Studienreihe über biblische Lehren von Doktor Martin Lloyd-Jones
Band zwei: Gott der Sohn
Kapitel eins: Die Erschaffung des Menschen
Wenn Sie den Bericht im ersten Kapitel des ersten Buches Mose lesen – und das gilt ebenso für das zweite Kapitel – werden Sie feststellen, dass der Bericht, den die Bibel selbst von der Erschaffung des Menschen gibt, eines deutlich macht: Hier geschieht etwas Besonderes, etwas, das sich abhebt und betont werden muss.
Man spürt eine Art Pause. In den meisten Bibeln wird die Erschaffung des Menschen in einem Absatz beschrieben, der für sich allein steht. All dies soll uns an die Einzigartigkeit dessen erinnern, was nun stattfinden sollte.
Über diese generelle Betonung hinaus werden uns bestimmte Dinge im Einzelnen berichtet. Zum Beispiel erfahren wir, dass Gott, bevor er den Menschen schuf, gesagt hatte: „Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, uns ähnlich“ (1. Mose 1,26).
Es ist zweifelsohne so – und das scheint mir die einzig angemessene Erklärung zu sein – dass die drei Personen der heiligen Dreieinigkeit miteinander Rat hielten, bevor der Mensch erschaffen wurde. Es ist einfach inadäquat, diesen Ausdruck „lasst uns“ lediglich als eine Art majestätischen Plurals zu sehen, wie er von königlichen Persönlichkeiten gebraucht wird, die „wir“ anstelle von „ich“ sagen. Für eine solche Verwendung finden wir in der Bibel keine Anhaltspunkte.
Gott spricht von sich selbst in der Regel in der Einzahl, aber hier haben wir diese Mehrzahl. Ebenso wenig kann argumentiert werden, dass hier auf eine Besprechung oder Beratung Bezug genommen wird, die Gott mit den Engeln gehabt habe. Auch dafür gibt es in der Heiligen Schrift nirgendwo auch nur den kleinsten Hinweis.
Nein, es herrscht von Anfang an Einigkeit darüber, dass dies zweifelsohne ein Hinweis auf eine Besprechung ist – zwischen Gott dem Vater, Gott dem Sohn und Gott dem Heiligen Geist. Und das ist etwas Einzigartiges, denn derartiges hatten wir bei der Schöpfung von nichts anderem.
Nachdem die anderen Dinge geschaffen worden waren, gab es eine Art Pause. Die heiligen drei Personen Gottes hielten Rat miteinander und sagten: „Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, uns ähnlich.“ Und...
Das Zweite, was wir erfahren, ist, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde. Sie erinnern sich, dass wir in den anderen Fällen immer wieder den Ausdruck „nach ihrer Art“ lesen. Einen solchen Ausdruck finden wir hier jedoch nicht. Der Mensch wurde nach keiner Art geschaffen. Ihm wird auch nicht aufgetragen, sich nach irgendeiner Art fortzupflanzen.
Er hat dieses bestimmte Etwas, nämlich dass er nach dem Bilde Gottes und ihm ähnlich gemacht und geschaffen wurde. In 1. Mose 2,7 erfahren wir noch etwas anderes: Da bildete Gott der Herr den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase den Atem des Lebens. So wurde der Mensch eine lebende Seele.
Mit anderen Worten, beim Menschen gibt es eine Unterscheidung zwischen den Bestandteilen, aus denen er zusammengesetzt ist. Es existiert ein Unterschied zwischen dem Körper und dem Geist, zwischen den materiellen und den nichtmateriellen Teilen. Noch einmal: Dies ist etwas Einzigartiges, etwas, was uns vorher nicht begegnet ist.
Gott nahm den Staub des Erdbodens und formte daraus den Körper des Menschen. Aber er benutzte nichts, um dem Menschen seine Seele zu geben. Er blies ihm den Atem des Lebens in die Nase. Das Wichtigste, das an dieser Stelle zu beachten ist, ist demnach die Unterschiedlichkeit der Bestandteile, die den Menschen und sein Wesen ausmachen.
