Der erste Johannesbrief enthält ein ganz offenes Wort:
Schwierigkeiten und Zugänge zum Johannesevangelium
Manche Bibelleser haben bei ihrer eigenen Lektüre der Bibel manchmal Schwierigkeiten beim Lesen. Es kommt immer auch auf die äußere Lage an, wie man etwas liest. Manchmal liest man gelangweilt und findet keinen richtigen Zugang.
Erstaunlicherweise tun sich manche Bibelleser gerade beim Johannesevangelium und beim Johannesbrief etwas schwer, obwohl gerade diese Schriften ideal für Anfänger im Glauben sind. Das liegt einfach daran, dass Johannes eine Art Erzählweise hat, die sich wie eine Schneckennudel von außen kreisförmig immer weiter nach innen bewegt.
Er umkreist die Dinge langsam und betrachtet sie von verschiedenen Seiten. Wenn man das einmal beobachtet und sich die Zeit nimmt, mit Johannes diese Gedanken nachzuvollziehen, erkennt man das Besondere. Zum Beispiel zeichnet Johannes die Reden Jesu sorgfältig nach, die bestimmt authentisch waren. Jesus spricht über das Licht der Welt, über die Zweifel der Menschen, und immer wieder wird eine Frage aufgenommen und weitergeführt.
Ein Beispiel sind die Gespräche Jesu mit der Samariterin. Je näher sie dem eigentlichen Thema kommen, desto mehr merkt man: Genau das sind ja eigentlich auch meine Fragen. Man wird so mit hineingenommen in das Gespräch mit seinen eigenen Fragen und Zweifeln.
Ich möchte Ihnen neue Freude wecken an diesem Apostel Johannes und seiner klaren Botschaft. Wenn wir sein Zeugnis nicht hätten, wären wir arm. Johannes hat in großer Klarheit festgehalten, wie Jesus in den entscheidenden Aussagen uns Informationen gibt.
Er zeigt, wie Jesus Christus unser Leben überhaupt erst ermöglicht: die Neugeburt des Lebens, die Erleuchtung unseres Lebens. Jesus ist das Licht der Welt, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch ihn.
Auch das Gebet Jesu für die Seinen und viele weitere wichtige Themen treten hier auf.
Der erste Johannesbrief als lebendiges Zeugnis
Im ersten Johannesbrief ist es ähnlich. Erstaunlich ist, dass kein Absender genannt wird. Auch Paulus, der sonst immer einen Briefkopf vorne anbringt, fehlt hier. Der Brief beginnt gleich mitten im Thema.
Wenn man von dieser Form absieht, muss man sagen, dass dieser Brief sehr lebendig und anschaulich ist. Gerade für Menschen, die die Bibel kaum kennen, wird er so zu einer wichtigen Brücke und Hilfe.
Wir lesen nur die Verse 1 bis 4:
„Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir betrachtet haben und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens. Und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist. Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt. Und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus, und wir schreiben euch das, damit eure Freude vollkommen sei.“
Dieser Abschnitt betont den direkten Kontakt mit dem Wort des Lebens und die Gemeinschaft mit Gott und Jesus Christus. Dadurch wird die Freude vollkommen.
Historischer Hintergrund und Herausforderungen der frühen Christenheit
Es ist uns immer wichtig, ein wenig zu verstehen, an wen Johannes damals geschrieben hat. Wer waren diese Menschen? Die Antwort darauf ist schnell gegeben: In der damaligen Welt, dem römischen Weltreich, befinden wir uns etwa am Ende des ersten Jahrhunderts, also um das Jahr siebzig, achtzig oder neunzig nach Christus. In dieser Zeit begann die große Verfolgung der Christen, die bereits 64 unter Kaiser Nero ihren Anfang nahm.
Überall gab es christliche Gemeinden, an die Johannes seine Briefe richtete. Dabei fällt auf, dass alle Briefe des Neuen Testaments sehr deutlich gegen eine Verfälschung der christlichen Botschaft Stellung beziehen. Es scheint fast so, als dürfe man heute gar nicht mehr so predigen. Wenn man heute innerhalb der Christenheit sagt: „Passt auf, es gibt unter uns wieder Christusse, also Antichristen“, dann klingt das fast verdächtig. Doch damals sprachen die Menschen offen darüber, weil sie wussten, wie groß die Gefahr war, dass das Evangelium in eine falsche Richtung verdreht wird.
