Markus 4,35-41 – Die bekannte Geschichte vom Sturm auf dem Meer passt sehr gut.
Am Abend desselben Tages sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Lasst uns hinüberfahren.“ Sie ließen das Volk gehen und nahmen Jesus mit, so wie er im Boot war. Es waren noch andere Boote bei ihnen.
Plötzlich erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen so heftig gegen das Boot, dass es sich bereits mit Wasser füllte. Jesus aber lag hinten im Boot und schlief auf einem Kissen.
Soweit ich mich erinnere, ist dies genau die Stelle, die mit dem Boot am See Genezareth zusammenhängt. Dort wurde ein Boot gefunden, das aus der Zeit Jesu stammt. Interessanterweise hat das Boot hinten eine Erhöhung, die man zunächst für ein Kissen halten könnte. Wenn wir in Novi Sad bei unserer Mai-Juni-Reise sind, ist es besonders schön, dass wir direkt im Museum sind, in dem dieses einzige Boot aus dem Schlick gefunden wurde.
Diese Erhöhung am Heck entspricht genau dem, was in der Bibel beschrieben wird. Es ist also kein Kissen, sondern eine Art Aufbau. Für die Forscher ist das hochinteressant, denn es zeigt, wie exakt die Evangelisten berichten. Ich glaube, es ist das einzige Mal, dass ein Schiffsteil in der Bibel erwähnt wird.
Die Jünger weckten Jesus auf und fragten ihn: „Meister, fragst du nicht danach, dass wir umkommen?“ Jesus stand auf, bedrohte den Wind und sprach zum Meer: „Schweig und verstumme!“ Der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille.
Dann sprach er zu ihnen: „Warum seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“ Sie aber fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: „Wer ist dieser? Auch Wind und Meer gehorchen ihm.“
Die Sehnsucht nach der Natur und ihre Realität
Ich möchte heute Abend einige grundsätzliche Bemerkungen zur Natur machen. Wir sind Großstadtmenschen, Asphaltgeschöpfe, und ich sage immer wieder, dass wir in der Großstadt oft nicht mehr wissen, wie Bäume wirklich aussehen, weil wir es mit unseren Augen kaum noch wahrnehmen.
Daher entsteht bei uns eine große Sehnsucht. Wer von Ihnen richtig im Grünen wohnt, kennt das vielleicht. Als unsere Kinder noch klein waren, haben wir diese Sehnsucht noch stärker empfunden, weil sie kaum die Möglichkeit hatten, in einem Garten zu spielen oder Ähnliches. Wie schön ist es doch, die Natur zu erleben!
Aus dieser Sehnsucht heraus entsteht heute oft eine Verklärung der Natur. Das zeigt sich zum Beispiel in der Bewegung der Grünen. Wer freut sich nicht am Grün? Hinter diesen ideologischen Bewegungen stehen natürlich oft ganz andere Mächte, die nur an den äußeren Dingen hängen. Für uns ist das aber immer ein Traum: Wir wollen zurück zur Natur.
Man denkt, früher müsse es schön gewesen sein, vor zweitausend Jahren, als unsere Vorfahren auf Bäumen saßen. Wenn man sich vorstellt, man könnte wieder so leben wie damals, scheint das erstrebenswert. Dabei stellt man sich nicht vor, dass es vielleicht gar nicht so ideal war.
Das Grüne – wie man es von Pfadfindern oder Jungenschaftlern kennt, also richtig zurück zur Natur – hat etwas Bestechendes. Dabei wissen wir oft wenig darüber, was die Natur wirklich ist. Die Natur ist gnadenlos. Denken Sie an die Eskimos im grönländischen Eis oder an Menschen, die in der Wüste überleben müssen. Die Sonne brennt gnadenlos herunter.
Plötzlich erleben wir die Natur als eine unheimliche Bedrohung für den Menschen. Wer die Natur nicht nur aus Filmen kennt, merkt, dass sie dem Menschen immer wieder zusetzt. Wenn man heute in der Zeitung liest, dass es in Mexiko minus zwanzig Grad hat und Schnee liegt – etwas, das seit Menschengedenken noch nie vorgekommen ist – heißt es oft, das Wetter spiele verrückt. Dabei spielt das Wetter seit jeher verrückt, seit es Menschen gibt. Das ist der Witz am Wetter: Die Natur spielt verrückt.
Jesus spricht ja auch davon, dass uns die Natur in Schrecken versetzen kann – sei es durch ausbrechende Vulkane oder Überschwemmungen. Wenn man sich vorstellt, wie die Nordkoreaner jetzt alles auf eine Flut mit 18 Meter hohen Wellen schieben, die die Deiche zertrümmern, wird das deutlich. Natürlich hat Nordkorea seine Wirtschaft durch den Kommunismus in den Keller gefahren. Aber was sind Flutwellen von 18 Metern, die an einer Küste losbrechen?