Die andere Sache, die betont wird, ist natürlich die erhöhte Position, die dem Menschen gegeben wird. Er wurde sofort zum Herrn über die gesamte Schöpfung, über alle Natur, über alle Geschöpfe und alle Tiere eingesetzt. Darauf werden wir später noch zurückkommen. Ich erwähne es hier nur, um die Einzigartigkeit des Menschen in diesem ganzen Schöpfungsprozess zu betonen.
Nun, so leid es mir tut, müssen wir an dieser Stelle noch einmal auf die sehr umstrittene Frage der Evolution eingehen. Wie Sie wissen, gibt es viele, die glauben, dass sich der Mensch einfach aus dem Tier entwickelt hat. Ob sie nun sagen, dass sich der Mensch aus einem affenähnlichen Geschöpf entwickelt hat oder dass Affe und Mensch von derselben Rasse abstammen – das ist unwichtig.
Die allgemeine Evolutionstheorie besagt, wie wir gesehen haben, dass der Mensch sich ursprünglich aus irgendeinem Tier entwickelt hat. Damit leugnet sie die Lehre von der göttlichen Erschaffung des Menschen.
Ich muss Ihnen, ohne auf die Argumente für die Evolution noch einmal einzugehen, zeigen, dass diese Theorie in Bezug auf den Menschen etwas ist, was der biblischen Lehre sehr entschieden und konkret widerspricht.
Es gibt da, ich sage es noch einmal, diese Pause in der Bibel, und ich glaube, das ist sehr bezeichnend. Wenn der Mensch sich aus einem Tier entwickelt hätte, dann würde es nicht diese Pause zwischen der Erschaffung der Tiere und dem Bericht über die Erschaffung des Menschen geben. Der Bericht wäre direkt von einem zum anderen übergegangen.
Aber die Bibel macht eine Pause. Sie sagt, dass Gott etwas Einzigartiges getan hat. Es fand eine Beratung zwischen den drei Personen der Trinität statt. Warum sollte das erwähnt werden, wenn es nur eine Fortführung des vorherigen Prozesses gewesen wäre? Das erscheint mir gänzlich unnötig.
Dann sagt uns die Bibel, worauf ich Sie schon hingewiesen habe, und sie betont es, dass Gott den Menschen aus dem Staub der Erde gemacht hat. Darum möchte ich folgende Frage stellen: Wenn sich der Mensch aus irgendwelchen früheren Geschöpfen entwickelt haben soll, warum sollte das nicht erwähnt werden? Warum sollte dann konkret gesagt werden, dass er aus dem Staub der Erde gemacht worden ist?
Wenn die Evolutionstheorie wahr wäre, dann würde uns diese Aussage, dass der Mensch auf diese Weise geschaffen worden sei, zweifellos in die Irre führen – offenbar mit Absicht. Das aber wäre natürlich völlig undenkbar.
Ein weiterer Punkt, der vom Standpunkt der biblischen Lehre aus gesehen von größter Wichtigkeit ist, ist dieser: Die Evolutionstheorie sagt uns, dass der Mensch ganz unten begonnen habe, kaum zu unterscheiden vom Tier, und sich dann weiter und weiter vom Tier entfernt, bis er schließlich vollkommen ist.
Die Bibel berichtet uns jedoch das genaue Gegenteil. Sie sagt uns, dass der Mensch sozusagen ganz oben begann und dann von dort herunterfiel. In der Bibel finden wir die Lehre vom Sündenfall, und diese Lehre ist, wie ich Ihnen noch viele Male zeigen werde, ein entscheidender Teil der biblischen Heilslehre.
Das ist der Grund, warum wir uns über diese Dinge unbedingt im Klaren sein müssen und begreifen müssen, dass wir die Vorstellung der Evolution des Menschen nicht akzeptieren können. Das Beharren der Bibel auf die Notwendigkeit der Errettung des Menschen beruht auf der Tatsache, dass der Mensch, der vollkommen geschaffen wurde, viel und unvollkommen wurde – was das genaue Gegenteil der Evolutionslehre darstellt.
Das Nächste, was die Bibel uns mitteilt – und sie tut dies kategorisch – ist, dass die menschliche Rasse eine Einheit bildet. Sie behauptet, dass die gesamte Menschheit von zwei Personen abstammt, von Adam und Eva. Die Bibel spricht in keinster Weise zweideutig darüber, sie sagt es einfach aus.
