückte dabei ist, dass sich Sünde meist dort zeigt, wo man es am wenigsten erwarten würde. Wer bekommt das mit, wenn ich ungeduldig bin? Meistens die, die mir am nächsten stehen.
Es ist oft so, dass man ungeduldig zuerst in der Familie ist. Am Arbeitsplatz beherrscht man sich häufig noch ein bisschen. Aber die eigene Frau, die Kinder oder der Hund – sie bekommen es als Erste ab. Sie müssen als Erste unter meiner schlechten Laune leiden. Gerade das, was mir am meisten wert sein sollte, behandeln wir oft am schlechtesten.
Wenn du mich fragst, woran ich erkenne, dass diese Welt kaputt ist, dann ist das für mich ein Beleg dafür, wie leicht es passiert. Es ist wirklich verrückt.
Jetzt kommt Jakobus und sagt, dass wir als Christen da nicht mitspielen sollen. Wir sind dazu berufen, keine Normalos zu sein. Wir sollen die sündigen Verhaltensweisen von früher ablegen. Wir sind wirklich dazu berufen, diesen falschen Lebensstil loszuwerden. Wir sollen im Licht leben, nicht in der Finsternis.
Deshalb heißt es hier: Seufzt nicht. Es kann ja sein, dass du in der Gemeinde auf Leute triffst, denen es wirklich an Selbsterkenntnis fehlt, die keine Ordnung halten, keinen Gehorsam zeigen oder keine Selbstverleugnung üben – oder was auch immer dir furchtbar auf die Nerven geht.
Das mag sein, aber das rechtfertigt nicht, dass du anfängst zu seufzen, zu klagen oder dich zurückzuziehen. Warum? Weil so niemand handelt, der Liebe hat. Wir sind dazu berufen, Liebe zu leben und Liebe im Miteinander zu lernen. Und wer liebt, der ist geduldig.
Das ist das Erste, was im 1. Korinther 13,4 steht: „Die Liebe ist langmütig.“ In der Elberfelder Übersetzung heißt es, die Liebe ist langmütig – das bedeutet nichts anderes als geduldig oder sie hat eine lange Lunte. Es ist nicht so, dass die Liebe schnell explodiert. Du kannst sie anzünden und warten, und wenn der Film vorbei ist, sind wir noch nicht in die Luft gegangen. Wunderbar! So ist wahre Liebe.
Die Frage war: Woran merke ich, dass mir die Geduld ausgeht? Die Antwort: Wenn ich anfange, über Menschen zu seufzen, denen ich eigentlich in besonderer Weise mit Liebe begegnen sollte. An dieser Stelle merkt man es.
Die Propheten als Vorbilder für geduldiges Leiden
Und weil das wirklich nicht einfach ist, geht Jakobus jetzt einen Schritt weiter und sagt: Hey, ihr seid überhaupt nicht die Ersten, die Schweres durchmachen. Es gab vor euch Märtyrer, Propheten und Gläubige, von denen wir lernen können, wie man mit schwierigen Zeiten umgeht.
In Jakobus 5,10 heißt es: Nehmt, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben.
Das Wort „Leiden und Geduld“ möchte ich euch mit einem griechischen Fachbegriff erklären: Hendiadioin. Wenn du mal ein Wort lernen möchtest, das man sonst kaum braucht, dann ist das ein gutes Beispiel. Hendiadioin bedeutet übersetzt „eins durch zwei“. Das heißt, ich will eine Sache sagen, verwende aber zwei Worte dafür.
Hendiadioin findet man auch in Redewendungen wie „sich um Kopf und Kragen reden“. Merkt ihr was? Kopf und Kragen sind zwei Worte, aber gemeint ist eigentlich eine Sache: Er verliert sein Leben. Wenn er so weiterredet, bringt er sich um. Das ist ein typisches Beispiel.
Oder wenn jemand etwas „mit Haut und Haar“ macht. Er macht nicht nur seine Haut, nicht nur sein Haar, sondern ganz und gar. Merkt ihr das? Immer zwei Begriffe, die eigentlich für eins stehen. Und genau so ist es hier auch.
Die Griechen sind da etwas flexibler als wir und verwenden solche Doppelbegriffe nicht nur in Redewendungen, sondern auch im Alltag. Deshalb heißt es hier: Nehmt, Brüder, zum Vorbild. Leid ist keine Tugend, man kann sie sich nicht zum Vorbild nehmen. Geduld aber schon. Man merkt, dass Leiden und Geduld hier als Doppelbegriff zusammengehören. Gemeint ist geduldiges Leiden oder geduldiges Ertragen.