Solche Ereignisse kennen wir auch. Völlig unerwartet kommt dann der Schrei: Warum waren die Behörden nicht darauf vorbereitet? Das kennen wir immer wieder. Wann war das furchtbare Hochwasser in Stuttgart in den Siebzigerjahren, bei dem Autofahrer in einer Unterführung ertranken? So etwas gab es vorher nicht.
Ich erinnere mich, wie ein Regenguss kam und plötzlich die Dobelstraße nicht mehr passierbar war. Vom Dobel, dort wo Schiller seine Räuber spielen ließ, bis zur Hohenheimer Straße liefen schwarze Wassermassen aus kleinen Tälern, sodass alle Keller vollgelaufen waren.
Die Natur ist immer unberechenbar. So etwas passiert manchmal, wenn man es überhaupt nicht erwartet. Heute Nacht können Erdbeben kommen, man kann nie sagen, dass man sicher ist. Es gibt keinen Ort, der wirklich sicher ist.
Was für Katastrophen alles passieren können – die Natur ist unberechenbar. Vielleicht ist sie bis zu einem gewissen Grad berechenbar, so wie die Menschen in Los Angeles oder San Francisco leben, wo man weiß, dass die nächste Katastrophe kommt.
Am Vulkan Pinatubo haben wir das erlebt. Damals hatten wir Entwicklungshelferinnen vor Ort, die erzählten, wie plötzlich alles von Asche bedeckt war und die Bäume zusammenbrachen.
Das biblische Bild von der Natur und ihre Zerbrochenheit
Ich möchte jetzt nicht viel mehr reden, sondern das biblische Bild von der Natur darstellen. In der Bibel gibt es ein ganz idyllisches Bild von der Natur, das man zuerst betrachten muss. Es gehört in einen Adventstext, besonders in das herrliche Kapitel Jesaja 11, wo vom Stamm und Wurzelgrund Davids die Rede ist. Wenn der Messias kommt, wird erzählt, wie endlich in der Natur Harmonie einkehrt.
Leider übersehen wir diese Stellen oft. Gerade die Propheten haben uns viel über die Natur, den Messias und sein Friedensreich gesagt. Das ist eine endzeitliche Schau, und das ist mir jetzt viel wichtiger. Denn ideologische Fanatiker der „grünen“ Bewegung leugnen oft, dass unsere Natur so, wie sie heute ist, selbst kaputt ist. Sie ist nicht intakt – und das nicht erst seit der Chemie oder der Industrialisierung, sondern seitdem der Mensch in der Sünde lebt. Unsere Natur ist beschädigt, sie hat einen tiefen Riss seit dem Sündenfall, also biblisch gesagt, seitdem der Mensch von Gott abgefallen ist.
Jetzt kommt Jesaja 11 mit dieser herrlichen Verheißung, die wir bereits in einer unserer Predigten erwähnt haben: Der Stamm Isais, der Stumpf, der Strunk, bekommt plötzlich wieder einen Zweig. Isai war der Vater von David. Aus ihm kommt erneut die alte Verheißung hervor, und auf ihm ruht der Geist – die Gegenwart des lebendigen Gottes. Der Geist der Weisheit, des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn ist in diesem neuen Messias.
Er wird mit Gerechtigkeit richten. Wenn die Gerechtigkeit wieder siegt, wenn der Wille Gottes überall durchgesetzt wird, dann heißt es in Jesaja 11, Vers 6: „Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern.“ Ein kleiner Knabe wird Kälber, junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben, und kein Tier wird dem anderen schaden.
Das biblische Bild von der grünen Harmonie ist viel, viel schöner. Kühe und Bären werden zusammen weiden, ihre Jungen liegen friedlich beieinander. Löwen werden Stroh oder Gehäckseltes fressen wie die Rinder. Ein Säugling wird am Loch der Otter spielen, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand in die Höhle der Natter stecken, ohne gebissen zu werden. Das ist der Witz daran.
Es wird niemand mehr Sünde oder Frevel auf Gottes heiligem Berg tun, denn das Land wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie Wasser das Meer bedeckt. Aus diesem Grund beziehen die orthodoxen Kirchen die Tierwelt stark in ihre Gottesdienste ein. In der evangelischen Kirche haben wir da vieles verloren. Keine Angst, ich werde nicht orthodox, weder russisch noch griechisch, aber diese Kirchen leben ganz anders mit der Schöpfung Gottes.