Niemand wird leugnen wollen, dass dies im ersten Buch Mose gelehrt wird, doch nicht nur dort. Ich möchte das besonders betonen, weil manche meinen, dass dies nur in den ersten Kapiteln des ersten Buchs Mose stünde. Es wird jedoch auch an anderen Stellen in der Bibel zum Ausdruck gebracht.
Nehmen Sie beispielsweise 5. Mose 32,8: „Als der Höchste der Nationen das Erbe austeilte, als er die Menschenkinder voneinander schied, da legte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israel.“ Ebenso lehren die Ereignisse um den Turmbau zu Babel in 1. Mose 11,1-9 ganz offensichtlich dieselbe Wahrheit: dass es diese Einheit gegeben hat, die dann zerbrach, und dass sich die Menschheit zerteilte.
Auch der Apostel Paulus bemerkte dasselbe, als er den Leuten von Athen sagte, dass Gott „aus einem Blut jedes Volk der Menschheit gemacht“ habe (Apostelgeschichte 17,26).
Aber warum ist uns das so wichtig, und warum betonen wir das so sehr? Noch einmal: Wir müssen dies tun, weil andere zentrale, entscheidende Wahrheiten davon abhängen, wie man über diesen Punkt denkt.
Ich erinnere mich daran, wie ich einmal zusammen mit einer Reihe christlicher Wissenschaftler eine Konferenz besuchte. Diese neigten dazu, sich von ihren wissenschaftlichen Freunden bestimmen zu lassen. Ihr einziges großes Anliegen war es, aus den Schwierigkeiten herauszukommen, die sie hinsichtlich der ersten drei Kapitel in 1. Mose hatten.
Doch es war eine sehr einfache Angelegenheit, ihnen zu zeigen und sie davon zu überzeugen, dass sich ihr Problem nicht nur auf 1. Mose 1 bis 3 bezog. Sie mussten sich auch Römer 5 stellen. Alles, was in Römer 5 gelehrt wird, gründet sich auf der Einheit der gesamten menschlichen Rasse in Adam und auf der Einheit aller Christen in Christus.
Lesen Sie selbst nach, und Sie werden diese Parallele herausarbeiten: „Wenn es nun durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis kam, so auch durch eine Gerechtigkeit für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens“ (Römer 5,18).
Genau dieselbe Aussage finden Sie in 1. Korinther 15,21-22. Darum müssen wir auf dieser Lehre bestehen.
Es ist schon sehr interessant, wie mehr und mehr festgestellt wird, dass das, was die Bibel schon immer gelehrt und behauptet hat, nun auch durch außerbiblische Beweise bestätigt werden kann.
Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele nennen, über die Sie nachdenken können. Heutige Wissenschaftler müssen zugeben, dass die menschliche Rasse eine einzige Spezies ist. Es gibt zwar offensichtlich verschiedene Völkerfamilien, doch nur eine Spezies. Diese Tatsache können sie einfach nicht erklären, was sie vor Schwierigkeiten stellt.
Nehmen Sie zum Beispiel die Menschen, die in Nord- und Südamerika lebten, als Columbus und andere dort ankamen. Nach der wissenschaftlichen Theorie war es sehr schwer, ihre Ähnlichkeit mit uns zu erklären. Denn die Tiere, von denen sie sich entwickelt haben sollen, waren offenbar ganz anders als jene Tiere, von denen die Menschen in Asien angeblich abstammen.
Dann gibt es die faszinierenden Beweise, die uns die geschichtlichen Forschungen und Erkenntnisse über die Völkerwanderungen liefern. Wahrscheinlich haben Sie schon davon gelesen, wie verschiedene Stämme aus Zentralasien wegzogen – manche nach Norden, andere nach Westen in den Mittelmeerraum.
Fügen wir dem die Tatsache hinzu, die unter Anthropologen etabliert ist und nicht bezweifelt wird: Die meisten dieser Völker, so weit sie auch voneinander entfernt und so unterschiedlich die Rassen auch sein mögen, teilen bestimmte gemeinsame Traditionen. Dazu gehören etwa die Tradition einer großen Flut oder die Tradition eines Sündenfalls.