Was war das zur Zeit Jesu und in dieser nachchristlichen, urchristlichen Zeit? Damals gab es eine große Bewegung, eine Art New-Age-Bewegung. Es war eine Strömung religiösen Bewusstseins, geprägt von der Erwartung einer großen Zeitenwende. Alle Menschen waren darauf ausgerichtet, auf diese neue Zeit zu warten.
In dieser Zeit vermischten viele das Christentum mit der damaligen Geisteswelt und den heidnischen Gedanken. So entstand eine Mischreligion. Man sagte: „Ja, das Christentum spricht auch von Liebe und Brüderlichkeit, das wollen wir auch sein.“ Man wollte lieb und brüderlich sein, führte aber gleichzeitig die alten Götzendienste und andere Praktiken weiter.
Gegen diese Entwicklung wehrt sich Johannes entschieden. Er sagt klar: Es ist nicht akzeptabel, das Evangelium zu verfälschen.
Die klare Abgrenzung gegen falschen Glauben
Und wenn wir dann in diese Verse eintauchen, sind wir wirklich erschüttert. Besonders am Ende seines Briefes, wenn er denen, die nicht wirklich Jesus Christus nachfolgen, alles abspricht. Er sagt, sie haben keinen Anteil an Christus, sie besitzen nichts von ihrem Glauben und stehen daneben.
Das ist für uns heute besonders wichtig, denn es zeigt, dass es im Glauben eine klare Trennungslinie gibt. Es fällt uns immer wieder schwer, daran erinnert zu werden, dass falscher Glaube und Irrglaube sehr nah beieinanderliegen. Deshalb müssen wir uns ständig prüfen: Stehen wir noch wirklich in der unmittelbaren christlichen Liebe?
Wir müssen vorsichtig sein, das Evangelium nicht nach unseren eigenen Gedanken zurechtzubiegen. Gerade in den ersten Versen seines Briefes wird dies deutlich. Er legt großen Wert darauf, was sie gesehen, betastet und betrachtet haben. Das verkündigen sie euch.
Warum betont er so stark: „Wir haben es gesehen, wir haben es gehört, wir haben es betrachtet“? Übrigens ist das genauso am Anfang des Johannesevangeliums zu finden. Dort spricht Johannes vergleichbar und sagt: „Und das ist erschienen, und wir haben es gesehen, wir sind ihm begegnet und haben es wirklich in unserer Mitte erlebt.“
Hier spricht er sogar vom Betasten, vom Betrachten, vom direkten persönlichen Nachprüfen. Sie sind ihm auf die Spur gegangen, sie sind die Augenzeugen. So wie man bei uns sagt: „Ich war dabei.“ Vor Gericht kann jemand sagen: „Ich war Augenzeuge, ich habe es gesehen, ich kann es beschwören, das war wirklich so.“
Er spricht also nicht von irgendwelchen Gedanken, die er hat. Er sagt nicht: „Ich habe solche Visionen gesehen, ich habe mir das so vorgestellt, ich habe eine Meinung von diesen Dingen.“ Er redet von Tatsachen.
Jetzt haben wir den ersten Punkt, gegen den er sich wendet: Ein Christentum, das die Tatsächlichkeit Jesu leugnet, ist für Johannes ein falsches Christentum. Heute ist es sehr bedrückend, dass viele aus dem Christentum nur einzelne Gedanken herausziehen, aber Christus selbst nicht kennen. Den Sohn Marias, den Mann von Nazaret, der auferstanden ist und als Weltenrichter wiederkommt.
Die Mitte unseres Glaubens ist die Gestalt Jesu Christi. Darin stehen wir fest und wissen, dass das gut ist. Das Erste, was wir haben, ist Jesus Christus.
Die richtige Gewichtung von Kirche und Jesus
Jetzt möchte ich noch einige prägnante Sätze sagen. Am Sonntag, anlässlich der Ordination von Herrn Sankt Immanuel Reiser, habe ich einige Dinge zum Amt angesprochen. Wir müssen darauf achten, die Ämter nicht falsch zu betonen oder zu akzentuieren. Gleichzeitig sollten wir auch immer wieder darauf achten, die Kirche nicht falsch zu betonen.