Ein Manko in der evangelischen Kirche ist oft, dass wir die Beziehung zur Schöpfung Gottes verloren haben – und zwar im umfassenden Sinn. Dabei wollen wir auch verstehen, dass wir die Schöpfung nicht vergöttern dürfen. Ich habe manchmal Sorge, dass manche Tierliebhaber es etwas unnatürlich sehen. Es gibt einen Unterschied zwischen Tier und Mensch, den man immer beachten muss.
Gott hat dem Menschen erlaubt, Tiere zu schlachten und Fleisch zu essen. Ob das appetitlich ist, ist eine andere Frage, aber grundsätzlich ist es erlaubt. Die Beziehung zur Schöpfung muss jedoch bestehen bleiben.
Auch unser ganzes Verhältnis zum Urlaub, zum Essen und Trinken ist ein Geschenk Gottes. Heute Morgen habe ich im Buch Prediger gelesen und war überrascht, wie dort einfach gesagt wird: „Freu dich an dem Schönen, das Gott dir gibt, genieße es!“ Das aszetische Denken, wonach Gottes einzige Forderung Askese sei, stimmt nicht. Gott gibt uns Schönes, damit wir uns daran freuen.
Freu dich an der schönen Musik, freu dich an dem, was dein Auge sieht, an deinem Leben – auch wenn wir alles zur Ehre Gottes nutzen.
Ganz wichtig ist: Die Schöpfung ist durcheinandergeraten und hat eine Störung erfahren. Eine weitere Bibelstelle zeigt das auf andere Weise, im Römerbrief, Kapitel 1, ab Vers 18. Paulus beschreibt dort, wie tief der Riss in der Schöpfung ist. Vor allem die Menschen sind von Gott dahingegeben, was sich in schrecklichen Perversionen, Entartungen, Streit, Gier und Unersättlichkeit äußert. Das war besonders im alten Rom zu beobachten.
Römer 1 ist eine dramatische Schilderung, wie die Schönheit der Schöpfung vom Menschen nicht mehr erkannt wird.
Eine dritte Stelle, die das noch eindrucksvoller zeigt, ist das herrliche Kapitel im Römerbrief, das vom Heiligen Geist handelt: Römer 8. Dort spricht Paulus vom Geist Gottes, der uns erfüllt. Schauen wir auf Römer 8, Vers 18: Paulus spricht von den Leiden dieser Zeit und von der Sehnsucht, die man in der Kreatur, in der Schöpfung, sehen kann.
Vers 19: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden.“ Wenn die Erlösung der Kinder Gottes, des Gottesvolkes, sichtbar wird, dann wird auch bei der Wiederkunft Jesu eine erneuerte Schöpfung um uns sein.
Es ist wunderbar, dass das alles umfasst: die Erneuerung der Welt. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat. Doch es gibt Hoffnung, denn die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit und in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes eingehen.
Wir wissen, die ganze Schöpfung sehnt sich und seufzt bis zu diesem Augenblick mit uns. Sie ängstigt sich nicht allein.
Auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, sehnen uns nach der Vollendung. Heute sind wir noch nicht dort, wo wir spüren können, dass die ganze Natur und Kreatur seufzt.
Woran sieht man das in der Schöpfung? Zum Beispiel am Kampf der Kreatur gegeneinander, wie es schon in der Jesaja-Weissagung erwähnt wurde. Das ist gefallene Schöpfung: Ein Tier jagt das andere.
Wenn jemand die Natur vergöttert, erkläre ich oft den Schülern oder Konfirmanden: Schaut mal, wenn eine Katze ein Nest mit jungen Vögeln ausraubt – da blutet einem das Herz! Da fällt alle Ideologisierung der Tiere weg. So brutal ist es!
Unsere kleinen Kinder können es kaum ansehen, wenn sie in der Wilhelma sehen, wie tote Tiere oft vor den anderen Tieren liegen. Da spüren wir etwas von diesem Kampf.
Auch im Dschungel oder im ursprünglichen Garten sieht man, wie Pflanzen vom Unkraut erdrückt werden – ein Kampf aller gegen alle.
Wenn Leute sagen, das sei ideal, dann würde das bedeuten, dass in unserer Menschenwelt der Stärkste mit den härtesten Ellbogen die Schwachen zur Seite drängt.
Die Natur ist gnadenlos und unbarmherzig. Wer die Natur als eine heile ideologische Welt sieht, der irrt.
Wenn das unser gesellschaftliches Leben prägen würde, dann könnte nur noch die Faust gelten.
Heute kommt man kaum noch dazu, mit Menschen zu diskutieren, damit sie verstehen, was die Bibel uns zeigt und wo wir in dieser Welt stehen.
Jesus und der Sturm auf dem See: Gottes Führung durch die Stürme des Lebens
Und jetzt kommen wir zu dem Sturm auf dem Meer. Jesus fährt mit seinen Jüngern in diesen Sturm hinein. Ich glaube, es ist im Matthäusevangelium, wo das gerade vorherkommt.
Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester, aber der Menschensohn hat kein Dach über dem Kopf. Es ist so schön beschrieben: An dem Abend, stellen Sie sich vor, wie es Abend wird, die Sonne geht unter. Jetzt möchte jeder in seine Bude, heim in sein Bett, heim in sein gemütliches Heim. Jesus hat kein Heim. Jesus sucht das Unstete.
Waren Sie schon mal eine Nacht draußen allein und hatten kein Obdach? Dann beneiden Sie jeden, der irgendwo in einem Haus wenigstens behütet sein kann. Jesus zieht weiter, der Obdachlose, der durch die Welt zieht, und er nimmt seine Jünger mit. Überraschend ist, dass er ausgerechnet in den Wirbelsturm hineingeht.
Wir meinen ja immer, Jesus müsste uns vor Krankheiten bewahren, vor Schwierigkeiten und erst recht vor den Stürmen. Wenn das passiert, dann hat offenbar Gott geschlafen oder versagt. Aber dass Jesus ausgerechnet seine Jünger in die Stürme schickt, das haben wir in der Konsequenz nicht bedacht. Das heißt, dass vielleicht Gott schon morgen für uns sehr aufregende Zeiten bereit hat, und das ist seine Führung.
Warum er das tut, wollen wir nachher genauer betrachten. Aber die Erkenntnis ist: Das ist der Weg Jesu. Er geht nicht um den Sturm herum. Er hätte es ja wissen können, er hat es gewusst, und er will, dass seine Jünger da hineingehen. Er führt seine Gemeinde in diese Stürme.
Unser Leben ist oft angefüllt mit sehr bewegten Zeiten, weil Jesus so führt. Und es gehört mit zu dem Weg, den Jesus mit uns geht. Also, die Obdachlosigkeit war wichtig, und dann lasst uns hinüberfahren.
Jesus kündigt nichts vorher an. Urplötzlich brechen diese Gewalten los, die Windverhältnisse verändern sich. Wenn die heißen Winde von der Wüste kommen und über dem relativ kalten See zusammenbrechen, der mit seiner großen Tiefe vom Hermon herunterkommt, sind das immer wieder Stürme, die sich dort entladen können. Die erfahrenen Fischer wissen genau, wie weit sie bis an diese Grenze kommen.
Deshalb möchte ich jetzt noch einmal ein paar biblische Dinge sagen: Warum und wie war eigentlich der Denkhintergrund der Hebräer zu dieser Zeit?
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass der Hebräer eigentlich vor zwei Dingen Angst hatte: vor Wasser, vor dem Meer, und vor Pferden. Schaut man sich die ganze Bibel an, sieht man das deutlich. Bis heute hat Israel keine große Marine.
Die Pferde waren immer eine Waffe Ägyptens. Das hatten auch die Kanaanäer in ihren Streitwagen. Israel hatte immer ein gespanntes Verhältnis zum Pferd. Salomo baute erst die Stallungen auf, doch die Propheten warnten wieder: Verlasst euch nicht auf die Rosse Ägyptens. Das Pferd war eigentlich nie ein Hilfsmittel, mit dem Israel befreit werden konnte.
Im Buch Hiob gibt es eine wunderschöne Beschreibung, ein ganzes Kapitel über das Pferd, wie es wird und wie es in den Kampf zieht. Das haben sie wohl gesehen, aber das Pferd war immer unheimlich. Es war auch eine militärische Stärke, doch in der militärischen Stärke konnte man sehr schlecht kämpfen.
Das Meer wird ebenfalls gefürchtet. Auch in der Offenbarung heißt es: „Und das Meer ist nicht mehr.“ Das ist die schlimmste Bedrohung.
Woher kommt das? Man kann es nicht genau verfolgen. Vielleicht war es schon im gesamten semitischen Denken, im Vorderen Orient, eine Vermutung: In den Tiefen des Meeres wohnen zerstörerische Kräfte. So haben sie das Meer immer erlebt – unberechenbar. Und das ist auch so.
Das Einzige, was in Israel schlecht ist, das aller Einzige, sonst kann man sich über vieles beschweren, ist, dass man nicht richtig baden kann. Wenn das Wasser an der Küste bis zur Technik geht, pfeift man schon wieder raus, weil es so wahnsinnig angsthaft ist, als könnte man ertrinken.