Die Beweislage, die sich ergibt, wenn man die Geschichte der Völkerwanderungen und diese gemeinsamen Traditionen zusammen betrachtet, weist darauf hin, dass es irgendwo in Zentralasien gemeinsame Vorfahren für alle Völkerfamilien der Menschheit gegeben haben muss. Das ist nicht meine Theorie oder einfach die der Christen. Es ist die Theorie von Anthropologen, die den Menschen erforschen, um die Wahrheit über ihn herauszufinden.
All dies erhärtet und bestätigt, was die Bibel über die Einheit der gesamten menschlichen Rasse lehrt. Dann haben wir den Beweis, den uns das Studium der Sprachen liefert – die Philologie. Dieser Beweis ist äußerst wichtig.
Wussten Sie, dass die meisten der sogenannten indogermanischen Sprachen auf eine ursprüngliche Sprache zurückgeführt werden können? Die Sprache, die ihr von den heute vorhandenen am nächsten kommt, ist das alte Sanskrit. Alle Sprachen, Englisch eingeschlossen, können auf diese Weise zurückverfolgt werden.
Ein weiteres sehr schlagkräftiges Argument liefert uns die sogenannte Psychologie des Menschen. Sie besagt, dass Menschen, wann immer sie einander begegnen, stets ein Geschöpf desselben Typs, derselben Art vor sich haben. Sie besitzen dieselben Instinkte und Bedürfnisse. Der eine mag völlig ungebildet sein, der andere sehr intellektuell, doch es ist erstaunlich zu beobachten, wie ähnlich sie sich sind in dem, was sie wollen, was sie mögen und was sie tun.
Es ist also sehr wichtig für uns, besonders im Licht dessen, was die Bibel über unsere Einheit in Adam und unsere Einheit in Christus lehrt, an der Lehre von der Einheit der menschlichen Rasse festzuhalten.
Wir befassen uns als Nächstes mit der wesensmäßigen Natur des Menschen. Hier lautet die große Frage, ob Seele und Geist zwei unterschiedliche Dinge sind oder eins. Es gibt dazu zwei Haupttheorien: Erstens die Dichotomie, die besagt, dass der Mensch aus Körper und Seele besteht, und zweitens die Trichotomie, die annimmt, dass der Mensch einen materiellen Körper, eine Seele als Grundlage des triebhaften Lebens und einen Geist besitzt. Der Geist stellt dabei das auf Gott bezogene, rationale und unsterbliche Element dar.
Die Argumente für die Dichotomie sind folgende: Erstens werden die Begriffe für Seele und Geist in der Schrift oft austauschbar gebraucht. Zweitens werden die Wörter Geist und Seele beide auf Tiere angewandt. Im Buch Prediger heißt es: „Wer weiß, ob der Geist des Menschen aufwärts steigt, der Geist des Tieres aber abwärts zur Erde fährt“ (Prediger 3,21). Und der Apostel Johannes schreibt: „Und der zweite Engel goss seine Schale aus auf das Meer. Und es wurde zu Blut wie von einem Toten, und jede lebendige Seele, was auch im Meer war, starb“ (Offenbarung 16,3).
Drittens werden im Buch der Offenbarung die nichtkörperlichen Toten als Seelen bezeichnet, nicht als Geister. Offenbarung 6,9 spricht von den Seelen derer, die geschlachtet worden waren und sich unterhalb des Altars befanden. In dem berühmten Abschnitt über das tausendjährige Reich lesen wir in Offenbarung 20,4 von den Seelen derer, die enthauptet worden waren und mit Christus herrschen.
Viertens wird das krönende Element des Glaubens und der Anbetung eher der Seele als dem Geist zugeschrieben. Denn es heißt: „Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und seine Seele verliert?“ Zudem steht: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft.“ Der Teil, der an der Anbetung und der Beziehung zu Gott beteiligt ist, wird hier nicht als Geist, sondern als Seele bezeichnet.