Oft habe ich den Eindruck, wenn ich Menschen reden höre oder kirchliche Blätter lese, dass viel über die Kirche gesprochen wird. Dabei ist die irdische Organisation, also auch die Gemeinde Jesu, immer notvoll und brüchig. Wenn wir von der Kirche sprechen, von der irdischen Gestalt unserer Gruppen, Kreise und Gemeinden, dann neigen wir dazu, den Mund zu voll zu nehmen. Ich würde deshalb immer wieder darum bitten, vorsichtig zu sein mit allzu viel Gerede darüber.
Wir haben auch von der Pracht und Herrlichkeit der Kirche gesprochen und von der Hierarchie. Dabei müssen wir stets aufpassen, denn es sind viele Fehlentwicklungen passiert. Deshalb sollten wir weniger von der Kirche reden, sondern vielmehr betonen, dass wir zur Gemeinde gehören, uns dort fest verpflichtet fühlen und unsere Kirche lieben. Ja, wir leiten sie mit all ihren Schwächen mit. Aber wir sollten nicht zu viel darüber sprechen.
Wenn jemand von Ihnen den Gottesdienst in Hannover zum Jubiläum der Ökumene gesehen hat, dann weiß er, was ich meine. Ich habe lieber eine zerlesene Bibel als eine, die ein Bischof in der Prozession trägt, küsst und mit Edelsteinen schmückt. Lieber Ihre ganz geschundene Bibel, in der mit allen Stiften unterstrichen wurde. Verstehen Sie, wir wollen nicht diese falsche Kirchenherrlichkeit.
Darf ich noch einmal zurückkommen? Wir müssen aufpassen, wenn es um Jesus geht. Seit zweitausend Jahren wird Jesus ständig unter Wert gehandelt. Es gibt zu viele Sprüche über die Kirche, aber viel zu wenig Gebet für Jesus. Und das, was von Jesus gesagt wird, ist oft kümmerlich.
Sie alle haben eine viel zu kleine Meinung von Jesus. Sie können gar nicht groß genug denken, was Jesus wirklich bedeutet: der Herr, der heute mit Ihnen durch diesen Tag gegangen ist, der Ihr Leben erfüllen will, der noch in Ihrem Leben Raum sucht und sich durch Sie hindurchdrängt. Sie können das noch gar nicht erfassen, selbst wenn Sie schon lange vor Jesus stehen. Sie können das gar nicht überschätzen.
Ich habe das in einer wunderbaren Predigt von Fritz von Bodelschwing gelesen. Er leitete Peter bis 1945, war ein mutiger Bekenner, der damals Hitler gegenübertrat. In dieser Predigt sagt er als Erstes: Wir müssen uns alle schämen, denn wir reden viel zu viel von Kirche und viel zu wenig von Jesus.
Johannes zeigt uns erneut: Es geht nur um den Einen, der damals geboren wurde, in dem Gott alle seine Gaben gibt. Dort sind sie. Sie brauchen gar nicht anderswo zu suchen, denn in Christus ist alles da, was es gibt.
Auch unsere Frage immer wieder, wenn Leute heute kommen und meinen, es gäbe neue Offenbarungen: Was in Christus da ist, ist vollgültig und genügsam. Dort ist alles gegeben. Alles, was mir offensteht, ist in ihm da.
Johannes sagt: Wir haben es doch gesehen, es ist Christus, der diese Taten getan hat, der damals geredet hat, dessen Wort wir haben. Das geben wir euch weiter. Wir wollen keine irgendwelchen Meinungen und Gedanken weitergeben. Meinungen kann man viele haben.
Wir wollen euch diesen wirklichen, echten Jesus so vermitteln, dass er auch in eurem Leben wirkt.
Die Bedeutung der persönlichen Beziehung zu Jesus
Und nun haben wir bereits ein wichtiges Kennzeichen zwischen falscher und richtiger Christlichkeit erkannt: Das ist meine Beziehung zu Jesus. Wie ist diese Beziehung wirklich – zum wirklichen, biblischen Jesus Christus?
Das ist meine unmittelbare Beziehung, die ich brauche und mit der ich in Verbindung stehen muss. Ich möchte noch daran erinnern, dass in der urchristlichen Gemeinde die Apostellehre eine ganz große Bedeutung hatte. Wir wissen das aus der Apostelgeschichte, bei dieser ersten Christenheit. Wir kennen ihr urchristliches Gemeindeleben, wie sie einander geholfen haben, miteinander gegessen haben und so weiter.