Das sind die Bademeister dort. Man muss irgendwo baden, wo kein Bademeister ist. Aber bis heute ist das Meer ein ganz arges, also Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht. Es passiert viel, es gibt gefährliche Strömungen, aber das Meer ist unheimlich, bedrohlich und wird gefürchtet.
Wie kommt das vor? Das findet sich schon in der Schöpfungsgeschichte. Die Vorstellung war bei der Schöpfungsgeschichte, dass das Meer alles mit Wasser bedeckt hat. Dann kommt der Ruf Gottes, und er bannt das Meer, trennt es in festes Land und Wasser. Hinter diesem Meer stehen letztlich Chaosmächte.
Das ist eigentlich die beste Beschreibung: Die Erde war wüst und leer, war „tohu“ im Hebräischen. Jetzt kommt der Ruf Gottes und erschafft aus diesem Chaos etwas. In der Sintflut brechen diese unheimlichen Chaosmächte wieder herein und verschlingen alles Leben.
In Israel war immer die Vorstellung, dass diese Mächte wieder loskommen können über die Erde. Das steht auch hier ganz stark dahinter. Sie dürfen wirklich hinter dieser Geschichte vom Sturm auf dem Meer das erleben, so wie wir auch unser eigenes Leben erfahren: Als ein bedrohtes Leben.
Wenn das Lüftlein des Todes dreinbläst, dann fällt alles dahin. Was ist unser Leben? Ein Hauch sind wir. Und die Bedrohung des Meeres…
Schlagen wir mal ein paar Bibelstellen auf. Psalm 104 hat sehr viele Stellen vom Meer. Im Naturpsalm, Psalm 104, Verse 6 bis 9 heißt es:
„Mit Fluten decktest du das Erdreich wie mit einem Kleid, und die Wasser standen über den Bergen. Aber vor deinem Schelten flohen sie, es war an der Schöpfung, und vor deinem Donner fuhren sie dahin. Die Berge stiegen hoch empor und die Täler senkten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast. Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht.“
Und wo Gott die Grenze gesetzt hat, da können wir leben, und die Todesmächte können uns nicht ersäufen.
Jeremia 5,22 sagt:
„Wollt ihr mich nicht fürchten, spricht der Herr, und vor mir nicht erschrecken, der ich dem Meer den Sand zur Grenze setze, darin es allzeit bleiben muss, darüber es nicht gehen darf? Und wenn es auch aufwallt, so vermag es doch nichts, und wenn seine Wellen auch toben, so dürfen sie doch nicht darüber gehen.“
Psalm 89,10:
„Du herrschst über das ungestüme Meer, du stillst seine Wellen, wenn sie sich erheben.“
Die Natur ist bedrohlich und unheimlich, aber Gott hat die Macht, dieses Meer zu bannen oder unter Kontrolle zu bringen.
Psalm 46, den können Sie wahrscheinlich auswendig, ist ein herrlicher Psalm der Gottesstadt, eine feste Burg. In den Versen 3 und 4 heißt es:
„Wir fürchten uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken. Wenn gleich das Meer wütete und walte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen, dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben.“
Wir sind bedroht von all diesen unheimlichen Mächten, aber Gott gebietet ihnen mit seinem Wort. Nur das Wort Gottes hat so volle Energie, dass es die unheimlichsten Mächte zum Schweigen bringen kann.
Früher haben wir gern, als wir ein Liederbuch hatten, das Lied von dem Chinamissionar Traub gesungen:
„Und dennoch, wenn es auch tobt und stürmt und Dunkel mich umfängt, so sitzt der allgewaltige Herr in meinem kleinen Schiff.“
Wunderbar! Ich habe gar keine Angst. Das war mitten im Boxeraufstand, wo so viel umgebracht wurde in China. Da dichtet jemand und sagt, dass er das jetzt in den Bedrohungen nimmt, die bei ihm sind: in ihren Krankheitsnöten, in ihrer Todesangst, in ihrer Berufsangst. Jesus, der Herr, gebietet über die Mächte, die mich bedrohen.
Darum ist die Natur eben nicht so wunderbar idyllisch, wie die Leute meinen, sondern eine unheimliche Natur.
Neulich hat mir jemand erzählt, der eine sehr schwere Krankheit hat: Die Krankheit wäre gar nicht so schlimm, wenn man nicht plötzlich seinen eigenen Körper als etwas Fremdes empfinden würde. Das ist ganz toll beschrieben. Man horcht überall darauf, wo jetzt die neue Gefahr auf einen zukommt.
Er sagt: „Ich habe bisher zu meinem Körper ein ganz anderes Verhältnis gehabt, und jetzt ist der Körper plötzlich wie ein Feind. Ich habe Angst: Was ist morgen? Ich gucke alles an, wo geht es jetzt weiter? Wo kommen da wieder weitere Krankheiten aus dem Alten heraus? Wird mein Körper immer mehr zerfallen?“
Das ist unheimlich. Und das ist eine realistische Betrachtung der herrlichen Gottesschöpfung.
Da sehnen wir uns nach dem neuen Leib, den wir einmal kriegen in der Herrlichkeit, nach dem neuen Leben, das wir haben.
Die Macht Jesu über die Naturgewalten und die Bewährung des Glaubens
Und dann machen wir weiter bei der Stillung des Sturmes, wie dieser Windwirbel sich erhoben hat und die Natur plötzlich ihr wahres Gesicht zeigt – ihr wahres Gesicht. Wo man sonst die schöne Diaz knipst, ist plötzlich diese Realität da. Die Welt kann uns ganz anders erscheinen.
Wir haben ja die Welt erlebt, und ich bin dankbar für diesen Blick. Das brennende Stuttgart war auch für uns eine realistische Schau. Was ist die realistische Schau? Wie wir Stuttgart heute sehen oder die Erfahrung des Krieges – was ist diese Welt wirklich?
Es gibt viele Betrachtungen, bei denen wir sagen: Wir leben heute in einem ungeheuren Frieden. Doch wir wissen immer, es kann morgen wieder alles anders sein. Und wie der Windwirbel kommt, ist es das Gewaltigste, wie Jesus in dem Boot liegt und schläft.
Leg deine Nerven in Gottes Hand. Das Schönste ist der ruhige Schlaf. Wohl dem, der ihn lernt, weil er weiß, der Vater im Himmel hat alles in seiner Regie. Das Boot wurde schon voll, und er schläft. Tobe, Welt, und springe, ich stehe hier und singe in gar sicherer Ruh.
Ganz wunderbar, von Melchior Frankl in dem Lied „Jesu meine Freude“. Gerade viele Lieder haben das ganz gewaltig gesungen, zum Beispiel Paul Gerhardt: „Dass Gott für mich so träte, kläre ich alles wieder mich. Lass die Gewalten wüten!“
Hier zeigt sich der Glaube. Darum müssen Jesus Jünger in den Sturm, denn der Glaube muss sich bewähren. Jesus will keinen Glauben haben, der nur nach gutem Wetter geht.
Und wenn das in Ihrem Glaubensleben noch ein Problem ist, dass Sie sagen: „Aber ich erlebe keine Gebetserhörung“, wissen Sie, dass es der Normalzustand der Kinder Gottes ist, dass wir durch Zeiten gehen, in denen wir nichts fühlen und spüren von der Nähe und Gegenwart Gottes.
Sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm vorwurfsvoll: „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Es ist nicht geschrieben, dass wir uns über diese Leute erheben und sie kritisieren. Stattdessen sind wir selbst abgezeichnet.
Wir meinen, wir müssten Jesus erst darauf aufmerksam machen, als ob er das nicht wüsste, in welche Nöte er uns hineinführt. Er hat alles in seinem Plan schon fertig und bereit. „Dass wir verderben“, hieß es schon im alten Luther, „dass wir verderben“.
Meinen Sie das wirklich? Der Jesus, der gesagt hat: „Seht die Spatzen auf dem Dach, und euer himmlischer Vater nährt sie. Seid ihr nicht viel mehr als sie?“ Wie schnell geht das bei mir – ich rede jetzt bloß von mir – dieser Kleinglaube, dieser Kurzglaube, der gleich aufhört, sobald die Schwierigkeit anfängt.
„Fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Wir beschweren uns, als ob Jesus das nicht berühren würde. Dabei berührt es ihn ganz tief. Er hat doch alles eingesetzt, um uns nur an sich zu binden und uns sein Heil zu geben.
Die Klage möchte ich jetzt nicht im Einzelnen auslegen. Ich meine immer wieder, es ist vielleicht das sprechendste Thema, wenn wir überhaupt vom Glauben reden, wenn wir predigen, wenn wir die Bibel auslegen: diese herrliche Geschichte der riesigen unbegrenzten Macht Jesu, der erbärmlichen Schwäche der Jesusjünger und wie sie aufblickend zu ihm.