Fünftens wird der immaterielle Bestandteil der Toten manchmal als Seele und manchmal als Geist beschrieben. Nehmen wir zum Beispiel die beiden Abschnitte in der Offenbarung, die ich erwähnt habe: Dort wird der immaterielle Bestandteil als Seele bezeichnet. In Hebräer 12,23 lesen wir jedoch von den Geistern der vollendeten Gerechten.
Es gibt demnach einige Schwierigkeiten. Der Mensch wird in Matthäus 10,28 als Körper und Seele beschrieben, an anderen Stellen aber als Körper und Geist, etwa in Prediger 12,7 und 1. Korinther 5,3-5. Mit anderen Worten scheint es aus der Schrift klar zu sein, dass die beiden Begriffe austauschbar sind. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass der Mensch nur aus zwei Bestandteilen zu bestehen scheint: aus Körper und Seele oder Geist.
Gut, wird jemand sagen, aber was ist mit 1. Thessalonicher 5,23? Dort heißt es: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig und vollständig; möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“
Und in Hebräer 4,12 lesen wir: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“
Nun wird der Fragesteller sagen: Hier haben wir es ganz konkret zweimal mit Körper, Seele und Geist zu tun. Seele und Geist werden getrennt und damit als etwas Unterschiedliches betrachtet.
Die Antwort jener, die an eine Dichotomie oder an die Vorstellung der Zweiteilung glauben, ist, dass zwei Abschnitte wie diese offenkundig im Licht der gesamten Schrift gesehen werden müssen. Wenn uns das Ganze den Eindruck vermittelt, dass im Wesentlichen kein Unterschied zwischen den beiden besteht, dann müssen diese beiden Verse auf eine Weise erklärt werden, die die beiden Elemente nicht trennt.
Es wird daher weiter argumentiert, dass keiner dieser beiden Verse wirklich beweist, dass diese beiden Dinge in Wesen und Sein verschieden sind. Ebenso wenig wie Markus 12,30 zeigt, dass es einen Unterschied zwischen Verstand und Seele gibt, wenn es heißt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft.“
Nun ist man sich einig, dass der Verstand und das Herz – das Denken und die Empfindungen – ein Teil der Seele sind. Aber unser Herr Jesus Christus scheint zwischen ihnen zu unterscheiden. Darum vermutet man, dass die Trennung zwischen Seele und Geist ein ähnliches Ziel haben könnte.
So soll durch das, was in 1. Thessalonicher 5 steht, die Gesamtheit der Heiligung betont werden. Die ganze Person soll geheiligt und untadelig bewahrt werden. Und in Hebräer 4,12 liegt die Betonung auf der Gründlichkeit, mit der wir geprüft werden. Das Wort Gottes unterscheidet sogar zwischen den Gedanken und Gesinnungen; es dringt bis in die letzten Tiefen vor.
Was sagen wir nun zu all dem? Ich fürchte, dass ich mich einmal mehr nicht entscheiden kann, zu welcher dieser beiden Gruppen ich gehöre. Keine der beiden Theorien lässt sich wirklich beweisen. Dennoch können wir sagen, dass die Schrift eine Unterscheidung zwischen Geist und Seele vornimmt, auch wenn sie nicht ausdrücklich sagt, dass zwischen ihnen ein Unterschied besteht.
Es könnte sich um eine Unterscheidung ohne einen Unterschied handeln. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn es nur einen immateriellen Bestandteil gibt, dann ist ein Teil dieses immateriellen Bestandteils das, was wir Geist nennen. Dieser Teil verbindet uns gewissermaßen mit Gott. Die Seele hingegen ist der Teil unseres immateriellen Bestandteils, der den Körper mit Leben erfüllt und uns befähigt zu denken, zu wollen und zu fühlen.
Sie ist auch der Sitz unserer Gemütsregungen. Die Seele verbindet uns mit dem Körper und macht es uns möglich, durch den Körper mit anderen Menschen zu kommunizieren. Diese Erklärung mag Sie vielleicht nicht zufriedenstellen, aber sie ist ein Versuch eines Kompromisses.
Mit anderen Worten: Sie werden zustimmen, dass es eine Unterscheidung zwischen Geist und Seele gibt. Ob Sie jedoch so weit gehen müssen, zu sagen, dass es sich dabei um zwei wesensmäßig unterschiedliche Dinge handelt, ist etwas, wovon ich persönlich nicht überzeugt bin.