Und da steht dann immer wieder, dass sie beständig in der Apostellehre blieben. Sie wollten einfach mehr von Jesus hören, von seinem Wort, von seinen Taten. Davon konnten sie nie genug bekommen. Nicht so: „Wir werden lieber auf Erden, als du, der liebste Jesus, meinst.“ Der biblische Jesus und sein Gott interessieren uns. Das ist urchristliches Christentum.
Und das ist keine nebelhafte Gestalt, sondern sie haben das so fassbar erlebt. Wenn Sie zum Beispiel die Geschichte vom Sturm auf dem Meer lesen, spricht das so unmittelbar an. Wenn Sie die Worte lesen, wie Jesus zu Petrus spricht, als dieser im Wasser zu sinken droht, dann ist Jesus ganz nah und stärkt ihn.
Und wenn Sie Jesus dann als den Gekreuzigten sehen, wie wirkt das über unser Leben! Er ist derjenige, der uns versöhnen wird und uns die Gewissheit gibt, dass wir in Ewigkeit Gott gehören. Das ist die Mitte des Christseins.
Heute besteht eine Not in der Christenheit: Viele haben keinen Zugang mehr zum Bibelwort und setzen ihre eigenen Gedanken über das Wort Gottes. Darin scheitert die Unterscheidung zwischen falscher und wahrer Nachfolge Jesu.
Das wahre Leben in Christus
Nun sagt er: Das Leben ist erschienen. Wer zum ersten Mal einen Johannesbrief liest, ist oft überrascht und denkt: „Ich habe doch Leben, ich lebe doch.“ Man ist daran gewöhnt zu sagen: Heute habe ich ein Wurstbrot gegessen, vielleicht keine Kalbsleberwurst, aber Schinkenwurst. Ich habe einen guten Tee getrunken, freue mich an meinem Auto und bin gesund. Ich lebe doch.
Doch das müssen wir erst wieder lernen: Johannes sagt, nein, das ist kein Leben. Warum ist das kein Leben? Lassen Sie mich das am Beispiel von Jesus zeigen.
Jesus geht durch diese Welt hindurch. Wie war das? Er begegnet einer Frau, die am Brunnenrand sitzt und Wasser schöpfen will. Sie unterhalten sich ein wenig. Die Frau wirkt relativ glücklich, abgesehen von einigen Problemen, die sie hat. Doch als Jesus mit ihr spricht, wird plötzlich sichtbar: Die Frau ist am Ende. Das, was sie lebt, ist eigentlich gar kein Leben. Sie steht unter Druck, lebt in einer Sucht, findet keine Befriedigung und ist unerfüllt und leer.
Überall, wo Jesus hinkommt, wird deutlich, dass scheinbar glückliche Menschen nicht wirklich erfüllt leben. Das wird besonders sichtbar bei den Kranken. Wir sehen das vielleicht nicht mehr so deutlich, wenn wir nicht ins Krankenhaus gehen. Aber ich hoffe, dass man den Blick Jesu bekommt, der schnell erkennt, wie Kranke verzweifeln und ihren Mut verlieren. Wie Jesus zum Beispiel mit dem Mann sprach, der 38 Jahre lang krank war: „Hast du niemanden?“ – „Nein, ich habe niemanden“, obwohl doch so viele Menschen da sind. Das Haus Bethesda, wo dieser Mann lag, heißt „Haus der Barmherzigkeit“.
Jesus besucht auch die Aussätzigen in ihren Asylen. Und es wird noch eindrucksvoller: Selbst wenn Jesus in ein Haus geht, in dem ein steinreicher Mann lebt, mit goldenen Tellern, den schönsten Sitzmöbeln und den besten Perserteppichen, wird gezeigt, dass dieser Mann eigentlich unglücklich ist. Denn sein Reichtum stammt von ungerechtem Geld – er ist ein Zöllner.
Und selbst als Jesus mit dem Machthaber der Zeit, dem Pilatus, spricht, entsteht Mitleid. Man sagt: „Das ist ein armer Mann, der Pilatus.“ Wie er vor Jesus steht, wird die Armut des irdischen Lebens offenbar. Und das Schlimme ist: Dieses Leben ist eigentlich gar kein Leben. Man könnte sagen, Pilatus hat sich noch einmal über die Runden gerettet, doch im Grunde war er oft auf einem abschüssigen Weg.
Überall, wo Jesus hinkommt, sieht man die Welt von ihrer Rückseite, von der dunklen Seite. Man erkennt: Das ist nur ein Scheinleben, und von hinten betrachtet ist nichts wirklich da. Der reiche Mann lebt herrlich und in Freuden, aber Jesus nennt ihn einen Betrogenen. Und Lazarus, der vor seiner Tür liegt, hat in Wirklichkeit viel mehr – nämlich die Gnade Gottes, in die er nach seinem Tod fällt.
Deshalb wird gezeigt: Die Welt, durch die Jesus geht, ist eine Todeswelt, eine Welt, die bemitleidenswert ist. Wir wollen die Welt nicht schlechter machen, als sie ist, und auch nicht behaupten, sie sei nicht schön. Wir wollen nur einen barmherzigen Blick haben.
Jesus hat vor der Stadt Jerusalem geweint. Nicht, weil er gesagt hätte: „Ihr seid alle nichts wert“, sondern weil er sah: Ihr erkennt nicht, welche Katastrophe vor euch liegt, welche dunklen irdischen Ereignisse euch noch zerstören werden.
Darum hat Jesus diese Lehre viel klarer gezeigt: Die Sinnlosigkeit des irdischen Lebens.
Die Realität des Todes und die Hoffnung in Jesus
Ich bin heute immer wieder überrascht, wenn in unseren Zeitungen und im Fernsehen über eine ganz kleine Sache berichtet wird, zum Beispiel über die gespritzten Kälber. Das ist ja relativ gesehen eine bescheidene Angelegenheit im Vergleich dazu, was die Chemie mit ihren Arzneimitteln bewirkt.
Denn die Menge an Medikamenten, die manche Menschen schlucken, ist oft zwanzigmal so hoch. Können Sie sich vorstellen, wie viele tödliche Hormone sie durch diese Arzneien aufnehmen, die ihnen der Arzt aus Versehen verschreibt, weil er falsch diagnostiziert hat? Man weiß gar nicht, was man alles schluckt.
Doch wenn die Leute nervös werden, dann ist es oft nur wegen solcher kleinen Dinge. Sie sagen: „Ich habe den Tod in mir.“ Natürlich trägt jeder den Tod in sich, aber doch nicht nur wegen dieser Medikamente oder der Strahlung. Es gibt so viele Dinge in der Welt, die uns vergiften und zerstören: der Streit, die Spannungen, in denen wir leben.
Dann bekommen die Menschen plötzlich Angst vor politischen Gefahren, obwohl sie die eigentlichen Bedrohungen oft gar nicht sehen – jene, die uns wirklich zerstören und unser Leben nehmen.
Wenn also im Neuen Testament vom Tod gesprochen wird, meint Jesus auch den physischen Tod. Denken Sie an die Szene in Nain, wo Jesus dem Sohn der Witwe begegnet, der hinausgetragen wird. Die Witwe hat nur diesen einen Sohn, und ihr Todesschicksal wird sichtbar. Oder an Lazarus, wie Maria und Martha weinen und traurig sind, weil ihr Bruder von ihnen genommen wurde. Aber das ist nur ein Symbol für die Leere dieser Welt.
Und was tut Jesus? Wir erwarten vielleicht, dass er sagt: „Böse Welt, schlimme Welt, Todeswelt!“ Aber so finden wir Jesus nicht. Er geht zu jedem einzelnen Menschen und bietet ihm an, jetzt zu leben und das Leben unbegrenzt zu fühlen.
Er sagt zu der Frau am Brunnen: „Du mit deiner schrecklichen Vergangenheit kannst heute ein ganz neues, erfülltes Leben haben.“ Aber das liegt in der Beziehung zu ihm.
Und jetzt verstehen Sie es schon, Johannes. Man braucht so viel Zeit, um das ganz plastisch vor sich vorbeiziehen zu lassen. Jesus liebt jeden einzelnen Menschen. Selbst Pilatus sieht er an und liebt ihn. Er will sogar Judas noch das Leben geben, doch Judas zieht die Hand zurück.
Am Kreuz fasst Jesus im Tod das Leben, das ewige Leben, und sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Darum ist die Welt für Christen keine Welt, über die sie schlimme Worte machen. Das Leben ist nicht wertlos. Das Leben ist herrlich, weil wir Jesus haben. Das Leben ist gefüllt und lebenswert, weil ich weiß, wofür ich lebe.
Das Leben ist erschienen. Mir wird jeder Tag neu geschenkt, seit meiner Stunde, in der ich zu glauben begann und Jesus fand. Das Leben ist erschienen, das Leben liegt darin, dass ich Jesus Christus kenne.
Und was gibt er mir? Er gibt mir einen Sinn im Leben. Er gibt mir Klarheit darüber, was ich tun soll. Ich brauche nicht in der Todesnacht zu versinken.
Leben inmitten von Krankheit und Leiden
Jetzt möchte ich ganz konkret sagen, dass heute vielleicht viele unter uns schwer krank sind. Ich versichere Ihnen: Wenn Sie Jesus heute neu in Ihr Leben aufnehmen, dann werden Sie leben. Selbst durch jahrelanges Leiden hindurch werden Sie ein Leben in Fülle haben – und zwar voller Freude, so wie es heißt: Freude in Fülle.
Oft verstehe ich das wirklich nicht. Wir waren alle sehr betroffen, als unser Dirk Bader, der hier immer wieder unseren Begrüßungsdienst übernimmt, auf dem Weg zur Kantine bei Daimler-Benz auf dem normalen Hofboden so unglücklich gefallen ist. Sein völlig intakter Oberschenkel wurde so schwer zertrümmert, dass er in den ersten Wochen nicht einmal wusste, ob er jemals wieder auftreten kann.
Dieser junge Mann lag so schwer verletzt da. Wenn man am Krankenbett sitzt, ist das sehr bewegend. Gerade hat jemand erzählt, wie bewegend es war, gemeinsam über das Wunder Gottes zu sprechen, über seine Schöpfung, und miteinander zu beten. Dirk hat gebetet, der Besucher hat gebetet und Gott gedankt, dass dieses Wunder geschieht.
In solchen Momenten halte ich immer den Atem an, weil ich mich auch komisch fühle und denke: Du kannst ja wieder wegrennen. Der andere aber geht durch das Leiden hindurch. Jesus hat gerade deutlich gemacht, dass er sich im Leiden bewähren will.
Das ist auch unsere Kritik an denen, die heute behaupten, jeder gläubige Christ müsse gesund werden. Das steht ganz klar gegen Jesus. Gott schenkt uns Wunder, das erleben wir auch. Aber gerade in einem Leben voller Leiden werden wir Wunder erleben. Und morgen wird schon wieder das nächste Leiden kommen.
Es gibt niemanden unter uns, der vollkommen gesund ist. Darum leben wir immer in den mehr oder weniger großen Nöten des Lebens – durch die Erfahrungen mit der Gegenwart Jesu.
Das Leben ist erschienen, und wir merken immer wieder: Nicht der Leib ist entscheidend, sondern die Erfahrung der Nähe Jesu, der mich führt und leitet.
Die Kraft des Glaubens im Angesicht des Todes
Ich war tief beeindruckt und hätte am liebsten aus dieser Predigt von Fritz von Bodelschwingh vorgelesen. Er brachte eine große Sehnsucht zum Ausdruck und erreichte damals durch sein persönliches Eingreifen, dass die Euthanasie bei Hitler gestoppt wurde.
Er zeigte großen Mut im Widerstand gegen den wütenden Hitler, der sagte, das sei alles erlogen. Bodelschwingh entgegnete: „Ich weiß, was Sie tun, und das ist nicht recht.“ Anschließend rang er vier Stunden lang mit dem Leibarzt Dr. Brand. Daraufhin wurde die Euthanasie abgesetzt.
Bodelschwingh sagt in dieser Predigt: „Geht einmal durch unser Todestal hinweg.“ Dort sitzen die Kranken in der Zionskirche. Man muss sehen, wie manche mit einem ausdruckslosen Gesicht und Epilepsie auf den Matratzen liegen, auf die man sich schon zur Seite dreht, wenn während der Predigt Anfälle kommen. Es ist ein Tal des Todes.
Doch es ist auch ein Tal der Freude, wo wir täglich viele Erfahrungen mit Jesus machen. Es gibt nichts Fröhlicheres als unser Beten, das aus allen Häusern widerhallt – Lobpreis Gottes und Freude erfüllen die Luft.
Wir sollten in unserem Glauben viel mehr betonen, dass das Leben erschienen ist, das sich in dieser Welt des Todes zeigt. Und dann soll noch einer von uns sagen, „Ihr erlebt keine Wunder“ – das sind alles Wunder.
Das Lied, das Erfahren: „Gott hält mich.“ Mir geht es immer wieder so, wenn ich irgendwo müde, verzagt oder ärgerlich bin, weil ich mit Schwierigkeiten nicht mehr fertig werde. Machen Sie einmal einen Krankenbesuch bei einem schwer kranken, leidgeprüften Christen. Das stellt einen wieder auf den Boden.
Das, was du, Gunther Giene, von dieser Beerdigung erzählt hast, hat uns an diesem Sonntag sehr berührt. Man muss verstehen, wie eine Frau so reden kann, als ob das Leben sich offenbart. Das ist Offenbarung. Ich weiß, wie es ist, wenn man weggezogen wird und nicht versteht, wie jemand so reden kann. Das ist das Wunder des Glaubens.
Die Gemeinde besteht wahrscheinlich immer nur aus Leuten, die schweres Gepäck tragen, die durch Leiden und Not gehen, die verbittert sind. Aber mitten in diesem Todestal erfahren sie: Das Leben ist da.
Und was ist das Leben? Dass Jesus zu mir „Ja“ sagt, dass er die erste Erfahrung macht, wenn er zu mir kommt. Er sagt: „Du, ruf mich mal beim Namen. Du bist mir vor allem wichtig.“ Er will dein Leben gebrauchen, bestätigt dich und gibt dir eine unumstößliche Sicherheit.
Wenn alle Menschen gegen dich sind, wenn du alles falsch gemacht hast und dich anklagst, weil du so viel Schuld hast, dann sagt er: „Ich habe sie getragen und sie wird nicht bestraft. Du bist liebenswert.“ Jesus sagt das nicht, weil du dich liebenswert findest, sondern weil er dich für liebenswert hält.
Wenn ich also Sätze bei Bodelschwingh lese: „Es gibt keinen Schmutz des Todesreiches, aus dem seine Hand euch nicht herausholen kann.“ Und wenn er euch gefunden hat, dann bittet er euch: „Lauft mir nicht fort, flüchtet euch nicht in eine trügerische Verstimmung, in verzagtes Murren oder in eine müde Todessehnsucht hinein. Dazu habt ihr kein Recht, dazu gebe ich euch keine Erlaubnis.“
Er spricht das so persönlich an – das „Du“. Und ich wollte es heute Abend Ihnen auch so sagen: Nimm es heute Abend in deine Lage, denn Jesus will dir helfen in deiner Schwierigkeit. Vielleicht haben sich heute bei dir viele Türen verschlossen, vielleicht hast du einen Bescheid bekommen, der dich bis in die Tiefe hinunterstürzt.
Doch das Leben ist da. Das gilt auch in der letzten Stunde meines Lebens, wenn alles Irdische vergeht. Das Leben ist da. Es gilt für uns immer, weil Jesus da ist.
Wir bezeugen euch das Leben, das ewig ist. Nicht das „ewig war“, sondern das unbegrenzt ist, ohne Ende, das nicht aufhört und nicht weggenommen werden kann. Es war beim Vater – eine ganz andere Art von Leben.
Wir erzählen ja immer wieder vom Leben unter der Kürze. Neulich haben wir im Urlaub eine Todesanzeige gesehen, auf der stand: „Er ist noch bei uns und er lebt weiter.“ Tod löscht nicht aus. Das ist das Bittere, was die Trauer so schwer macht.
Aber das, was ich wissen darf: Ich lebe bei Gott. Das ist eine ganz neue Art des Lebens, und die lässt er mich heute schon in dieser Welt erfahren.
Es geht nicht darum, dass ich mich psychologisch hinwegbetrübe über meinen Schmerz, dass ich mir etwas einrede oder dass ich mit etwas fertig werde. Darum geht es gar nicht. Sondern darum, dass ich dieses ewige Gut, dieses übernatürliche Gut heute empfange.
Zeugnis von der Verwandlung junger Menschen durch den Glauben
Aber etwas ganz Herrliches habe ich heute noch erlebt. Eine Frau hat mich angerufen und erzählt, wie es in unserer Gemeinde war. Sie hat ihren Enkel, der im europäischen Ausland lebt, in einer Arztfamilie. Sie fragte ihn, ob er nicht noch mit uns auf eine Freizeit mitkommen möchte. Und er ist mitgegangen.
Ich habe mich gefragt, wie das wohl gut gehen kann. Ob es dem Dimitri gut geht, wenn er mitkommt. Heute rief sie mich an und sagte: „Sie wissen gar nicht, was passiert ist.“ Der junge Mann ist ganz verändert. Er sagt: „Ja, die haben doch so eine schöne Freizeit.“ Aber dann fügte er hinzu: „Nein, da war ein Geist, der ganz anders lädt. Der will dauernd mit mir über Dinge reden.“ Und wissen Sie, das ist für mich alles ganz neu.
Dann bringt er die Bibel mit und redet darüber. Was ist das, dass ein junger Mensch mit 15 Jahren, der alle Gedanken eines jungen Mannes hat, von unseren Jungs, die nach Norwegen gehen, irgendwo die Gnade Gottes erfahren darf? Und dass er anderen jungen Leuten helfen kann, das Leben zu finden.
Diese jungen Menschen sagen plötzlich: „Mich lockt nicht mehr das eine oder das andere. Mich lockt keine Sünde mehr, sondern mich lockt nur noch das Leben, das sie ergreifen.“ Das ist eine übernatürliche Erfahrung, und diese beschreibt Johannes.
Ewiges Leben als Erkenntnis Gottes
Jetzt habe ich so weit ausgeholt bei Johannes Musmans, dass man wieder den ganzen biblischen Zusammenhang sieht, worum es geht und was hier beschrieben wird.
Was ist ewiges Leben? Wenn Johannes 17, Vers 3 zum Beispiel sagt, dass ewiges Leben darin besteht, den wahren Gott zu erkennen. Leben ist nicht einfach nur Herumhängen. Leben ist auch nicht, wie auf einer Rutschbahn im Schwimmbad herunterzufahren. Leben ist auch nicht, mit 180 km/h über die Autobahn zu rasen. Leben ist auch nicht, Nudelsuppe zu essen oder was immer man dafür hält, das höchste Leben zu sein.
Leben ist Gotterkennung, Gott erkennen. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost. Nein, in Gott ist Genüge. Ist Ihnen Gott überhaupt wichtig? Lieben Sie sein Wort? Suchen Sie ihn? Das ist das Einzige, was es gibt.
Und so viele Kranke, auch gläubige Kranke, suchen in der Krankheit zuerst einmal, dass die Krankheit weggeht. Nein, Gott muss mir zuerst Angst geben, und dann kann er mir auch das anrücken. Wir wollen die Dinge nicht verteidigen, sondern das ist die Gabe und das Leben.
Das verkündigen wir euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt und Gemeinschaft mit dem Vater. Die Gemeinschaft mit dem Vater ist ja nicht irgendeine komische Gemeinschaft, in der man sagt: Jetzt flüchten wir uns in Erlebnisse mit Gott.
Das heißt, dass ich Ja sagen kann, dass Gott Ja über mein Leben hat, dass ich mein Leben annehme und meine Schwierigkeiten bejahen kann. Und ich weiß, mein kompliziertes Leben ist Gottes Gabe.
Er will hier in meiner Stube, in die Sie heute Abend zurückgehen, wohnen. Er will sich verherrlichen in meinem Leben, in allen Schwierigkeiten, die ich habe.
Die Gemeinschaft mit dem Vater vollzieht sich in unserem irdischen Leben. Damit unterschreiben wir, dass unsere Freude vollkommen sei.
Die bleibende Freude des Glaubens
Vollkommen sein – das ist ein Thema, dem wir immer wieder im Johannes begegnen. Es taucht immer wieder zusammen mit der Freude auf. Johannes ist ein Mann, dem sehr daran gelegen ist, dass das Christenleben ein fröhliches Leben ist. Dieses fröhliche Leben unterscheidet sich deutlich von einem ausgelassenen Leben, in dem man nur über irgendwelche Albernheiten kichert.
Vielmehr ist es eine große Freude, die auch in späteren, schweren Zeiten bestehen bleibt. Wahrscheinlich meint er damit die Zeit im Strafarbeitslager, das Martyrium, in das er so schwer hineingestoßen wurde. Überall, wohin wir auch geführt werden, bleibt diese Freude bestehen. Denn wir können das Leben, das uns geschenkt ist, nie mehr verlieren.
Diese Freude ist ewig und unbegrenzt. Sie hängt nicht von äußeren Umständen ab. Erinnern wir uns an Jesu Worte: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Auch Paulus fordert auf: „Freut euch im Herrn allewege.“ Die Freude liegt darin, zu wissen, dass ich zu Jesus gehöre und dass er bei mir ist.
Das ist die Mitte des Glaubens. Von all seiner Geduld, von seiner Weisheit – und dann machen sie ihr Ich immer kleiner.