Und Jesus stand auf – schon das war in diesem Kahn eine mutige Tat des Glaubens. Interessant, wie das ganz eng zusammengehört: zwischen Kleinglauben oder Kurzglauben. Ich nenne es immer lieber kurzglaubend, denn der Glaube – schon der kleinste Glaube – kann Berge versetzen.
Es geht nicht um die Kleinheit oder um die Größe, sondern darum, dass bei uns das nur Sekunden dauert und wir dann wieder in Unglauben zurückfallen. Jesus will, dass unser Glaube eine Linie wird, die auch in den dunklen Stunden festbleibt und ihn preisen kann.
Jesus steht auf, weil er will, dass unser Glaube mutig wird. Mut – das fällt mir immer auch bei Johannes 16,33 ein: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost.“ Das „getrost“ klingt so wie „getröstet“. Nein, es heißt: „Seid mutig“, seid kühn. „Ich habe die Welt überwunden.“
Jetzt vorwärts! Lass dich nicht von dieser Welt, die dich ängstet, erschrecken. Geh deinen Weg fröhlich! Und das Interessante war doch, wenn sie wieder an Menschen denken, an Glaubenszeugen, war doch gerade wenn sie vorwärts gingen in augenblicklicher Angst, haben sie große Siege errungen.
Gerade nicht zurückweichen, gerade nicht sagen: „Ja, ich lasse mich trösten und ich bleibe eben sitzen“, sondern mutig vorwärts. Das Aufstehen Jesu ist ein Akt des Mutes, und er bedroht den Wind.
Die ganze Kraft Jesu liegt in seinem befehlenden Wort. Das ist etwas, was uns das Evangelium immer sagt: das Wort Jesus. Da steckt übrigens schon etwas in der Schöpfungsgeschichte drin. Gott hat die Welt nicht mit den Händen geschaffen, sondern durch sein gebietendes Wort.
Wenn er spricht, so geschieht es. Wenn er gebietet, so steht es da. Das Wort – das ist für uns eine Vorstellung, die wir nicht in unserem deutschen Sprachhintergrund haben. Das Wort hat eine Mächtigkeit, hat eine Gegenständlichkeit.
Das ist so wichtig, dass wir auf das Wort mehr vertrauen. Das Wort, das Gott spricht, ist so etwas wie ein Filzklotz, der da liegt. Es ist nicht etwas, das man hin und her drehen kann.
Unser modernistisches Verständnis vom Wort Gottes, dass man es umbiegen kann, ist falsch. Deshalb erleben wir immer wieder, wie das Wort Gottes sich machtvoll erweist.
Das Wort Gottes läuft durch die Geschichte und gestaltet Geschichte. Und wir wundern uns plötzlich wieder, wie es kommt, dass Menschen zum Glauben kommen, dass wieder Erwägungen entstehen und so weiter, weil das Wort Gottes wahr ist und nicht trügt.
Das Wort Gottes kann auch nicht verfälscht werden. Es wird sich immer wieder durchsetzen, auch wenn die Kirche untreu ist und die Prediger untreu werden.
Es ist das Wort, das gebietet und schafft in dem Chaos eines tobenden Sees den Frieden. Und in dem Augenblick wird es ganz still.
Ich weiß nicht, wie oft ich das Kindern erzählt habe, und wie klein sie waren – drei oder vier Jahre. Das ist ein ganz enormes Erleben. Und ich weiß, dass das am herrlichsten bleibt als die Erfahrung dessen, was Jesus eigentlich ist: wer Jesus ist, der die Vollmacht hat, auch über diese Mächte zu gebieten.
Ich habe hier noch einiges notiert, was mir wichtig war: dass Jesus Gebet hört. Psalm 10, Vers 17 – ich muss Sie nicht aufschlagen, das ist halt bloß eine der vielen Stellen, wie Gott auf ihr Gebet hört.
Psalm 10,17: „Das Verlangen der Elenden hörst du, Herr, du machst ihr Herz gewiss, dein Ohr merkt darauf.“ So große Zusagen.
Aber eins steht nie im Evangelium drin: dass unser Herr immer so handelt. Wir erleben, wie die Stürme so toben, dass wir am Ende nur noch Finsternis sehen.
Wir können aus Ihrem Leben alle erzählen. Und trotzdem ist wahr, dass aus der totalen Finsternis der Herr immer wieder am Ende seine Siege gemacht hat.
Wir gehen durch eine Welt, in der es immer wieder so aussieht, als ob die Sache Gottes verloren ist. Wo die Männer, die Zeugen in Babel, in den Feuerofen geworfen werden und sagen: „Und wenn es Gott nicht tut, werden wir trotzdem deine Götzen nicht anbeten.“
Diese Verkürzung von uns, dass wir es immer auf den Erfolg drehen wollen, ist falsch. Ja, der Sieg Gottes kommt woanders, in der Ewigkeit. Dort werden wir nur noch rühmen: „Herr, wunderbar sind deine Werke und deine Wege, die du uns geführt hast.“
An dem Tage werden wir ihn nichts mehr fragen. Erst dort löst sich alles auf.