Also könnten wir sagen, dass der Mensch einen Geist hat, aber eine Seele ist. Sie werden feststellen, dass der Begriff „Seele“ oft anstelle eines Personalpronomens verwendet wird und häufig auch für die ganze Persönlichkeit steht. So lesen wir beispielsweise, dass die Anzahl der Leute, die nach Kana gingen, eine bestimmte Anzahl von Seelen war (1. Mose 12,5). Ebenso heißt es, dass die Anzahl der Seelen, die nach Ägypten hinabzogen, sechsundsechzig war (1. Mose 46,26).
Ich fürchte zwar, dass wir zu keiner endgültigen Aussage kommen können. Dennoch ist es auf jeden Fall gut für uns festzuhalten, dass der materielle und der immaterielle Bestandteil gemeinsam eine Person ausmachen. Dabei wird der immaterielle Bestandteil in Geist und Seele unterteilt.
Eine letzte Frage: Wo liegt der Ursprung der Seele in jedem einzelnen Individuum? Jede Person, die in diese Welt hineingeboren wird, hat eine Seele. Aber woher kommt sie? Wie sind unsere Seelen ein Teil von uns? Wieder müssen wir sagen, dass wir es nicht wissen.
Wenn wir es nicht wissen, wird jemand fragen, warum wir uns überhaupt darüber Gedanken machen. Die Antwort darauf ist, dass wir uns bald mit der Lehre der Ursünde oder Erbsünde beschäftigen werden. Man kann sich damit nicht auseinandersetzen, ohne auch über den Ursprung der Seele nachzudenken.
Die Frage, der wir gegenüberstehen, lautet: Wie betrifft mich Adams Sünde? Wie genau stellt sich meine Beziehung zu ihm dar? Wir glauben, dass jede Seele, die in diese Welt hineingeboren wird, in einem gefallenen Zustand geboren wird. Aber wie fiel sie? Und wann? Wenn wir diese Lehre ernst nehmen, können wir diese Fragen nicht umgehen.
Ein weiterer Grund, darüber nachzudenken, ist, dass wir die Person Jesu Christi betrachten und lehren werden, dass er eine menschliche Seele hatte. Aber woher bekam er sie? Bekam er sie von Maria? Sie sehen, die Frage muss zwangsläufig auftauchen.
An dieser Stelle möchte ich einfach ein paar Punkte nennen. Es gibt jene, die an die Präexistenz der Seele glauben, also dass wir alle vorher schon existiert hätten und in diese Welt zurückgekehrt seien. Auch Platon hat dies gelehrt, und es gibt in der Religion oft eine Mischung aus Platonismus und Philosophie, ohne dass die Menschen es wahrnehmen.
Dann gibt es eine andere Vorstellung, den sogenannten Traduzianismus. Er besagt, dass sich die Seele mit dem Körper bei der menschlichen Zeugung fortpflanzt und die Seele des neugeborenen Kindes von seinen Vorfahren abstammt, von seinen Eltern. So wie es seinen Körper in dieser Weise erhält, so geschehe dies auch mit der Seele.
Was spricht für diese Theorie? Erstens hat Gott dem Menschen nur einmal den Odem eingegeben, und es wird uns niemals gesagt, dass dies wiederholt worden wäre. Von da an ist es dem Menschen aufgetragen, die Erde zu füllen usw.
Zweitens wird uns nicht berichtet, dass Eva eine besondere Schöpfung sei oder dass Gott dem Körper, den er aus der Seite Adams gemacht hatte, den Odem eingehaucht hätte. Wir wissen auch, dass Gott von seinem Schöpfungswerk abließ, nachdem er Adam und Eva erschaffen hatte.
Es gibt außerdem ein paar sehr interessante biblische Aussagen über die Nachfahren, die schon in den Lenden ihrer Väter verborgen liegen. In Hebräer 7,9-10 wird uns beispielsweise gesagt, dass, als Abraham Melchisedek den Zehnten gab, Levi selbst den Zehnten entrichtete, während er in den Lenden Abrahams war.
