Heute Abend soll es mehr oder weniger um das Thema Liebe gehen. Das Wort „Liebe“ hat, wie die meisten von uns wissen, eine große Inflation erfahren. Man kann kaum das Radio einschalten und ein Lied hören, ohne dass spätestens im zweiten Lied das Wort „Liebe“ vorkommt – ganz gleich, welche Art von Musik gespielt wird.
Ein Problem in der deutschen Sprache ist, dass wir sehr viele unterschiedliche Bedeutungen in das Wort „Liebe“ hineinpacken. In der englischen Sprache ist es eigentlich nicht viel besser. Zum Beispiel sagen wir im Deutschen ebenso wie im Englischen: „Ich liebe meine Frau.“ Das klingt ja nett. Aber derselbe Mann, der sagt „Ich liebe meine Frau“, sagt auch „Ich liebe meinen Hund.“ Was ist jetzt der Unterschied? Warum darf dann die Frau im Haus bleiben, wenn es regnet, und der Hund nicht? Da gibt es ja irgendwo einen Unterschied.
Wir sagen zum Beispiel auch: „Ich liebe die Berge.“ Oder: „Ich liebe das Wiener Schnitzel.“ Wir lieben so viele Dinge – aber was bedeutet das eigentlich genau? Es entsteht eine relativ große Verwirrung, wenn man das Wort „Liebe“ so vielfältig anwendet.
Die Sehnsucht nach Beziehung als menschliche Grundbedingung
Ich möchte heute einige Punkte über Liebe und Beziehungen ansprechen.
Punkt Nummer eins: Warum sehnt sich der Mensch überhaupt nach Liebe? Das liegt daran, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist. Gott hat den Menschen als sein Ebenbild geschaffen, als sein Gegenüber. Das ist der Unterschied zwischen Mensch und Gott. Gott hatte bereits Haustiere, von denen er genug hatte. Aber jetzt wollte er ein Gegenüber, und das war der Mensch, das Ebenbild Gottes.
Weil Gott uns als sein Ebenbild geschaffen hat, sind wir Beziehungswesen. Seht ihr, Gott ist ja ein dreieiniger Gott, und bereits dieser eine Gott pflegt in sich selbst Beziehung. Der Vater liebt den Sohn, der Sohn liebt und ehrt den Vater im Heiligen Geist. Bereits der dreieinige Gott in sich selbst ist ein Beziehungswesen.
Darum: Wenn der Mensch im Ebenbild Gottes geschaffen ist, dann ist der Mensch auch ein Beziehungswesen. Sonst wären wir nicht im Ebenbild Gottes. Die Bibel spricht eigentlich von der ersten bis zur letzten Seite über Beziehung. Der Mensch ist nämlich nicht geschaffen, man kann das im Deutschen so sagen, an sich oder für sich, sondern der Mensch ist geschaffen, um in Beziehungen mit anderen Menschen zu sein.
Dabei gibt es die vertikale Beziehung zu Gott und die horizontale Beziehung zu anderen Menschen. Das heißt übrigens: Wenn es einen Menschen gäbe, der keine einzige positive Beziehung zu anderen Menschen hat und auch keine Beziehung zu Gott, also keine Beziehung zu Gott und keine positive Beziehung zu anderen Menschen, dann ist dieser Mensch eigentlich lebendig tot. Er existiert, aber er lebt nicht. Das ist der Unterschied. Denn Leben erfährst du nur in Beziehungen.
Seht ihr, es ist so: Jeder Mensch würde mir Recht geben, wenn ich sage, Beziehungen sind Teil eines Menschenlebens. Da würde jeder Mensch, egal wo er steht, sagen: Ja, das stimmt hundertprozentig. Aber es ist mehr. Beziehung ist nicht nur Teil des Menschenlebens, wir sind Beziehung. Das heißt, Beziehung ist unsere Identität.
Wenn du wissen willst, wer du bist, kannst du nicht einfach in den Spiegel schauen, denn im Spiegel siehst du nur dich. Aber du weißt nicht, wer du bist, weil du weißt nur, wer du in Beziehungen bist – niemals ohne.
Ich bringe dazu oft ein Beispiel: Helen, die gerade da ist, ist in der Küche. Ihr habt sie schon kennengelernt. Sie kommt aus Australien. Unsere Helen war vor sechzehn Jahren mal hier, damals war sie sechzehn, jetzt müsste sie etwa zweiunddreißig sein. Ich habe damals in Brisbane, Australien, bei einer Konferenz unterrichtet, und Helen war dabei. Nach einem Unterricht kam sie zu mir und sagte: „Du bist aus Österreich, ich möchte gerne mal nach Österreich, kann ich zu dir kommen, zum Dauernhof?“ Ich sagte: „Ja, du kannst schon kommen.“ Sie antwortete: „Aber eins sage ich dir gleich, ich will mit Gott nichts zu tun haben.“ Ich sagte: „Ist nicht so tragisch, du kannst trotzdem kommen, aber du musst tun, was wir sagen, sonst wird es ein bisschen schwierig.“ Sie sagte: „Kein Problem.“ Und sie kam dann auch.
Das war vor sechzehn Jahren. Sie war ein halbes Jahr hier, ein super Mädchen, damals schon lieb, nicht nur jetzt, und hat brav gearbeitet. Aber wir haben jede Woche unsere Mitarbeiterbesprechungen, und dreimal die Woche treffen wir uns morgens um halb acht zum Gebet als Mitarbeiter. Da musste sie halt dabei sein, weil ich ihr gesagt hatte, sie muss schon ein bisschen tun, was wir sagen, sonst wird es schwierig. Sie war also dabei, aber wann immer es um die Bibel, um Jesus oder um Gott ging, schaute sie nur auf den Boden, bis es vorbei war. Danach war sie wieder ganz normal.
In der letzten Woche, bevor sie nach Hause fuhr, fragte ich sie: „Helen, du bist doch ein liebes Dirndl, warum bist du eigentlich immer so negativ, wenn es um Gott geht?“ Ich sprach mit ihr auf Englisch. Sie antwortete: „Weil ich Angst habe, meine Identität zu verlieren, wenn ich mich auf Gott einlasse.“ Da fragte ich: „Was ist deine Identität? Ich wäre neugierig, denn Angst hast du, etwas zu verlieren. Wer bist du, Helen?“ Ich hatte gerade ein Buch darüber gelesen, sonst hätte ich nicht gewusst, was ich fragen soll.
Ich fragte also: „Wer bist du, Helen?“ Sie antwortete: „Ich bin die Helen.“ Ich sagte: „Nein, das ist dein Name, aber wer bist du?“ Sie war unsicher, das wirkte. Dann sagte sie: „Ich bin Australierin.“ Ich sagte: „Nein, das ist deine Nationalität, wer bist du?“ Sie antwortete: „Ich will Krankenschwester werden.“ Ich sagte: „Das ist dein Beruf, wer bist du?“ Danach wusste sie nichts mehr zu sagen, und ich auch nicht.
Dann sagte ich nur: „Helen, mach mir einen Gefallen, setz dich heute Nacht für eine halbe Stunde hin und denk mal darüber nach, wer du bist. Du hast mir gesagt, du willst dich nicht auf Gott einlassen, weil du Angst hast, deine Identität zu verlieren. Ich möchte nur wissen, was du Angst hast zu verlieren.“ Sie sagte: „Okay, mache ich.“ Und dann ging sie in ihr Zimmer.
Am nächsten Tag trafen wir uns wieder, genau hier draußen vor dem Gartenhaus. Sie lachte über das ganze Gesicht. Ich dachte, sicher hat sie wieder etwas gefunden. Dann sagte sie: „Helen, wie sieht es aus?“ Sie antwortete: „Ich habe gestern mein Leben Jesus gegeben, weil ich nachgedacht habe, wer ich bin, und ich wusste es nicht. Jetzt weiß ich, wer ich bin: Ich bin ein Kind von Gott. Jetzt habe ich eine Identität.“
Seht ihr, das Problem ist: Wenn du nur in den Spiegel schaust, siehst du dich, aber wer du bist, weißt du erst in Beziehungen. Beziehungen sind nicht nur Teil unserer Identität, sondern sie bestimmen unsere Identität. Das ist ein großer Unterschied.
Heilung und Identität durch Beziehung
Das entdeckt man heute übrigens auch in den Humanwissenschaften wieder ganz neu. Wenn ein Mensch krank ist und geheilt werden will, geht es nicht immer nur um körperliche Heilung, also um das Soma, den Leib. Körperliche Heilung kann notwendig sein, aber sie allein heilt den Menschen nicht immer vollständig.
Darum hat man schon länger erkannt, dass auch die Psyche, das Seelenleben, behandelt werden muss. Die Psyche, die Seele, beschreibt die Bedürftigkeit des Menschen. Unsere Seele steht für unsere Sehnsucht nach Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Auch diese muss behandelt werden. Doch auch das ist nicht immer genug. Man nennt diesen Zusammenhang Psychosomatik.
Manchmal reicht das nicht aus, und das erkennt man heute in den Humanwissenschaften: Es bedarf noch mehr, nämlich der Heilung von Beziehungen. Die Beziehungsebene wird in der Bibel als Geist, als Pneuma beschrieben. In der Medizin spricht man heute von Pneuma-Psychosomatik.
Die Pneuma muss behandelt werden – das sind unsere Beziehungen. Die Somatik muss behandelt werden – das ist unsere Bedürftigkeit. Und das Soma muss behandelt werden – das ist unser Leib. Deshalb brauchen Körper, Seele und Geist alle drei Heilung. Und das geschieht eben auch im Geist, dem Pneuma, in den Beziehungen.
Es ist eigentlich ziemlich offensichtlich, dass der Mensch in Beziehungen stehen muss, um Mensch zu sein. Das wird besonders deutlich, wenn man darüber nachdenkt, wie ein Mensch entstanden ist. Wie viel hast du zu deiner eigenen Zeugung beigetragen? Nicht bei der Zeugung deiner Kinder, da hast du ein bisschen mitgewirkt, aber zu deiner eigenen Zeugung überhaupt nicht.
Du bist entstanden durch die Beziehung von zwei Menschen. So bist du entstanden. Das muss nicht immer eine romantische Beziehung gewesen sein, ein Wunschkind, das kann auch anders sein. Dennoch ist es eine Beziehung, aus der du entstanden bist – das kann niemand leugnen.
Dann warst du die ersten neun Monate in totaler Abhängigkeit von deiner Mutter. Das war keine bewusste Beziehung, aber eine totale Abhängigkeit – das kann auch niemand bestreiten. Nachdem du geboren wurdest, warst du relativ lange völlig abhängig von der Mutter und von der Beziehung zu ihr.
Der Mensch braucht das Wir, um gesund heranreifen zu können. Wenn zum Beispiel ein Kind Ablehnung erfahren hat, sei es pränatal, bereits im Bauch der Mutter, oder nach der Geburt, hat das oft lebenslange Folgen. Das ist nicht hoffnungslos, aber es kann oft schwere, hohe und große Hürden mit sich bringen, diese zu überwinden.
Ursachen für zerbrochene Beziehungen
Dann die nächste Frage: Warum sehnt sich der Mensch nach Beziehung? Weil wir Beziehungswesen sind, so sind wir geschaffen.
Zweiter Punkt: Warum zerbrechen so viele Beziehungen? Warum gibt es so viel Not in Beziehungen? Das beginnt bereits am Anfang in der Bibel. Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild, zur Beziehung mit ihm. Doch dann ist etwas geschehen.
Ich lese da noch in 1. Mose 2,25: „Und sie waren beide nackt, der Mann und die Frau, und sie schämten sich nicht.“ Mann und Frau standen völlig nackt, ungeschützt und offen vor Gott, und sie schämten sich nicht.
Wisst ihr, warum wir uns schämen? Wir schämen uns, wenn wir in einer Situation ertappt werden, in der wir uns anders darstellen, als wir wirklich sind. Wenn du zum Beispiel – entschuldige das Beispiel – angibst, du bist ein super Skifahrer, der beste Skifahrer in Deutschland, und dann wirst du ertappt, wie du wirklich fährst, dann schämst du dich. Weil du dich anders dargestellt hast, als du wirklich bist.
Das ist ein dummes Beispiel, aber manchmal helfen solche Beispiele. Ich kann mich gut erinnern: Wir schämen uns, wenn wir aufgedeckt werden. Ich war in der Schule immer relativ klein, aber ziemlich frech. Ich war immer so einer, der vorne sein will, obwohl er nicht kann.
Ich bin immer relativ sportlich gewesen, da hatte ich nicht so ein Problem. Aber eins kann ich nicht: Ball spielen. Ich kann Ski fahren, klettern und so weiter, aber Ball spielen ist eine Katastrophe. Ein Freund wollte mir mal Tennis beibringen. Nach der fünften Stunde hat er gesagt: „Okay, Ski fahren, das bringt nichts.“ Da war ich schon ein bisschen älter.
Ich kann mich so gut erinnern: In der Hauptschule, da war ich vielleicht zwölf Jahre alt, haben wir Fußball gespielt. Damals wusste ich noch nicht, dass ich Ball spielen nicht kann. Ich dachte, ich kann es. Und dann spielten wir Fußball, ich war auch dabei, keine Ahnung.
Die Frage war, wer Kapitän vom Team wird. Ja, logisch, ich, klar, wer sonst? Beim Nachhausegehen hörte ich zwei Schüler hinter mir reden. Sie sagten: „Dieser Trottel will Kapitän sein, der trifft nicht mal den Ball.“ Seit diesem Tag habe ich nie mehr Fußball gespielt, weil ich mich geschämt habe.
Man stellt sich als etwas dar, was man nicht ist. Wenn du aufgedeckt wirst, schämst du dich.
Es ist interessant, wenn man Adam und Eva anschaut, den ersten Mann und die erste Frau. Sie standen frei vor Gott. Adam und Eva schämten sich nicht, lesen wir hier. Sie waren völlig selbstbewusst.
Und das wird oft missverstanden. Wisst ihr, warum Adam und Eva so selbstbewusst waren? Nicht, weil sie hochintelligent, sportlich, dynamisch oder begabt waren. Sie waren vielmehr nackt, schwach und abhängig – und sie schämten sich nicht.
Sie lebten im Ebenbild Gottes in Abhängigkeit zu Gott. Die Verhältnisse waren klar: Gott ist Gott und wir sind wir. Gott ist Gott und ich bin Mensch. Ich bin geschaffen als Ebenbild, um in Abhängigkeit, Liebe und Vertrauen mit meinem Gott, der mich erschaffen hat, zu leben.
Solange der Mensch in dieser Abhängigkeit und Schwäche lebte, schämte er sich nicht. Der Mensch war Mensch, und Gott war Gott – das war seine Identität.
Der Zerbruch kam, als der Mensch mehr sein wollte, als das, wozu er geschaffen war. Als der Mensch nicht mehr Mensch sein wollte, sondern Gott sein wollte.
Der Mensch war nicht mehr zufrieden damit, im Ebenbild Gottes zu sein. Er wollte das Abbild Gottes sein. Er wollte nicht mehr in Beziehung mit Gott leben, sondern Gott ersetzen. Er wollte selbst Gott sein.
Das war die Verführung. Und als er nachgab, verlor er seine Identität.
Darum, sobald wir anfangen, Beziehungen oder Liebe mit irgendetwas anderem zu ersetzen, haben wir schon verloren. Wenn dein Drang nach Geltung und Erfolg auf Kosten von Beziehungen geht, bist du immer der Verlierer. Denn wir sind zu Beziehung geschaffen.
Sobald wir Beziehung mit etwas anderem ersetzen, haben wir verloren.
Die Erzählung am Anfang der Bibel geht so weiter. In 1. Mose 3,4 lesen wir: „Da sagte die Schlange zur Frau: ‚Keineswegs werdet ihr sterben, sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.‘“
Die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise war, dass er eine Lust für die Augen war und dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben. Sie nahm von seiner Frucht, aß und gab sie auch ihrem Mann. Er aß ebenfalls.
Da wurden ihre beiden Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen.
Satan hatte ihnen versprochen: Wenn ihr von der Frucht esst, werdet ihr sein wie Gott. Sie aßen von der Frucht – was erkannten sie? Sie erkannten, dass sie nackt waren und schämten sich. Sie versteckten sich und machten sich Feigenblätter, um sich zu bedecken.
Wenn man so denkt: Adam und Eva, das ist ja ein bisschen naiv – wie blöd können die sein? Die geben ein paar Feigenblätter herum und glauben, Gott sieht sie nicht. Das ist extrem naiv.
Aber wisst ihr was? Bevor wir darüber lachen, müssen wir uns selbst prüfen. Mit wie vielen Feigenblättern bedecken wir uns ständig?
Was wir immer vorgeben zu sein, obwohl wir wissen, dass wir es nicht sind. Was wir tun, um anerkannt und beliebt zu sein – da geben wir Feigenblätter um.
Wisst ihr, was wir oft tun? Wir zeigen in der Woche meistens nur die Seiten, von denen wir wissen, dass die Leute uns mögen. Die Seiten, bei denen wir Ablehnung befürchten, verstecken wir und halten sie geheim.
Und wisst ihr, was wir daraus lernen sollten? Diese Seiten sollten wir ansprechen und darüber reden – in persönlichen Gesprächen unter Christen. Denn nur so kannst du frei werden.
Wir laufen dauernd mit Feigenblättern herum und trauen uns nicht, zuzugeben, was wir wirklich sind.
Wir wollen beeindrucken, wir wollen herausragen. Interessantes Wort: herausragen. Warum willst du herausragen? Warum genügt es nicht, einfach Mensch zu sein?
Seht ihr, wir wollen immer etwas Besonderes sein, mehr als wir sind. Und darum haben wir diese Probleme. Wir tun uns schwer.
Unterschiedliche Formen der Liebe im Griechischen
Im Griechischen gibt es mehrere Worte für Liebe. Zwei davon sind heute Abend für uns besonders wichtig. Das eine Wort ist Eros. Dieses Wort kennt ihr wahrscheinlich oder habt schon davon gehört. Von Eros leiten wir das Wort „erotisch“ ab, was auch seine Richtigkeit hat. Im Griechischen ist Eros jedoch viel umfassender.
Heute reduzieren wir Eros oft nur auf Sex und die erotische Ecke, aber es bedeutet viel mehr. Was ist Eros? Ich spreche jetzt als Mann, aber die erotische Liebe wird geweckt, wenn ich eine attraktive Frau vor mir sehe. Ich fühle mich angezogen, die Attraktivität dieser Person zieht meine Blicke auf sich. Das ist Eros. Das heißt, die erotische Liebe hängt von der Attraktivität meines Gegenübers ab.
Wenn mein Gegenüber extrem attraktiv ist, ist die erotische Liebe groß. Wenn mein Gegenüber weniger attraktiv ist, ist die erotische Liebe auch weniger stark. Das bedeutet: Je attraktiver und schöner ich bin, desto mehr werde ich geliebt und begehrt. Wenn ich weniger attraktiv bin, werde ich weniger geliebt.
Dieses Prinzip der Erotik gilt nicht nur für die erotische Liebe, sondern für unsere Gesellschaft im Allgemeinen. Um in unserer Gesellschaft, etwa in Deutschland oder Österreich, etwas zu gelten, musst du attraktiv, dynamisch und erfolgreich sein. Wenn du das nicht bist, giltst du als Fußvolk – so wird es gesagt.
Schon ein kleines Kind lernt sehr bald: Wenn ich ganz lieb zu meiner Großmutter bin, hat sie mich mehr lieb. Wenn ich sie mit Sand bewerfe, hat sie mich weniger lieb. Je süßer das Gesicht und je netter das Lächeln eines Kindes ist, desto mehr von Eros – also dieser Angezogenheit – wird es bekommen.
Eros, und das ist entscheidend, liebt, weil ich liebenswert bin, weil ich es verdiene, geliebt zu werden. Ich bin so attraktiv, und darum werde ich geliebt. Im Alltag unseres Lebens erleben wir fast ausschließlich Eros. Das ist die bedingte Liebe in fast jedem Bereich unseres Lebens.
Dieses Denken von Eros hat Jesus völlig auf den Kopf gestellt. Gott liebt uns. Wenn ich das so erkläre, werden die meisten von euch sagen: Ja, das stimmt. Aber wenn wir das wirklich verinnerlichen, revolutioniert es unser Leben.
Gott liebt dich nicht, weil du liebenswert oder liebenswürdig bist, sondern weil Gott uns liebt. Darum sind wir wertvoll. Seht ihr, es sind bereits die Worte „liebenswert“ – ein liebenswerter Mensch, der es wert ist, geliebt zu werden. Ein liebenswürdiger Mensch, der würdig ist, geliebt zu werden, der ist attraktiv, geliebt zu werden – das ist Eros.
Aber Jesus hat das ganz anders dargestellt. Wer eine Bibel dabei hat, kann sie gerne aufschlagen: 1. Johannes 4. Dort schreibt der Apostel Johannes. Ich lese die Verse 7 bis 10:
„Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt. Denn Gott ist Liebe. Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben mögen. Hierin ist die Liebe nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.“
Hier haben wir folgende Aussage: Gott ist Liebe. Das ist das andere griechische Wort, Agape. Die Liebe kommt von Gott, und die Liebe Gottes ist nicht Eros. Du kannst die Liebe Gottes nicht verdienen, denn das wäre Eros. Die Liebe Gottes kannst du nur empfangen.
Agape hat auch nichts damit zu tun, dass wir uns anstrengen, Gott zu lieben. Vers 10 sagt: „Das ist die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.“ Das ist nicht Agape, sondern das ist Agape.
Nicht unsere Anstrengung, Gott zu lieben und damit attraktiv zu werden, damit er uns noch mehr lieben kann – das ist Eros. Sondern Agape ist, dass er uns geliebt hat. Das ist die bedingungslose Liebe Gottes. Und weil du von ihm so geliebt bist, bist du wertvoll. Das ist der Punkt.
Praktische Beispiele für Eros und Agape
Ich möchte den Unterschied vielleicht ein bisschen erklären: den Unterschied zwischen Eros und Agape.
Nehmen wir an, da sind zwei Ehefrauen, und beide haben eine total hingebende Liebe zu ihren Ehemännern. Eine dieser Ehefrauen ist allerdings ständig unruhig, besorgt, müde und ängstlich. Die andere Frau hingegen ist zuversichtlich und strahlt Frieden aus. Was ist der Unterschied?
Der Unterschied ist folgender: Die eine Frau, die immer voller Sorge ist, liebt und unterstützt ihren Mann, damit er sie liebt. Das ist Eros. Die andere Frau, die Frieden ausstrahlt, unterstützt und liebt ihren Mann, weil er sie liebt. Und das ist Agape.
Gott liebt uns mit Agape. Ich glaube, die meisten Christen wissen und glauben, dass Gott sie liebt. Aber viele Christen glauben nicht, dass Gott sie gerne hat. Weil sie denken, das hätten sie nicht verdient. So wie sie leben, könne Gott sie nicht wirklich lieben. Seht ihr, da bist du bei Eros. Aber die Liebe Gottes ist eben Agape, und das ist der Unterschied.
Wie ich gesagt habe: Die Worte können allen geläufig sein. Wenn du das verinnerlichst, erlebst du eine Freiheit, die unwahrscheinlich ist.
Nun, die Frage ist: Wie hat Gott seine Liebe zu uns bewiesen? Johannes 3,16 sagt: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab. Und wir lesen hier in Johannes 4,9: Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat. Das heißt, Gott hat seine Liebe, Agape, zu uns bewiesen.
Denn Liebe ist nicht nur ein Wort. Wenn Gott nur vom Himmel herunter sagen würde: „Leute, nur nebenbei, damit ihr wisst, ich liebe euch“, ja, das ist nett, aber mehr nicht. Wenn ich zum Beispiel sage: „Freunde, ich liebe meine Frau“, dann denkst du, das ist in Ordnung. Aber wenn meine Frau das hört, würde sie sagen: „Dann wäre es mal Zeit, dass du mir das auch zeigst, dass du es mit deiner Tat beweist, dass du mich liebst.“
Und Gott hat nicht nur gesagt: „Ich liebe dich.“ Gott hat es mit einer Tat bewiesen. Darin ist die Liebe Gottes offenbart: Er hat seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt. Das heißt, er hat bewiesen, dass er uns liebt – nicht nur gesagt.
Liebe, wahre Liebe, wird sichtbar in der Intensität. Wenn ich euch zum Beispiel am Morgen grüße und wir sagen „Guten Morgen“, das ist nett. Aber ob da Liebe dahinter steckt, bezweifle ich schwer – von meiner Seite ebenso wie von eurer. Das heißt, es ist ja gut, das sollten wir tun. Wenn dein Nachbar dich grüßt, ist das nett. Wenn dir jemand Zeit schenkt, mit dir einen Kaffee trinkt und dir zuhört, ist das schon ein ziemlich großer Beweis der Wertschätzung.
Wenn dir jemand sogar das Versprechen gibt, sein Leben mit dir zu teilen, das ist schon hingebende Liebe. Aber wenn jemand sein Leben für dich einsetzt, das ist äußerste Liebe. Und genau das hat Gott getan.
Seht ihr, Liebe muss offenbart werden durch eine Tat. Und das Ausmaß der Liebe wird offensichtlich an der Intensität der Liebe. Die äußerste Liebe ist da, wo ein Mensch sein Leben für dich gibt. Genau das hat Gott in Christus für uns getan.
Es ist auch so: Wenn ein kleines Kind von einer Brücke fällt, wird die Mutter nicht lange überlegen, ob sie nachspringt. Sie wird es tun. Nur da ist ein Punkt dabei: Die Mutter rettet nicht nur das Leben ihres Kindes, sie rettet ihr eigenes Fleisch und Blut. Sie rettet sich selbst. Das ist keine Heldentat im eigentlichen Sinn, sondern eine große Tat. Aber du rettest dein eigenes Fleisch und Blut.
Wisst ihr, was bei der Liebe Gottes so herausragend ist? Er hat sein Leben für uns gegeben, als wir seine Feinde waren.
Schlagen wir dazu bitte noch Römer 5 auf. Dort lesen wir folgendes, und das ist das Ausmaß der Liebe Gottes:
Römer 5,6: Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben.
Wisst ihr, wann Jesus für dich gestorben ist? Als du gottlos warst. Denn kaum jemand wird für einen Gerechten sterben. Für einen Guten möchte vielleicht jemand auch zu sterben wagen – ja, das stimmt.
Aber Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist (Römer 5,8).
Vers 10 sagt: Denn wenn wir, als wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr durch ihn gerettet.
Der Punkt ist: Gott beweist seine Liebe dir und mir gegenüber, indem er sein Leben für uns gibt, als wir noch seine Feinde waren. Das ist das Ausmaß seiner Liebe.
Hindernisse, Gottes Liebe anzunehmen
Jetzt könnte man meinen, dass jeder Mensch, der halbwegs normal ist und das nachvollziehen kann, sich auf diesen Gott stürzt und sagt: „Den Gott will ich, der mich so liebt.“ Warum ist das nicht der Fall? Ich gebe euch einen oder mehrere Gründe.
Der erste Grund ist, dass wir biografisch, das heißt in unserer Lebenserfahrung, eine solche Liebe kaum oder überhaupt nicht kennen – diese Agape-Liebe. Es gibt Menschen hier in diesem Raum, die kein einziges Beispiel nennen könnten, wo ein anderer Mensch sie bedingungslos geliebt hat. Es gibt kein einziges in deinem Leben. Du wurdest immer nur geliebt, wenn du Erwartungen erfüllt hast, wenn du funktioniert hast. Wenn nicht, wurde dir die Liebe entzogen. Das ist Eros, das kennst du. Aber Agape hast du noch nie erfahren.
Das ist ein Grund, warum wir uns schwer tun, zu diesem Gott zu kommen, weil wir gar nicht glauben können, dass es so etwas überhaupt gibt. Da muss ein Haken dabei sein. Das ist ein Grund.
Ein anderer Grund ist, dass die Religion, auch die christliche Religion, uns gelehrt hat: „Gott liebt nur brave Kinder.“ Es gibt sogar ein Lied, das das sagt. Und darum fallen wir wieder zurück zum Eros.
Was tun wir dann? Wir versuchen, bei Gott zu punkten. Wenn ich mehr bete, dann wird Gott mich auch ein bisschen mehr lieben. Wenn ich mehr faste, dann kann Gott auch ein bisschen mehr Segen schenken. Und wir bringen schon wieder fromme Leistungen – und damit bist du schon wieder bei Eros.
Seht ihr, das ist es: Wir hören die Worte, aber sie zu verinnerlichen, ist ein Wunder. Und wenn das geschieht, bist du frei. Übrigens geschieht das nicht nur einmal. Es muss hundertmal in deinem Leben geschehen oder tausendmal.
Du hast einmal Agape erkannt und dich so daran erfreut. Zwei Wochen später bist du wieder voll im Eros, auch in deinem christlichen Leben. Und darum bist du deprimiert und schwermütig – so wie es mir oft genug geht.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn als Beispiel für Agape
Und vielleicht noch ein Beispiel, damit man das besser nachvollziehen kann: Ihr alle kennt die Geschichte vom verlorenen Sohn und vom liebenden Vater. Der Sohn war weg und hat das ganze Geld verprasst. Als er zum Vater zurückkam, hatte er sich schon ein Sprüchlein zurechtgelegt. Er wollte zum Vater sagen: „Ich bin nicht würdig, dein Sohn zu sein, aber nimm mich auf als einen der Arbeiter.“ Das klingt ja ganz nett.
Aber wisst ihr, wo der Sohn hier schon wieder war? Bei Eros. Er erkannte: „Dein Sohn zu sein, bin ich nicht mehr würdig. Aber weißt du was, Vater? Was ich immer noch kann, ist arbeiten.“ Damit wollte er sich schon wieder die Anerkennung des Vaters verdienen.
Das Faszinierende ist: Als der Sohn kam – man muss mal im Lukasevangelium nachlesen – lief der Vater ihm entgegen. Da wollte der Sohn sein Sprüchlein aufsagen, aber das interessierte den Vater überhaupt nicht. Er sagte nur ein paar Worte, umarmte und küsste ihn. Der Sohn konnte gar nicht mehr weiterreden, weil es nicht Eros, sondern Agape ist, mit der Gott uns liebt.
In dieser Geschichte wird es so klar und greifbar: Der Sohn feiert ein Fest. Er konnte nichts tun für die Liebe des Vaters. Er konnte nur da sitzen, empfangen und sagen: Danke, danke. Er konnte nichts tun.
Jemand hat mal gesagt: Stellt euch vor, sie haben dann ein Fest gefeiert – ihr kennt die Geschichte mit den Eltern, dem Bruder und so weiter. Der Bruder war auch voll im Eros drin. Dann feiern sie die ganze Nacht, und sie haben sicher nicht wenig getrunken, nehme ich mal an. Am nächsten Tag geht der junge Sohn wieder in sein Zimmer, vielleicht sogar in das Zimmer, in dem er früher geschlafen hat. Er hat ein bisschen Kopfschmerzen und wacht morgens auf, vielleicht sogar ungewaschen – keine Ahnung, ob er sich am Abend gewaschen hat.
Da denkt er sich: Was war das gestern? Wie kann es sein, dass ein Kuss von meinem Vater meine Vergangenheit völlig auslöscht und ich wieder Sohn bin? Das gibt es nicht. Vielleicht hat sich der Vater doch anders überlegt. Vielleicht hat er gesehen, wie ich stinke und aussehe.
Dann schlüpft der junge Sohn in seine Arbeitsmontur, schleicht über den Hof, melkt die Kühe, mistet aus, weil er denkt: Wenn ich mich anstrenge, dann nimmt er mich vielleicht doch wieder an. Und schon ist er wieder bei Eros.
Wir Christen greifen immer wieder zur religiösen Mistgabel zurück. Wir versuchen immer wieder, uns die Liebe zu verdienen, und sind im Eros, anstatt bei Agape.
Persönliche Erfahrungen mit Agape
Und am Schluss noch: Das hat mein Leben wirklich extrem beeinflusst. Blöderweise vergesse ich es immer wieder. Ich vergesse die Wahrheit. Was ich euch heute predige – glaubt ja nicht, dass ich das alles weiß. Das, was ich weiß, würde für tausend Jahre reichen, aber ich kann es mir keine zwei Wochen merken und bin schon wieder drin im alten System.
Darum predige ich so gerne, weil ich meistens zu mir selbst predige. Wenn du nichts davon hast, war der Abend mir völlig egal. Ich bin gesegnet, weil ich diese Wahrheiten vergesse.
Ich kann mich gut erinnern: Jetzt bin ich 25 Jahre alt. Das nächste Mal ist unsere silberne Hochzeit – das ist ein Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Aber es ist schön, es ist Feierzeit auch. Wenn ich daran denke: Mit 50 werde ich auch noch dazu. Jetzt geht es echt bergab, Wahnsinn.
Übrigens hat C. G. Jung das gesagt: Jetzt weißt du ja, mit 40 bist du am Höhepunkt deines Lebens. Ab 40 geht es nur noch bergab, falls du das nicht gewusst hast. Das ist wie die Sonne: Vormittags geht sie auf bis Mittag, aber dann geht sie nur noch runter. Sie geht nie mehr auf an dem Tag. Das ist deine Reinkarnation. Jetzt bist du im falschen Club, Matthias. Es geht bergab.
Nur übrigens: Die Nachmittagssonne ist viel schöner als die Morgensonne, aber sie geht unter. Und das ist so.
Wenn ich zurückschaue auf meine Zeit mit zwanzig, erinnere ich mich: Ich habe mich ja mit fünfzehn eigentlich bekehrt. Aber ich habe dann mit achtzehn festgestellt, dass das nicht funktioniert. Ich schaffe das nicht, dieses christliche Leben. Das muss für bessere Menschen gedacht sein. Dann war ich so fünf Jahre Skilehrer, Bergführer usw. in Österreich, auch in Australien, in den USA usw. Ich war auf extrem vielen Partys.
Das war damals so, das weiß ich. Und da war es halt die paar Jahre viel mit Trinken. Es gab wirklich kaum im Winter eine Woche, in der ich nicht betrunken war. Sehr oft mit Mädchen usw. Also da war viel, was das Partying anbelangt. Wenn Party und Mädchen Spaß bedeutet, dann habe ich ziemlich viel Spaß gehabt, würde ich mal so sagen.
Aber was ich damals getan und gesagt habe, würde ich nie mehr tun. Denn du bereitest Menschen Verletzungen, die du nie wieder gut machen kannst. Die Wunden heilen, aber die Narben nimmst du mit ins Grab. Die Narben vergehen nie, vielleicht in Ewigkeit.
Ich denke manchmal zurück an die Zeit, voll besoffen und Blödsinn gemacht – nicht Blödsinn, der witzig ist, sondern der blöd und manchmal peinlich ist. Und ich war aber Christ. Ich weiß noch, damals hat Jesus so ab und zu wieder mal so auf die Art gesagt: „Hans Peter, ich bin immer noch bei dir.“ Da habe ich gesagt: „Ich weiß, aber du interessierst mich nicht.“
Heute reise ich um die Welt und erzähle Menschen von Jesus. Ich studiere sein Wort und ich liebe es zu studieren und auch zu predigen.
Und die Frage ist: Wann hat Gott mich mehr geliebt? Als ich vor dreißig Jahren voll besoffen Blödsinn gemacht habe, obwohl ich Christus kannte? Oder heute, wo ich fast jeden Tag Menschen von Jesus erzähle?
Die Antwort ist: Er hat mich damals genauso geliebt wie heute. Er liebt mich heute kein Stück mehr als damals vor dreißig Jahren. Und wenn ich einmal im Himmel vor ihm stehe, wird er mich kein bisschen mehr lieben als heute. Das ist Agape.
Es gibt nichts, was ich tun könnte, damit Gott mich noch mehr liebt. Und es gibt nichts, was ich tun könnte, damit Gott mich weniger liebt.
Was ich noch sagen will: Ich habe das zum ersten Mal kapiert vor ungefähr drei, vierundzwanzig Jahren. Bis dahin habe ich das überhaupt nicht kapiert. Das war für mich Religion.
Da gibt es einen berühmten Ausspruch von Zinzendorf, wo der Gekreuzigte auf ihn herunterschaut und sagt: „Das habe ich für dich getan, was tust du für mich?“ Dieser Satz mag für Zinzendorf sehr entscheidend gewesen sein, aber er ist nicht korrekt. Das ist Religion.
Manchmal spricht Gott zu uns auf verschiedene Weise. Ich spreche da überhaupt nicht Zinzendorf etwas ab, aber ein Satz wie dieser setzt mich extrem unter Druck. Das ist nicht Agape, das ist Eros.
Ich habe für dich etwas getan, bin attraktiv, aber jetzt will ich auch etwas zurückhaben. Jetzt musst du zeigen, dass du auch attraktiv bist. Das ist Eros, nicht Agape.
Unter diesem Druck habe ich lange Jahre gelebt. Als ich dann in Australien war, habe ich auf einer Farm gearbeitet. Da hatte ich nur meinen Traktor und ein paar Tausend Schafe. Da war nicht viel mit Versuchung usw. Und da habe ich echt jeden Tag meine Bibel gelesen, weil ich abends ja nichts hatte. Ich war alleine in meinem Zimmer. Der Manager hat mir morgens gesagt, was ich tun soll.
Da habe ich zum ersten Mal so ein bisschen angefangen zu kapieren, dass Gott mich so liebt, wie ich bin – auch in meinem unmöglichen Leben.
Denn als ich so gelebt habe, habe ich manchmal gedacht: Wenn Jesus heute zurückkommt, schaut das schlecht aus. Ich bin in der Hölle, hundertprozentig.
Darum habe ich mir gedacht: Also zu weit darf ich es nicht treiben. Die Frage war: Wie weit kann ich gehen, dass ich gerade nicht über die Grenze komme und in die Hölle gehe? Das war immer die Frage.
Später wurde die Frage dann: Wie weit kann ich mich fernhalten von dem, was mich kaputt macht? Das ist ja die andere Frage.
Dann habe ich so ein bisschen kapiert, dass Gott mich einfach liebt.
Aber dann habe ich mir gedacht: Wenn ich das echt glaube, dann benimme ich mich wie ein Schwein. Weil ich dann tue und lasse, was ich will, weil er mich ja sowieso liebt. Also wird mein Leben gefährlich.
Aber wisst ihr, was geschehen ist? Genau das Gegenteil.
Als ich so kapiert habe, dass Gott mich echt liebt – so wie ich bin, ohne dass ich etwas beweisen muss – habe ich angefangen, Gott zu lieben.
Dies war der Anfang, wo ich mit Freude mit Jesus gelebt habe und wo ich stolz auf ihn war. Ich war vorher nicht stolz auf ihn, es war so eine Pflichtsache: Weil er das für mich getan hat, muss ich jetzt auch etwas tun.
Ich habe angefangen, mit Freude Jesus nachzufolgen. Angst hat mich nie motiviert, Jesus nachzufolgen – nur die Liebe, Agape.
Was auch geschehen ist über die Jahre: Ich habe gelernt, Menschen neben mir, die auch nicht liebenswürdig sind, mehr zu lieben. Ich schaue sie an und denke mir: Sympathisch sind sie nicht, aber Gott hat sie genauso gern wie mich. Das gibt mir eine Freiheit, sie anzunehmen und zu respektieren, wie sie sind.
Und wisst ihr, was ich auch gelernt habe? Mich selbst mehr zu lieben. Mich selbst anzunehmen, auch ohne Fußball spielen zu können. Oft bekenne ich meine Schwächen, ohne mich schämen zu müssen. Ich bekenne, was peinlich ist, ohne mich zu schämen.
Denn das bin ich, mit meinen Stärken und Schwächen. Gott hat mich so gemacht. Ich will natürlich wachsen, reifen und ein bisschen klüger werden – das schadet ja nicht. Aber die Liebe und Wertschätzung mir gegenüber ändert sich nie. Ich bin wertvoll.
Als ich das so erfasst habe, habe ich wirklich begonnen, Christsein zu genießen. Und das tue ich im Prinzip bis heute, das muss ich ganz ehrlich zugeben.
Das heißt nicht, dass es mir immer gut geht. Letzten Monat war nicht so gut, ich war oft nicht gut drauf. Aber das hat viele Gründe.
Generell ist die unterschwellige Motivation meines Lebens: Ich bin wertvoll und geliebt.
Das wünsche ich jedem Menschen. Darum will ich weiterhin gerne das tun, was ich tue, und predigen, was ich predige.
Ich bete: Lieber Vater, es ist echt ein totales Geschenk, so von dir gemacht und geliebt zu sein. Du hast uns genauso geschaffen, wie wir sind, und du liebst uns genauso, wie wir sind.
Wir können nichts tun, um das zu ändern. Das Einzige, was wir tun oder verpassen können, ist, in dieser Liebe zu leben, uns an dieser Liebe zu erfreuen, uns in dieser Liebe zu sonnen. Das können wir verpassen.
Aber deine Liebe, Herr, können wir nie verdienen. Es ist Agape.
Herr, ich wünsche mir so, dass das nicht nur Worte sind, die wir uns im Bibelkreis gegenseitig sagen, sondern dass wir es wirklich durch Kraft deines Heiligen Geistes, durch eine Offenbarung erkennen und uns daran erfreuen.
Dass es wirklich so sein kann, dass wir gerne mit dir leben, gerne dir nachfolgen, gerne deine Kinder sind.
Herr, das wünsche ich mir für mich und für all die lieben Leute hier. Segne uns mit deiner Liebe und unserem Verständnis dafür. Amen.