Nehmt bitte als Vorbild dafür die Propheten. Ich weiß nicht, wie du über die alttestamentlichen Propheten denkst. Jakobus sieht in ihnen ganz normale Menschen. Weiter unten, in Vers 17, redet er über Elija und sagt: Elija war ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir.
Das sind keine Überflieger. Propheten haben Angst, sind manchmal furchtbar deprimiert, hungrig, machen Fehler, haben Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen. Wenn man sie sich im Detail anschaut, sind sie normaler, als uns das manchmal bewusst ist.
Was sie auszeichnet, ist ihr Glaube. Echter Glaube in ihrem Leben befähigt sie, mitten in Schwierigkeiten an Gott festzuhalten. Und das – nur das – macht sie außergewöhnlich. Dieses Warten auf Gott, dieses Festhalten an Gott mitten in Schwierigkeiten, dieses fast schon unerschütterlich naive „Ich lass dich nicht los“ – Punkt. Das ist das, was die Propheten auszeichnet.
Siehe, wir preisen die Glückseligen, die ausgeharrt haben. Heute lesen wir die Geschichten von den Propheten und schmunzeln vielleicht manchmal, wie lange der eine da auf seiner Seite liegt – 300 irgendwas Tage. Die machen schon Sachen, die sind schon ein bisschen wild. So geht es mir.
Einen Jeremia stelle ich mir immer in der Situation vor, wo man ihn in eine leere Zisterne wirft. Unten angekommen steht er im Schlamm. So stelle ich mir das immer vor. Und da oben denkt er: Super, jetzt hat mich hier keiner mehr lieb. Du steckst da mitten im Schlamm.
Heute sind das für uns Helden. Wir preisen die Glückseligen, Männer und Frauen, die nicht aufgegeben haben. Aber versteht ihr die Lektion, die hinter diesem „Glückselig“ steckt? Glückselig heißt nicht, dass sie ein leichtes Leben hatten. Sondern sie hatten ein Leben, das glücklich ist – weil sie sich die ganze Zeit nicht von Gott haben abbringen lassen.
Sie haben mehr als alles andere geduldig auf Gott vertraut. Sie standen ihm die ganze Zeit mit ihrem Leben zur Verfügung. Deshalb erwarte bitte nicht „Happiness“ in deinem Leben, sondern erwarte den Segen, der daraus entsteht, dass ein Leben sich entschieden hat, fest zu sein. Es hat sich entschieden zu sagen: Egal, was kommt, ich werde mich nicht davon abbringen lassen, auf Gott zu warten.
Und du weißt, wenn du länger dabei bist, dass es viele Christen gibt, die einmal gut angefangen haben und heute nicht mehr auf den Herrn warten. Der Weg ist ihnen zu lang oder zu beschwerlich geworden, vielleicht sind Alternativen zu attraktiv.
Ich wünsche mir, dass du dir heute vornimmst zu sagen: Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte auch in zehn oder zwanzig Jahren, egal was kommt, zu Gott gehören. Ich möchte auf ihn warten. Selbst wenn es mal richtig böse wird, da möchte ich dranbleiben.
Hiob als Beispiel für geduldiges Ausharren im Leid
Und so gibt es die wohl schlimmste Geschichte im Alten Testament, in der jemand wirklich – wir würden sagen – durch die Hölle gegangen ist. Man denkt sich: Übler geht es nicht. Das ist Hiob.
Die Hiobbotschaft kennen wir ja auch. In Jakobus 5,11 heißt es: „Vom Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.“
Vom Ausharren Hiobs – du liest einmal das Buch Hiob und siehst, was dieser Mann durchmacht. Das ist der Hammer! Vielleicht denkst du, wenn du das ganze Buch Hiob gelesen hast: Na ja, Ausharren – ich meine, er hat ja schon irgendwie ein bisschen geklagt. Er hat ja auch nicht irgendwo gesagt: Ich wäre am liebsten nie geboren worden. Doch, das hat er auch gesagt. Und hat er nicht manchmal sogar Gott ein bisschen herausgefordert in dieser Situation, in der er alles verloren hat – seinen Besitz, seine Kinder, seine Gesundheit? Ja, das stimmt.
Deshalb ist die wichtige Lektion, die wir verstehen müssen: Ausharren, geduldig sein, hat nichts mit Passivität zu tun. Ich glaube sogar, dass der, der passiv ist, nicht Gott als Gegenüber hat, sondern ein Schicksal, dem er sich ergeben muss. Das sind sogenannte Stoiker. Aber wir sind Christen.
Wenn ich einen Gott habe, der mir gegenübersteht, eine wirkliche Person, die ich liebe, und der sagt: „Ich liebe dich auch“, dann ist Leid wirklich real. Dann sind die Gefühle, die ich mitten im Leid habe – auch die scheinbar negativen Gefühle – ebenfalls real. Dann sind die Fragen, die ich habe, real. Dann ist das Unverständnis, das ich über meine Situation habe, real. Und dann ist auch die Dummheit meiner Freunde real.
Es macht einen riesigen Unterschied, wie wir mit Leid umgehen. Ich kann auf der einen Seite diese Fragen nehmen, mein Unverständnis, meinen inneren Schmerz, vielleicht sogar meine Verzweiflung. Und ich kann zu Gott gehen und sagen: „Warum?“ In diesem kleinen Wort steckt der ehrlichste Ausdruck einer leidenschaftlichen Beziehung, die nicht versteht, was hier passiert.
Oder ich halte nicht an Gott fest, sondern wende mich von ihm ab und sage: „Ich verstehe es nicht“ – und entferne mich von ihm. Das sind zwei Seiten der Medaille.
Ich möchte euch mit Hiob ermutigen, genau das zu tun, was Hiob getan hat. Leid kann uns verwirren, verängstigen und mit Fragen füllen, die wir nicht verstehen. Doch Leid bietet die Chance, dass du als jemand, der verwirrt, verängstigt und voller Fragen ist, dich mitten hineinwirfst in Gottes Arme.
Das ist die Chance beim Leid. Du kannst dich mit deinem Inneren, das nichts mehr versteht, in die Arme Gottes werfen – oder in die Finsternis. Das sind die zwei Seiten. Du musst dich entscheiden, denn das Leid wird kommen. Diese Welt ist eine Welt des Leids.
Deshalb ist es wichtig, dass wir das verstehen: Echter Glaube ist der, der diese Entscheidung trifft, egal was kommt. „Ich werde warten auf Gott. Ich werde nicht an ihm zweifeln. Ich werde ein starkes, festes Herz bewahren.“
Und dann heißt es hier: „Vom Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen.“ Gemeint ist das Ende, das der Herr Hiob bereitet hat. Es geht also nicht um das Ende des Herrn im Sinne von Jesus am Kreuz, sondern darum, wie Hiob am Ende dasteht und wie er zum Prototypen eines Menschen wird, der durch Leid verwandelt wird.
Was ich jetzt sage, klingt wahrscheinlich brutal, aber es ist die Wahrheit: Bitte unterschätzt nicht, wie gut dir Leid tun kann. Bitte unterschätze nie, wie gut dir Leid tun kann.
Ich schaue mir Hiob an. Hiob geht ganz unten durch. Und am Ende, wenn ich sehe, was es bedeutet, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist, wenn Gott ihn wieder aufrichtet, dann hat Hiob einerseits seine Gesundheit wieder, seine Kinder, seinen Besitz.
Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende, worauf es Hiob ankommt, hört sich so an: Er sagt, er habe vom Hörensagen von Gott gehört, „jetzt aber hat mein Auge dich gesehen.“ Er hat im Leid Gott auf eine neue, tiefere und erfüllendere Weise kennengelernt.
Und das ist die Chance von Leid.
Zusammenfassung und Ermutigung zum geduldigen Ausharren
Das ist nicht das, was wir gerne hören. Wir würden so gerne Leid vermeiden. Aber ich glaube, wenn wir Gott erkennen und auf unser Leben zurückblicken – wann habe ich wirklich etwas von Gott erkannt? – dann sind es die Momente, in denen wir mitten im Leid festhalten und Gott sich uns offenbart.
Echter Glaube bedeutet, Gott an guten und schlechten Tagen zu vertrauen. Wenn wir bis zur Ankunft des Herrn warten, bis der Herr wiederkommt, die Ernte beginnt, alles Unrecht gerichtet und alles Ausharren belohnt wird, dann dürfen wir uns nicht abbringen lassen.
Deshalb noch einmal zurück zum Anfang des Textes: Habt nun Geduld! Drei Dinge möchte uns Jakobus mitgeben.
Erstens: Wir sollen sein wie ein Bauer, der mit festem Herzen und fester Gewissheit geduldig auf Gott wartet.
Zweitens: Wir sollen nicht über Menschen seufzen, besonders nicht über die, die uns eigentlich die Liebsten sein sollten.
Drittens: Wir dürfen uns an den alttestamentlichen Propheten ein Vorbild nehmen und uns von ihrem Umgang mit Leid inspirieren lassen. Sie haben vor uns durchdacht, was wir noch lernen müssen.
Für sie war es der größte Segen, und ich garantiere euch, es wird auch für uns der größte Segen sein, wenn wir in dieser ausharrenden, wartenden und vertrauenden Haltung treu an Gottes Seite durch dick und dünn gehen.
Wir haben noch eine Bezirksgemeinschaft.