Wir werden in dieser Welt auch viele Wunder erleben, aber wir können Gott nicht darauf verpflichten, wie er seine Wunder mischt und wie er das Leid führt.
Prälat Röcklj hat jetzt in einem Rundbrief an uns Pfarrer geschrieben, wie er in China, in Nanking, bei der staatsabhängigen Dresselsch-Bewegung Pastoren getroffen hat.
Wenn die erzählen – so habe ich eigentlich noch nie gehört – aus der Verfolgung, wie sie da in dem Arbeitslager standen vor der Mao-Statue und wie sie geprügelt wurden, wenn sie nicht ihre Bekenntnisse, dort ihre Schuldbekenntnisse vor der Mao-Statue abgegeben haben.
Und wie da ein Pastor sagte: „Ich habe bloß noch beten können: Herr, vergib mir mein Versagen, dass ich dich nicht treuer bekenne.“
Wir wissen doch gar nicht, wie die Dunkelheit sein kann, wenn wir Jochen Klepper-Lieder lesen. Wollen Sie ihn richten? Er wäre nicht so oft zu Eichmann gegangen.
Und wenn es um seine eigene Frau geht, die er ins KZ abliefern sollte, zur Vernichtung, und seine Tochter. Und dann noch, wenn er so ein psychisch angeschlagener Mensch war wie er.
Was haben Menschen für Dunkelheiten durchlitten! Und das Wunderbare ist, wie die Klepper-Lieder doch noch von der Herrlichkeit Jesu erzählen, vom Licht, das durch die Nacht leuchtet.
Und das ist die Geschichte vom Sturm auf dem Meer. Da bleibt irgendwo ein Geheimnis, das unsere Zeit nicht mehr fassen kann.
Man kann sich nur freuen, solange man nicht in der Dunkelheit ist. Dann kann man die anderen suchen und ihnen das Wort zurufen, dass Jesus größer ist als alles, was uns Angst macht, und dass wir durch die Nacht hoffen dürfen, dass er alles gebieten kann.
Er hat Macht und kann gebieten. Wer ist der? Herrliche Offenbarung: Jesus hat Macht über alle Naturkräfte, obwohl es uns immer sehr schwerfällt, dass er uns die Todeslinie lässt.
Ich will ihm wieder sagen, weil in diesen Tagen viele glauben, die Todeslinie sei aufgehoben – sie ist es nicht.
Fragt ihn wieder genau nach, wenn Leute kommen und sagen, sie könnten Tote aufwecken. Nein, er lässt uns die Todeslinie.
Als Jesus war, hat er uns Zeichen gegeben, dass er den Sieg hat – auch am Grab des Lazarus.
Wir leben unter ganz bestimmten Gebundenheiten unserer Zeit, so wie wir uns auch mit den Lasten unseres Lebens durchschlagen müssen.
Wir dürfen viel erwarten von den Siegen Jesu. Wir dürfen auch viel beten, wie Jesus über die Gewalten gebieten kann.
Wir haben es erlebt, wie Gott das auch wahrmacht, und sind immer dankbar, wenn wir Berichte hören, wie seine Boten auch in unheimlicher Bedrohung und Gefahr hindurchgegangen sind und ihnen kein Haar gekrümmt wurde.
Aber wir wissen auch von den vielen, die gefoltert, gemartert und hingerichtet wurden – und uns umso herrlicher dann gesungen haben: „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl, es macht die Seele still und Frieden vor.“
Eine herrliche Geschichte, die Mut macht – und doch bleibt alles noch mal da.
Ich möchte schließen mit der wichtigen Stelle 1. Petrus 1,7: „Der Glaube, der im Feuer bewährt ist wie das Gold, das Edelmetall.“
Deshalb müssen wir durch Wundergeschichten des Neuen Testaments unseren Glauben gründen und nicht wundersüchtig machen.
Aber es gibt keinen Tag, an dem ich nicht viele Wunder Gottes erlebe, wirklich in aussichtslosen Lagen – und das ist so überwältigend.
Und trotzdem wissen wir: Ich kann es nicht so machen, dass ich in meiner Kraft verfüge. Das ist seine Souveränität.
Aber es ist so schön, wenn man das weiß: Er ist größer als alles, was mir Angst macht und mich bedrängt.