Es gibt bestimmte Einwände gegen diese Theorie. Erstens scheint die Seele als etwas Materielles angesehen zu werden. Sie scheint etwas zu sein, das in verschiedene Teile aufgeteilt werden kann. Man stellt sich die Frage: Stammt die Seele vom Vater oder von der Mutter oder von beiden? Und in welchem Zustand existierte sie im Vater oder in der Mutter, wenn sie dort präexistent gewesen ist?
Zweitens gibt es wiederum eine große Schwierigkeit mit der Person unseres Herrn, wenn er seine Seele vom Menschen bekommen hat.
Die andere Theorie hinsichtlich des Ursprungs der Seele ist der sogenannte Kreatianismus. Sie lehrt, dass jede einzelne Seele eine direkte Schöpfung Gottes ist und dass wir unsere Seelen nicht von unseren Eltern empfangen. Unsere Körper kommen von unseren Eltern, aber zu dem einen oder anderen Zeitpunkt – niemand weiß wann, sei es in den frühesten Anfängen des menschlichen Fötus oder später, wenn das Kind lebensfähig wird oder wenn es geboren wird – wird ihm die Seele eingegeben.
Für mich gibt es einen sehr schwerwiegenden Einwand gegen diese Theorie, und zwar folgenden: Wenn die Seele eine unmittelbare Schöpfung Gottes ist, woher kommt ihre Neigung zur Sünde und zum Bösen? Das bedeutet, dass Gott der Autor des moralischen Bösen sein muss.
Oder wenn man sagt, dass nur der Körper von den Eltern stammt und die Ursünde dadurch entsteht, dass Gott diese reine Seele einem sündigen Körper eingibt, was die Seele dann zwangsläufig zum Sündigen bringt, macht man Gott zum indirekten Verursacher des moralisch Bösen und der Sünde.
Wenn Gott jede Seele einzeln erschafft, wo kommt die Ursünde ins Spiel? Wie kann man sie dann erklären?
Sehen Sie, die traditionelle Vorstellung hat damit keine Probleme. Sie sagt, dass wir uns alle sozusagen in den Lenden Adams befanden, als er sündigte, und dass wir deshalb alle unsere sündige Natur direkt von ihm erhalten haben.
Der Kreatianismus bringt uns, während er in seinen Ansichten über die Natur der Seele Recht hat, in größte Schwierigkeiten hinsichtlich der Ursünde. Er scheint fast zu lehren, dass Gott auf irgendeine Weise etwas geschaffen hat, was böse ist, und das ist undenkbar.
Ich fasse daher so zusammen: Wenn wir uns einer solchen Frage gegenübersehen, ist es von entscheidender Wichtigkeit, ihr mit Demut, Ehrerbietung und Gottesfurcht zu begegnen. Wir müssen vorsichtig sein, nicht über das hinauszugehen, was uns die Heilige Schrift mitteilt. Ich glaube, wir sind an diesem Punkt auf etwas gestoßen, das wir nicht verstehen oder erklären können.
Bestimmte Dinge können wir jedoch definitiv sagen. Gott erschafft nichts, was böse ist – das ist sicher. Gott kann keine sündige Seele erschaffen. Ebenso eindeutig wissen wir aus der Bibel, dass menschliche Verderbtheit vererbt wird. „Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat meine Mutter mich empfangen“, sagt der Psalmist in Psalm 51,7.
Wir sind ebenso sicher, dass die Menschlichkeit oder die menschliche Natur unseres Herrn und Retters Jesus Christus keiner Sünde schuldig war und in keiner Weise sündig war.
Was für ein Geheimnis ist doch der Mensch, was für ein Geheimnis ist sein Wesen! Wir stecken in diesen Körpern, und doch haben wir diesen immateriellen Teil. Wir sind von Gott und für Gott gemacht. Auch wenn wir nicht genau verstehen, wie all dies geschieht, danken wir Gott, dass es über die Dinge, die für die Errettung wesentlich sind, vollkommene Klarheit gibt.
Wir danken Gott, dass er uns so mit Fähigkeiten ausgerüstet hat, dass wir Fragen stellen und ihre Bedeutung erkennen können, selbst wenn wir sie nicht immer beantworten können.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit