Einleitung und Gebet zur Hoffnung
Wir wollen beten: Herr Jesus, mach uns fröhlich in der Hoffnung, dass du so nahe bei uns bist und uns nicht mehr loslässt bis zum großen Ziel, wenn wir dich sehen werden. Amen.
Für den heutigen Tag, auch für den Beginn dieses Bibelkurses, habe ich gedacht, es wäre passend, ein Wort von Jesus für uns wichtig zu machen: Johannes 12.
Denk immer daran, dass Jesus so gesprochen hat, wie es uns im Johannesevangelium berichtet wird. Matthäus, Markus und Lukas haben seine Worte eher in die griechischsprachige Welt übersetzt und übertragen.
Der Ruf zum Dienst und Nachfolge
In Johannes 12,26 spricht Jesus: „Wer mir dienen will, der folge mir nach. Und wo ich bin, da soll auch mein Diener sein.“ Damit sind auch die Dienerinnen gemeint. Und weiter sagt er: „Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“ Dieses Wort vom Dienen wird dreimal betont: „Wer mir dienen will, der folge mir nach“, „wo ich bin, soll mein Diener und meine Dienerinnen auch sein“ und „wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“
Wie viele Erwartungen stecken in diesem Wort vom Dienen! Schwester Friedrich, soll man es ruhig herstellen? Danke!
Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehen. Er hebt und trägt uns ohne Ende, wenn wir uns in seinem Dienst üben. Für mich begann ein entscheidender Schritt im Glauben im Jahr 1949, schon lange her, bei einem großen Landeszeltlager. Dort war die Losung: „Welch ein Herr, ihm zu dienen, welch ein Stand.“
Ich höre auch heute noch die Stimme des Reichssingewarts Rozek, damals gab es noch so schöne Titel wie Reichssingewart. Er hatte eine etwas knödelnde Stimme und hat uns Hunderten von jungen Burschen, zum Teil im Stimmbruch, zum Teil auch später nicht schön, beigebracht: „Dienet, dienet, dienet dem Herrn mit Freuden, mit Freuden!“
Wie sollte man da nicht mit Freuden dienen, mit Hohohoheiden, oder? Es wäre schön, wenn es nicht auch so wäre, dass einem besonders nach einem langen Leben klar wird: Der Herr hebt und trägt ohne Ende die, die sich in seinem Dienst üben.
Oh, wie musste mein Herr mich tragen, trotz so viel Oberflächlichkeit, so viel Ungeduld und meinen Eigenarten!
Selbstreflexion im Dienst und die Herausforderung des Dienens
Ari Ochsenbein, der große Seelsorger aus Straßburg, hat einmal eine Pfarrgruppe, in der ich war, gefragt: „Ihr meint, ihr steht im hauptamtlichen Dienst. Dient ihr euch eigentlich nicht selbst?“
Es ist doch schön, vor einer Gruppe von Menschen zu stehen, die zuhören – ganz anders als in der Schule, wo die Schüler nicht aufpassen, oder? Dient ihr euch nicht selbst? Ist das nicht schön für euch? Mit Dienstwagen und Dienstbezügen, mit Dienstwohnung – da wird alles schön für euch angesehen: der Herr Pfarrer. Oh, wie musste Jesus mich tragen! Und mit meinem Selbst dient ihr euch nicht selbst?
Warum bin ich eigentlich so schnell beleidigt, wenn man mich im hauptamtlichen Dienst behandelt wie den letzten Schuhabstreifer? Ich habe mindestens den Eindruck, wie der letzte Bosselbube behandelt zu werden: „Das kann er auch noch machen.“ Jetzt bin ich schon vier Wochen krank, und er hat noch keinen Besuch bei mir gemacht. Die haben es mir wissen lassen – allein, Pfarrer wissen doch alles, oder?
Dann werde ich grantig, werde böse, die Dumme – Entschuldigung, ich will ja gar nicht alles sagen. Ist das nicht mein Selbst? Dient ihr euch nicht selbst? Will ich wirklich dem Herrn dienen?
Von Hiller gibt es den schönen Vers: „Oh Heiland, nur dir diene ich gern.“ Ja, ja, nur dem Heiland will ich dienen und vergessen, was Menschen von mir erwarten – auch wenn es im hauptamtlichen Dienst unmöglich erscheint.
Mir hat einmal ein Kirchengemeinderat, der sich gern eingesetzt hat, in unserer Gemeinde Gemeindeglieder zu begrüßen und ihnen das Gesangbuch zu geben, gesagt: „Und wenn ich es mache, dann höre ich, wie andere sagen, der nimmt sich selber so wichtig, dass er meint, ohne ihn geht es nicht.“
Mit Christen kann man gehässig sein. Wenn andere einen Dienst tun wollen, sagen die anderen: „Er tut es ja nur für sich selbst.“ Mit Mitchristen kann es sehr schwierig sein.
Die Herausforderung der Gemeinschaft und der Dienstfreude
Ich darf zurzeit in Korntal wohnen. Dort wollte Gottlieb Wilhelm Hofmann um 1819 eine echte Gemeinde gründen, bestehend aus Leuten, die bewusst Christ sein wollten. Bald merkte er jedoch: Wenn ich 300 Leute beieinander habe, die bewusst Christ sein wollen, habe ich 300 Päpstlein beieinander. Jeder weiß besser, wie es sein soll. 300 Rechthaber, die alle im Dienst Jesu stehen wollen und zugleich alle Chefs sein möchten.
Ich habe es noch im Ohr, wie einer unserer schwäbischen Jugendreferenten bei einem Ostertreffen, das er vorbereitet hatte, eine Gebetsgemeinschaft leitete. Danach gab es Frühstück und anschließend einen gemeinsamen Gottesdienst. Die Teilnehmer waren jedoch nicht so pünktlich, wie es in Eidligen üblich ist. Sie kamen zu spät zum Frühstück und auch zu spät zum Gottesdienst. Während des Gottesdienstes rief einer in der Kirche: „Ich habe den Saftladen hier satt!“ und verließ den Raum, ohne weiter teilzunehmen.
Dienet dem Herrn mit Freude, gell! Jesus sagt nicht: „Kommt her zu meinem Dienst, euch stellt!“ So steht es zwar im Gesangbuch, doch Jesus drückt sich viel verhaltener aus, ganz ohne Pathos. Er sagt: „Wer mir dienen will, wer mir dienen möchte, wer wirklich gerne in meinen Dienst geht.“ Niemand wird gedrängt oder feierlich aufgerufen. Ganz anders ist es bei der Aussage: „Wer mir dienen will.“ So hat Jesus gesprochen. Matthäus berichtet es ja auch: „Wer mir nachfolgen will, wer möchte?“ Möchtest du es nicht?
Das ist ganz anders als bei jenem Zeltevangelisten, den ich im Remstal hörte. Er sprach mit schweizerischem Akzent und rief: „Wenn du wirklich glauben willst, musst du dienen. Dann geh auf eine Bibelschule und geh in die Mission!“ Nein, Jesus sagt nicht so. Jesus sagt: „Wer mir dienen will.“
Die Einladung Jesu zum Dienst und Nachfolge
Und dann sagt Jesus nicht etwa: „Ich trete ein für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, ich besuche Gefangene und Kranke, ich speise die Hungernden.“ Stattdessen sagt er: „Wer mir dienen will, der komme doch mal her zu mir und folge mir nach.“
Hören Sie diesen werbenden, einladenden Ton von Jesus: „Wer mir dienen will.“ Ich denke, meine Mutter hätte es damals aufgenommen, als ich mich nach dem Abitur zum Theologiestudium entschloss. Sie sagte: „Willst du das wirklich? Ich freue mich, wenn du es machst, aber willst du es wirklich? Du darfst es nicht tun, nur weil ich es will.“
Wir haben genug vollmachtlose Pfarrer, wir brauchen nicht noch einen mehr. Willst du wirklich? Wenn mir jemand nachfolgen will, ist das wirklich dein eigener Wille? Hören Sie heraus, dass Jesus sagt: „Wer mir dienen will, willst du mir wirklich dienen in einer Welt, in der ich sonst doch keine Rolle spiele?“
Willst du mir wirklich dienen, obwohl der normale Mensch durch und durch krank ist am Egoismus? Willst du mir dienen, auch in Augenblicken, in denen du eigentlich den Eindruck haben müsstest, ein Knecht der Menschen zu sein? „Wer mir dienen will“ – Jesus hat sich so sehr gefreut, wenn da eine Bereitschaft war, ihm zu dienen.
Er hätte ja auch sagen können: „Ihr seid vermessen, ihr meint, mir dienen zu müssen. Ich bin der Sohn Gottes, dem alle Dinge zu Gebote stehen. Vermesst ihr euch nicht? Überschätzt ihr euch nicht, dass ihr mir dienen wollt?“ Nein, Jesus hat sich gefreut über Johanna, die Frau des Chusa, und Maria von Magdala, die ihm mit ihrer Habe dienten (Lukas 8).
Er hat sich gefreut, dass er Petrus bitten durfte: „Könnte ich nicht dein Boot benutzen und deinen Dienst als Fährmann, damit ich von deinem Boot aus sprechen kann?“ Er hat sich gefreut, dass da der Knabe war, der im Rucksack die Marschverpflegung von fünf Broten und zwei Sardinen hatte. „Darf ich es benutzen für die Speisung?“
Er hat die Gastfreundschaft des Zachäus in Anspruch genommen und wollte bei ihm einkehren. Den Mann, dem der Saal gehört in Jerusalem, wo das Passah gefeiert wird, wird er finden. Der Herr braucht es, dem der Esel gehört, auch das Eselspülen.
Jesus hat gerne in Anspruch genommen, wenn die Menschen ihm dienen wollten. Er hat sich gefreut, wenn diese Bereitschaft da war, ihm zu dienen.
Das Bild des Dienens und die Einladung zur Gemeinschaft
Durch Jahrhunderte hindurch war die beliebteste Darstellung in sehr vielen Kirchengebäuden an die Wand gemalt die Gestalt des Christophorus. Dieser mächtige Fährmann trug das kleine Jesuskind schützend und hilfreich über die reißenden Fluten.
Das war das Sehnen vieler Christen durch die Jahrhunderte hindurch: Wir wollen den schwachen, verachteten Jesus schützen und ihn tragen. Wer mir dienen will – hören Sie diesen Satz: Willst du mir dienen? Du musst nicht. Ich freue mich, wenn du willst. Dann komm, es gibt eine Fülle von Dingen zu tun.
Nein, so sagt es Jesus nicht. In der Bibel ist jeder kleine Unterton, jeder Nebensatz wichtig. Wir sind durch unser Schnelllesen versucht, immer darüber hinwegzuhuschen. Wir müssen wieder anfangen, hörend oder – wie man heute neudeutsch sagt – meditativ Bibel zu lesen, Jesusworte zu lesen.
Wer mir dienen will, der kremple die Arme hoch? Nein, der folge mir nach, der komme zu mir. So beginnt Nachfolge. Herr, Piss am Ohr, akkulutä so mei, her zu mir – es war der Grundruf Jesu. Du willst dienen? Jetzt komm doch mal zu mir. Du willst etwas für mich tun? Komm zu mir und bleib bei mir.
Noch einmal denke ich an meine Mutter: Wenn wir Sonntagmittags zu Besuch kamen und sie schon in Erwartung einer der Kinderfamilien ein großes Sonntagsessen vorbereitet hatte, das vor sich hingeschmort hat. Und wir sagten zur alten Mutter: Können wir nicht etwas in der Küche helfen? Dann konnte sie antworten: Ihr könnt mir am meisten helfen, wenn ihr euch ganz schnell hinsetzt und viel esst.
Wenn ein Arzt eine Sprechstunde eröffnet und man ihm sagt: Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein mit Ihrer neuen Praxis? Dann sagt er: Ihr könnt mir am besten helfen, wenn ihr meine Patienten werdet – und auch andere mitbringt.
So sagt Jesus: Willst du mir dienen, willst du mir helfen? Komm doch! Du machst mir die größte Freude, die größte Hilfe, wenn du zu mir kommst. Dazu bin ich in die Welt gekommen, um Menschen zu sammeln, nicht damit ihr Aktivisten werdet. Zur Heilung braucht doch niemand Taglöhner, auch keine Assistenten.
Die richtige Haltung zum Dienst und die Rolle Jesu
Ich habe es schon oft gesagt, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Ich halte den gut gemeinten Spruch, der in unseren Tagen oft zitiert wird, als wäre er ein Bibelwort, für eine Vermessenheit. Dieser Spruch lautet: „Jesus hat keine anderen Hände als unsere Hände.“
Ha, Jesus hat ganz andere Hände als meine schwachen Hände. Er braucht doch meine Hände nicht – er, der Herr über Himmel und Erde.
Es besteht die Gefahr, dass wir heute das Christsein so darstellen wie eine der anderen Religionen. In allen Religionen spielt die Aufforderung eine Rolle: Du musst etwas tun, du musst helfen, du musst dich einsetzen, du musst selbstlos sein. Die Vorbilder und Aufrufe sind in allen Religionen wichtig.
Ganz nah bei Jesus ist jedoch, dass er etwas an mir tun will, dass er etwas für mich tun will. Dass ihm meine Armseligkeit und Bedürftigkeit nicht zu wenig sind.
Wer mir dienen will – das ist, wie die Mutter gesagt hat: Der kommt schnell, setzt sich hin und isst etwas. „Komm, ich habe etwas vorbereitet für dich.“
„Folge mir nach!“
Je länger man sich diesem Jesuswort aussetzt, desto mehr erschließen sich einem Horizonte: „Wer mir dienen will, der folge mir nach!“
Die Nähe Gottes und die Bedeutung der Nachfolge
In Israel war es ein besonderes Vorrecht, Gott so nahe zu sein. „Wo ist ein Volk wie du, dem Gott so nahe ist, wie dir, so oft du ihn anrufst?“ Dieses Vorrecht gehörte Israel. Im Laufe der Zeit, wie Sie im Alten Testament lesen können, wurde daraus: Gott zu dienen, das heißt, dem Herrn zu dienen.
Man kann sich vorstellen, wie der heilige, ewige Gott sagt: „Ich will euch nahe sein. Es sollte eure Herrlichkeit sein, dass ich euch ohne Ende trage, bewahre und führe.“ Doch nun machen die Menschen daraus: „Wir wollen Gott dienen.“ Wenn es gut läuft, dienen sie dem Herrn mit Freuden.
Der Herr Jesus hat diese Vorstellung, die auf dem Kopf stand, wieder geradegerückt. Wer dienen will, wer ihm dienen will und dem Vater dienen möchte, der komme zu ihm und bleibe in seiner Nähe.
Nachfolge in Israel bestand im Institut des Rabbinats. Ein Rabbi hatte Jünger, die ihm folgten und auf seine Lehre hörten. Bis heute spielt im Judentum das Lehrhaus eine große Rolle. Die Schüler nahmen die Lehre in sich auf, fast wie durch Inhalation, und lernten. Wichtig war vor allem, dass die Lehre in sie hineinströmt und sie sie aufnehmen.
Jesus aber sagte: „Wer mir dienen will, der komme zu mir und bleibe bei mir.“ Es ging ihm darum, dass Menschen aus der Gottferne heimkehren. Wie Jesus selbst sagte: „Wie oft habe ich euch sammeln wollen!“ Nicht wie ein Rabbi, der seine Jünger sammelt, sondern wie eine Gluckhenne, die ihre Küken unter die Flügel nimmt, sie wärmt, schützt und bewahrt.
Damit in der Christenheit niemand missversteht, hat Jesus durch seinen Apostel Paulus immer wieder klargemacht: Ihr seid durch Gott berufen, zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus (1. Korinther 1,9). Der erste Gedanke am Morgen soll sein: „Mein Jesus“ – nicht ein langes Gebet, sondern die Nähe zu Jesus, die den Tag über begleitet.
Ich denke, wir ahnen kaum, wie nahe Jesus unserer Welt ist. Manche fragen: „Wo sehen wir denn, dass Jesus alle Macht im Himmel und auf Erden hat?“ Da ist Not im Sudan, Überschwemmung in Reutlingen, und Politiker handeln fragwürdig. Doch wenn Jesus unsere Welt nicht in seinen starken Händen tragen würde – und bis heute tut er das –, dann hätte sich die Welt längst vergiftet und die Luft wäre zerstört.
Jesus ist unserer Welt näher, als wir ahnen. Die Frage ist nur, ob er in unser Leben hineinwirken darf. Jesus drängt sich nicht auf. Wer ihm nachfolgen will, der folge ihm. Denn wo Jesus ist, da sollen auch seine Dienerinnen und Diener sein, die ihm dienen wollen.
Die bergende Nähe Jesu und ihre Wirkung
Was kann Jesus bieten, wenn wir ihm nahe sind?
Einmal, wie wir eben gehört haben: Jesus kann uns unvorstellbar bergen. Er hat es in einem Bild aus der Schöpfung ausgedrückt, wie eine Gluckhenne ihre Küken unter ihre Flügel sammelt. Er kann uns bergen.
Noch schöner hat Jesus es im großen Gebet in Johannes 17 gesagt: „Vater, wie du in mir bist und ich in dir, so bitte ich, lass auch meine Jünger und Jüngerinnen bei dir und mir geborgen sein.“ Eingehüllt in eine unerklärliche Gottesnähe.
Mit Jesus sagen wir: Vater, ich will, dass das, was ich erlebe, dass meine Gedanken bestimmt sind durch dich. Dass du mich leitest, dass du mich schützt, auch in der größten Not und Angst. Vater, du bist da, in deine Hände befehle ich meinen Geist.
So bitte ich dich – so hat Jesus für uns schon gebetet –, dass wir genau so hineingenommen sind in Gottes Nähe. Komme doch zu mir.
Was kann uns sonst noch aufgehen? Was können wir bei Jesus haben?
Wir können begreifen, dass wir das Wort vom Dienen ein bisschen vorsichtiger in den Mund nehmen sollten. Ich war als junger Vikar ganz geehrt, so im hauptamtlichen Dienst zu stehen, und habe auch gerne das, was in unserer württembergischen Taufagende steht, mit hohem Respekt nachgesprochen.
Richtig hoch geehrt habe ich mich gefühlt, als ich einmal gefragt wurde: „Wie, so ein verordneter Diener der christlichen Kirche?“ So hat mir ein Kirchengemeinderat von Söflingen grinsend gesagt: „Wir als ordentliche Verdiener der christlichen...“
Der Preis der Nachfolge und das Leiden Jesu
Was ist der Preis der Nachfolge, der Preis, bei Jesus zu sein, der Preis des Dienstes? Professor Traugott Hahn, der im Januar 1919 von bolschewistischen Trupps erschossen wurde und einer der Märtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts ist, hat das immer schon gepredigt. Er sagte: Wir müssen bereit sein, auch den Preis unseres Lebens zu zahlen. Sonst ist alles Geschwätz mit unserem Glauben. Und er hat auch sein Leben hingeben müssen.
Der Preis, bei Jesus zu sein, kann sein, dass wir es mit Jesus erleben: „Vater“, so heißt es gleich anschließend an diesen Vers, „jetzt ist meine Seele betrübt, ich habe Angst.“ Er zittert, der Schweiß fließt wie Blutstropfen, er fing an zu zittern und zu zagen.
Als ich das letzte Mal da war, durfte ich auslegen, was es heißt, in die Hände von Menschen gegeben zu werden. Der Sohn Gottes – das ist der Preis, dass man da sein kann, Menschen ausgeliefert, ihrem Geschwätz, ihrer Beurteilung, ihrem Hass, ihren Erwartungen.
Was soll ich sagen? So ist von Jesus berichtet: Jesus fragte: „Was soll ich sagen, was soll ich beten? Vater, hilf mir aus dieser Stunde, dazu bin ich doch in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen, mach trotz allem, was mir schwer werden will, deinen Namen herrlich, verkläre deinen Namen.“
Das kann der Preis sein, wenn man Jesus dienen will und plötzlich Menschen ausgeliefert ist. In einer Welt, die Jesus abgestoßen hat. Wir werden noch viel mehr hineinkommen, auch wieder in Zeiten, wo man es Christen spüren lässt: „Wir brauchen euch nicht, ihr geht uns auf die Nerven.“ Wo man uns abstößt. Das kann der Preis dafür sein, wenn wir bei Jesus sind.
Das ist das Wesen des Dienstes. Jesus macht uns das klar im Vers zuvor: „Wer mir dienen will“, hat Jesus das schöne Bild gesagt: „Wenn ein Weizenkorn nicht bereit ist, in die Erde zu fallen und dort zu sterben, gibt es keine Frucht.“ Wenn wirklich aus eurem Leben etwas herauskommen soll, müsst ihr bereit sein, mit all dem, was euch sonst wichtig ist, zu sterben. Oder sind wir noch weit davon entfernt? Meine Ehre, meine Lebensgier – ich musste erst krank werden, um zu begreifen, dass ich das nicht richtig verstanden habe. Wie sehr man an dem fetzen Leben hängt, an jedem Tag!
Bei Jesus erfahren wir: Wer zu Jesus kommt, wer mir dienen will, der komme zu mir. Und wenn wir zu ihm kommen, erfahren wir, dass man bei Jesus Gottes Nähe in bergender Hilfe erleben kann. Man kann lernen, dass das einen Preis hat, das Dienen. Aber man kann auch begreifen: Jesus will zuerst mir dienen.
Die Bedeutung des Dienens und der Begriff der Diakonie
Jetzt möchte ich noch ein wenig über den Begriff „dienen“ beziehungsweise „Dienst“ sprechen. In unserer Alltagssprache ist der biblische Sinn des Dienens oft ganz verloren gegangen.
In meinen jungen Jahren hatte ich zweimal in der Woche, mittwochs und samstags, Dienst im Jungvolk der Hitlerjugend. Oh, das war langweilig! Wir mussten Lieder lernen, aber es hat mein Gedächtnis geschult.
Es gibt Wetterdienst und Fahrdienstleiter, Dienstautos, sogar Dienstflüge oder Ersatzmeilen. Es gibt Dienstverträge, Lokomotiven, die außer Dienst gestellt sind, und Prälaten, die außer Dienst sind – also auf dem Abstellgleis.
Sogar Ärzte waren Sklaven, wenn sie sich mit Eingeweiden, Gebiss und Eiter abgeben mussten. Das war Sklavengeschäft. Es konnte eine ganz wichtige Tätigkeit sein, aber Dienen war Sklavenarbeit, Kuli-Arbeit.
Die Bibel scheut sich nicht, manchmal die großen Hilfen Gottes so darzustellen: Gott warf unsere aller Sünde auf ihn und machte ihn zum Knecht – zum Gottessohn Jesus.
Aber Jesus selbst benutzt ein ganz neues Wort: nicht Dulden, nicht Sklavendienst, sondern Diakonie. Bei den meisten Menschen denken die Worte „Diakonie“ oder „Diakone“ oft nur an die Diakonissen von Eidelingen und anderen Orten.
Wenn es um Opfer für die Diakonie geht, kommt dreimal so viel zusammen wie sonst, wenn man einfach für Wohlfahrt spenden würde.
Jesus hat dieses Wort benutzt. Im ganzen Alten Testament gibt es das Wort „Diakon“ gar nicht. Es war ein ganz neues Wort, das Jesus vom Dienen ganz neu gebraucht hat, weil er etwas Neues ausdrücken wollte.
Er sagte: Wer mir dienen will, der soll bei mir sein und kann bei mir das Dienen lernen. Jesus hat gesagt: Wer der Vornehmste sein will, der sei unter euch als Diener, als Diakonos.
Er ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen (Matthäus 20,28), sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld zu geben.
Die neue Bedeutung des Dienstes bei Jesus
Diakonien – Was wollte Jesus mit diesem neuen Begriff aussagen?
Es geht nicht um Sklavendienste oder Kadavergehorsam. Jesus sagt nicht: „Ich muss das tun, ich bin vom Vater gezwungen.“ Auch ist er nicht durch die Not der Menschen genötigt, zu helfen. Das Besondere an Jesus und seinem Dienst ist die völlige Übereinstimmung mit dem Rettungswillen Gottes, mit dem Vater.
In der Leidensgeschichte wird das deutlich: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.
Paulus hat diese Haltung im Philipperbrief aufgegriffen (Philipper 2). Er beschreibt, wie Jesus sich selbst entäußerte und erniedrigte. Das, was wir tief in uns tragen, dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Einer meiner Lehrer sagte immer: „Jeder ist so viel wert, wie er sich gefallen lässt.“ Das habe ich gelernt, und so habe ich meine Ellbogen benutzt.
Bei Jesus war es anders: Er gab sein ganzes Selbst auf und übergab sich dem Vater mit den Worten: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Er stellte sich ganz für die Menschen zur Verfügung.
Wir leben heute in einer Zeit, in der man Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Reich Gottes, die dienen wollen, oft einredet: „Das darfst du dir nicht gefallen lassen! Diese Entlohnung ist ein Hungerlohn. Du darfst dir nicht gefallen lassen, dass du fast eine 50-Stunden-Woche hast. Du hast auch ein Recht auf ein Privatleben.“ So pusht man einander auf: „Du hast doch noch ein Selbst. Du kannst doch nicht jeden Abend irgendwo sein – Männerfest, Kirchengemeinderat, Vorbereitung für den Kindergottesdienst. Du lebst doch auch selbst!“
Was hatte Jesus eigentlich noch für sich selbst? Wenn er eine ruhige Stunde hatte, verbrachte er sie im Gespräch mit dem Vater. Nicht weil er musste oder dachte: „Jetzt muss ich aber heute Abend noch beten, ich habe es beinahe vergessen.“ Sondern weil er es wollte.
Wenn er die Menschen sah und es ihn jammerte, dann war sein Wille, zu helfen.
Diakonien, das Dienen, bedeutete für Jesus, dass es nie mehr darum ging: „Wo bleibe ich denn selbst?“ Sondern: „So, Vater, was willst du, und wo werde ich gebraucht?“
Das verdient erst den Begriff des Dienstes. Das verdient den herrlichen neuen Begriff, den Jesus uns wichtig gemacht hat.
Deshalb ist es so verlässlich: Wenn Jesus uns dient, geht es ihm überhaupt nicht um sich selbst, sondern zu hundert Prozent darum, was der Vater für ihn will.
Wer mir dienen will, wer mir gern dienen möchte, der kommt doch zu mir in meine Behandlung.
Die Fürsorge Jesu und die Einladung zur Hingabe
In der zurückliegenden Krankheitszeit habe ich viel Hilfe erfahren, zunächst im Stuttgarter Marienhospital. Danach erhält man dort einen Ausweis, in den alle Nachuntersuchungen und Testuntersuchungen eingetragen werden müssen.
Schließlich sagte die Oberärztin im Marienhospital zu mir: „Sagen Sie mal, Sie beschäftigen eine ganze Latte von Laboren und Ärzten. Warum kommen Sie denn nicht zu uns? Wir haben doch die Verantwortung für Sie übernommen.“ Da wurde mir klar: Diese Aussage kommt nicht nur von der Oberärztin, sondern so spricht auch der Herr Jesus. Er sagt: „Ich habe doch die Verantwortung für dich übernommen. Warum suchst du alle möglichen Ratschläge und Hilfen? Komm doch zu mir! Ich bin zuständig und ganz dafür da, dass der gute Wille des Vaters bei dir ganz durchkommt.“
Der Dienst Jesu ist selbstlos und ganz für uns hingegeben. Auch wenn es schwerfällt: Wer sein Leben hingibt wie das Weizenkorn, der erlebt, dass Frucht daraus wird. Jesus sagt: „Wer mir dienen will, folge mir nach. Wo ich bin, soll auch meine Dienerin, mein Diener sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren, so wie der Vater später seinen Namen verherrlichen wird.“
Manchmal meint man, man käme unter die Räder oder würde bei Jesus verheizt. Doch man ahnt nicht, welche Ehre der Vater hineinlegen kann und wie er seinen Namen verherrlichen wird, wo Recht gedient wird. Bis heute ist vor Gott und für Gott nichts herrlicher oder vollkommener als der Name „Herr Zebaoth“, König aller Könige, der ewige Gott, der Wahrhaftige, der Richter der ganzen Welt. Noch herrlicher ist der Name des Vaters des Jesus Christus, der herrlichste Name.
Dort hat Gott alle Ehre hineingelegt. Wir müssen langsam begreifen, dass es majestätisch ist, Alpengipfel zu sehen oder die Weite des Meeres zu betrachten – das ist grandios! Ein neugeborenes Kind, ein Werk der Schöpfung Gottes, nimmt uns fast den Atem. Aber noch herrlicher ist, noch herrlicher ist die ganze Ehre Gottes, die in Jesus liegt. Jesus hat dich lieb, Jesus hilft dir, Jesus möchte dir dienen. Die ganze Vollkommenheit wird uns erst in Ewigkeit ganz aufgehen.
Wenn das neue Jerusalem geschildert wird und die Vollkommenheit der neuen Welt, dann steht in der Mitte Gott und das Lamm, der uns gedient hat. Gott könnte seinen Namen noch viel mehr auch bei uns verherrlichen, wenn wir bei Jesus ein klein wenig lernen, was Dienen heißt: selbstlos zu dienen und darauf zu warten, wie viel Herrlichkeit Gott hineinlegen kann. Er, der ohne Ende lebt und trägt, wird die, die sich in seinem Dienst üben, reichlich segnen.
Die Würde im Dienst und die Ermutigung zur Treue
Anlässlich des achtzigsten Geburtstags war ich im Jahr 1952 bei der großen Festfeier für Professor Karl Heim, einen der bedeutendsten Theologieprofessoren unseres Jahrhunderts. Er war einst ein hervorragender Sportsmann und Tennisspieler, stets gut gekleidet.
Nun wurde er zu seinem achtzigsten Geburtstag im Rollstuhl hereingefahren. Man musste genau hinsehen, ob er überhaupt noch am Leben war oder ob er einer Mumie glich. Man hatte Mitleid mit dem armen alten Mann, der all die Reden von Staat, Universität und Kirche über sich ergehen lassen musste.
Als ihm schließlich noch das große Bundesverdienstkreuz umgehängt wurde – der Hals war kaum noch aus dem Kittel herausragend – war das mühsam anzusehen. Trotzdem lag über diesem alten, vertrockneten Mann ein Glanz, eine fast sichtbare und spürbare Würde. Es war, als könne Gott ehren, nicht durch das Bundesverdienstkreuz oder durch Reden, sondern durch den Vater, den wir ehren.
Wir können bis ins Sterben hinein in diese bergende, strahlende Gottesnähe aufgenommen sein.
Besonders eindrücklich war es, als das Händeschütteln begann. Karl Heim hatte die etwas merkwürdige Tübinger Studentenverbindung gegründet, den sogenannten Tübinger Bibelkreis, dem ich damals angehörte. Ich durfte ihm im Namen der Verbindung die Glückwünsche aussprechen. Er tat dies auf eine besondere Weise: Er bat mich, noch tiefer zu mich zu beugen, und flüsterte mir ins Ohr: „Bleib auch beim einfachen, schlichten, klaren Evangelium von Jesus!“
Er gab mir mit auf den Weg, ein Kennzeichen, das Paulus im Timotheusbrief nennt: So wirst du ein guter Diener Jesu Christi sein, wenn du in Zeiten großer Verwirrung und religiösen Durcheinanders bei der klaren Lehre der Schrift bleibst.
Bleibe auch beim einfachen, klaren und schlichten Evangelium. Ich möchte euch das vom Bibelkurs sagen. Deshalb ist es so wichtig, dass ihr in dieses Evangelium hineingeht und dabei bleibt. So werdet ihr gute Diener und Dienerinnen sein und euch nicht von anderen Stimmen anfechten lassen, wenn ihr bei den klaren Worten unseres Herrn Jesus Christus bleibt.
Die Einladung Jesu zur Gemeinschaft und zum Lernen
Haben Sie diese Einladung, diese nicht zwingende, werbende Einladung von Jesus schon gehört? Wer mir dienen will, der komme zu mir, macht Erfahrungen mit mir und lässt zuerst einmal mich dir dienen.
Wir ahnen oft nicht, was der Herr Jesus noch bei uns zu schaffen hätte. Wir meinen immer, es sei schon ziemlich das meiste geschafft. Doch lass doch mal Jesus anfangen, in deinem Gewissen zu arbeiten, in deinem Wollen deine Selbstzucht abzufeilen, dir eine Liebe zu anderen Menschen zu geben, mehr Geduld in dein Leben zu bringen und mehr Verständnis für andere Menschen zu wecken. Jetzt lass mich doch zuerst dir dienen.
Wer mir dienen will, der komme zu mir.
Wir wollen miteinander beten: Herr Jesus, danke, dass du uns so einlädst und nicht zuerst aufdeckst, was alles falsch ist und was dir Not macht. Sondern dass du einfach jetzt sagst: „Komm doch zu mir!“
Dass wir bei dir lernen dürfen, in deiner bergenden Nähe uns erschließen dürfen und alle Verhärtungen sowie alle Selbstsucht ablegen.
Ach, danke, Herr, dass wir dein Wort haben, das verlässliche Wort. Dass wir nicht bloß zu einer Religion kommen müssen, zu einem Dogma oder zu einer Verhaltensweise, sondern zu dir, dem lebendigen, ewigen Sohn Gottes, zu dem Arzt aller Ärzte, zur Majestät ohnegleichen, zum Vollkommenen, der uns ewig bei sich haben will – bis in deine kommende Welt hinein.
Amen.